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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 11.12.1996
Aktenzeichen: T-49/95
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 85 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

5 Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages kann nicht für nicht anwendbar erklärt werden auf eine Alleinvertriebsvereinbarung, die zwar selbst kein Verbot der Wiederausfuhr der Vertragserzeugnisse enthält, bei der aber die Vertragsparteien ihr Verhalten in einer Weise aufeinander abstimmen, die Paralleleinfuhren für einen nicht zugelassenen Zwischenhändler verhindern soll.

6 Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde. Zudem ist jeder Teil einer Entscheidung, die ein Ganzes darstellt, im Lichte ihrer anderen Teile zu sehen.

Die Kommission hat gemäß Artikel 190 des Vertrages ihre Entscheidungen zwar mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben, braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden.

7 Die Geldbussen, die die Kommission bei Verstössen gegen die Artikel 85 ff. des Vertrages verhängt, stellen ein Instrument ihrer Wettbewerbspolitik dar. Deshalb bedarf die Kommission bei ihrer Festsetzung eines Ermessens, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten.

8 Hat das Verhalten eines Unternehmens gegen Aritel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, so entgeht es nicht deshalb einer Sanktion, weil einem anderen Kaufmann keine Geldbusse auferlegt wurde, da der Gemeinschaftsrichter mit dem Fall des letzteren nicht befasst ist.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 11. Dezember 1996. - Van Megen Sports Group BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 85 EG-Vertrag - Nachweis eines Verstoßes - Geldbuße - Begründung der Entscheidung. - Rechtssache T-49/95.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin, Van Megen Sports Group BV, deren Firma zur maßgeblichen Zeit Van Megen Tennis BV lautete, ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Eindhoven (Niederlande) und Alleinvertriebshändlerin in den Niederlanden für die Tretorn Sports Ltd (Tretorn), eine Gesellschaft irischen Rechts. Die Tretorn ist eine Tochtergesellschaft der Tretorn AB, einer Gesellschaft schwedischen Rechts, die Tennisbälle herstellt.

Das Verwaltungsverfahren vor der Kommission

2 Im Juli 1989 führte die Kommission in den Geschäftsräumen der Tretorn Nachprüfungen durch. Am 14. Mai 1993 beschloß sie, ein Verfahren gemäß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag einzuleiten; später richtete sie an die Klägerin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

3 Am 13. August 1993 äusserte sich die Klägerin gegenüber der Kommission schriftlich zu den Beschwerdepunkten. Bei einer Anhörung am 16. November 1993 äusserte sie sich mündlich.

Die Entscheidung

4 Nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens erließ die Kommission die Entscheidung 94/987/EG vom 21. Dezember 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/32.948 - IV/34.590: Tretorn u. a.; ABl. L 378, S. 45; Entscheidung).

Diese Entscheidung lautet wie folgt:

"Artikel 1

Tretorn Sport Limited und Tretorn AB haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrags verstossen, indem sie ihren Vertriebshändlern ein allgemeines Exportverbot für Tennisbälle auferlegten und dieses mit Überwachungsmaßnahmen und Sanktionen - Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen, Kennzeichnung von Tennisbällen und Liefersperren - durchsetzten, um den Parallelhandel mit Tennisbällen zu verhindern.

Formula Sport International Limited hat durch ihre Mitwirkung bei der Durchsetzung des Ausfuhrverbots und der Liefersperren im Vereinigten Königreich, durch welche die Politik der Tretorn Sport Ltd zur Verhinderung des Parallelhandels mit Tennisbällen durchgesetzt werden sollte, gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen.

Fabra SPA hat gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem sie in Italien an der Durchsetzung des Ausfuhrverbots durch Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen, der Kennzeichnung von Tennisbällen und an Liefersperren mitgewirkt hat, um die Politik von Tretorn Sport Ltd zur Verhinderung des Parallehandels mit Tennisbällen durchzusetzen.

Tenimport SA hat gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem sie an der Durchsetzung des Ausfuhrverbots und an Liefersperren mitgewirkt und Paralleleinfuhren an Tretorn gemeldet hat, so daß Tretorn und ihr italienischer Alleinvertriebshändler Maßnahmen zur Unterbindung dieser Einfuhren ergreifen konnten.

Zuercher AG hat gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem sie an der Durchsetzung des Ausfuhrverbots und an Liefersperren in der Schweiz durch die Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen und die Kennzeichnung von Tennisbällen mitgewirkt hat.

Van Mergen Tennis BV hat gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, indem sie an der Durchsetzung der Politik von Tretorn Sport Ltd zur Verhinderung des Parallelhandels mit Tennisbällen durch die Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen mitgewirkt hat.

Artikel 2

Wegen der in Artikel 1 genannten Verstösse wird gegen Tretorn Sport Limited und Tretorn AG eine gemeinsame Geldbusse von 600 000 ECU und gegen Formula Sport International Ltd, gegen Fabra SPA, gegen Zuercher AG und gegen Van Megen Tennis BV jeweils eine Geldbusse von 10 000 ECU verhängt.

...

Artikel 3

Tretorn Sport Ltd, Tretorn AB, Fabra SPA, Tenimport SA, Zuercher AG und Van Megen Tennis BV stellen, soweit noch nicht geschehen, die in Artikel 1 genannten Verstösse ab und treffen keine anderen Maßnahmen mit gleicher Wirkung."

5 In den Begründungserwägungen der Entscheidung stellte die Kommission fest, spätestens 1987 habe Tretorn in Abstimmung mit ihren Alleinvertriebshändlern ein Ausfuhrverbot innerhalb ihres Alleinvertriebsnetzes eingeführt und seither versucht, dieses Verbot mit Hilfe einer Reihe von Mechanismen durchzusetzen und zu verstärken. Zu diesen Mechanismen zählten die systematische Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren; die Kennzeichnung der Artikel, um die Herkunft von Paralleleinfuhren feststellen zu können; Lieferstopp für bestimmte Märkte, um tatsächliche oder mögliche Paralleleinfuhren zu verhindern (Randnrn. 13 und 14 der Begründungserwägungen der Entscheidung).

6 Zu den Meldungen und Nachprüfungen von Paralleleinfuhren stellte die Kommission fest, die Tretorn oder ihr Vertriebsnetz hätten Paralleleinfuhren gemeldet, wenn entsprechende Einfuhren hätten nachgewiesen werden können (Randnr. 22 der Begründungserwägungen der Entscheidung). Aus einem Fax der Tretorn an die Tretorn AB vom 16. Juli 1987 gehe hervor, daß die Klägerin der Tretorn im Juli 1987 geschrieben habe, daß Tretorn-Bälle erneut in Holland "aufgetaucht" seien. Die Tretorn habe die Klägerin um die Kennzahlen gebeten, um herauszufinden, "welches Land geliefert hatte" (Randnr. 24 der Begründungserwägungen). Aus einer internen Note der Tretorn vom 20. Juni 1988 gehe hervor, daß die Klägerin Paralleleinfuhren aus zwei verschiedenen Quellen festgestellt habe und versuchen werde, an die Kennzahlen heranzukommen (Randnr. 25 der Begründungserwägungen).

7 Was die Kennzeichnung der Artikel betreffe, so habe die Kommission den Nachweis in Händen, daß die Tretorn ihre Tennisbälle mit Kennzahlen markiert habe, um die Herkunft von Paralleleinfuhren ermitteln zu können. Im Schriftverkehr mit der Tretorn fänden sich zahlreiche Bezugnahmen auf diese Kennzahlen und ihre Verwendung (Randnr. 35 der Begründungserwägungen).

8 Während des Verfahrens vor der Kommission habe die Klägerin angegeben, die Meldungen der Kennzahlen an die Tretorn habe nicht der Verhinderung von Paralleleinfuhren gedient. Vielmehr habe geprüft werden sollen, ob die Tretorn nicht direkt in das Vertriebsgebiet der Klägerin liefere. Im übrigen liefere die Klägerin selbst an Unternehmen, die ihr als Parallelexporteure bekannt seien. Hierzu meinte die Kommission: "Auch wenn die Auslegung von Van Megen zuträfe, steht fest, daß die Meldungen im Zusammenhang mit einem Parallelausfuhrstopp erfolgten, der Van Megen bekannt war, und daß Van Megen aktiv daran beteiligt war, die Quelle der Paralleleinfuhren zu beseitigen" (Randnr. 70 der Begründungserwägungen).

9 Zur Verhängung von Geldbussen gegenüber den Vertriebshändlern der Tretorn führte die Kommission in Randnummer 78 der Begründungserwägungen aus:

"Bei ihrem Beschluß zur Verhängung von Geldbussen und der Festlegung ihrer Höhe hat die Kommission berücksichtigt, daß einige Vertriebshändler von Tretorn zwar aktiv an der Verhinderung von Paralleleinfuhren mitgewirkt haben, daß diese Mitwirkung aber in anderen Fällen eher von begrenztem Umfang war und im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Bestreben der Firma Tretorn zu sehen ist, jedwede Ausfuhr ihrer Erzeugnisse zu verbieten. Ausserdem spielte Tenimport eine unbedeutendere Rolle, und es erscheint deshalb gerechtfertigt, von der Verhängung einer Geldbusse gegen dieses Unternehmen abzusehen."

10 Schließlich ergibt sich aus Randnummer 77 der Begründungserwägungen der Entscheidung daß die "Tenimport während der Anhörung selbst die Existenz eines ungeschriebenen, aber dennoch verbindlichen Ausfuhrverbots bestätigt und die vor kurzem erfolgte Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit Tretorn darauf zurückgeführt [habe], daß Tenimport diesem Ausfuhrverbot nicht entsprochen [habe]".

Verfahren

11 Die Klägerin hat die vorliegende Klage mit Klageschrift erhoben, die am 21. Februar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht wurde.

12 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat der Kommission jedoch mit Schreiben vom 4. Oktober 1996 aufgegeben, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Dem ist die Kommission mit einem Schreiben nachgekommen, das am 9. Oktober 1996 bei der Kanzlei eingereicht wurde.

13 Die Parteien haben in der Sitzung vom 22. Oktober 1996 verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

14 Van Megen Sports Group BV, die Klägerin, beantragt, die Entscheidung für nichtig zu erklären.

15 Die Kommission als Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

16 In Artikel 1 der Entscheidung wird der Klägerin vorgeworfen, in den Niederlanden an Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen mitgewirkt zu haben, um das von der Tretorn auferlegte allgemeine Verbot von Paralleleinfuhren und -ausfuhren durchzusetzen. Im Lichte dieses Vorwurfs sind die Rügen der Klägerin zu prüfen, mit denen die Nichtigerklärung des Artikels 1 und folglich auch des Artikels 2 der Entscheidung insoweit begeht werden, als diese die Klägerin betreffen.

Parteivorbringen

17 Die Klägerin bringt vor, soweit in der Entscheidung festgestellt werde, daß sie an der Meldung und Nachprüfung von Paralleleinfuhren von Tennisbällen mitgewirkt habe, sei sie weder auf ausreichende Beweismittel gestützt noch hinreichend begründet.

18 Die Klägerin habe zwar ungefähr seit 1985 in den Niederlanden das Verkaufsmonopol für in Irland von der Tretorn hergestellte Tennisbälle gehabt, ohne daß jedoch ein schriftliches Abkommen diese Ausschließlichkeit gesichert habe. Die Tretorn habe ihr niemals ein Ausfuhrverbot auferlegt. Seit Beginn der Geschäftsbeziehung habe die Klägerin der Tretorn nur zweimal, 1987 und 1988, mitgeteilt, daß Tennisbälle der Marke Tretorn, die nicht von der Klägerin hergestammt hätten, ihren Kunden zum Kauf angeboten worden seien. Diese - telefonischen - Meldungen seien aus zwei Gründen erfolgt. Zunächst habe sie sich vergewissern wollen, daß die Bälle nicht direkt von der Tretorn an Kunden in den Niederlanden geliefert worden seien, da sie damals befürchtet habe, daß die Tretorn ihre Verpflichtung verletze, Kunden der Klägerin in deren Gebiet nicht selbst zu beliefern. Diese Verpflichtung sei mit der Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 1) vereinbar. Da die Kunden der Klägerin Tretorn-Tennisbälle erheblich billiger hätten kaufen können, als sie selbst sie hätte anbieten können, habe sie mit diesen Meldungen zudem versucht, ihre Verhandlungsposition gegenüber der Tretorn zu stärken, um einen günstigeren Preis zu erzielen.

19 Was das Fax vom 16. Juli 1987 betreffe, so sei die Klägerin von einigen ihrer Kunden telefonisch unterrichtet worden, daß die Scapino BV, die eine Schuh- und Bekleidungsladenkette in Assen (Niederlande) betreibe, an Kunden Tennisbälle billiger verkaufe als sie selbst. Diese Kunden hätten sie gefragt, wie das möglich sei und ob sie der Scapino BV andere Preise in Rechnung stelle als ihnen. Daher habe sie sich bei der Tretorn erkundigt, ob diese vielleicht in die Niederlande liefere, was die Tretorn bestritten habe. Daß dies sich nicht aus dem Fax ergebe, sei unerheblich, da dieses nicht von der Klägerin herrühre und auch nicht an sie gerichtet sei, so daß sie zur fraglichen Zeit von ihm nichts habe wissen können. Dem Wortlaut des Fax könne daher nicht die Bedeutung zugemessen werden, die ihm die Kommission zuschreibe. Die Klägerin sei aufgefordert worden, die Kennzahlen zu übermitteln, habe sie aber nicht finden können. Zudem hätten diese Kennzahlen es nicht erlaubt, das Versendeland der Tennisbälle festzustellen, da weder der Hersteller noch die Importeure über ein Tracking-System verfügt hätten. Aus den Kennzahlen auf der Verpackung der Bälle habe sich nur das Datum der Herstellung bzw. des Versandes ergeben. Unabhängig davon, ob die Bälle nach Deutschland, Frankreich oder in ein anderes Land geliefert worden seien, seien sämtliche in derselben Woche hergestellten Bälle in Verpackungen mit derselben Kennzahl versandt worden. Die Kennzahlen seien weder auf den Rechnungen noch auf den Verpackungsbeilagen angegeben worden. Selbst wenn sich im übrigen hätte feststellen lassen, daß die Tennisbälle aus einem bestimmten Land stammten, so wäre es doch nicht möglich gewesen, festzustellen, wer die fragliche Partie versandt habe. Im vorliegenden Fall sei einfach festzustellen gewesen, daß die von der Scapino BV erworbenen Tennisbälle aus Frankreich stammten, weil die Verpackung in Frankreich französisch bedruckt sein müsse, was die Klägerin auch bei ihrem Telefonat mit der Tretorn angegeben habe. Zudem habe sie auch kein Interesse daran, wer der Scapino BV die Bälle geliefert habe. Wichtig sei gewesen, für diese Bälle denselben Preis zahlen zu können wie andere Vertriebshändler. Die Klägerin habe nun festgestellt, daß die Tretorn ihre Tennisbälle in Frankreich billiger verkaufe als in den Niederlanden. Sie habe diese Ungleichbehandlung mit der Tretorn erörtert und schließlich günstigere Bedingungen erreichen können.

20 Der Vorgang habe sich Mitte 1988 wiederholt. Ebensowenig wie das Fax vom 16. Juli 1987 rühre die Notiz vom 20. Juni 1988 von der Klägerin her; sie habe zur fraglichen Zeit deren Inhalt nicht gekannt.

21 Die Klägerin sei weiter von möglichen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zwischen der Tretorn und/oder anderen Vertriebshändlern nicht unterrichtet gewesen; sie habe sich niemals über den Stopp der Belieferung von Parallelimporteuren und/oder -exporteuren mit diesen abgestimmt. Im Gegenteil habe sie der Scapino BV Tennisbälle geliefert, von der sie gewusst habe, daß diese Tretorn-Tennisbälle in den Niederlanden abgesetzt habe, die aus Paralleleinfuhren aus Frankreich gestammt hätten. Die Scapino BV sei das einzige Unternehmen, das Paralleleinfuhren von Tretorn-Bällen in die Niederlande vorgenommen habe. Die Klägerin habe nichts unternommen, um das zu verhindern. Zum Nachweis beruft sie sich auf ein Schreiben der Scapino BV. Die Ausführungen in diesem Schreiben belegten, daß ihre Meldungen an die Tretorn mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht nicht unvereinbar gewesen seien.

22 Die beiden in Randnummer 18 erwähnten Meldungen, die die einzigen von der Kommission angezogenen Beweismittel seien, belegten nicht oder doch nicht hinreichend, daß die Klägerin sich an der Behinderung von Paralleleinfuhren von Tretorn-Tennisbällen innerhalb der Gemeinschaft aktiv beteiligt habe. Die Klägerin habe von anderen Vereinbarungen, Praktiken oder Handlungen der Tretorn und/oder anderer Vertriebshändler keine Kenntnis gehabt. Daher könnten ihr diese Vereinbarungen, Praktiken oder Handlungen nicht zur Last gelegt werden; auf sie könne sich also das Vorbringen gegen die Klägerin nicht stützen. Es sei auffallend, daß die Kommission in Randnummer 46 der Begründungserwägungen der Entscheidung ein internes Papier der Tretorn vom 23. August 1988 anführe, in dem diese die Einstellung von Lieferungen für den US-Markt empfohlen habe, da die in die USA gelieferten Bälle als Paralleleinfuhren in Holland aufgetaucht seien, ohne zu behaupten oder zu beweisen, daß diese Mitteilungen von der Klägerin gestammt hätten.

23 Im übrigen werde der Klägerin in Randnummer 70 der Begründungserwägungen der Entscheidung vorgehalten, ihr sei bekannt gewesen, daß die Meldungen an die Tretorn im Zusammenhang mit einem Parallelausfuhrstopp erfolgt seien, so daß sie "aktiv daran beteiligt [gewesen sei], die Quelle der Paralleleinfuhren zu beseitigen". Diese Begründung sei falsch und könne sich nicht auf Tatsachen stützen. Zwei telefonische Meldungen in zehn Jahren, mit denen sie habe in Erfahrung bringen wollen, ob die Tretorn direkt in die Niederlande ausführe, und einen günstigeren Preis habe erzielen wollen, könnten nicht als "aktive Beteiligung" gewertet werden. In Ermangelung anderer Argumente der Kommission müsse die Begründung deshalb als ungenügend betrachtet werden.

24 Die Kommission macht zunächst geltend, das ihr zur Verfügung stehende Beweismaterial für den Verstoß der Tretorn gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sei ungewöhnlich überzeugend und erlaube den Schluß, daß ihr Verhalten nicht nur einseitig, sondern Teil einer Absprache oder einer zwischen ihr und ihren Vertriebshändlern abgestimmten Verhaltensweise gewesen sei. Das ergebe sich aus den Randnummern 16 bis 50 der Begründungserwägungen der Entscheidung, insbesondere aus Randnummer 15, wo sie einen Passus aus einem Fax der Tretorn AB an die Zuercher AG vom 6. Juni 1989 zitiert habe, in dem es heisse: "... Unsere Politik ist, jeden Vertriebshändler vor Einfuhren aus grauen Märkten zu schützen, wir haben daher... zahlreiche Kontrollen durchgeführt, neue Verpackungen entworfen, mehrere Bestellungen abgelehnt usw., um die Geschäfte auf dem grauen Markt möglichst einzuschränken".

25 Sie habe auch hinreichendes Beweismaterial für den Verstoß der Klägerin. Die beiden in den Randnummern 24 und 25 der Begründungserwägungen der Entscheidung erwähnten Beweismittel, nämlich das Fax vom 16. Juli 1987 und die interne Notiz vom 20. Juni 1988, erlaubten den Schluß, daß die Klägerin in den Niederlanden aktiv an der Meldung und der Nachprüfung von Paralleleinfuhren mit dem Ziel beteiligt gewesen sei, die Geschäftspolitik der Tretorn umzusetzen.

26 Aus dem Fax vom 16. Juli 1987 gehe hervor, daß die Klägerin die Tretorn fernmündlich unterrichtet habe, daß Tretorn-Tennisbälle, die nicht von der Klägerin stammten, erneut ("again") auf dem niederländischen Markt aufgetaucht seien. Die Tretorn habe die Klägerin anschließend gebeten, ihr die Kennzahl mitzuteilen, um das Herkunftsland des Erzeugnisses feststellen zu können ("which country had shipped"). Aus dem Rest des Fax gehe hervor, daß die Tretorn bereits Vermutungen über die Herkunft des Erzeugnisses gehabt habe ("while I of course suspect our friends"), nämlich das Vereinigte Königreich ("if it is the UK"), und daß die Aufforderung an die Klägerin, die Kennzahl mitzuteilen, diese Vermutungen habe bestätigen sollen ("we must wait for proof").

27 Die Ausführungen der Klägerin, die die Meldungen an die Tretorn erklären sollten, seien nicht überzeugend. Zunächst lasse der Ausdruck "erneut" ("again") Zweifel an der Behauptung der Klägerin zu, die Meldung sei nur zufällig erfolgt. Dann ergebe sich aus dem Fax nicht, daß die Klägerin die Tretorn verdächtigt habe, selbst in die Niederlande geliefert zu haben. Es erwähne auch keine Bemühungen der Klägerin, einen günstigeren Preis zu erzielen. Es beziehe sich nur auf von der Klägerin gemeldete und zusammen mit der Tretorn geprüfte Paralleleinfuhren. Insbesondere die Angabe, daß die Klägerin aufgefordert worden sei, die Kennzahl mitzuteilen, um das Herkunftsland feststellen zu können, lasse keinen Zweifel an der tatsächlichen Beteiligung der Klägerin an der Meldung von Paralleleinfuhren und deren Nachprüfung zu.

28 Die interne Notiz vom 20. Juni 1988 belege dasselbe. Aus ihr ergebe sich, daß die Klägerin Paralleleinfuhren aus zwei Quellen gemeldet habe und offenbar gerade die Kennzahlen zu ermitteln suche, um diese Quellen festzustellen. Aus dem letzten Satz der Notiz ergebe sich, daß die Klägerin gehofft habe, binnen weniger Tage an die Kennzahlen heranzukommen ("he hopes to have date codes in a few days").

29 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hätten das Fax und die interne Notiz sehr wohl Beweiswert. Es handele sich um interne Unterlagen der Tretorn, die von einer wohlunterrichteten Person ausserhalb eines Verfahrens vor der Kommission oder dem Gericht erstellt worden seien und in denen bestimmte Praktiken der Klägerin berichtet würden. Daß diese Unterlagen von einer wohlunterrichteten Person stammten, die keinen Anlaß gehabt habe, ihre Beschreibung der Praktiken der Klägerin zu fälschen, verstärke ihren Beweiswert noch.

30 Das Vorbringen der Klägerin zu Randnummer 46 der Begründungserwägungen der Entscheidung (oben, Randnr. 22) gehe fehl. Was die Klägerin betreffe, so habe sich die Kommission nicht auf den dort genannten Umstand gestützt, sondern nur auf die beiden in den Randnummern 24 und 25 der Begründungserwägungen genannten Beweismittel. Daher sei es nicht erforderlich gewesen, die Klägerin in Randnummer 46 der Begründungserwägungen namentlich zu nennen. Gleichwohl habe die Tretorn nur von der Klägerin über das Auftauchen in die Vereinigten Staaten von Amerika gelieferter Tennisbälle auf dem niederländischen Markt unterrichtet werden können.

31 Das Schreiben der Scapino BV widerlege ihre Beweismittel nicht. Aus diesem Schreiben ergebe sich vielmehr, daß die Klägerin ein doppeltes Spiel getrieben habe. Das Schreiben sei erst kürzlich im Rahmen der Verteidigung der Klägerin gegen die Feststellungen der Kommission erstellt worden. Es sei weder nachgewiesen, daß die Scapino BV tatsächlich das Unternehmen gewesen sei, das 1987 und 1988 Paralleleinfuhren bezogen habe, noch, daß sie der einzige Parallelimporteur gewesen seien. Auch sei nicht nachgewiesen, daß die Scapino BV Kenntnis vom allgemeinen Kontext der Praktiken der Klägerin, insbesondere von den Kontakten gehabt habe, die diese mit der Tretorn unterhalten haben.

32 Die Behauptung der Klägerin, mit Hilfe der Kennzahlen lasse sich das Ausfuhrland der Tennisbälle nicht feststellen, treffe nicht zu. Ohne jeden Zweifel wisse der Verantwortliche der Tretorn, welche Daten sich aus diesen Kennzahlen ableiten ließen. Daß er die Klägerin aufgefordert habe, ihm die Kennzahlen mitzuteilen, um daraus das Herkunftsland der Tennisbälle ableiten zu können, belege, daß die Kennzahlen hierzu tatsächlich verwendet werden könnten.

33 Schließlich sei die Entscheidung entgegen der Behauptung der Klägerin hinreichend begründet. Das ergebe sich aus ihren Erklärungen (siehe oben).

Rechtliche Würdigung

34 Die Klägerin bestreitet nicht, daß die Tretorn ein Alleinvertriebssystem anwandte, das mit einem Ausfuhrverbot und Mechanismen gestützt wurde, die dieses Verbot möglichst wirksam machen sollten. Sie gesteht auch zu, seit 1985 Alleinvertriebshändlerin der Tretorn in den Niederlanden zu sein. Sie bestreitet jedoch, daß die Tretorn ihr ein Ausfuhrverbot auferlegt habe und daß sie an den Meldungen und Nachforschungen von Paralleleinfuhren mitgewirkt habe. Vor der Eröffnung des Verfahrens durch die Kommission habe sie nicht einmal von dem Verbot der Parallelausfuhren gewusst.

35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts kann Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht für nicht anwendbar erklärt werden auf eine Alleinvertriebsvereinbarung, die zwar selbst kein Verbot der Wiederausfuhr der Vertragserzeugnisse enthält, bei der aber die Vertragsparteien ihr Verhalten in einer Weise aufeinander abstimmen, die Paralleleinfuhren für einen nicht zugelassenen Zwischenhändler verhindern soll (siehe Urteile des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 86/82, Hasselblad/Kommission, Slg. 1984, 883; und des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 88).

36 Im vorliegenden Fall stützt sich die Kommission auf die folgenden beiden, in den Randnummern 24 und 25 der Begründungserwägungen der Entscheidung beschriebenen Beweismittel für die Beteiligung der Klägerin in den Niederlanden an den Meldungen und Nachprüfungen von Paralleleinfuhren:

- ein Fax vom 16. Juli 1987 von M. M., von der Tretorn, an M. A., von der Tretorn AB:

"I just had a phone call from Will Van Megen to advise that XL boxes of 4 again turning up in a major shoe chain in Holland.

I have asked Will to forward the Code No. to [O.] so that he can advise which country has shipped.

While I of course suspect our friends, we must wait for the proof.

If it is the UK, then obviously the shipment has been made to Holland in the past few weeks."

("Mich hat eben Will Van Megen angerufen und mir gesagt, daß Vierer-XL-Schachteln erneut in einer bedeutenden Schuhkette aufgetaucht seien.

Ich habe Will gebeten, [O.] die Kennzahl mitzuteilen, damit dieser feststellen kann, aus welchem Land sie kommen.

Natürlich habe ich unsere Freunde im Verdacht, aber wir müssen auf den Beweis warten.

Wenn es das Vereinigte Königreich ist, dann muß die Sendung nach Holland offenkundig in den letzten Wochen erfolgt sein.")

- eine interne Notiz der Tretorn vom 20. Juni 1988 von M. M. an M. O.:

"Please ring Will Van Megen. He has parallel from 2 different sources.

1 Box of 4, made in Ireland, no date code yet.

2 Box of 4, US TA approved, no date code yet.

He hopes to have date codes in a few days."

("Bitte Will Van Megen anrufen. Er hat Paralleleinfuhren aus zwei Quellen.

1 Vierer-Schachtel, in Irland hergestellt, noch keine Kennzahl.

2 Vierer-Schachtel, von US TA gebilligt, noch keine Kennzahl.

Er hofft, die Kennzahlen in den nächsten Tagen zu haben.")

37 Diese beiden Unterlagen der Tretorn haben Beweiswert. Wie die Kommission zu Recht ausführt, sind sie von einem wohlunterrichteten Dritten erstellt worden, der keinen Anlaß hatte, Falschmeldungen zu verbreiten. Zudem wurden sie nicht in einem Verteidigungs- oder Rechtfertigungsverfahren vor der Kommission oder dem Gericht erstellt.

38 Diese beiden Beweismittel belegen eindeutig die Beteiligung der Klägerin an den Meldungen und Nachprüfungen bei Paralleleinfuhren von Tennisbällen zur Durchsetzung der Geschäftspolitik der Tretorn. Aus dem Fax vom 16. Juli 1987 ergibt sich nämlich, daß die Klägerin der Tretorn Paralleleinfuhren von Tretorn-Tennisbällen in die Niederlande gemeldet hat, daß eine solche Meldung an die Tretorn nicht zum ersten Mal erfolgte und daß sie aufgefordert worden war, die Kennzahlen zu liefern, die es der Tretorn erlauben sollten, das Herkunftsland der Bälle zu bestimmen. Aus der internen Notiz vom 20. Juni 1988 ergibt sich, daß die Klägerin der Tretorn erneut die Paralleleinfuhr von Tretorn-Tennisbällen in die Niederlande meldete, daß sie zwei Quellen für diese Einfuhren festgestellt hatte und daß sie sich bemühte, deren Kennzahlen herauszufinden.

39 Das in Randnummer 46 der Begründungserwägungen der Entscheidung erwähnte interne Papier der Tretorn vom 23. August 1988, in dem empfohlen wurde, die Lieferungen für den US-Markt einzustellen, weil die dorthin gelieferten Bälle in Holland als Paralleleinfuhren auftauchten, liegt der Entscheidung der Kommission gegen die Klägerin nicht zugrunde. Randnummer 46 der Begründungserwägungen findet sich in dem Abschnitt "Lieferstopp zur Verhinderung von Paralleleinfuhren", in dem die Kommission Maßnahmen der Tretorn aufführt, die diese Einfuhren unterbinden sollen. Das erwähnte Papier wird daher gegen die Tretorn angeführt, nicht gegen die Klägerin, bei der Kommission zu Recht annahm, daß sie über ausreichendes Beweismaterial verfüge.

40 Das Fax vom 16. Juli 1987, die interne Notiz vom 20. Juni 1988 sowie die übrigen von der Kommission in der Entscheidung angeführten Beweismittel (siehe Randnrn. 36 bis 38 und 40 der Begründungserwägungen) belegen ohne jeden Zweifel, daß die Tretorn den Ursprung von Paralleleinfuhren aus den Kennzahlen ableiten konnte. Das ergibt sich namentlich aus einem Fax der Tretorn an die Formula Sport International Ltd (siehe Randnr. 37 der Begründungserwägungen), in dem M. M., von der Tretorn, schreibt: "The date codes are all from the shipment to Formula." ("Die Kennzahlen stammen alle aus einer Sendung an Formula.") Das ergibt sich weiter aus einem Fax der Tretorn vom 15. Mai 1987 ebenfalls an die Formula Sport International Ltd, in dem M. M. ausführt: "We are sure of our facts/date codes and the balls shipped to Formula ended up in Switzerland.... Formula is guilty so let's not have any more discussion." ("Wir kennen unsere Fakten/Kennzahlen, und die an Formula gesandten Bälle sind in der Schweiz aufgetaucht.... Formula ist schuldig, Schluß der Debatte.")

41 Das Schreiben der Scapino BV widerspricht den Beweisstücken der Kommission nicht. Schließlich konnte die Klägerin selbst die Paralleleinfuhren der Scapino BV nicht verhindern. Wollte sie sie verhindern, so musste sie mit der Tretorn Kontakt aufnehmen, damit diese alle erforderlichen Maßnahmen treffe. Zudem lag es im Eigeninteresse der Klägerin, möglichst viele Tretorn-Tennisbälle zu verkaufen, und zwar auch an die Scapino BV. Auch verfolgte die Tretorn die Geschäftspolitik, Ausfuhren zu verbieten. Aus den Akten ergibt sich nicht, daß die Scapino BV von der Klägerin gelieferte Tretorn Tennisbälle ausgeführt hätte. Mit dem Verkauf der besagten Bälle an die Scapino BV, die wie die Klägerin ein niederländisches Unternehmen ist, hat diese daher die Geschäftspolitik der Tretorn nicht verletzt. Deshalb hatte auch die Tretorn, selbst wenn sie von den Verkäufen der Klägerin an die Scapino BV gewusst haben sollte, kein Interesse daran, diese zu verhindern.

42 Die Gründe, die die Klägerin für ihre Meldungen an die Tretorn anführt, überzeugen nicht. Hätte die Klägerin diese Meldungen nur vorgenommen, um festzustellen, ob die Tretorn Kunden in den Niederlanden direkt belieferte, und um ihre Verhandlungsposition gegenüber der Tretorn zu verbessern und damit einen günstigeren Preis zu erlangen, hätte sie sich nicht zu bemühen brauchen, die Kennzahlen der parallel eingeführten Tennisbälle zu ermitteln. Daraus ergibt sich, daß sie in Wirklichkeit Kenntnis von der Geschäftspolitik der Tretorn hatte, Parallelausfuhren zu verbieten. Somit hat die Kommission in Randnummer 70 der Begründungserwägungen der Entscheidung zu Recht festgestellt, auch wenn die Auslegung der Klägerin zuträfe, "steh[e] fest, daß die Meldungen im Zusammenhang mit einem Parallelausfuhrstopp erfolgt [seien], der Van Megen bekannt [gewesen sei], und daß Van Megen aktiv daran beteiligt [gewesen sei], die Quelle der Paralleleinfuhren zu beseitigen".

43 Die Klägerin kann schließlich nicht mit ihrem Vorbringen gehört werden, die beiden telefonischen Meldungen an Tretorn seien nicht als aktive Beteiligung aufzufassen, da sie von sich aus an die Tretorn, nicht diese an sie herangetreten sei. Im übrigen ergibt sich aus der obigen Randnummer 38, daß sie aufgefordert wurde, die Kennzahlen der Paralleleinfuhren zu ermitteln. Damit hat sich die Klägerin aktiv an der Geschäftspolitik der Tretorn beteiligt.

44 Die Rügen, die Kommission habe keine hinreichenden Beweise erbracht und die Entscheidung nicht hinreichend begründet, sind daher zurückzuweisen.

Der Antrag auf Aufhebung der Geldbusse

Parteivorbringen

45 Die Klägerin bringt zunächst vor, die Begründung für die Höhe der auferlegten Geldbusse in Randnummer 78 der Begründungserwägungen der Entscheidung (siehe oben, Randnr. 9) sei ungenügend. Die Kommission gebe den Umfang der Beteiligung jedes Vertriebshändlers an der Geschäftspolitik der Tretorn ebensowenig wie die Gesichtspunkte an, auf die sie sich bei der Ermittlung dieser Beteiligung gestützt habe. Vier von fünf Vertriebshändlern sei dieselbe Geldbusse auferlegt worden, obwohl sich aus den Akten hinreichend ergebe, daß die bewusste oder unbewusste "Beteiligung" der einzelnen Vertriebshändler sehr unterschiedlich gewesen sei.

46 Zudem habe sie im Verwaltungsverfahren vorgebracht, selbst wenn sie, wie nicht, gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossen hätte, dürfe ihr keine Sanktion auferlegt werden, da die beiden telefonischen Meldungen nur beiläufig und zweitrangig gewesen seien. Hierauf sei die Kommission nicht eingegangen, obwohl sie ausdrücklich davon Abstand genommen habe, der Tenimport eine Geldbusse aufzuerlegen. Das Verteidigungsvorbringen der Klägerin sei jedoch demjenigen jener Firma vergleichbar, ihre Lage beinahe dieselbe gewesen. Daß die Klägerin von einem Ausfuhrverbot nichts gewusst habe, lege der Umstand nahe, daß ihr ein solches Verbot niemals auferlegt worden sei.

47 Das Vorbringen der Kommission, sie habe Zweifel daran gehabt, daß der Tenimport ein Verstoß gegen den EG-Vertrag vorzuwerfen sei, sei nicht haltbar. Das Absehen von einer Geldbusse wegen eines als bewiesen angesehenen Verstosses dürfe nicht vom Umfang der Zweifel abhängen, die in den Augen der Kommission bestehen blieben.

48 Die Kommission hält die Höhe der der Klägerin aufgelegten Geldbusse für hinreichend begründet. Die Beteiligung der Klägerin an dem Verstoß sei in den Randnummern 24, 25, 70 und 76 der Begründungserwägungen der Entscheidung festgestellt. Die jeweilige Höhe der Geldbussen habe die Kommission, wie in Randnummer 78 der Begründungserwägungen der Entscheidung angegeben, unter Berücksichtigung der jeweiligen Beteiligung der Vertriebshändler an dem Verstoß festgesetzt. Sie habe auch die Rolle der einzelnen Vertriebshändler "im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Geschäftspolitik der Firma Tretorn gesehen, jedwede Ausfuhr ihrer Erzeugnisse zu verbieten". Deswegen habe sie nur der Tretorn eine bedeutende Geldbusse entsprechend ihrem Umsatz auferlegt. Den Vertriebshändlern sei hingegen nur eine niedrige, pauschale Geldbusse auferlegt worden. Dieser Entscheidung liege die Überlegung zugrunde, daß die Tretorn die Hauptverantwortliche gewesen sei, während die Vertriebshändler am Funktionieren des von der Tretorn gelenkten Systems nur beteiligt gewesen seien. Da es sich um die Beteiligung am Funktionieren desselben Systems gehandelt habe und die Geldbussen zudem pauschal und niedrig gewesen seien, sei es nicht angebracht gewesen, zwischen den Vertriebshändlern zu unterscheiden.

49 Zugunsten des belgischen Vertriebshändlers Tenimport sei jedoch eine Ausnahme gemacht worden, weil die Kommission bei ihm nur über schwächere Beweise für die Mitwirkung an der Umsetzung der Geschäftspolitik der Tretorn verfügt habe. Das einzige einschlägige Beweismittel sei ein Fax vom 27. Februar 1989 von der Tenimport an die Tretorn gewesen. In diesem Fax habe sich die Tenimport über die "unglaublichen" Preise für Tretorn-Tennisbälle beschwert, die über Belgien nach Italien unterwegs seien, und nachgefragt, wie solche Preise möglich seien. Daraus habe die Kommission geschlossen, daß die Auslegung der Tenimport, daß sie nur in Preisverhandlungen mit der Tretorn habe treten wollen, nicht völlig unwahrscheinlich sei. Hingegen gehe es, was die Klägerin betreffe, in dem Fax vom 16. Juli 1987 und in der internen Notiz vom 20. Juni 1988 nicht um den Preis, sondern nur um das Auftauchen von Tennisbällen, die nicht von der Klägerin stammten, auf dem niederländischen Markt und um die Zusammenarbeit zwischen der Tretorn und der Klägerin bei der Ermittlung der Herkunft dieser Paralleleinfuhren. Diese Unterlagen hätten somit einen gänzlich anderen Inhalt als das Fax der Tenimport.

50 Das Vorbringen der Klägerin, ihre Verteidigung sei dieselbe wie die der Tenimport, treffe nicht zu. Wie sich aus Randnummer 77 der Begründungserwägungen der Entscheidung ergebe, habe die Tenimport während der Anhörung den Verstoß der Tretorn bestätigt. Die Tenimport habe somit an den Ermittlungen der Kommission mitgewirkt. Zudem ergebe sich aus Randnummer 77 der Begründungserwägungen, daß die Tretorn die Tenimport bestraft, nämlich die Vertriebsvereinbarung gekündigt habe, weil Tenimport dem Ausfuhrverbot nicht entsprochen habe. Schließlich sei es nicht Sache der Klägerin, die Tenimport zu verteidigen, die gegen die Entscheidung nicht geklagt habe.

Rechtliche Würdigung

51 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (siehe insbesondere Urteil des Gerichts vom 9. November 1994 in der Rechtssache T-46/92, Scottish Football/Kommission, Slg. 1994, II-1039, Randnr. 19). Zudem ist jeder Teil einer Entscheidung, die ein Ganzes darstellt, im Lichte ihrer anderen Teile zu sehen (siehe Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 66).

52 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der Entscheidung klar angegeben, in welchem Grade die Vertriebshändler an der Geschäftspolitik der Tretorn beteiligt waren und auf welche Beweisstücke sie diese Beteiligung stützte. Namentlich der Grad der Beteiligung der Klägerin ergibt sich insbesondere aus den Randnummern 24, 25, 57, 70 und 76 bis 78 der Begründungserwägungen sowie aus Artikel 1 Absatz 6 der Entscheidung. Aus der Erörterung oben in Randnummern 36 bis 44 ergibt sich, daß die Kommission ihre Entscheidung insoweit hinreichend untermauert und begründet hat, als sie die Beteiligung der Klägerin an den Meldungen und Nachforschungen bei Paralleleinfuhren von Tretorn Tennisbällen zum Zwecke der Durchsetzung von deren Geschäftspolitik festgestellt hat.

53 Was die Höhe der Geldbusse anbelangt, so stellen die Geldbussen nach der Rechtsprechung ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission dar. Deshalb bedarf die Kommission bei ihrer Festsetzung eines Ermessens, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (siehe Urteil Martinelli/Kommission, a. a. O., Randnr. 59).

54 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung hat die Kommission den Vertriebshändlern der Tretorn eine geringe pauschale Geldbusse auferlegt. Sämtliche Vertriebshändler haben am Funktionieren desselben Systems mitgewirkt. In einem solchen Fall braucht die Kommission nicht zwischen den einzelnen Vertriebshändlern zu unterscheiden und auch nicht bei jedem Vertriebshändler die Höhe der auferlegten Geldbusse zu begründen. Die Kommission hat damit die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten.

55 Die Klägerin bringt weiter vor, ihr sei keine Sanktion aufzuerlegen, da die beiden telefonischen Mitteilungen beiläufig und zweitrangig gewesen seien. Nach der obigen Randnummer 43 war jedoch die Klägerin an der Geschäftspolitik der Tretorn aktiv beteiligt. Die Kommission ist auf dieses Argument der Klägerin deshalb zu Recht nicht eingegangen. Zudem hat die Kommission nach ständiger Rechtsprechung gemäß Artikel 190 EG-Vertrag ihre Entscheidungen zwar mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben, braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden (siehe u. a. das Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-149/89, Sotralentz/Kommission, Slg. 1995, II-1127, Randnr. 73).

56 Schließlich kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, daß der Tenimport keine Geldbusse auferlegt wurde. Ein solches Vorbringen mit dem Ziel, daß die Klägerin der ihr wegen Verstosses gegen Artikel 85 EG-Vertrag auferlegten Sanktion entgeht, kann nicht gehört werden, da der Gemeinschaftsrichter mit dem Fall des anderen Unternehmens nicht befasst ist (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 97, und Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, a. a. O., Randnr. 176).

57 Der Antrag auf Aufhebung der Geldbusse ist daher zurückzuweisen.

58 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag in die Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist und die Kommission es beantragt hat, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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