Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.03.1990
Aktenzeichen: T-41/89
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, VO (EWG) Nr. 260/68


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 260/68 Art. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Regelung über den Steuerfreibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder von Beamten der Gemeinschaften hat nur dann einen Sinn, wenn der Freibetrag aus sozialen Gründen, die mit dem Vorhandensein des Kindes und den Kosten für seinen tatsächlichen Unterhalt in Zusammenhang stehen, gewährt wird, d. h. wenn er demjenigen gewährt wird, der faktisch die Kosten des gesamten wesentlichen Bedarfs des Kindes bestreitet.

Somit kann nicht angenommen werden, daß ein Kind gleichzeitig von mehreren verschiedenen Personen oder Einrichtungen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 des Anhangs VII des Statuts tatsächlich unterhalten wird; ein Kind kann deshalb nicht letzteren gegenüber gleichzeitig als unterhaltsberechtigt angesehen werden.

Da feststeht, daß die Armee im wesentlichen für den gesamten Lebensunterhalt der zur Ableistung ihres Wehrdienstes einberufenen jungen Männer aufkommt, kann ein Beamter nicht von sich behaupten, er habe in dem Zeitraum, während dessen sein Sohn den Wehrdienst ableistete, gleichzeitig dessen tatsächlichen Unterhalt bestritten, ohne daß es erforderlich wäre, in jedem einzelnen Fall die besonderen Bedingungen zu prüfen, unter denen die einzelnen jungen Männer ihren Wehrdienst abzuleisten haben.

2. Die Vorschriften des Statuts zur Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder gewährt wird, insbesondere Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b und Absatz 4 von dessen Anhang VII, enthalten zwar eine besondere Regelung für Kinder von 18 bis 26 Jahren, die sich in Schul - oder Berufsausbildung befinden, und eine Ausnahmeregelung über die Gleichstellung mit einem unterhaltsberechtigten Kind für Personen, denen gegenüber der Beamte gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und deren Unterhalt ihn mit erheblichen Ausgaben belastet; sie umfassen jedoch keine besondere Regelung für die Kinder, die ihren Wehrdienst ableisten und für die ein Anspruch auf die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder besteht. Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, durch die Ansprüche auf Geldleistungen begründet werden, sind eng auszulegen.

3. Den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Erläuterung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung zu geben, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung zu ermitteln ist.

4. Die Regelung des Steuerfreibetrags für unterhaltsberechtigte Kinder der Beamten der Gemeinschaften stellt eine eigenständige Regelung dar, die unabhängig von den nationalen Regelungen anzuwenden ist.

Ein Gemeinschaftsorgan handelt also rechtmässig, wenn es bei der Auslegung des Begriffs eines unterhaltsberechtigten Kindes im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates und Artikel 2 des Anhangs VII des Statuts nicht auf nationales Steuerrecht Bezug nimmt.

5. Der Streitgegenstand einer Klage muß in der Klageschrift angegeben werden; ein erstmals in der Erwiderung gestellter Antrag ändert den ursprünglichen Gegenstand der Klage und ist als neuer und daher unzulässiger Antrag anzusehen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 8. MAERZ 1990. - GEORG SCHWEDLER GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - STEUERNACHLASS - UNTERHALTSBERECHTIGTES KIND. - RECHTSSACHE T-41/89.

Entscheidungsgründe:

Der der Klage zugrundeliegende Sachverhalt

1 Der Kläger, ein Beamter des Europäischen Parlaments, erhielt bis zum 1. September 1987 den Steuerfreibetrag, die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder und die Erstattung der Reisekosten für seinen Sohn Christoph, der als unterhaltsberechtigtes Kind gilt. Von diesem Zeitpunkt an gewährte ihm das Parlament für die Dauer des Wehrdienstes seines Sohnes Christoph die mit dessen Unterhalt verbundenen Vergünstigungen mit der Begründung nicht mehr, daß dieser seinen Wehrdienst in der Bundeswehr ableiste.

2 Am 6. November 1987 stellte der Kläger beim Leiter der Generaldirektion "Personal, Haushalt und Finanzen" des Europäischen Parlaments einen Antrag gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts auf Gewährung des Freibetrags für unterhaltsberechtigte Kinder bei der Erhebung der Gemeinschaftssteuer. In diesem Antrag führte er aus, daß er seit dem 1. September 1987 den Steuerfreibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder nicht mehr erhalte, und er beantragte die Anwendung dieses Freibetrags auf ihn für September 1987 sowie für die Dauer des Wehrdienstes seines Sohnes Christoph.

3 Mit Schreiben vom 22. Dezember 1987 lehnte der Generaldirektor diesen Antrag mit der Begründung ab, daß Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften ( ABl. L 56, S. 8 ), der den Freibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder vorsieht, keine Anwendung finde, wenn das Kind seinen Wehrdienst ableiste, da diesem dann von der Armee Unterhalt zu gewähren sei.

4 Mit Schreiben vom 12. Januar 1988 legte der Kläger beim Präsidenten des Europäischen Parlaments eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die oben aufgeführte Entscheidung vom 22. Dezember 1987 ein; mit dieser Beschwerde beantragte er zum einen den Steuerfreibetrag für September 1987, da sein Sohn seinen Wehrdienst erst am 1. Oktober 1987 begonnen habe, und zum anderen, seinen Sohn nicht für die Zeit des Wehrdienstes als nicht mehr unterhaltsberechtigtes Kind anzusehen. Hierzu verwies er auf folgende Tatsachen : Erstens habe sein Sohn seine Wochenenden und seine Urlaubszeiten am Wohnsitz des Klägers verbracht; während dieser Zeiten sei er für den gesamten Lebensunterhalt seines Sohnes aufgekommen. Zweitens habe sein Sohn einen monatlichen Wehrsold erhalten, der nicht ausgereicht habe, seinen persönlichen Bedarf, insbesondere seine Fahrtkosten, zu bestreiten. Drittens werde der Steuerfreibetrag in der Bundesrepublik Deutschland auch für Kinder gewährt, die ihren Wehrdienst ableisteten, und sollte deshalb auch nach der gemeinschaftsrechtlichen Regelung gewährt werden.

5 Mit Schreiben vom 2. Mai 1988 wies der Generalsekretär des Europäischen Parlaments die Beschwerde des Klägers zurück. Zur Begründung verwies er zuerst darauf, daß Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 260/68 nur angewandt werden könne, wenn das Kind tatsächlich von dem Beamten unterhalten werde, was hier nicht der Fall sei. Sodann führte er aus, daß der Vergleich mit der deutschen Regelung nicht von Belang sei, da der Gerichtshof den Grundsatz aufgestellt habe, daß die Besteuerungsregelung der Gemeinschaften eigenständig und von den nationalen Regelungen unabhängig sei. Schließlich erklärte er, daß der Beschwerde insoweit stattgegeben werde, als sie den Freibetrag für September 1987 betreffe.

6 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 1. August 1988 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, die vorliegende Klage gegen das Parlament erhoben.

Das Verfahren

7 Der Kläger beantragt,

- die Entscheidungen des Leiters der Generaldirektion "Personal, Haushalt und Finanzen" vom 22. Dezember 1987 und des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments vom 2. Mai 1988 aufzuheben;

- dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

8 Das Parlament beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- dem Kläger die Kosten des Verfahrens nach den Artikeln 69 § 2 und 70 der Verfahrensordnung aufzuerlegen.

9 Das schriftliche Verfahren ist vollständig vor dem Gerichtshof abgelaufen. Dieser hat die vorliegende Rechtssache mit Beschluß vom 15. November 1989 gemäß dem Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen.

10 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch das Europäische Parlament aufgefordert, vor der mündlichen Verhandlung das Rundschreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments Nord vom 31. Oktober 1963 und die Entscheidung 49/80 der Versammlung der Leiter der Verwaltung vom Juli 1980 vorzulegen. Diese Unterlagen sind am 26. Januar 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

11 Die mündliche Verhandlung hat am 13. Februar 1990 stattgefunden. Da in der vorliegenden Rechtssache kein Generalanwalt benannt worden ist, hat der Kammerpräsident am Ende der Sitzung die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

Zur Begründetheit

12 Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Arten von Anträgen. Er begehrt die Aufhebung der beiden genannten Entscheidungen des Europäischen Parlaments zum einen insoweit, als es mit ihnen abgelehnt wurde, ihm den Steuerfreibetrag zu gewähren, und zum anderen insoweit, als ihm auch die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder versagt wurde.

Zu den Anträgen, die sich auf die Gewährung des Steuerfreibetrags beziehen

13 Der Kläger stützt diese Anträge auf zwei Rügen : Erstens habe das Europäische Parlament Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates falsch ausgelegt, und zweitens hätte das Europäische Parlament bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestimmte nationale Rechtsvorschriften berücksichtigen müssen.

Zur Rüge der falschen Auslegung von Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates

14 Der Kläger macht geltend, bei der Auslegung der Begriffe "unterhaltsberechtigtes Kind" und "tatsächlicher Unterhalt" sei jeder Einzelfall zu prüfen und es sei den besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, unter denen die einzelnen jungen Männer ihren Wehrdienst ableisteten. Der Gedanke der tatsächlichen Unterhaltsgewährung, der in der Definition des unterhaltsberechtigten Kindes in Artikel 2 Absatz 2 des Anhangs VII des Statuts zum Ausdruck komme, sei dazu bestimmt, eine zu enge Anwendung der Verordnung Nr. 260/68 zu korrigieren. Das Europäische Parlament habe nicht aufmerksam genug die besondere Situation seines Sohnes geprüft, die durch folgende vier Umstände gekennzeichnet sei : Erstens habe sein Sohn, wie aus den Bescheinigungen der Militärbehörden hervorgehe, beinahe die Hälfte seiner Wehrdienstzeit ausserhalb der Kaserne am Wohnsitz seines Vaters verbracht. Zweitens habe der Monatssold von 294,50 DM, den sein Sohn erhalten habe, nicht ausgereicht, um den Bedarf seines Sohnes ausserhalb der Kaserne, insbesondere unter Berücksichtigung der ihm entstehendenen Reisekosten, zu befriedigen. Drittens seien die Kosten einer fortgesetzten medizinischen Behandlung seines Sohnes in Luxemburg nur zu 85 % erstattet worden. Schließlich führt der Kläger aus : "Da es sich um einen Heranwachsenden handelte, der beinahe das Erwachsenenalter erreicht hatte, sich in einem bestimmten gesellschaftlich-kulturellen Umfeld entwickelt und über ein gewisses geistiges Rüstzeug verfügt, erweitert sich der Inhalt des Begriffs (( Unterhalt )) und überschreitet den engen Rahmen des Bedarfs an Wohnraum, Nahrung oder Kleidung ".

15 Das Europäische Parlament vertritt unter Berufung auf Artikel 2 Absatz 2 des Anhangs VII des Statuts und die Rechtsprechung des Gerichtshofes die Ansicht, daß unbestreitbar der deutsche Staat für den Lebensunterhalt des Sohnes des Klägers aufkomme. Da dieser somit gegenüber seinem Herkunftsland unterhaltsberechtigt sei, könne er nicht gleichzeitig tatsächlich von seinem Vater unterhalten werden. Ausserdem handele es sich hier um einen grundsätzlichen Standpunkt und es dürfe nicht jeder Einzelfall eines Wehrdienst leistenden Kindes geprüft werden, um zu ermitteln, ob es tatsächlich gegenüber seinen Eltern unterhaltsberechtigt sei. Jedenfalls habe der Kläger nicht den Beweis dafür erbracht, daß er im Ergebnis die gesamten Kosten für den Unterhalt seines Sohnes während dessen Wehrdienstzeit oder zumindest deren grössten Teil getragen habe, da die häufigen Aufenthalte ausserhalb der Kaserne auf dessen persönliche Entscheidung zurückgegangen seien. Schließlich stützt das Europäische Parlament seinen Standpunkt auf die "Anweisung betreffend die Anwendung von Artikel 2 des Anhangs VII" von Herrn Nord vom 31. Oktober 1963 und auf die Entscheidung 49/80 der Versammlung der Leiter der Verwaltung vom Juli 1980.

16 Gemäß Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates wird "für jedes unterhaltsberechtigte Kind des Steuerpflichtigen sowie für jede Person, die im Sinne von Artikel 2 Absatz 4 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften einem unterhaltsberechtigten Kind gleichgestellt ist,... ausserdem ein Betrag abgesetzt, der der doppelten Höhe der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder entspricht ". Die Prüfung dieser Vorschrift ergibt, daß die Verordnung Nr. 260/68 des Rates auf diese Weise für die Definition des Begriffs des unterhaltsberechtigten Kindes auf Artikel 2 des Anhangs VII des Statuts verweist, der die Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder regelt.

17 Nach Artikel 2 des Anhangs VII des Statuts erhält ein Beamter, der ein oder mehrere unterhaltsberechtigte Kinder hat, eine monatliche Zulage in einer bestimmten Höhe für jedes unterhaltsberechtigte Kind. In Absatz 2 dieses Artikels heisst es : "Als unterhaltsberechtigtes Kind gilt das eheliche, das uneheliche oder das an Kindes Statt angenommene Kind des Beamten oder seines Ehegatten, wenn es von dem Beamten tatsächlich unterhalten wird." Somit ist der Begriff des tatsächlichen Unterhalts auszulegen, um die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Vorschriften der Verordnung Nr. 260/68 festlegen zu können.

18 Wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 27. November 1980 in den verbundenen Rechtssachen 81/79, 82/79 und 146/79 ( Sorasio Allo u. a./Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1980, 3557 ) ergibt, sind hierzu vorab Zweck und Aufbau der Regelung über den Steuerfreibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder zu prüfen. Diese Regelung hat nur dann einen Sinn, wenn der Freibetrag aus sozialen Gründen, die mit dem Vorhandensein des Kindes und den Kosten für seinen tatsächlichen Unterhalt in Zusammenhang stehen, gewährt wird, d. h. wenn er demjenigen gewährt wird, der faktisch die Kosten des gesamten wesentlichen Bedarfs des Kindes bestreitet.

19 Somit kann nicht angenommen werden, daß ein Kind gleichzeitig von mehreren verschiedenen Personen oder Einrichtungen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 des Anhangs VII des Statuts tatsächlich unterhalten wird; ein Kind kann deshalb nicht letzteren gegenüber gleichzeitig als unterhaltsberechtigt angesehen werden.

20 Wie aus den Akten hervorgeht und auch nicht bestritten worden ist, kommt die Bundeswehr für den Lebensunterhalt der zur Ableistung ihres Wehrdienstes einberufenen jungen Männer, insbesondere in bezug auf Wohnung, Nahrung, medizinische Versorgung, Krankheitskosten, Stellung von Wäsche, Kleidung und Uniformen, Waschen der Wäsche und Zahlung eines monatlichen Wehrsoldes von etwa 300 DM zur Deckung ihres persönlichen Bedarfs, auf.

21 Da somit feststeht, daß die Bundeswehr im wesentlichen für den gesamten Lebensunterhalt der zur Ableistung ihres Wehrdienstes einberufenen jungen Männer aufkommt, kann der Kläger nicht von sich behaupten, er habe in dem Zeitraum, während dessen sein Sohn den Wehrdienst ableistete, gleichzeitig dessen tatsächlichen Unterhalt bestritten, ohne daß es erforderlich wäre, in jedem einzelnen Fall die besonderen Bedingungen zu prüfen, unter denen die einzelnen jungen Männer ihren Wehrdienst abzuleisten haben.

22 Dieses Ergebnis wird durch die Prüfung der Voraussetzungen bestätigt, unter denen die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder gewährt wird. Artikel 2 Absätze 3, 4 und 6 des Anhangs VII des Statuts legt sie unter anderem wie folgt fest :

"3. Die Zulage wird gewährt :

a ) ohne weiteres für ein Kind unter 18 Jahren;

b ) auf begründeten Antrag des Beamten für ein Kind von 18 bis 26 Jahren, das sich in Schul - oder Berufsausbildung befindet.

4. Dem unterhaltsberechtigten Kind kann ausnahmsweise durch besondere mit Gründen versehene und auf beweiskräftige Unterlagen gestützte Verfügung der Anstellungsbehörde jede Person gleichgestellt werden, der gegenüber der Beamte gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und deren Unterhalt ihn mit erheblichen Ausgaben belastet.

...

6. Für ein unterhaltsberechtigtes Kind im Sinne dieses Artikels wird die Kinderzulage nur einmal gewährt, auch dann, wenn die Eltern zwei verschiedenen Organen der drei Europäischen Gemeinschaften angehören."

23 Die Vorschriften des Statuts, insbesondere Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b und Absatz 4 von dessen Anhang VII, enthalten somit zwar eine besondere Regelung für Kinder von 18 bis 26 Jahren, die sich in Schul - oder Berufsausbildung befinden, und eine Ausnahmeregelung über die Gleichstellung mit einem unterhaltsberechtigten Kind für Personen, denen gegenüber der Beamte gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und deren Unterhalt ihn mit erheblichen Ausgaben belastet; sie umfassen jedoch keine besondere Regelung für die Kinder, die ihren Wehrdienst ableisten und für die ein Anspruch auf die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder besteht. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. Mai 1982 in den verbundenen Rechtssachen 146/81, 192/81 und 193/81 ( Baywa/BALM, Slg. 1982, 1503 ) festgestellt hat, sind Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, durch die Ansprüche auf Geldleistungen begründet werden, eng auszulegen.

24 Ferner ist auf jeden Fall das folgende Vorbringen zurückzuweisen, auf das der Kläger diese Rüge stützt : erstens, daß sein Sohn ungefähr die Hälfte seiner Wehrdienstzeit am Wohnsitz seiner Eltern verbracht habe, wobei dieser Umstand auf eine persönliche Entscheidung des Betroffenen zurückzuführen ist, zweitens, daß seinem Sohn in Luxemburg Arztkosten entstanden seien, wobei es sich hier ebenfalls um eine persönliche Entscheidung handelt und zudem nicht bestritten wird, daß diese Kosten unter den allgemein geltenden Voraussetzungen der Regelung der Europäischen Gemeinschaften erstattet wurden, und drittens, daß der tatsächliche Unterhalt eines Kindes, das wie sein Sohn 20 Jahre alt sei, unter Berücksichtigung seines "gesellschaftlich-kulturellen Umfelds" und seines geistigen Niveaus sich nicht auf die engen Bedürfnisse an Wohnung, Nahrung und Kleidung beschränkten, sondern bedeutende zusätzliche Kosten verursache. Derartige Umstände können bei der Prüfung der Frage, welche Steuerregelung allgemein für die Gemeinschaftsbeamten gilt, deren Kind seinen Wehrdienst ableistet, nicht berücksichtigt werden.

Zu der Rüge, daß das Europäische Parlament bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestimmte nationale Rechtsvorschriften hätte berücksichtigen müssen

25 Der Kläger macht in diesem Zusammenhang geltend, da das deutsche und das luxemburgische Recht Bestimmungen enthielten, wonach Steuerpflichtigen, deren Kind den Wehrdienst ableiste, ein Steuerfreibetrag zustehe, müssten die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts im gleichen Sinn ausgelegt werden; jedenfalls sei ein Vergleich mit den nationalen Rechtsvorschriften nicht an sich ausgeschlossen.

26 Das Parlament vertritt hingegen die Ansicht, daß der Hinweis des Klägers auf die deutschen und die luxemburgischen Rechtsvorschriften nicht stichhaltig sei, und verweist auf den Grundsatz der Eigenständigkeit der Steuerregelung der Gemeinschaften. Auf alle Fälle enthielten diese nationalen Rechtsvorschriften eine ausdrückliche Vorschrift für die Gewährung eines derartigen Freibetrags, was beim Statut nicht der Fall sei.

27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes will die Gemeinschaftsrechtsordnung ihre Begriffe grundsätzlich nicht in Anlehnung an eine oder mehrere nationale Rechtsordnungen definieren, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen ist ( siehe u. a. das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Januar 1982 in der Rechtssache 64/81, Corman/Hauptzollamt Gronau, Slg. 1982, 13 ). Den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Erläuterung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung zu geben, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung zu ermitteln ist ( siehe u. a. das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro/Produktschap voor Vee en Vlees, Slg. 1984, 107 ).

28 Zum Kinderfreibetrag im besonderen hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. November 1980 ( Sorasio u. a., a. a. O.) festgestellt, daß die Steuerregelung der Gemeinschaften eine eigenständige Regelung darstellt, die unabhängig von den nationalen Regelungen anzuwenden ist.

29 Das Parlament hat also mit Recht bei der Auslegung des Begriffs eines unterhaltsberechtigten Kindes im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 260/68 des Rates und Artikel 2 des Anhangs VII des Statuts nicht auf das deutsche oder luxemburgische Steuerrecht Bezug genommen.

30 Nach allem sind die obengenannten Anträge des Klägers zurückzuweisen.

Zu den Anträgen, die auf die Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder abzielen

31 Der Kläger hat in seiner Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß Gegenstand der Klage nicht nur die Gewährung des Kinderfreibetrags, sondern auch die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder sei.

32 Das Parlament hat in seiner Gegenerwiderung und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß der Kläger bei diesem Stand des Verfahrens nicht mehr zulässigerweise den Gegenstand seiner Klage erweitern könne.

33 Es ist erstens darauf hinzuweisen, daß die Gegenstände von Beschwerde und Klage, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 52/85 ( Rihoux, Slg. 1986, 1555 ) entschieden hat, einander so ähnlich sein müssen, daß eine einverständliche Beilegung eines Streits zwischen dem Beamten und der Verwaltung ermöglicht und gefördert wird. Aus den zu den Akten gereichten Unterlagen, insbesondere aus dem Antrag des Klägers an den zuständigen Generaldirektor vom 6. November 1987 sowie aus der an den Präsidenten des Europäischen Parlaments gerichteten Beschwerde des Klägers vom 12. Januar 1988, geht hervor, daß sich der Kläger in diesem Antrag und in dieser Beschwerde nur gegen die Weigerung des Europäischen Parlaments wandte, ihm den Kinderfreibetrag zu gewähren, und daß er nicht die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder verlangte.

34 Zweitens muß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe u. a. das Urteil vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 191/84, Barcella u. a./Kommission, Slg. 1986, 1541 ) gemäß Artikel 38 § 1 in Verbindung mit Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die vor dem Gericht entsprechend gilt, der Streitgegenstand in der Klageschrift angegeben werden, und ein erstmals in der Erwiderung gestellter Antrag ändert den ursprünglichen Gegenstand der Klage und ist als neuer und daher unzulässiger Antrag anzusehen. Aus einer Untersuchung der vom Kläger eingereichten Klageschrift des vorliegenden Verfahrens geht hervor, daß diese nur die Weigerung des Europäischen Parlaments betrifft, dem Kläger den Steuerfreibetrag für ein angeblich unterhaltsberechtigtes Kind zu gewähren. Erst in der Erwiderung hat der Kläger den eigentlichen Gegenstand des Rechtsstreits erweitert und somit geändert, indem er vorgetragen hat, daß die Klage auch die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder betreffe.

35 Nach allem sind diese Anträge als unzulässig zurückzuweisen. Deshalb ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Fünfte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück