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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: C-87/00
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1101/95 des Rates vom 24. April 1995 geänderten Fassung, Verordnung (EG) Nr. 779/96 der Kommission vom 29. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1785/81 hinsichtlich der Mitteilungen im Zuckersektor, Verordnung (EG) Nr. 1361/98 des Rates vom 26. Juni 1998


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1101/95 des Rates vom 24. April 1995 geänderten Fassung Art. 3 Abs. 4
Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1101/95 des Rates vom 24. April 1995 geänderten Fassung Art. 3 Abs. 5
Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1101/95 des Rates vom 24. April 1995 geänderten Fassung Art. 5 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 779/96 der Kommission vom 29. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1785/81 hinsichtlich der Mitteilungen im Zuckersektor Art. 14 Nr. 1
Verordnung (EG) Nr. 1361/98 des Rates vom 26. Juni 1998 zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise für Weißzucker, des Interventionspreises für Rohzucker, der Mindestpreise für A- und B-Zuckerrüben sowie der Vergütung zum Ausgleich der Lagerkost
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 12. Oktober 2004. - Roberto Nicoli gegen Eridania SpA. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Giudice di pace di Genova - Italien. - Zucker - Preisregelung - Regionalisierung - Zuschussgebiete - Einstufung Italiens - Wirtschaftsjahr 1998/99 - Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 und Verordnung (EG) Nr. 1361/98 - Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98. - Rechtssache C-87/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-87/00

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom Giudice di pace Genua (Italien) mit Entscheidung vom

28. Februar 2000

, beim Gerichtshof eingegangen am

7. März 2000

, in dem Verfahren

Roberto Nicoli

gegen

Eridania SpA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann und R. Schintgen sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von R. Nicoli, vertreten durch G. Conte und B. Della Barile, avvocati,

- der Eridania SpA, vertreten durch I. Vigliotti und C. Cacciapuoti, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis und A. Cingolo, avvocati dello Stato,

- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch F. P. Ruggeri Laderchi als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

18. Mai 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 177, S. 4) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1101/95 des Rates vom 24. April 1995 (ABl. L 110, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1785/81) und die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1361/98 des Rates vom 26. Juni 1998 zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise für Weißzucker, des Interventionspreises für Rohzucker, der Mindestpreise für A und BZuckerrüben sowie der Vergütung zum Ausgleich der Lagerkosten für das Wirtschaftsjahr 1998/99 (ABl. L 185, S. 3).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Nicoli, einem Zuckerrübenerzeuger in Italien (im Folgenden: Kläger), und der Eridania SpA, einem Zucker produzierenden Unternehmen, dem der Kläger Zuckerrüben geliefert hat (im Folgenden: Beklagte), über die Richtigkeit der Einstufung Italiens als Gebiet ohne Zuschussbedarf für das Wirtschaftsjahr 1998/99 und damit die Richtigkeit des Fehlens eines abgeleiteten Interventionspreises für Weißzucker für die Gebiete dieses Mitgliedstaats sowie des Fehlens von an die Zuckerrübenerzeuger zu zahlenden erhöhten Mindestpreisen.

Rechtlicher Rahmen

Die gemeinsame Marktorganisation für Zucker

3. Im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker wurde mit Titel I der Verordnung Nr. 1785/81 eine Preisregelung und mit Titel III eine Quotenregelung eingeführt.

4. Im Rahmen der Quotenregelung wird jedem Mitgliedstaat u. a. eine Grundmenge für die nationale Produktion zugeteilt. Diese Menge wird innerhalb jedes einzelnen Mitgliedstaats nach den in der Verordnung Nr. 1785/81 festgelegten Kriterien in Form von A und BProduktionsquoten unter den Erzeugerunternehmen aufgeteilt. Für diese beiden Quoten gilt eine Garantie des Absatzes sowohl auf dem Gemeinsamen Markt als auch in Drittländern mittels eines Interventionspreises für Weißzucker und ein angemessenes Entgelt, das allerdings unterschiedlich hoch ist, da die BQuote höheren Beiträgen unterliegt. Wird eine - CZucker genannte - Überschussproduktion von den Erzeugerunternehmen in den Grenzen der festgesetzten Mengen nicht unter Anrechnung auf die Erzeugung des folgenden Wirtschaftsjahres auf dieses Wirtschaftsjahr übertragen, so muss sie ohne Intervention der Gemeinschaft in Drittländer ausgeführt werden.

5. Nach der Preisregelung werden jährlich die Preise für das Wirtschaftsjahr festgesetzt, das am folgenden 1. Juli beginnt. Dazu bestimmt Artikel 3 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 1785/81:

(4) Der Interventionspreis für Weißzucker wird vor dem 1. August für das am 1. Juli beginnende darauf folgende Wirtschaftsjahr nach dem Verfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages festgesetzt.

Nach dem gleichen Verfahren bestimmt der Rat die Standardqualität, für die dieser Preis gilt.

(5) Gleichzeitig mit dem Interventionspreis für Weißzucker bestimmt der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit jährlich den Interventionspreis für Rohzucker und die abgeleiteten Interventionspreise.

Nach dem gleichen Verfahren bestimmt der Rat die Standardqualität, für die der Interventionspreis für Rohzucker gilt.

6. Es gibt zwei Kategorien von Interventionspreisen für Weißzucker: Der eigentliche Interventionspreis gilt für den in Gebieten ohne Zuschussbedarf produzierten Zucker, der abgeleitete Interventionspreis für den in Zuschussgebieten produzierten Zucker. Der für die Zuschussgebiete festgesetzte Preis ist höher als derjenige für die Gebiete ohne Zuschussbedarf. Diese in die Preisregelung eingeführte Unterscheidung ist unter der Bezeichnung Regionalisierung bekannt.

7. Parallel zum Zuckerpreis wird nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1785/81 jährlich gleichzeitig mit dem Interventionspreis für Weißzucker ein Mindestpreis festgesetzt, zu dem die Zuckerfabriken die Zuckerrüben von den Erzeugern abnehmen müssen. Wie bei Zucker gibt es auch bei Zuckerrüben zwei Kategorien - A und B -, die dem AZucker und dem BZucker entsprechen, für den sie den Ausgangsstoff bilden.

8. Zur Aufrechterhaltung des Gleichlaufs mit der anwendbaren Zuckerregelung bestimmt Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1785/81: Für Gebiete, für die ein abgeleiteter Interventionspreis für Weißzucker festgesetzt ist, werden die Mindestpreise für AZuckerrüben und BZuckerrüben um einen Betrag in Höhe der Differenz zwischen dem abgeleiteten Interventionspreis für das betreffende Gebiet und dem Interventionspreis erhöht, wobei auf diesen Betrag der Koeffizient von 1,30 anzuwenden ist.

9. Demgemäß sieht das mit der Verordnung Nr. 1785/81 eingeführte System für Zuschussgebiete in den Grenzen der zugeteilten Quote einen höheren Preis für den Ankauf des für die Produktion von Zucker notwendigen Ausgangsstoffs und zugleich die Garantie eines höheren Entgelts für den in diesen Gebieten produzierten Zucker vor.

10. Die Verordnung Nr. 1785/81 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 des Rates vom 13. September 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 252, S. 1) ersetzt, die ihrerseits durch die Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 178, S. 1) aufgehoben wurde.

11. Artikel 14 Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 779/96 der Kommission vom 29. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1785/81 hinsichtlich der Mitteilungen im Zuckersektor (ABl. L 106, S. 9) bestimmt:

Jeder Mitgliedstaat meldet der Kommission

1. alljährlich vor dem 1. September für das vorangegangene Wirtschaftsjahr sowie vor dem 1. Januar für das vorangegangene Produktionsjahr die Daten zur Versorgungsbilanz bezüglich Zucker, Isoglukose und Inulinsirup für den betreffenden Zeitraum nach dem in Anhang II enthaltenen Muster.

12. Die Verordnung Nr. 779/96 enthält in Anhang II eine Tabelle, die als Muster für die Mitteilungen nach ihrem Artikel 14 Nummer 1 zu verwenden ist. Die linke Spalte dieser Tabelle enthält folgende Angaben:

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Die Verordnungen (EG) Nrn. 1360/98 und 1361/98

13. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1360/98 des Rates vom 26. Juni 1998 zur Festsetzung bestimmter Preise im Sektor Zucker und der Standardqualität für Zuckerrüben für das Wirtschaftsjahr 1998/99 (ABl. L 185, S. 1) sind u. a. die Interventionspreise für Weißzucker für das Wirtschaftsjahr festgesetzt worden, um das es im Ausgangsverfahren geht.

14. In der zweiten und der dritten Begründungserwägung der gestützt auf die Verordnung Nr. 1785/81 erlassenen Verordnung Nr. 1361/98 heißt es zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise:

In Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 ist vorgesehen, dass für jedes Zuschussgebiet abgeleitete Interventionspreise für Weißzucker festzusetzen sind. Dabei ist es angebracht, die regionalen Preisunterschiede für Zucker zu berücksichtigen, die bei normaler Ernte und freiem Warenverkehr mit Zucker aufgrund der natürlichen Bedingungen der Marktpreisbildung anzunehmen sind.

In den Erzeugungsgebieten Irlands, des Vereinigten Königreichs, Spaniens, Portugals und Finnlands ist ein Zuschussbedarf vorherzusehen.

15. Da in der Verordnung Nr. 1361/98 für Italien kein abgeleiteter Interventionspreis für Weißzucker festgesetzt wurde, galt der in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1360/98 für das Wirtschaftsjahr 1998/99 festgesetzte Interventionspreis auch für Italien. Italien wurde deshalb wie ein Überschussgebiet behandelt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16. Der Kläger verkaufte der Beklagten mit Vertrag vom 2. Dezember 1997 seine Zuckerrübenerzeugung des Wirtschaftsjahres 1998/99 mit einem Gesamtgewicht von 53,23 t. Die Beklagte zahlte den Betrag von 6 651 350 ITL (3 435,14 Euro), der nicht den der Regionalisierung des Preises entsprechenden Betrag von 421 263,88 ITL (217,56 Euro) enthielt.

17. Da der Kläger meinte, auch auf diesen Betrag Anspruch zu haben, betrieb er gegen die Beklagte ein Verfahren beim Giudice di pace Genua, um die Zahlung des ihm seiner Ansicht nach geschuldeten restlichen Kaufpreises zu erwirken.

18. Das vorlegende Gericht führt u. a. aus, für die Definition der Überschuss- und der Zuschussgebiete sei darauf abzustellen, ob die Erzeugung gegenüber dem Verbrauch überwiege (Überschussgebiete) oder ob der Verbrauch gegenüber der Erzeugung überwiege (Zuschussgebiete).

19. Hinsichtlich des Verbrauchs fragt sich das vorlegende Gericht insbesondere, ob für die Einstufung eines bestimmten Gebietes als Zuschussgebiet der in Italien zu Lebensmitteln, die dann in anderen Staaten verzehrt werden, verarbeitete Zucker, wie es logisch erscheine, als in Italien verbraucht anzusehen ist oder ob nicht vielmehr dieser Zucker als in dem Land verbraucht anzusehen ist, in dem die Lebensmittel verzehrt werden.

20. Unter diesen Umständen hat der Giudice di pace Genua das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

21. Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss des Präsidenten vom 13. April 2000 bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt, das zum Urteil vom 14. März 2002 in der Rechtssache C-340/98 (Italien/Rat, Slg. 2002, I-2663) geführt hat, in der es gerade um die Gültigkeit der Verordnungen Nrn. 1360/98 und 1361/98 ging. Dieses Urteil ist dem Giudice di pace Genua übermittelt worden, und dieser hat in einem am 19. August 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragenen Beschluss vom 30. Juli 2002 die Auffassung vertreten, dass der Gerichtshof nur die erste der drei ihm im Vorlagebeschluss des Giudice di pace Genua gestellten Fragen beantwortet habe.

22. Nach Ansicht des Giudice di pace Genua bleibt noch die zweite Vorlagefrage offen, mit der geklärt werden solle, wie der Begriff Verbrauch in einem bestimmten Gebiet auszulegen sei und ob dieser Begriff auch den zu einem anderen Erzeugnis verarbeiteten Zucker umfasse, das dann in einem anderen Land verzehrt werde. Auch die von ihm vorgelegte dritte Frage sei nicht beantwortet worden. Sie hänge mit der zweiten insofern zusammen, als sie sich aus dieser nicht nur wegen der unzureichenden Begründung der Verordnung Nr. 1361/98, sondern auch deshalb herleite, weil diese Verordnung für kein Gebiet Italiens einen abgeleiteten Interventionspreis festsetze.

23. Demgemäß hat der Giudice di pace Genua dem Gerichtshof unter Aufrechterhaltung der letzten beiden in seinem Vorlagebeschluss vom 28. Februar 2000 aufgeführten Fragen folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Verordnung Nr. 1785/81 dahin auszulegen, dass die Einstufung eines Gebietes als Zuschussgebiet mittels einer Berechnungsmethode vorzunehmen ist, nach der Zucker als in diesem Gebiet verbraucht angesehen wird, wenn er dort in einem anderen Erzeugnis verarbeitet, dieses Erzeugnis aber in einem anderen Land verzehrt wird, oder ist die Einstufung eines Gebietes als Zuschussgebiet mittels einer Berechnungsmethode vorzunehmen, nach der der in diesem Gebiet in einem anderen Erzeugnis verarbeitete, aber in einem anderen Land verzehrte Zucker als nicht in dem Gebiet verbraucht angesehen wird?

2. Ist die Verordnung Nr. 1361/98 gültig, soweit sie für kein Gebiet Italiens einen abgeleiteten Interventionspreis gemäß den Artikeln 3 Absatz 1, 5 Absatz 3 und 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1785/81 festsetzt und hierfür keine Gründe anführt?

24. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 3. September 2002 ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.

Zu den Vorlagefragen

25. Mit den beiden vom Giudice di pace Genua vor dem Gerichtshof aufrechterhaltenen Fragen, die zweckmäßigerweise zusammen zu prüfen sind, soll im Wesentlichen geklärt werden, ob die Verordnung Nr. 1361/98 ungültig ist, soweit wegen einer falschen Methode zur Berechnung des geschätzten Zuckerverbrauchs das italienische Hoheitsgebiet für das Wirtschaftsjahr 1998/99 nicht zu den in Artikel 1 dieser Verordnung aufgeführten Überschussgebieten der Gemeinschaft gerechnet worden ist. Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob diese Verordnung deshalb ungültig ist, weil sie keine Begründung dafür enthält, dass für kein Gebiet Italiens ein abgeleiteter Interventionspreis festgesetzt worden ist.

Zur Tragweite des Urteils Italien/Rat

26. Es ist festzustellen, dass mit dem oben genannten Urteil Italien/Rat entgegen der Auffassung des Rates und der Kommission die Frage nach der Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98 im Hinblick auf die vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegte Methode zur Berechnung des geschätzten Zuckerverbrauchs nicht beantwortet worden ist.

27. Was die Frage nach der Auslegung des Verbrauchsbegriffs angeht, lassen die Randnummern 71 bis 78 des Urteils Italien/Rat erkennen, dass der Gerichtshof nur einen angeblichen Wechsel der von Kommission und Rat zur Beurteilung der künftigen Lage in Italien angewandten Methode untersucht hat.

28. In Randnummer 73 dieses Urteils hat der Gerichtshof insbesondere festgestellt, dass die angewandte Methode darin bestand, die verfügbare Erzeugung, die sich aus den voraussichtlichen Mengen von AZucker und BZucker, gegebenenfalls zuzüglich eines Übertrags von CZucker, zusammensetzte, mit dem voraussichtlichen Verbrauch zu vergleichen.

29. Im Urteil Italien/Rat ist jedoch nicht die Methode zur Berechnung des geschätzten Verbrauchs untersucht und damit auch nicht die Frage nach der Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98 geprüft worden, soweit Italien in dieser nicht als Zuschussgebiet ausgewiesen wurde, weil eine als falsch angesehene Methode zur Berechnung dieses Verbrauchs für das Wirtschaftsjahr 1998/99 angewandt wurde.

30. Dagegen ist den Randnummern 56 bis 63 des Urteils Italien/Rat, in denen der Gerichtshof den Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung der Verordnung Nr. 1361/98 im Hinblick auf Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) geprüft hat, zu entnehmen, dass er diese Begründung als den Anforderungen des Artikels 190 EGVertrag genügend angesehen hat. Der Gerichtshof hat nämlich in Randnummer 63 dieses Urteils festgestellt, dass in dem gegebenen Kontext der einschlägigen Regelungen und der Entwicklung des betroffenen Marktes die in der Verordnung Nr. 1361/98 enthaltene Begründung für die Einstufung Italiens als Gebiet ohne Zuschussbedarf für das Wirtschaftsjahr 1998/99 trotz ihrer sehr knappen Fassung den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebenden Anforderungen an die Begründung genügt habe.

31. Somit kann die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98 nicht wegen einer angeblichen Nichtbeachtung der Anforderungen an die Begründungspflicht in Bezug auf die Entscheidung in Frage gestellt werden, keinen abgeleiteten Interventionspreis für alle Gebiete Italiens festzusetzen.

Zur Methode für die Berechnung des geschätzten Verbrauchs

32. Zunächst ist daran zu erinnern, dass der für das kommende Wirtschaftsjahr geschätzte Verbrauch zu den zwei Faktoren zählt, die die Gemeinschaftsorgane bei der Prüfung der Frage zugrunde zu legen haben, ob für ein bestimmtes Gebiet eine Fehlmenge oder eine Überschusssituation zu erwarten ist. Nach der Verordnung Nr. 1785/81 besteht nämlich dann ein Zuschussbedarf, wenn die verfügbare Gesamterzeugung geringer ist als der Verbrauch (Urteile vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C-289/97, Eridania, Slg. 2000, I-5409, Randnr. 46, und Italien/Rat, Randnr. 76).

33. Die Regelung über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker enthält keine Definition des Begriffes Verbrauch. Auch wenn die Verordnung Nr. 779/96, die zur maßgeblichen Zeit auf das Ausgangsverfahren anwendbar war, in Anhang II Nummer 8 eine Methode zur Berechnung des Gesamtverbrauchs vorsieht, will dieser Anhang doch keine Definition des Begriffes Verbrauch geben, die für die Prüfung der Frage heranzuziehen wäre, ob ein Gebiet ein Zuschuss oder Überschussgebiet ist. Er bezweckt vielmehr, ein gemeinsames Muster für die Mitteilungen der Angaben festzulegen, die im Rahmen verschiedener Mechanismen dieser gemeinsamen Marktorganisation verwendet werden.

34. Es steht jedoch fest, dass sich der Rat und die Kommission auf die Bestimmung des Begriffes Gesamtverbrauch in Nummer 8 dieses Anhangs stützen, um zu ermitteln, ob ein Gebiet Zuschuss oder Überschussgebiet ist. So schätzen sie den Gesamtverbrauch in der Weise, dass sie von den Beständen insgesamt die Summe der Mengen der Lieferungen in andere Mitgliedstaaten, der Ausfuhren in Drittländer und der Endbestände abziehen. Daraus folgt, dass der in anderen Erzeugnissen verarbeitete Zucker, der aus Drittländern eingeführt oder aus anderen Mitgliedstaaten ins Land gebracht wird, berücksichtigt wird, dass aber der in anderen Erzeugnissen verarbeitete Zucker, der in andere Staaten geliefert wird, nicht als im betreffenden Mitgliedstaat verbraucht angesehen wird.

35. Diese Methode zur Berechnung des Verbrauchs wird vom Kläger als in gravierender Weise falsch angesehen, da sie die letztgenannten Mengen nicht als verbraucht in Rechnung stelle.

36. Zum Umfang der vom Gerichtshof ausgeübten gerichtlichen Nachprüfung der Methode, die die Gemeinschaftsorgane zur Feststellung des geschätzten Zuckerverbrauchs für das fragliche Wirtschaftsjahr herangezogen haben, ist darauf hinzuweisen, dass der Rat und die Kommission auf der Grundlage der Angaben der Mitgliedstaaten Vorausschätzungen erstellen müssen, die sich, was die Entwicklung des Verbrauchs betrifft, auf das laufende Wirtschaftsjahr und zugleich, was die Entwicklung der verfügbaren Erzeugung betrifft, auf die Aussichten für das kommende Wirtschaftsjahr beziehen (Urteil Eridania, Randnr. 47).

37. Da die Gemeinschaftsorgane somit einen komplexen wirtschaftlichen Sachverhalt zu beurteilen haben, verfügen sie bei dieser Beurteilung über ein weites Ermessen. Der Gemeinschaftsrichter darf bei der Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Befugnis die Bewertungen, zu denen die zuständige Stelle gelangt ist, nicht durch seine eigenen ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung der Frage beschränken, ob diese Bewertungen offensichtlich fehlerhaft oder ermessensmissbräuchlich sind oder ob das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen seines Ermessens offensichtlich überschritten hat (Urteile vom 27. November 1997 in der Rechtssache C-369/95, Somalfruit und Camar, Slg. 1997, I-6619, Randnr. 50, und vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C-99/99, Italien/Kommission, Slg. 2000, I-11535, Randnr. 26).

38. Daher ist nach dieser Rechtsprechung hinsichtlich der Verordnung Nr. 1361/98 zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Ermessensfehler begangen hat, indem sie bei der Ermittlung des geschätzten Zuckerverbrauchs für das Wirtschaftsjahr 1998/99 nur die an Ort und Stelle verbrauchten Mengen und nicht den Zucker berücksichtigt hat, der im betreffenden Gebiet zu anderen, dann ausgeführten Erzeugnissen verarbeitet wird.

39. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben hat, bezweckt die Festsetzung eines für Zuschussgebiete höheren abgeleiteten Interventionspreises zum einen, die Versorgung dieser Gebiete mit Zucker aus Gebieten ohne Zuschussbedarf zu ermöglichen, wobei in gewissem Umfang u. a. die Transportkosten zu berücksichtigen sind, und zum anderen, einen Rückgang der Zuckerrübenerzeugung zu verhindern, der zu einer noch größeren Fehlmenge in den nachfolgenden Wirtschaftsjahren führen würde.

40. Selbst wenn man die vom Kläger befürwortete Methode der Verbrauchsberechnung als geeigneter ansähe, um die in der vorigen Randnummer genannten Ziele zu erreichen, hat die Kommission doch keinen offensichtlichen Ermessensfehler begangen, indem sie eine Methode zur Berechnung des geschätzten Zuckerverbrauchs herangezogen hat, nach der der in anderen Erzeugnissen verarbeitete Zucker, der in andere Staaten geliefert wird, nicht als in dem betreffenden Mitgliedstaat verbraucht angesehen wird. Nach dieser Methode wird nämlich zur Berechnung dieses Verbrauchs zugleich der in den Verarbeitungserzeugnissen enthaltene Zucker berücksichtigt, der aus anderen Staaten eingeführt oder ins Land gebracht wurde.

Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98

41. Nach alledem hat die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1361/98 beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

42. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1361/98 des Rates vom 26. Juni 1998 zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise für Weißzucker, des Interventionspreises für Rohzucker, der Mindestpreise für A und BZuckerrüben sowie der Vergütung zum Ausgleich der Lagerkosten für das Wirtschaftsjahr 1998/99 beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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