Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.02.1988
Aktenzeichen: 353/85
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/388/EWG, EWG-Vertrag
Vorschriften:
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 | |
EWG-Vertrag Art. 169 Abs. 1 |
Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388, der die Befreiung der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin betrifft, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, ist dahin auszulegen, daß die von ihm vorgesehene Befreiung, abgesehen von mit der Leistung untrennbar verbundenen kleineren Lieferungen von Gegenständen, nicht die in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Dienstleistung trennbare Lieferung von Arzneimitteln und sonstigen Gegenständen, wie z. B. von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern, umfasst, die von einem Arzt oder anderen hierzu ermächtigten Personen verordnet werden.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 23. FEBRUAR 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN VEREINIGTES KOENIGREICH GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND. - MEHRWERTSTEUER - IM RAHMEN DER AUSUEBUNG DER MEDIZINISCHEN UND PARAMEDIZINISCHEN BERUFE GELIEFERTES MATERIEL. - RECHTSSACHE 353/85.
Entscheidungsgründe:
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 19. November 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verstossen hat, daß es gemäß Anhang 6 Kategorie 7 ( Gesundheit ) des Valü Added Tax Act ( Mehrwertsteuergesetz ) von 1983 Lieferungen von Gegenständen unter Verstoß gegen Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388 von der Steuer befreit hat.
2 Artikel 13 Teil A Absatz 1 der Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem : einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ( ABl. L 145, S. 1; im folgenden : Sechste Richtlinie ) bestimmt :
" Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer :
a )...
b ) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
c ) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden;
d ) die Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch;
e ) die Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker;
..."
3 Das Vereinigte Königreich hat diese Richtlinie mit dem Valü Added Tax Act von 1983, der unter anderem für bestimmte Umsätze eine Mehrwertsteuerbefreiung vorsieht, in nationales Recht umgesetzt. Anhang 6 Kategorie 7 ( Gesundheit ) dehnt diese Steuerbefreiung auf folgende Umsätze aus :
"1 ) die Dienstleistungen und die damit verbundenen Lieferungen von Gegenständen durch Personen, die in einem der folgenden Register eingetragen sind :
a ) im Arztregister oder im Register der Ärzte mit beschränkter Zulassung;
b ) im Zahnarztregister;
c ) im Register der Augenoptiker oder in dem gemäß dem Opticians Act ( Optikergesetz ) von 1958 geführten Register der zur Ausführung von Verordnungen ermächtigten Optiker oder in den gemäß Section 4 dieses Gesetzes geführten Verzeichnissen von juristischen Personen, die die Tätigkeit von Augenoptikern oder von zur Ausführung von Verordnungen ermächtigten Optikern ausüben;
d ) in einem Register, das gemäß dem Professions Supplementary to Medicine Act ( Gesetz über die nichtärztlichen Medizinalberufe ) von 1960 geführt wird;
e ) im Register der geprüften Krankenschwestern, Hebammen und Health visitors, das gemäß Section 10 des Nurses, Midwives and Health Visitors Act ( Gesetz über Krankenschwestern, Hebammen und Health visitors ) von 1979 geführt wird;
f ) in einem Verzeichnis der zahnärztlichen Hilfskräfte, das gemäß Section 41 des Dentists Act ( Zahnärztegesetz ) von 1957 erstellt wurde;
g ) im Register der Personen, die Hörgeräte abgeben, oder im Register derjenigen, die solche Personen beschäftigen, die gemäß Section 2 des Hearing Aid Council Act ( Gesetz über den Rat für Hörgeräte ) von 1968 geführt werden."
4 Nach dieser Bestimmung sind Lieferungen von Gegenständen durch Angehörige der ärztlichen oder arztähnlichen Berufe von der Mehrwertsteuer befreit, wenn sie im Zusammenhang mit Dienstleistungen erfolgen. Das ist namentlich bei Lieferungen von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern durch zugelassene Optiker der Fall.
5 Da die Kommission der Ansicht war, daß das Vereinigte Königreich dadurch, daß es die Lieferung dieser Gegenstände von der Mehrwertsteuer befreit hatte, gegen Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie verstossen habe, richtete sie am 3. August 1982 gemäß Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag ein Aufforderungsschreiben an das Vereinigte Königreich.
6 Das Vereinigte Königreich räumte die ihm zur Last gelegte Vertragsverletzung nicht ein. Daraufhin übermittelte ihm die Kommission am 14. Juni 1984 gemäß Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Sie forderte das Vereinigte Königreich auf, der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nachzukommen.
7 Mit Schreiben vom 8. Oktober 1984 hielt das Vereinigte Königreich seinen Standpunkt aufrecht. Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
Zur Zulässigkeit
9 Zunächst macht das Vereinigte Königreich die Unzulässigkeit der Klage geltend.
10 Erstens trägt es vor, die Kommission habe nicht hinreichend genau angeben, wie weit ihre Vorwürfe gegen das Vereinigte Königreich reichten. Die Kommission habe nicht klar dargelegt, ob sie sich auf sämtliche Umsatzkategorien der Kategorie 7 ( Gesundheit ) des Valü Added Tax Act von 1983 beziehe oder nur auf einige von ihnen oder aber nur auf die Lieferung von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern, die Optiker im Rahmen ihrer Berufsausübung vornähmen.
11 Zweitens führt das Vereinigte Königreich aus, die Kommission habe sich selbst widersprochen, da sie einerseits in ihrem Aufforderungsschreiben den Standpunkt vertreten habe, daß Lieferungen von Gegenständen überhaupt nicht nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten, andererseits aber in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme eingeräumt habe, daß bestimmte Lieferungen von Gegenständen unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" im Sinne der genannten Bestimmung fallen könnten.
12 Das Vereinigte Königreich habe daher den tatsächlichen Umfang der Vorwürfe der Kommission nicht erkennen können und somit nicht die Möglichkeit gehabt, sich von Beginn des Rechtsstreits an zu verteidigen.
13 Nach Ansicht der Kommission geht aus dem Inhalt des Aufforderungsschreibens und der mit Gründen versehenen Stellungnahme eindeutig hervor, daß die dem Vereinigten Königreich vorgeworfene Vertragsverletzung einen Verstoß gegen Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie betrifft. Ausserdem habe sie stets darauf hingewiesen, daß die Lieferung von Brillen nur als Beispiel für eine Lieferung von Gegenständen angeführt worden sei, die ihrer Ansicht nach nicht nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c von der Mehrwertsteuer befreit werden könne. Somit geht es bei der dem Vereinigten Königreich vorgeworfenen Vertragsverletzung nicht nur um die Lieferung von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern, die Optiker im Rahmen ihrer Berufsausübung vornähmen.
14 Ferner bestreitet die Kommission, daß ihr Vorbringen widersprüchlich sei. Wenn sie in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme ausgeführt habe, daß auch kleinere Lieferungen von Gegenständen, die mit der Dienstleistung untrennbar verbunden seien und in einem marktwirtschaftlichen Gesundheitswesen normalerweise im Preis der Dienstleistung enthalten seien, von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten, so liege dies daran, daß sie den Umfang ihrer Beanstandungen unter Berücksichtigung der Einwände des Vereinigten Königreichs festgelegt habe.
15 Angesichts dieses Streits ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission das Vereinigte Königreich im Vorverfahren in die Lage versetzt hat, die wesentlichen Elemente der ihm vorgeworfenen Vertragsverletzung zu erkennen.
16 Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß die Kommission sowohl im Aufforderungsschreiben als auch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die wesentlichen Umstände der Streitigkeit angegeben hat, indem sie darauf hinwies, daß die dem Vereinigten Königreich vorgeworfene Vertragsverletzung einen Verstoß gegen Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie betreffe, da der Valü Added Tax Act des Vereinigten Königreichs von 1983 unter Verstoß gegen die vorgenannte Bestimmung die Gegenstände von der Mehrwertsteuer befreie, die im Rahmen von ärztlichen und sonstigen gesundheitspflegerischen Leistungen nicht notwendigerweise mit den "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" verbunden seien. Wenn sich die Kommission auch besonders gegen die Steuerbefreiung gewandt hat, die bei der Lieferung von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern gewährt wird, ergibt sich doch, daß Brillen als Beispiel angeführt worden sind, um die Kategorie von Gegenständen einzugrenzen, die von Angehörigen der ärztlichen und arztähnlichen Berufe im Zusammenhang mit den von ihnen erbrachten Dienstleistungen geliefert werden.
17 Ausserdem ergibt sich aus den Antworten des Vereinigten Königreichs auf das Aufforderungsschreiben und die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission, daß ihm die Natur der von dieser erhobenen Vorwürfe bekannt war. Es hat dort nämlich die Vorwürfe der Kommission zusammengefasst und Punkt für Punkt auf sie erwidert.
18 Sodann ist das Vorbringen zu prüfen, daß ein Widerspruch zwischen dem ursprünglichen Standpunkt der Kommission und ihrer Haltung in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bestehe.
19 Hierzu ist festzustellen, daß das Aufforderungsschreiben im Rahmen des Aufbaus des Verfahrens nach Artikel 169 EWG-Vertrag dem Zweck dient, den Staat, an den es gerichtet ist, über die wesentlichen Elemente der ihm vorgeworfenen Vertragsverletzung zu unterrichten und ihn aufzufordern, sich hierzu zu äussern. Wird die Auseinandersetzung nicht in diesem ersten Verfahrensabschnitt beigelegt, so gibt die Kommission unter Berücksichtigung der Einwände ihres Gesprächspartners eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, die den Gegenstand der Auseinandersetzung endgültig festlegt ( siehe Urteile vom 27. Mai 1981 in den Rechtssachen 142 und 143/80, Essivi und Salengo, Slg. 1981, 1413, vom 15. Dezember 1982 in der Rechtssache 211/81, Kommission/Dänemark, Slg. 1982, 4547, vom 31. Januar 1984 in der Rechtssache 74/82, Kommission/Irland, Slg. 1984, 317, und vom 18. März 1986 in der Rechtssache 85/85, Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1149 ). Daß im vorliegenden Fall die Kommission den Umfang ihrer Vorwürfe insoweit einschränkte, als sie im Anschluß an die Einwände des Vereinigten Königreichs klarstellte, daß der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie angeführte Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" kleinere Lieferungen von Gegenständen umfasse, die mit den Dienstleistungen untrennbar verbunden seien, steht nicht in Widerspruch zu dem Vorwurf, der die Steuerbefreiung für Gegenstände betrifft, die nicht notwendigerweise mit einer ärztlichen oder sonstigen gesundheitspflegerischen Dienstleistung verbunden sind.
20 Die von der Regierung des Vereinigten Königreichs erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.
Zur Begründetheit
21 Die Parteien sehen den Kern des Problems in der vorliegenden Rechtssache übereinstimmend in der Auslegung des Ausdrucks "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" im Zusammenhang des Artikels 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie.
22 Das Vereinigte Königreich trägt vor, daß die unter Buchstabe c vorgesehene Befreiung der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" die Lieferung von Gegenständen umfasse, die in Verbindung mit den Dienstleistungen der Angehörigen bestimmter anerkannter ärztlicher und arztähnlicher Berufe vorgenommen werden. Demgemäß vertritt das Vereinigte Königreich die Auffassung, daß sogar die Abgabe von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern durch Augenoptiker oder durch Optiker, die zur Ausführung von Verordnungen ermächtigt sind, eine enge Verbindung zur erbrachten Dienstleistung aufweise.
23 In diesem Zusammenhang zieht das Vereinigte Königreich eine Parallele zwischen den Buchstaben b und c des vorgenannten Artikels 13 Teil A Absatz 1. Es trägt vor, aus dem Umstand, daß nach Buchstabe b sowohl die "ärztliche Heilbehandlung" (" medical care" in der englischen Fassung der Richtlinie ) für den Krankenhauspatienten als auch die "mit ihr eng verbundenen Umsätze" steuerfrei seien, folge, daß die Steuerbefreiung im Krankenhausbereich auch für die Abgabe von Gegenständen gelte. Konsequenterweise seien Gegenstände, die im Zusammenhang mit den in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c genannten "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" (" medical care" in der englischen Fassung ) abgegeben würden, ebenso zu behandeln.
24 Dies sei auch aufgrund des Wortlauts der genannten Buchstaben b und c geboten, die in der englischen Fassung der Richtlinie jeweils den gleichen Ausdruck - "medical care" - enthielten, dem im übrigen in der französischen Fassung die Wendungen "soins medicaux" ( Buchstabe b ) und "soins à la personne" ( Buchstabe c ) entsprächen. Da es sich dabei um einen identischen Begriff handele, seien die Buchstaben b und c gleich auszulegen, und zwar dahin, daß die Steuerbefreiung, die nach der ersten Bestimmung sowohl für ärztliche Leistungen als auch für die Lieferung von Gegenständen gewährt werde, auch für Gegenstände gewährt werden müsse, die im Zusammenhang mit den unter Buchstabe c genannten ärztlichen oder sonstigen gesundheitspflegerischen Leistungen geliefert würden.
25 Die Kommission trägt vor, der Ausdruck "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" sei dahin auszulegen, daß er, abgesehen von mit der Dienstleistung untrennbar verbundenen kleineren Lieferungen von Gegenständen, nur Dienstleistungen einschließe.
26 Sie macht zunächst geltend, daß die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 vorgesehenen Steuerbefreiungen, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung aller Lieferungen von Gegenständen und aller Dienstleistungen darstellten, einschränkend auszulegen seien. Im vorliegenden Fall könne der Ausdruck "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" nicht so weit gefasst werden, daß er auch die Lieferung von Gegenständen einschließe.
27 Des weiteren führt die Kommission aus, daß die Sechste Richtlinie in den Fällen, in denen sie sowohl Lieferungen von Gegenständen als auch Dienstleistungen von der Steuer habe befreien wollen, dies, wie unter den Buchstaben g, h, i, l und n, ausdrücklich bestimmt habe. Unter Buchstabe c werde die Steuerbefreiung aber ausschließlich für "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" gewährt.
28 Dieses Ergebnis kann nach Ansicht der Kommission auch nicht durch einen Vergleich zwischen der Steuerbefreiung nach Buchstabe c und derjenigen nach Buchstabe b dieser Vorschrift in Frage gestellt werden. Die Ausdrücke "ärztliche Heilbehandlung" und "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin", die unter Buchstabe b und Buchstabe c verwendet würden, hätten nämlich im Zusammenhang der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung anderer sprachlicher Fassungen der Richtlinie ( cure mediche/prestazioni mediche - medische verzorging/gezondheitskundige verzorging ) eine unterschiedliche Bedeutung. Während der erste auch die Umsätze mit einschließe, die mit den ärztlichen Heilbehandlungen, die Teil einer Krankenhausbehandlung seien, in enger Verbindung stuenden, umfasse der zweite ausschließlich die in den Praxen der Angehörigen der ärztlichen oder arztähnlichen Berufe erbrachten entgeltlichen Leistungen und erstrecke sich somit nicht auf die Lieferung von Gegenständen.
29 Die Kommission macht geltend, daß dieser Unterschied zwischen der Besteuerung nach Buchstabe b und der nach Buchstabe c von den meisten Mitgliedstaaten anerkannt werde, die die Lieferung von Gegenständen, die Bestandteil einer Krankenhausbehandlung im Sinne von Buchstabe b sei, von der Steuer befreiten, während sie diese Steuerbefreiung nicht für die Lieferung von Gegenständen gewährten, die im Zusammenhang mit den unter Buchstabe c genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erfolge.
30 Zunächst ist das Vorbringen des Vereinigten Königreichs zu prüfen, zwischen den Buchstaben b und c des Artikels 13 Teil A Absatz 1 sei eine Parallele zu ziehen, die zur gleichen steuerlichen Behandlung, nämlich zur Steuerbefreiung, sowohl für die Gegenstände, die im Zusammenhang mit den Krankenhausleistungen nach Buchstabe b geliefert würden, als auch für diejenigen führen müsse, die im Zusammenhang mit den genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Buchstabe c abgegeben würden.
31 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
32 Buchstabe b bestimmt nämlich, daß die Mitgliedstaaten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" von der Steuer befreien, "die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden ". Demnach handelt es sich dabei um Leistungen, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen bestehen, die üblicherweise ohne Gewinnerzielungsabsicht in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung, wie zum Beispiel derjenigen des Schutzes der menschlichen Gesundheit, erbracht werden.
33 Demgegenüber bestimmt Buchstabe c, daß die Mitgliedstaaten "die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der... ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden", von der Steuer befreien. Aus der Stellung dieser Bestimmung unmittelbar hinter derjenigen über die Krankenhausleistungen sowie aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt sich, daß es sich um Leistungen handelt, die ausserhalb von Krankenanstalten im Rahmen einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem erbracht werden, wobei diese Beziehung normalerweise in dessen Praxisräumen zum Tragen kommt. Sieht man von den Lieferungen kleineren Umfangs ab, die bei der Heilbehandlung unbedingt notwendig sind, lässt sich bei dieser Sachlage die Abgabe von Arzneimitteln und sonstigen Gegenständen, wie zum Beispiel von Brillen zum Ausgleich von Sehfehlern, die von einem Arzt oder anderen hierzu ermächtigten Personen verordnet werden, in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Dienstleistung trennen.
34 Daraus folgt, daß sich die Steuerbefreiung für Gegenstände, die im Zusammenhang mit den unter Buchstabe c genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin geliefert werden, entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs nicht durch Buchstabe b rechtfertigen lässt.
35 Bei der Bestimmung des Umfangs der unter Buchstabe c für "die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" vorgesehenen Steuerbefreiung ist zu beachten, daß Artikel 13 zwar die Steuerbefreiung auch in bestimmten Fällen gewährt, in denen die Lieferung von Gegenständen mit der Dienstleistung verbunden ist, dabei aber die Fälle, in denen die Lieferung von Gegenständen steuerfrei ist, ausdrücklich nennt, da es sich hierbei um Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie handelt, wonach entgeltliche Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen. Diese Ausnahmen werden durch Artikel 13 Teil A Absatz 1 teils für Dienstleistungen allein, teils für Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen zusammen vorgesehen. Letzteres ist namentlich bei Buchstabe e der Fall, wonach die Steuerbefreiung sowohl für Dienstleistungen als auch für die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker gewährt wird. Buchstabe c bezieht sich hingegen lediglich auf die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe und schließt, abgesehen von mit der Leistung untrennbar verbundenen kleineren Lieferungen von Gegenständen, Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie aus.
36 Daher ist festzustellen, daß das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern verstossen hat, daß es gemäß Anhang 6 Kategorie 7 ( Gesundheit ) des Valü Added Tax Act von 1983 Lieferungen von Gegenständen von der Mehrwertsteuer befreit hat.
Kostenentscheidung:
Kosten
37 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden :
1 ) Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern verstossen, daß es gemäß Anhang 6 Kategorie 7 ( Gesundheit ) des Valü Added Tax Act von 1983 Lieferungen von Gegenständen von der Mehrwertsteuer befreit hat.
2 ) Das Vereinigte Königreich trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.