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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: T-198/98
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 91/250/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 81
EGV Art. 82
Richtlinie 91/250/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Auch wenn die Kommission aufgrund einer Beschwerde nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keine Untersuchung eröffnen muß, ist sie gleichwohl gehalten, die ihr vom Beschwerdeführer vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände sorgfältig zu prüfen, um festzustellen, ob diese ein Verhalten erkennen lassen, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann. Wenn die Kommission eine Einstellungsverfügung getroffen hat, ohne eine Untersuchung zu eröffnen, so umfasst die Rechtmässigkeitskontrolle durch das Gericht die Prüfung, ob die streitige Entscheidung auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder einen Rechtsfehler, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmißbrauch aufweist.

2 Ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) ergibt sich notwendigerweise aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen.

Wenn Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, innerhalb deren sie ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen können, ist das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht auf Entscheidungen innerhalb der Unternehmensgruppe zur Gestaltung der Beziehungen zwischen ihren verschiedenen Mitgliedern anwendbar.

3 Die Begründung gemäß Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen daraus die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse der Adressaten oder anderer durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffener Personen an Erläuterungen zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte aufgeführt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet beurteilt werden muß.

4 Zwar verstösst die Ausübung des Urheberrechts durch den Inhaber z. B. in Form eines Verbots der Einfuhr bestimmter Erzeugnisse aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft an sich grundsätzlich nicht gegen Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG), doch kann sie ausnahmsweise ein mißbräuchliches Verhalten darstellen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 16. Dezember 1999. - Micro Leader Business gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Beschwerde - Zurückweisung - Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) - Verbot des Imports von Software, die in einem Drittland vertrieben wird - Erschöpfung der Urheberrechte - Richtlinie 91/250/EWG. - Rechtssache T-198/98.

Parteien:

In der Rechtssache T-198/98

Micro Leader Business, Gesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Aulnay-sous-Bois (Frankreich), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Silvestre Tandeau de Marsac, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Brucher und Seimetz, 10, rue de Vianden, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch J. C. Carrillo, Juristischer Dienst, und L. Guérin, zur Kommission abgeordneter nationaler Sachverständiger, dann durch Juristischen Hauptberater G. Marenco und L. Guérin als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 15. Oktober 1998 (Sache IV/36.219 - Micro Leader/Microsoft) über die endgültige Zurückweisung einer Beschwerde der Klägerin, mit der diese die Handlungen der Firmen Microsoft France und Microsoft Corporation zur Verhinderung der Einfuhr in Kanada vertriebener französischsprachiger Software der Marke Microsoft nach Frankreich als Verstöße gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) beanstandet hat,

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,

Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Firma Micro Leader Business (im folgenden: Klägerin) vertreibt Büro- und Informatikmaterial im Großhandel. Sie verkauft u. a. verschiedene Erzeugnisse der Marke Microsoft, die von der Firma Microsoft Corporation (im folgenden: MC), einer Gesellschaft mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika, hergestellt werden. Bis zum Verbot der Ausfuhr in Kanada vertriebener Softwarekopien verkaufte die Klägerin insbesondere in Frankreich von MC in Kanada vertriebene französischsprachige Erzeugnisse, die mit den von der Firma Microsoft France (im folgenden: MF) in Frankreich vertriebenen Erzeugnissen übereinstimmten oder diesen entsprachen.

2 MF teilte ihren Händlern in Frankreich im Mitteilungsblatt "Flash Microsoft News" vom 27. September 1995 mit, daß bestimmte Maßnahmen ergriffen worden seien, um dem Verbot des Vertriebs kanadischer Erzeugnisse außerhalb Kanadas mehr Nachdruck zu verleihen. In einem Abschnitt dieses Mitteilungsblatts heißt es unter der Überschrift "Die Einfuhr kanadischer Erzeugnisse in französischer Sprache ist von nun an rechtswidrig":

"Seit 18 Monaten bringen bestimmte Händler über einige Importeure kanadische Microsoft-Erzeugnisse in französischer Sprache auf den französischen Markt. Diese Erzeugnisse haben zu Störungen in unserem Markt geführt, da sie zu erheblich niedrigeren Preisen als den allgemein festgesetzten Preise vertrieben werden, und die Händler benachteiligt, die das normale Microsoft-Vertriebsnetz benutzen. Microsoft hat gegenüber diesem unlauteren Wettbewerb zur Bekämpfung solcher rechtswidrigen Einfuhren bestimmte Maßnahmen ergriffen, deren Zweck es ist, dem Verbot des Vertriebs kanadischer Erzeugnisse außerhalb Kanadas mehr Nachdruck zu verleihen."

3 MF bekräftigte ihre im Mitteilungsblatt vom 27. September 1995 bekundete Entschlossenheit in den Ausgaben dieses Blattes vom 20. März und 12. Juni 1996.

4 Angeblich entgingen der Klägerin wegen dieses Verbots der Einfuhr in Kanada vertriebener französischsprachiger Microsoft-Erzeugnisse nach Frankreich im Oktober 1995 große Aufträge für Microsoft-Erzeugnisse.

5 Am 24. September 1996 reichte die Klägerin gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, der ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) eine Beschwerde bei der Kommission ein, die das Aktenzeichen IV/36.219 erhielt. Sie machte mit dieser Beschwerde geltend, das Verhalten von MF und MC, die durch ihre Abstimmung mit den kanadischen und französischen Händlern die freie Preisgestaltung innerhalb der Gemeinschaft behindert hätten, verstoße gegen Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG).

6 Die Klägerin ergänzte ihre Beschwerde am 20. Februar 1997 durch den Vorwurf, das beanstandete Verhalten verstoße auch gegen Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG).

7 Die Kommission teilte der Klägerin am 27. Januar 1998 gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) mit, das zusammengetragene Tatsachenmaterial reiche nicht aus, um der Beschwerde stattzugeben.

8 Daraufhin gab die Klägerin am 23. Februar und 3. April 1998 weitere Erklärungen zur Begründung ihrer Beschwerde ab.

9 Die Kommission übermittelte der Klägerin am 15. Oktober 1998 ihre Entscheidung, mit der sie die Beschwerde zurückwies, da kein Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag vorliege (im folgenden: angefochtene Entscheidung).

10 Die Klägerin hat aufgrund dessen mit Klageschrift, die am 15. Dezember 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

11 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

12 Die Parteien haben in der Sitzung am 2. Juli 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

13 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung der Kommission vom 15. Oktober 1998 (Sache IV/36.219 - Micro Leader/Microsoft) über die Zurückweisung ihrer Beschwerde für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

14 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

15 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe: Zum einen habe die Kommission gegen die Artikel 85 und 190 (jetzt Artikel 253 EG) und zum anderen gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstoßen.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 85 und 190 EG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

16 Die Klägerin macht geltend, die Bestimmungen des Artikels 85 EG-Vertrag verböten Kartelle, die eine unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen zum Inhalt hätten. Sie seien auch anwendbar, wenn die betreffenden Unternehmen ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 27. September 1988 in den verbundenen Rechtssachen 89/95, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1988, 5193). Durch das Urheberrecht könne eine Umgehung dieser Bestimmungen durch den Rechtsinhaber nicht gerechtfertigt werden. Dies folge aus früheren Entscheidungen der Kommission zu Praktiken der Marktabschottung (Entscheidung E. Benn, Neunter Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1979, Nrn. 118 und 119, und Entscheidung 76/915/EWG der Kommission vom 1. Dezember 1976 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/29.018 - Miller International Schallplatten GmbH] [ABl. 1976, L 357, S. 40]) sowie dem Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19). Danach falle die Preisbindung nicht in den eigentlichen Bereich des Urheberrechts.

17 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, die Ausübung eines an die Urheberschaft geknüpften Rechts im Sinne der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. 1991, L 122, S. 42, im folgenden: Richtlinie 91/250) beinhalte nicht, daß der Inhaber eines solchen Rechts durch die Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten oder eine Preisbindung gegen die Regeln der Wettbewerbsfreiheit oder der freien Preisbestimmung verstoßen könne.

18 Wie sich aus den verschiedenen Mitteilungsblättern von MF aus den Jahren 1995 und 1996 ergebe, stimme das Unternehmen seine Tätigkeit mit MC und den Händlern von Microsoft-Software in Frankreich und Kanada ab. Die Klägerin wirft ihnen vor, die An- oder Verkaufspreise oder sonstigen Geschäftsbedingungen bezüglich dieser Software innerhalb der Gemeinschaft, vor allem in Frankreich, unmittelbar oder mittelbar festzusetzen. Die in Frankreich und die in Kanada vertriebene französischsprachige Software seien identisch. Aus dem Mitteilungsblatt vom 27. September 1995 gehe hervor, daß MC die Preise auf dem französischen Markt für ihre Erzeugnisse künstlich hoch halten wolle, um ihre Vertriebshändler nicht zu benachteiligen.

19 Die Absprache zwischen MC und den kanadischen Vertriebshändlern bestehe darin, daß sich diese entsprechend den Anweisungen von MC weigerten, Software an nicht zugelassene Vertriebshändler in Frankreich zu verkaufen.

20 Schließlich habe die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt und einen Beurteilungsfehler begangen, da sie in der angefochtenen Entscheidung erklärt habe, es habe zwischen MC und ihren Verkäufern weder eine Vereinbarung noch ein abgestimmtes Verhalten zur Festsetzung der Verkaufspreise noch einen Versuch zur Beeinflussung dieser Verkaufspreise gegeben. Aus dem Mitteilungsblatt vom 27. September 1995 gehe eindeutig hervor, daß MC und ihre Verkäufer mit dem Verbot von Einfuhren aus Kanada versuchten, die Preise künstlich hoch zu halten.

21 Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

22 MC und MF könne nicht vorgeworfen werden, sich unter Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag abgestimmt zu haben, da sie eine einzige wirtschaftliche Einheit bildeten (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P, Viho/Kommission, Slg. 1996, I-5457).

23 Sämtliche von der Klägerin angeführten Indizien belegten, daß Initiativen allein von der Microsoft-Gruppe ohne Mitwirkung der kanadischen Vertriebshändler ausgegangen seien.

24 Schließlich habe sich nach Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 das Urheberrecht von MC an einer Computerprogrammkopie innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht durch den Erstverkauf dieser Kopie durch MC in Kanada erschöpft. Folglich stelle die unerlaubte Einfuhr von in Kanada vertriebener Microsoft-Software nach Frankreich ohne Zustimmung von MC eine Anmaßung der Rechte von Microsoft dar. Die Maßnahmen von Microsoft seien daher nur ein rechtmäßiges Mittel zum Schutz ihrer Rechte.

25 Im übrigen lasse sich den von der Klägerin angeführten Mitteilungsblättern von MF nichts entnehmen, was für ein System zur Festsetzung der Verkaufspreise für Microsoft-Software spreche.

26 Jedenfalls bestreitet die Kommission eine Verletzung ihrer Begründungspflicht. In der angefochtenen Entscheidung habe sie darauf hingewiesen, daß die Klägerin nicht dargetan habe, daß Microsoft die Freiheit ihrer Verkäufer, ihre Verkaufspreise selbst festzusetzen, beschränkt habe.

Beurteilung durch das Gericht

27 Auch wenn die Kommission aufgrund einer Beschwerde nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keine Untersuchung eröffnen muß, ist sie gleichwohl gehalten, die ihr vom Beschwerdeführer vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände sorgfältig zu prüfen, um festzustellen, ob diese ein Verhalten erkennen lassen, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann. Wenn die Kommission eine Einstellungsverfügung getroffen hat, ohne eine Untersuchung zu eröffnen, so umfaßt die Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Gericht die Prüfung, ob die streitige Entscheidung auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder einen Rechtsfehler, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmißbrauch aufweist (Urteil des Gerichts vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache T-37/92, BEUC und NCC/Kommission, Slg. 1994, II-284, Randnr. 45).

28 Die Klägerin machte sowohl in ihrer Beschwerde vom 24. September 1996 als auch in ihrem Schreiben vom 23. Februar 1998 geltend, aus den Mitteilungsblättern von MF, insbesondere dem in Randnummer 2 zitierten Absatz des Mitteilungsblattes vom 27. September 1995, ergebe sich, daß MF ihr Vorgehen mit MC und den Microsoft-Softwarehändlern in Kanada und Frankreich abstimme, um die An- oder Verkaufspreise oder die übrigen Geschäftsbedingungen bezüglich dieser Software innerhalb der Gemeinschaft und vor allem in Frankreich unmittelbar oder mittelbar festzusetzen, was einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstelle.

29 In den Nummern 11 und 12 der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission das Vorbringen der Klägerin zurück:

"11. Was den angeblichen Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag anbelangt, so lassen sich die Maßnahmen von Microsoft zur Verhinderung der Einfuhr von Kopien ihrer Erzeugnisse aus Kanada offensichtlich nicht als Ergebnis einer Vereinbarung oder eines abgestimmten Verhaltens zwischen Microsoft und ihren Händlern zur Festsetzung der Verkaufspreise ansehen. Computerprogramme werden in der Europäischen Union durch das Urheberrecht geschützt, wie es in der Richtlinie [91/250] definiert ist. Nach dieser Richtlinie erschöpft sich mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung das Recht auf Verbreitung dieser Kopie in der Gemeinschaft. Die in Ihrem Schreiben vom 3. April 1998 genannten Fälle (Benn und VBVB) betreffen die Erschöpfung des Urheberrechts an der Kopie eines geschützten Werkes durch das Inverkehrbringen dieser Kopie innerhalb des Gemeinsamen Marktes. Sie stehen daher nicht in Widerspruch zu der Beurteilung der GD IV in ihrem Schreiben vom 27. Januar 1998. Mit dem Kauf einer Computerprogrammkopie in Kanada ist der Rechtsschutz nach der Richtlinie [91/250] nicht erschöpft. Jeder Versuch, eine solche Kopie in der Gemeinschaft zu benutzen oder zu verkaufen, wäre daher eine Verletzung des Urheberrechts, und jede Maßnahme von Microsoft zur Verhinderung der Einfuhr dieser Kopien wäre nur der Versuch, ihre Rechte durchzusetzen, und keine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Microsoft und ihren Verkäufern in Kanada oder in der Gemeinschaft.

12. Außerdem ist nicht klar, ob die Wirkungen dieser Maßnahmen von Microsoft als Versuch einer Beeinflussung der Verkaufspreise angesehen werden können. Sie haben nicht dargetan, daß Microsoft in irgendeiner Weise die Freiheit ihrer Händler, ihre Verkaufspreise selbst festzusetzen, beschränkt. Ein Händler wird die Kopien der Microsoft-Erzeugnisse selbstverständlich zu einem höheren Preis verkaufen müssen als dem, zu dem er sie rechtmäßigerweise erwerben kann, wenn er einen Gewinn erzielen will, doch verhält es sich so bei jeder Vertriebsvereinbarung."

30 Aus der angefochtenen Entscheidung geht somit hervor, daß die Kommission in den von der Klägerin in ihrer Beschwerde angeführten Tatsachen keinen Nachweis dafür hat sehen können, daß die Maßnahmen von Microsoft zur Verhinderung der Einfuhr in Kanada vertriebener französischsprachiger Erzeugnisse nach Frankreich das Ergebnis einer Absprache mit den kanadischen bzw. französischen Verkäufern sind. Nach Ansicht der Kommission sind solche Maßnahmen vielmehr einseitige Handlungen von MC, da sie der Durchsetzung des Urheberrechts an den in Kanada vertriebenen Erzeugnissen dienten, das dem Unternehmen gemäß Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 verblieben sei. Diese Umstände stellten auch keinen Beweis für eine Absprache zur Festsetzung der Verkaufspreise auf dem französischen Markt dar.

31 Ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergibt sich notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 79). Man kann der Kommission daher keinen Rechts- oder offensichtlichen Beurteilungsfehler vorwerfen, wenn sie die Ansicht vertritt, die in der Beschwerde der Klägerin beanstandeten Maßnahmen der Microsoft-Gruppe stellten mangels eines Nachweises einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise zwischen zwei oder mehreren Unternehmen keinen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

32 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Auffassung der Kommission, die ihr von der Klägerin mitgeteilten Tatsachen sprächen in keiner Weise für eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise, einen Rechts- oder offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweist.

33 Was zunächst die von der Klägerin behauptete Absprache zwischen MC und ihren Händlern in Kanada zur Abschottung der Märkte anbelangt, so geht aus den Mitteilungsblättern von MF, die die Klägerin sowohl in der Beschwerde als auch in der Klage anführt, insbesondere aus dem in Randnummer 2 zitierten Mitteilungsblatt vom 27. September 1995, nicht hervor, daß sich die Microsoft-Softwarehändler in Kanada weigern, ihre Erzeugnisse an nichtzugelassene Softwarehändler in Frankreich zu verkaufen. Die Klägerin hat ihre Behauptungen auch nicht bewiesen. Daher läßt sich aus den Tatsachen, die die Klägerin in der ursprünglichen Beschwerde vom 24. September 1996 und ihren Schreiben vom 23. Februar und 3. April 1998 angeführt hat, nicht schließen, daß MC ihre Entscheidung, die Einfuhr und den Verkauf in Kanada vertriebener französischsprachiger Software in Frankreich zu verbieten, im Rahmen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise mit ihren Händlern in Kanada zur Abschottung der Märkte getroffen hat. Die Kommission hat daher in keiner Weise gegen ihre Pflichten verstoßen, als sie in Nummer 11 der angefochtenen Entscheidung den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin habe keine Anhaltspunkte für eine derartige Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise beigebracht.

34 Wie auch die Kommission in Nummer 11 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, hätte MC, selbst wenn sie tatsächlich auf diese Weise die Möglichkeit der kanadischen Händler, ihre Erzeugnisse außerhalb Kanadas zu verkaufen, beschränkt hätte, nur das ihr nach dem Gemeinschaftsrecht an ihren Erzeugnissen zustehende Urheberrecht ausgeübt. Nach Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 erschöpft das Inverkehrbringen von Softwarekopien von MC in Kanada nicht das Urheberrecht dieses Unternehmens an diesen Erzeugnissen, da eine Erschöpfung dieser Rechte nur eintritt, wenn die Erzeugnisse in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber selbst oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-355/96, Silhouette International Schmied, Slg. 1998, I-4799, und vom 1. Juli 1999 in der Rechtssache C-173/98, Sebago und Maison Dubois, Slg. 1999, I-4103). Vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 86 EG-Vertrag (vgl. nachstehend die Prüfung des zweiten Klagegrundes) hätte Microsoft also in diesem Fall von ihrem Urheberrecht rechtmäßig Gebrauch gemacht.

35 Was die von der Klägerin behauptete Absprache zwischen MC und ihren Händlern in Frankreich zur Festsetzung eines hohen Verkaufspreises anbelangt, so bieten die von der Klägerin angeführten Tatsachen keinen Anhaltspunkt für eine solche Absprache.

36 Der Hinweis in dem in Randnummer 2 zitierten Absatz des Mitteilungsblattes von MF vom 27. September 1995 auf den Unterschied zwischen den Handelspreisen für französische Software und französischsprachige Software aus Kanada und dessen Auswirkungen für die Händler, die das normale Microsoft-Vertriebsnetz in Frankreich benutzen, kann daher entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht als Eingeständnis gewertet werden, daß die Entscheidung von MC, die Einfuhr und den Verkauf von in Kanada vertriebener Software in Frankreich zu verbieten, auf eine Absprache zwischen MC und ihren französischen Händlern zur Aufrechterhaltung der hohen Verkaufspreise auf dem französischen Markt zurückgehe. Den übrigen Absätzen dieses Mitteilungsblattes vom 27. September 1995 läßt sich nämlich entnehmen, daß MF ihre Handelspartner in Frankreich sowohl über die praktischen Maßnahmen zum Kampf gegen die Einfuhren und Verkäufe von kanadischer Software in französischer Sprache, wie der Anbringung gelber Aufkleber auf den Erzeugnissen und die Änderung der Lizenz für die Nutzung des kanadischen Erzeugnisses, als auch über die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen gegenüber denjenigen Handelspartnern informiert hat, die ausschließlich für den Vertrieb in Kanada bestimmte Microsoft-Software nach Frankreich einführen oder dort verkaufen. Die Mitteilungsblätter von MF vom 20. März und 12. Juni 1996 liegen auf der gleichen Linie. Die Kommission durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß mit diesem Hinweis die Nachteile aufgezeigt werden sollten, die eine Mißachtung des Urheberrechts von Microsoft für die Handelsparter dieses Unternehmens mit sich brächte.

37 Alle von der Klägerin gesammelten Informationen sprechen dafür, daß das von dieser gerügte Verbot allein eine Maßnahme der Microsoft-Gruppe ist, die manchmal unter dem Namen MC, manchmal unter dem Namen MF in Erscheinung getreten ist.

38 Aus den von der Klägerin angeführten Tatsachen ergibt sicht, daß MC und MF eine wirtschaftliche Einheit bilden, innerhalb deren MF ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen konnte (Urteil Viho/Kommission, Randnr. 16). Das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag ist nicht auf Entscheidungen innerhalb einer Unternehmensgruppe zur Gestaltung der Beziehungen zwischen ihren verschiedenen Mitgliedern anwendbar. Selbst wenn das Einfuhrverbot das Ergebnis einer von MF und MC gemeinsam getroffenen Entscheidung wäre, könnte es somit keinen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen.

39 Die Klägerin kann der Kommisssion somit nicht vorwerfen, einen Rechts- oder offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, wenn diese die Auffassung vertritt, ihr sei nichts mitgeteilt worden, was für eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Microsoft und ihren Händlern in Kanada bzw. Frankreich zur Abschottung der Märkte oder zur Festsetzung der Preise spräche.

40 Schließlich muß nach ständiger Rechtsprechung die Begründung gemäß Artikel 190 EG-Vertrag der Natur des betreffenden Rechtsakts angepaßt sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen daraus die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse der Adressaten oder anderer durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffener Personen an Erläuterungen zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte aufgeführt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet beurteilt werden muß (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63). Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Nummern 11 und 12 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach ihrer Meinung die Tatsachen, die die Klägerin in ihrer Beschwerde und deren Ergänzung angeführt habe, eigentlich der in Randnummer 2 zitierte Absatz des Mitteilungsblattes von MF vom 27. September 1995, nicht bewiesen, daß das Verbot der Einfuhr und des Verkaufs in Kanada vertriebener französischsprachiger Microsoft-Software in Frankreich auf einer Absprache zwischen Microsoft und ihren Händlern beruhe oder daß diese Maßnahmen als Versuch angesehen werden könnten, die Verkaufspreise zu beeinflussen. Somit hat die Klägerin über alle erforderlichen Informationen verfügt, um die Gründe für die getroffene Maßnahme zu verstehen, und das Gericht hat seine Kontrollaufgabe wahrnehmen können. Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, die angefochtene Entscheidung sei in diesem Punkt unzureichend begründet.

41 Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 86 EG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

42 Die Klägerin macht geltend, erstens sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß die in der Beschwerde und deren Ergänzung angeführten Tatsachen eine beherrschende Stellung nicht beweisen könnten. Hierzu führt die Klägerin einige französische Presseberichte von 1995 und 1996 an, um den Abstand zwischen dem Marktanteil der Microsoft-Gruppe und dem ihrer Wettbewerber sowie die Unabhängigkeit der Gruppe von den Händlern und Verbrauchern ihrer Erzeugnisse zu belegen. Außerdem komme die beherrschende Stellung durch die Struktur der Microsoft-Gruppe zum Ausdruck, die durch eine starke vertikale Integration gekennzeichnet sei (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207).

43 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, sie habe, anders als die Kommission in ihrer Klagebeantwortung behaupte, den relevanten Markt bestimmt. So ergebe sich aus ihren Schreiben vom 20. Februar 1997 und 23. Februar 1998, daß es sich in erster Linie um den Softwaremarkt, in zweiter Linie erst um die Teilmärkte für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Betriebssysteme handele. In geographischer Hinsicht habe sie sich immer auf den französischen Markt bezogen.

44 Zweitens habe die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen, als sie in der einseitigen Festsetzung der Verkaufspreise ihrer Erzeugnisse in Frankreich durch Microsoft keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung gesehen habe. Die Klägerin stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Mitteilungsblätter von MF aus den Jahren 1995 und 1996. Das Einfuhrverbot für diese Software sei ein Mittel, ihren Händlern in Frankreich mittelbar erheblich höhere Preise vorzuschreiben. Ein solches Verbot sei außerdem nach kanadischem Recht unzulässig. Microsoft habe durch dieses Vorgehen gegenüber ihren kanadischen und französischen Handelspartnern auf gleichartige Geschäfte unterschiedliche Bedingungen angewandt und den französischen Händlern so einen Wettbewerbsnachteil zugefügt, den diese auf ihre Kunden abwälzten (Urteile des Gerichtshofes United Brands/Kommission, und vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461). Zudem werde der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt, da in die Struktur des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt eingegriffen werde.

45 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin außerdem geltend, die Ausübung des Urheberrechts rechtfertige keine Umgehung der zwingenden Bestimmungen des Artikels 86 EG-Vertrag. Das Vorbringen der Kommission zu der Richtlinie 91/250 sei daher ohne weiteres zurückzuweisen.

46 Die Kommission weist die verschiedenen Argumente der Klägerin zum zweiten Klagegrund zurück.

47 Erstens habe die Klägerin nirgendwo eine schlüssige Definition des relevanten Marktes vorgetragen, die für die Feststellung, ob Microsoft eine beherrschende Stellung einnehme, jedoch unabdingbar sei. Die von der der Klägerin vorgetragenen Tatsachen könnten jedoch kein Beweis sein, daß Microsoft auf einem der betroffenen Märkte eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag einnehme. Außerdem habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Möglichkeit, daß Microsoft eine beherrschende Stellung auf einem oder mehreren Software-Märkten einnehme, nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern diese Frage im vorliegenden Fall für nicht einschlägig gehalten, da das gerügte Verhalten nicht mißbräuchlich gewesen sei.

48 Zweitens sei das Verbot von Microsoft, rechtswidrig Kopien ihrer Software aus Kanada einzuführen, kein Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag, da es eine rechtmäßige Ausübung ihres Urheberrechts nach Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 darstelle.

Beurteilung durch das Gericht

49 Die Klägerin rügte in ihrem Schreiben vom 20. Februar 1997 zur Ergänzung ihrer Beschwerde vom 24. September 1996 eine mißbräuchliche Praxis im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag. Diese bestehe darin, daß die Verkaufspreise für Microsoft-Erzeugnisse auf dem französischen Markt durch ein Einfuhrverbot für französischsprachige Erzeugnisse, die MC auf dem kanadischen Markt vertreibe, beeinflußt würden. Die Klägerin stützt sich hierbei vor allem auf den in Randnummer 2 zitierten Abschnitt des Mitteilungsblattes von MF vom 27. September 1995.

50 In Nummer 13 der angefochtenen Entscheidung verneint die Kommission den von der Klägerin behaupteten Verstoß gegen Artikel 86 EG-Vertrag:

"13. Sie machen auch geltend, das Verhalten von Microsoft könne gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstoßen, soweit es einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle. Sie haben zur Stützung ihrer Behauptung, Microsoft könne eine beherrschende Stellung auf den betreffenden Märkten einnehmen, kaum Informationen geliefert; zudem haben Sie nicht klar angegeben, welche Microsoft-Erzeugnisse Gegenstand Ihrer Beschwerde sind. Ihr Schreiben vom 23. Februar 1998 enthielt Presseauszüge über die beherrschende Stellung von Microsoft auf dem Softwaremarkt, insbesondere über deren sehr großen Anteil am Markt für Betriebssysteme für Microprozessoren. Obwohl diese Angaben genauer sind als in Ihrer ursprünglichen Beschwerde, reichen sie nicht aus, um eine beherrschende Stellung auf einem relevanten Markt im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag zu beweisen. Es ist nicht auszuschließen, daß eine Untersuchung der GD IV den Nachweis erbringen könnte, daß Microsoft eine beherrschende Stellung auf einem oder mehreren Softwaremärkten einnimmt. Diese Frage braucht jedoch in der vorliegenden Rechtssache nicht beantwortet zu werden, da das von Ihnen beanstandete Verhalten nicht mißbräuchlich ist, selbst wenn die beherrschende Stellung von Microsoft auf dem betreffenden Markt nachgewiesen wäre. Wie oben gezeigt, stellen die Maßnahmen von Microsoft zur Verhinderung der Einfuhr ihrer Softwarekopien, für die in der Gemeinschaft keine Benutzerlizenz erteilt worden ist und die daher in der Gemeinschaft Rechtsschutz genießen, eine rechtmäßige Ausübung ihres Urheberrechts dar. Wie ebenfalls oben gezeigt, ist dies kein Versuch, die Verkaufspreise zu beeinflussen. Außerdem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß Microsoft sich geweigert hat, Ihnen ihre Erzeugnisse zu liefern, oder Ihnen diese zu einem anderen Preis verkauft hat als dem, den sie von vergleichbaren Kunden in der Gemeinschaft verlangt. Microsoft hätte sich der Anordnung der Verkaufspreise nur schuldig gemacht, wenn nachgewiesen wäre, daß sie die Preise beeinflussen wollte, zu denen ihre Händler ihre Erzeugnisse verkauften. Microsoft hätte sich der rechtswidrigen Aufrechterhaltung höherer Preise auf dem EWG-Markt als auf dem kanadischen Markt nur schuldig gemacht, wenn nachgewiesen wäre, daß sie für entsprechende Geschäfte auf dem kanadischen Markt niedrigere Preise als auf dem europäischen Markt verlangte und die europäischen Preise zu hoch waren. Da es für solche oder andere denkbare mißbräuchliche Praktiken keine Anhaltspunkte gibt, braucht auf diesen Punkt Ihrer Beschwerde nicht eingegangen zu werden."

51 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich somit, daß die Kommission der Ansicht ist, das Verbot der Microsoft-Gruppe, in Kanada vertriebene französischsprachige Softwarekopien nach Europa einzuführen, gehöre zur rechtmäßigen Ausübung ihres Urheberrechts nach Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 und für die mißbräuchliche Ausübung dieses Rechts böten die ihr von der Klägerin mitgeteilten Tatsachen keine Anhaltspunkte. Die Kommission hat sogar erklärt, eine solche mißbräuchliche Ausübung könne darin bestehen, daß Microsoft für vergleichbare Geschäfte auf dem kanadischen Markt niedrigere Preise verlange als auf dem europäischen Markt, wenn die europäischen Preise außerdem zu hoch seien.

52 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung daran festgehalten, daß ihre Begründung der angefochtenen Entscheidung stichhaltig sei. Die Vertreter der Kommission haben außerdem auf eine Frage des Gerichts geantwortet, eine besondere Untersuchung, um festzustellen, ob sich die Preise von Microsoft auf dem kanadischen Markt tatsächlich von denen auf dem Gemeinschaftsmarkt unterschieden, und um die Gründe hierfür zu untersuchen, sei nicht durchgeführt worden, da keine Anhaltspunkte für ein mögliches mißbräuchliches Verhalten vorgelegen hätten.

53 Insofern weist die angefochtene Entscheidung jedoch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf.

54 Zwar erschöpft nach Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 91/250 der Vertrieb von Softwarekopien durch MC in Kanada für sich allein nicht das Urheberrecht des Unternehmens an diesen Erzeugnissen in der Gemeinschaft (vgl. oben Randnummer 34), doch bieten die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen mindestens einen Anhaltspunkt dafür, daß Microsoft für gleichartige Geschäfte auf dem kanadischen Markt niedrigere Preise als auf dem Gemeinschaftsmarkt verlangte und die Gemeinschaftspreise zu hoch waren.

55 Aus dem in Randnummer 2 angeführten Abschnitt des Mitteilungsblatts von MF vom 27. September 1995 ergibt sich nämlich, daß die aus Kanada eingeführten Erzeugnisse in unmittelbarem Wettbewerb mit den in Frankreich vertriebenen Erzeugnissen standen und die Preise für den Verkauf der ersteren in Frankreich trotz der Kosten für die Einfuhr aus einem Drittland immer noch erheblich niedriger waren. Die Informationen in diesem Mitteilungsblatt können nicht als vollkommen bedeutungslos angesehen werden, da sie von MF, einem Unternehmen stammen, das zu der Gruppe gehört, die das Urheberrecht an den betreffenden Erzeugnissen innehat. Zudem verfügte die Kommission seit Eingang der ursprünglichen Beschwerde am 24. September 1996 über diese Informationen, da das Mitteilungsblatt vom 27. September 1995 der Beschwerde als Anlage 3 beigefügt war. Die Klägerin hatte den einschlägigen Abschnitt dieses Mitteilungsblattes sowohl in ihrer ursprünglichen Beschwerde vom 24. September 1996 als auch in der Ergänzung vom 20. Februar 1997 mehrfach ausdrücklich erwähnt. Der Kommission war dies auch bekannt, denn in der Zusammenfassung des Sachverhalts in Nummer 6 der angefochtenen Entscheidung heißt es, daß in den Mitteilungsblättern von MF "Microsoft darauf hinweist, daß ihre rechtswidrig importierte Software zu niedrigeren Preisen verkauft wird und daß, müßten die französischen Händler zu vergleichbaren Preisen verkaufen, dies zu Lasten ihrer Gewinnspanne ginge".

56 Nach der Rechtsprechung verstößt zwar die Ausübung des Urheberrechts durch den Inhaber z. B. in Form eines Verbots der Einfuhr bestimmter Erzeugnisse aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft an sich grundsätzlich nicht gegen Artikel 86 EG-Vertrag, doch kann es ausnahmsweise ein mißbräuchliches Verhalten darstellen (Urteil des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnrn. 49 und 50).

57 Die Kommission konnte daher im vorliegenden Fall ohne eine eingehendere Untersuchung der Beschwerde nicht die Ansicht vertreten, die ihr bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung vorliegenden Informationen böten keinen Anhaltspunkt für ein mißbräuchliches Verhalten von Microsoft. Angesichts ihrer Pflichten in bezug auf die Behandlung einer Beschwerde gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 (siehe oben Randnummer 27) hätte sie zumindest prüfen müssen, ob die Tatsachen, die die Klägerin aufgrund von Unterlagen mit einem gewissen Beweiswert behauptet hatte, bewiesen waren, und hätte gegebenenfalls untersuchen müssen, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht auf einen Verstoß gegen Artikel 86 EG-Vertrag hindeuteten.

58 Die angefochtene Entscheidung weist somit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf.

59 Aufgrund dessen ist dem zweiten Klagegrund stattzugeben, die Klage für begründet zu erklären und die angefochtene Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde der Klägerin für nichtig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Antrag unterlegen ist und die Klägerin beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, hat die Kommission die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 15. Oktober 1998 (Sache IV/36.219 - Micro Leader/Microsoft), über die endgültige Zurückweisung einer Beschwerde der Klägerin, mit der diese die Handlungen der Firmen Microsoft France und Microsoft Corporation zur Verhinderung der Einfuhr in Kanada vertriebener französischsprachiger Software der Marke Microsoft nach Frankreich als Verstöße gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) beanstandet hat, wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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