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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.1990
Aktenzeichen: 323/88
Rechtsgebiete: Verordnung 864/87/EWG, Verordnung 2176/84/EWG


Vorschriften:

Verordnung 864/87/EWG
Verordnung 2176/84/EWG Art. 14
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2176/84 können die Annahmen von Verpflichtungen einer Überprüfung unterzogen werden, die nach Absatz 3 dieser Bestimmung dazu führen kann, daß die betreffenden Maßnahmen geändert oder mit oder ohne Rückwirkung aufgehoben werden.

Die Ersetzung einer Preisverpflichtung durch einen Antidumpingzoll kann folglich nicht als Verstoß gegen den genannten Artikel oder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit angesehen werden.

2. Mit der Regelung des Artikels 2 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2176/84, wonach im Falle von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft der Normalwert im wesentlichen auf Grundlage des Preises bestimmt wird, zu dem die gleichartige Ware in einem Land mit Marktwirtschaft tatsächlich verkauft wird, soll die Berücksichtigung der Preise und Kosten in einem Land ohne Marktwirtschaft verhindert werden, die normalerweise nicht das Ergebnis der auf den Markt einwirkenden Kräfte sind.

3. Die Prüfung der Schädigung muß sich gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2176/84 auf eine Gesamtheit von Kriterien stützen, von denen nicht eines allein für die Entscheidung ausschlaggebend sein kann.

Deshalb steht der Rückgang des Marktanteils der gedumpten Einfuhren der Feststellung einer durch diese verursachten schwerwiegenden Schädigung nicht entgegen, wenn sich diese Feststellung auf verschiedene Kriterien stützt, deren Berücksichtigung in dieser Bestimmung vorgesehen ist.

4. Im Hinblick auf die sogenannten Gegenüberstellungen ist der Begriff der "unmittelbar betroffenen Parteien" gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2176/84 in dem Sinn zu verstehen, den ihm der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Klagen gegen eine Antidumpingverordnung gibt. Demgemäß können nur die Wirtschaftsteilnehmer, die zu einer der Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern gehören, denen der Gerichtshof das Recht zur direkten Klage gegen Verordnungen über die Einführung von Antidumpingzöllen zuerkannt hat, von der Kommission eine solche Gegenüberstellung verlangen.

5. Gemäß dem dem EWG-Vertrag als Anhang beigefügten "Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen" vom 25. März 1957 ist erstens die Bundesrepublik Deutschland von der Verpflichtung entbunden, auf den innerdeutschen Handel das sonst geltende Gemeinschaftsrecht anzuwenden, und hat zweitens die Deutsche Demokratische Republik, obwohl sie nicht zur Gemeinschaft gehört, im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht den Charakter eines Drittlands.

Hieraus folgt, daß die unterschiedliche Behandlung der in der Bundesrepublik Deutschland und der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Einführer im Zusammenhang mit der Erhebung der durch eine Verordnung des Rates eingeführten Antidumpingzölle auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Deutschen Demokratischen Republik eine Rechtsgrundlage in diesem Protokoll hat und somit nicht als Diskriminierung angesehen werden kann.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 11. JULI 1990. - SERMES SA GEGEN DIRECTEUR DES SERVICES DES DOUANES DE STRASBOURG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE COLMAR - FRANKREICH. - GEMEINSAME HANDELSPOLITIK - ANTIDUMPINGZOELLE AUF EINFUHREN VON ELEKTROMOTOREN. - RECHTSSACHE 323/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Colmar ( Dritte Zivilkammer ) hat mit Urteil vom 5. September 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnung ( EWG ) Nr. 864/87 des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von standardisierten Mehrphasen-Wechselstrommotoren mit einer Leistung von mehr als 0,75 bis 75 kW mit Ursprung in Bulgarien, Ungarn, Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion und zur endgültigen Vereinnahmung der als Sicherheit für den vorläufigen Zoll hinterlegten Beträge ( ABl. L 83, S. 1; im weiteren : die streitige Verordnung ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Aktiengesellschaft des französischen Rechts SA Sermes und dem Directeur des services des douanes Straßburg über die aufgrund der streitigen Verordnung geforderten Antidumpingzölle.

3 Die SA Sermes ist eine Gesellschaft, die u. a. Einfuhren von Elektromotoren mit Ursprung in der Deutschen Demokratischen Republik vornimmt, die aus diesem Land von der Gesellschaft AHB-Elektrotechnik ausgeführt werden.

4 Im Oktober 1985 stellte das Groupement des industries de matériels d' équipement électrique et de l' électronique industrielle associée ( Gimelec ), unterstützt von vier weiteren nationalen Verbänden der elektronischen Industrie, bei der Kommission einen Antrag auf Überprüfung bestimmter Andidumpingmaßnahmen gemäß Artikel 14 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2176/84 des Rates vom 23. Juli 1984 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern ( ABl. L 201, S. 1 ), der seinerzeit geltenden Grundverordnung ( im weiteren : die Grundverordnung ). Dieser Antrag war auf die Überprüfung der Beschlüsse über die Annahme der Preisverpflichtungen durch die Gemeinschaftsorgane gerichtet, die in einem früheren Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Elektromotoren mit Ursprung in Bulgarien, der Deutschen Demokratischen Republik, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei, Ungarn und der Sowjetunion von den betroffenen Ausführern angeboten worden waren.

5 Am 30. September 1986 nahmen der Rat und die Kommission ihre Annahme der genannten Verpflichtungen zurück, und die Kommission führte durch die Verordnung ( EWG ) Nr. 3019/86 vom selben Tag ( ABl. L 280, S. 68 ) einen vorläufigen Antidumpingzoll auf Einfuhren von standardisierten Mehrphasen-Wechselstrommotoren mit einer Leistung von mehr als 0,75 bis 75 kW mit Ursprung in Bulgarien, Ungarn, Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, Rumänien, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion ein.

6 Die SA Sermes erhob mit Klageschrift, die am 17. November 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes einging, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 3019/86 der Kommission ( Rechtssache 279/86 ).

7 Mit Beschluß vom 8. Juli 1987 wies der Gerichtshof die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, daß die angefochtene Handlung gegenüber der Klägerin eine Verordnung von allgemeiner Geltung und keine Entscheidung im Sinne des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag darstelle.

8 Am 23. März 1987 erließ der Rat die Verordnung zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die betreffenden Einfuhren und zur endgültigen Vereinnahmung der als Sicherheit für den vorläufigen Zoll hinterlegten Beträge.

9 Nach der Einführung des endgültigen Antidumpingzolls erhob die französische Zollverwaltung von der SA Sermes für deren Einfuhren von Elektromotoren aus der Deutschen Demokratischen Republik im April 1987 Antidumpingzölle in Höhe von 419 720 FF.

10 Am 7. Mai 1987 erhob die SA Sermes beim Tribunal d' instance Straßburg Klage gegen den Directeur des services des douanes Straßburg auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge, wobei sie sich auf die Ungültigkeit der streitigen Verordnung des Rates berief.

11 Nachdem ihre Klage durch Urteil vom 16. Juni 1987 abgewiesen worden war, legte die SA Sermes gegen dieses Urteil Berufung bei der Cour d' appel Colmar ein, die das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat :

"Ist die Verordnung ( EWG ) Nr. 864/87 des Rates vom 23. März 1987 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von standardisierten Mehrphasen-Wechselstrommotoren mit einer Leistung von mehr als 0,75 bis 75 kW mit Ursprung in Bulgarien, Ungarn, Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion und zur endgültigen Vereinnahmung der als Sicherheit für den vorläufigen Zoll hinterlegten Beträge im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Grundverordnung Nr. 2176/84 des Rates sowie die Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gültig?"

12 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

13 Zunächst ist festzustellen, daß das in allgemeiner Form abgefasste Vorlageurteil keine Angabe darüber enthält, weshalb das nationale Gericht Zweifel an der Gültigkeit der streitigen Verordnung hat. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof einige Einwände gegen die Gültigkeit dieser Verordnung ausgeführt. Die Gültigkeit der Verordnung ist somit mit Rücksicht auf diese Erklärungen zu untersuchen.

Zum Verstoß gegen Artikel 14 der Grundverordnung und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

14 Die SA Sermes macht zunächst geltend, die streitige Verordnung sei deshalb für nichtig zu erklären, weil durch sie ein Antidumpingzoll aufgrund einer Überprüfung der zuvor eingegangenen Preisverpflichtungen eingeführt worden sei, die unter Verstoß gegen Artikel 14 der Grundverordnung ohne ausreichenden Beweis für veränderte Umstände durchgeführt worden sei.

15 Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Grundverordnung wird eine Entscheidung über die Annahme einer Verpflichtung erforderlichenfalls auf Antrag eines Mitgliedstaats oder auf Veranlassung der Kommission einer Überprüfung unterzogen. Eine Überprüfung findet auch auf Antrag einer betroffenen Partei statt, wenn diese Beweismittel für veränderte Umstände vorlegt, die ausreichen, um die Notwendigkeit dieser Überprüfung zu rechtfertigen, und sofern mindestens ein Jahr seit Abschluß der Untersuchung vergangen ist.

16 Wie sich aus der vierten Begründungserwägung der streitigen Ratsverordnung ergibt, wurde im vorliegenden Fall die Wiedereröffnung des Verfahrens aufgrund einer in der vierten Begründungserwägung dieser Verordnung ausdrücklich zusammengefassten Würdigung der Beweismittel vorgenommen, die das Gimelec zur Unterstützung seines Antrags auf Überprüfung der angenommenen Preisverpflichtungen vorgelegt hatte. Die Kommission und der Rat waren der Auffassung, daß diese Beweismittel veränderte Umstände aufzeigten und die Überprüfung der in dem früheren Verfahren angenommenen Preisverpflichtungen rechtfertigten.

17 Weder aus den Akten noch aus den vor dem Gerichtshof geführten Verhandlungen ergibt sich, daß der Kommission und dem Rat bei der Beurteilung der so vorgelegten Beweismittel ein Irrtum unterlaufen wäre.

18 Die SA Sermes macht weiter geltend, da die streitige Verordnung eine Preisverpflichtung durch einen Antidumpingzoll ersetzt habe, sei sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erlassen worden, weil sich die wirtschaftlichen Umstände nach der Annahme der Preisverpflichtungen im Jahre 1982 nicht oder allenfalls im Sinne einer Baisse geändert hätten und folglich kein allgemeines Gemeinschaftsinteresse die Einführung eines Antidumpingzolls gerechtfertigt habe.

19 Hierzu ist daran zu erinnern, daß die Annahmen von Verpflichtungen gemäß Artikel 14 der Grundverordnung einer Überprüfung unterzogen werden können, die nach Absatz 3 dieser Bestimmung dazu führen kann, daß die im Rahmen dieser Verpflichtungen ergriffenen Maßnahmen geändert oder mit oder ohne Rückwirkung aufgehoben werden.

20 Dem Vorbringen der SA Sermes zu einem Verstoß gegen Artikel 14 der Grundverordnung und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ist demgemäß nicht zu folgen.

Zum Verstoß gegen die Bestimmungen der Grundverordnung über die Berechnung des Normalwerts und die Feststellung der erlittenen Schädigung und zum Beurteilungsfehler

21 Die SA Sermes macht erstens geltend, der Normalwert sei nicht, wie in Artikel 2 Absatz 5 der Grundverordnung vorgeschrieben, auf angemessene und nicht unvertretbare Weise bestimmt worden, weil Jugoslawien, das hierzu als Bezugsland herangezogen worden sei, kein Land mit Marktwirtschaft sei, da es auf diesem Markt keine freie Preisbildung gebe.

22 Nach Artikel 2 Absatz 5 der Grundverordnung wird im Falle von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft der Normalwert im wesentlichen auf Grundlage des Preises bestimmt, zu dem die gleichartige Ware in einem Land mit Marktwirtschaft tatsächlich verkauft wird.

23 Ziel dieser Vorschrift ist es, die Berücksichtigung der Preise und Kosten in einem Land ohne Marktwirtschaft zu verhindern, die normalerweise nicht das Ergebnis der auf den Markt einwirkenden Kräfte sind ( Urteil vom 5. Oktober 1988 in den verbundenen Rechtssachen 294/84 und 77/87, Technointorg/Kommission und Rat, Slg. 1988, 6077, Randnr. 29 ).

24 Wie der Gerichtshof jedoch in seinem Urteil vom 11. Juli 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-305/86 und C-160/87 ( Neotype/Kommission und Rat, Slg. 1990, 0000, Randnrn. 26 und 27 ) entschieden hat, kann Jugoslawien nicht als ein Land ohne Marktwirtschaft angesehen werden. In dem in Frage stehenden Zeitraum gab es nämlich in Jugoslawien kein allgemeines Preisfestsetzungssystem und ein solches System bestand jedenfalls auch nicht im Bereich Elektromotoren.

25 Das Argument der SA Sermes, Jugoslawien sei kein Land mit Marktwirtschaft im Sinne des Artikels 2 Absatz 5 der Grundverordnung ist demgemäß nicht begründet.

26 Zweitens macht die SA Sermes geltend, die Gemeinschaftsorgane hätten nicht bewiesen, daß die Gemeinschaftshersteller durch die betreffenden Einfuhren geschädigt worden seien. Die Gemeinschaftsorgane hätten gegen Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung verstossen, indem sie den Gestehungspreis auf dem gemeinsamen Markt mit dem Verkaufspreis der aus den östlichen Ländern stammenden Motoren verglichen hätten; diese Bestimmung verlange, daß eine mögliche Unterbietung im Hinblick auf den Preis einer gleichartigen Ware in der Gemeinschaft beurteilt werden müsse. Ausserdem sei niemals nachgewiesen worden, daß fast alle Erzeuger in der Gemeinschaft ihre Elektromotoren mit Verlust verkauften. Die Gemeinschaftsproduktion habe im Gegenteil während des fraglichen Zeitraums 3 % des Marktes zurückgewonnen.

27 Es ist festzustellen, daß sich die Prüfung der von der Gemeinschaft erlittenen Schädigung gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Grundverordnung auf eine Gesamtheit von Kriterien stützen muß, von denen nicht eines allein für die Entscheidung ausschlaggebend sein kann.

28 Wie der Gerichtshof in seinem schon genannten Urteil vom 11. Juli 1990 ( verbundene Rechtssachen C-305/86 und C-160/87 ) entschieden hat, hat der Rat die Schädigung in Kenntnis des Umstands, daß der Marktanteil der Einfuhren von Elektromotoren aus den auch im Ausgangsverfahren betroffenen östlichen Ländern von 23 % im Jahre 1982 auf 19,6 % im Jahre 1985 zurückgegangen war, anhand verschiedener in Artikel 4 Absatz 2 der Grundverordnung angeführter Kriterien festgestellt. So sind nämlich gemäß Randnummer 25 der Verordnung Nr. 3019/86, auf die die Randnummer 19 der streitigen Verordnung Bezug nimmt, die Einfuhren von Elektromotoren aus den betroffenen Ländern von 716 000 Stück im Jahre 1982 auf 784 300 Stück im Jahre 1985 angestiegen, nachdem sie 1983 auf 604 000 Stück und 1984 auf 689 000 Stück zurückgegangen waren. In den Randnummern 21 bis 24 der streitigen Verordnung wird ferner auf eine nicht unerhebliche Unterbietung sowohl der Gestehungspreise als auch der Verkaufspreise der Gemeinschaftshersteller durch die Wiederverkaufspreise für die eingeführten Elektromotoren hingewiesen. Der Rat stellt schließlich in den Randnummern 25 und 26 der streitigen Verordnung fest, daß die Gemeinschaftshersteller von Elektromotoren trotz einer Absatz - und Produktionserhöhung seit 1982 Betriebsverluste zwischen 2 % und 25 % des Gestehungspreises erlitten hätten, mit Ausnahme von zwei Unternehmen, von denen das eine seinen Sitz in einem Mitgliedstaat habe, wo die betreffenden Einfuhren sehr gering seien. Darüber hinaus wird in Randnummer 26 der streitigen Verordnung festgestellt, daß die Zahl der direkt in der Herstellung von Elektromotoren beschäftigten Personen in der Gemeinschaft zwischen 1982 und 1985 ständig zurückgegangen sei.

29 Schließlich macht die SA Sermes geltend, die Auswahl von Elektromotoren, die der Rat zugrunde gelegt habe, sei nicht repräsentativ für ihre eigenen Verkäufe von aus der Deutschen Demokratischen Republik stammenden Elektromotoren in Frankreich. Die von ihr eingeführten Motoren würden an einen anderen Kundenkreis verkauft als die der grossen Gemeinschaftshersteller, und es bestehe folglich kein Kausalzusammenhang zwischen den Einfuhren aus der Deutschen Demokratischen Republik und den Verlusten der Gemeinschaftshersteller.

30 Da der Rat die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie zu Recht anhand der Auswirkung der gesamten gedumpten Einfuhren von Elektromotoren aus den betreffenden Ländern beurteilt hat, könnte das Vorbringen zur Auswahl nur berücksichtigt werden, wenn diese sich als nicht repräsentativ für die gesamten Einfuhren erweisen würde. Aus den Akten ist jedoch nichts ersichtlich, was eine solche Annahme rechtfertigen könnte.

31 Es ist somit festzustellen, daß der Rat keinerlei Beurteilungsfehler begangen hat, als er das Vorliegen einer den Gemeinschaftsherstellern durch die betreffenden Einfuhren zugefügten schwerwiegenden Schädigung annahm, obwohl deren Marktanteil in dem erwähnten Umfang zurückgegangen war.

Zum Ermessensmißbrauch

32 Die SA Sermes macht geltend, die streitige Verordnung stelle einen Ermessensmißbrauch dar, da sich der Rat nicht vom Gemeinschaftsinteresse, sondern vom Interesse einer Gemeinschaftsindustrie und insbesondere eines französischen Industriezweigs habe leiten lassen.

33 Es ist daran zu erinnern, daß eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde ( Urteil vom 4. Juli 1989 in der Rechtssache 198/87, Kerzmann/Rechnungshof, Slg. 1989, 2083, Leitsatz 2 ).

34 Der Rat hat in den Randnummern 33 bis 35 der Begründungserwägungen der streitigen Verordnung die Gründe dargelegt, die ihn veranlassten, anzunehmen, daß die Interessen der Gemeinschaft gemäß der Grundverordnung den Erlaß einer Maßnahme erfordern, die geeignet ist, die Gemeinschaftshersteller gegen die gedumpten Einfuhren von Erzeugnissen zu schützen.

35 Die SA Sermes hat sich beim Bestreiten des Vorliegens eines Gemeinschaftsinteresses auf Behauptungen beschränkt, ohne deren Richtigkeit nachzuweisen.

36 Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen nicht feststellen, daß das Vorbringen der SA Sermes zu einem Ermessensmißbrauch begründet wäre.

Zur Verletzung wesentlicher Formvorschriften und zur unzureichenden Begründung

37 Die SA Sermes macht geltend, die Begründung der streitigen Verordnung reiche nicht aus, um dem Gerichtshof die Ausübung seiner richterlichen Kontrolle zu ermöglichen; dies gelte insbesondere hinsichtlich der vom Gimelec vorgelegten Beweismittel zur Rechtfertigung der Überprüfung der Verpflichtungen, der zugrunde gelegten Auswahl von Motoren sowie der Schädigung und des Kausalzusammenhangs.

38 Hierzu ist daran zu erinnern, daß die nach Artikel 190 EWG-Vertrag notwendige Begründung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe u. a. Urteile vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache 255/84, Nashi Fujikoshi/Rat, Slg. 1987, 1861, Randnr. 39, und vom 14. März 1990 in der Rechtssache C-156/87, Gestetner/Kommission, Slg. 1990, 0000, Randnr. 67 ) die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben muß, daß die Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme kennenlernen können und daß der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann.

39 Dieses Erfordernis wurde in der vorliegenden Rechtssache erfuellt. In der vierten Begründungserwägung der streitigen Verordnung werden alle von den Antragstellern vorgelegten Beweismittel erwähnt, die nach Auffassung des Rates die Wiedereröffnung des Antidumpingverfahrens rechtfertigten. Die Auswahl der zugrunde gelegten Motoren ist in der achten Begründungserwägung derselben Verordnung erwähnt, die auf die elfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3019/86 der Kommission verweist; diese enthält in klarer und erschöpfender Weise alle sachdienlichen Erläuterungen hierzu. Gleiches gilt für die Randnummern 17 bis 32 der Begründungserwägungen der Ratsverordnung, die das Vorliegen einer Schädigung und den Kausalzusammenhang betreffen.

40 Das Vorbringen der SA Sermes, die streitige Verordnung sei unzureichend begründet, ist daher zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen Artikel 7 der Grundverordnung und zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

41 Die SA Sermes ist der Auffassung, im Rahmen der Voruntersuchungen, die zum Erlaß der streitigen Verordnung geführt hätten, hätten die Gemeinschaftsorgane Artikel 7 der Grundverordnung und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie ihr eine Gegenüberstellung mit den Beschwerdeführerinnen verweigert hätten.

42 Gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Grundverordnung hat die Kommission den unmittelbar betroffenen Parteien auf Antrag Gelegenheit zu geben, zusammenzutreffen, damit widersprechende Ansichten geäussert und etwaige Gegenargumente vorgebracht werden können.

43 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Begriff "den unmittelbar betroffenen Parteien" in dem Sinn zu verstehen ist, den ihm der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Klagen gegen eine Antidumpingverordnung gibt. Wie sich aber aus dem Beschluß des Gerichtshofes vom 8. Juli 1987 in der Rechtssache 279/86 ( Sermes/Kommission, Slg. 1987, 3109 ) ergibt, gehört die SA Sermes zu keiner der Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, denen der Gerichtshof das Recht zur direkten Klage gegen Verordnungen über die Einführung eines Antidumpingzolls auf Einfuhren von bestimmten Elektromotoren mit Ursprung in verschiedenen Staatshandelsländern zuerkannt hat. Die SA Sermes hat im übrigen nicht dargetan, daß sie tatsächlich eine Gegenüberstellung beantragt hätte.

44 Das Vorbringen, die Gemeinschaftsorgane hätten Artikel 7 der Grundverordnung und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist demgemäß zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

45 Die SA Sermes macht schließlich geltend, die Anwendung der Sonderbestimmungen für den deutschen Binnenhandel, wonach Ausfuhren aus der Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland weiter zu dem vor Inkrafttreten der streitigen Verordnung geltenden Verkaufspreis durchgeführt werden könnten, bewirke eine nicht durch objektive Unterschiede gerechtfertigte diskriminierende Unterscheidung zwischen den in der Bundesrepublik Deutschland und den in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Einführern.

46 Insoweit ist lediglich daran zu erinnern, daß der Gerichtshof für Recht erkannt hat ( Urteil vom 21. September 1989 in der Rechtssache 12/88, Schäfer Shop/Minister van Economische Zaken, Slg. 1989, 2937, Randnr. 14 ), daß gemäß dem dem EWG-Vertrag als Anhang beigefügten "Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen" vom 25. März 1957 erstens die Bundesrepublik Deutschland von der Verpflichtung entbunden ist, auf den innerdeutschen Handel das sonst geltende Gemeinschaftsrecht anzuwenden, und zweitens die Deutsche Demokratische Republik, obwohl sie nicht zur Gemeinschaft gehört, im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht den Charakter eines Drittlands hat.

47 Hieraus folgt, daß die von der SA Sermes beanstandete unterschiedliche Behandlung in diesem Protokoll, das Bestandteil des Vertrages ist, eine Rechtsgrundlage hat, und somit nicht als Diskriminierung angesehen werden kann.

48 Das Vorbringen der SA Sermes zur Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist demgemäß zurückzuweisen.

49 Nach alledem haben die von SA Sermes vorgetragenen Argumente nichts ergeben, was die Gültigkeit der streitigen Ratsverordnung beeinträchtigen könnte. Im übrigen ist festzustellen, daß sich aus den Akten auch ansonsten nichts ergibt, was die Gültigkeit dieser Verordnung in Frage stellen könnte.

50 Dem vorlegenden Gericht ist demgemäß zu antworten, daß die Prüfung der Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 864/87 des Rates vom 23. März 1987 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von standardisierten Mehrphasen-Wechselstrommotoren mit einer Leistung von 0,75 bis 75 kW mit Ursprung in Bulgarien, Ungarn, Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion und zur endgültigen Vereinnahmung der als Sicherheit für den vorläufigen Zoll hinterlegten Beträge beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

51 Die Auslagen der französischen Regierung, des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Fünfte Kammer )

auf die ihm von der Cour d' appel Colmar mit Urteil vom 5. September 1988 vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Die Prüfung der Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 864/87 des Rates vom 23. März 1987 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von standardisierten Mehrphasen-Wechselstrommotoren mit einer Leistung von 0,75 bis 75 kW mit Ursprung in Bulgarien, Ungarn, Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion und zur endgültigen Vereinnahmung der als Sicherheit für den vorläufigen Zoll hinterlegten Beträge beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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