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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: C-103/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991, Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle, Dekrets des Umweltministeriums vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Art. 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen (Italien)
Vorschriften:
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 1 | |
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 4 | |
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 9 Abs. 1 | |
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 9 | |
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 10 | |
Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 Art. 11 | |
Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle Art. 3 | |
Dekrets des Umweltministeriums vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Art. 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen (Italien) Art. 5 Abs. 1 | |
Dekrets des Umweltministeriums vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Art. 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen (Italien) Art. 7 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 7. Oktober 2004. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 75/442/EWG und 91/689/EWG - Begriff der Abfallmenge - Befreiung von der Genehmigungspflicht. - Rechtssache C-103/02.
Parteien:
In der Rechtssache C-103/02
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,
eingereicht am
20. März 2002
,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Wainwright und R. Amorosi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richter A. Rosas und S. von Bahr (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters K. Lenaerts,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom
18. Mai 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1, 9, 10 und 11 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) (im Folgenden: Richtlinie 75/442) und aus Artikel 3 der Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle (ABl. L 377, S. 20) (im Folgenden: Richtlinie 91/689) verstoßen hat, dass sie das Dekret vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Artikel 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen, erlassen hat, das
- unter Verstoß gegen die Artikel 10 und 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 75/442 es den Anlagen und Unternehmen, die nichtgefährliche Abfälle verwerten, ermöglicht, von der Genehmigungspflicht befreit zu werden, ohne dass dies von der Erfuellung der Voraussetzungen erstens in Bezug auf die vorhergehende Festlegung der Hoechstmenge an Abfällen und zweitens im Sinne des Artikels 4 der Richtlinie 75/442 im Hinblick auf die Abfallmengen, die in von der Genehmigungspflicht befreiten Anlagen behandelt werden, abhängig gemacht wird,
- unter Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 75/442 die von der Genehmigungspflicht befreiten Abfallarten nicht genau definiert und es so, auch unter Verstoß gegen Artikel 3 der Richtlinie 91/689, in einigen Fällen Anlagen oder Unternehmen, die bestimmte gefährliche Abfallarten verwerten, durch fehlende Klarheit und Genauigkeit ermöglicht, auf der Grundlage der weniger strengen Bedingungen für nichtgefährliche Abfälle von der Genehmigungspflicht befreit zu werden,
- unter Verstoß gegen die Artikel 9 und 11 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstaben e und f der Richtlinie 75/442 und deren Anhängen IIA und IIB in der Fassung der Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) einige Beseitigungstätigkeiten als Tätigkeiten der Verwertung in der Umwelt definiert und es so Anlagen und Unternehmen, die andere als der Beseitigung ihrer eigenen Abfälle am Entstehungsort dienende Beseitigungsverfahren anwenden, ermöglicht, von der Genehmigungspflicht befreit zu werden, als ob sie Verwertungsverfahren anwenden würden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
Richtlinie 75/442
2. Die Richtlinie 75/442 soll die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sicherstellen und den Erlass von Maßnahmen vorantreiben, um die Entstehung von Abfällen insbesondere durch die Förderung sauberer Technologien und wieder verwertbarer und wieder verwendbarer Erzeugnisse zu begrenzen.
3. Artikel 1 der Richtlinie definiert u. a., was unter Abfall, Beseitigung und Verwertung zu verstehen ist.
4. Artikel 4 der Richtlinie lautet:
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne dass
- Wasser, Luft, Boden und die Tier und Pflanzenwelt gefährdet werden;
- Geräusch oder Geruchsbelästigungen verursacht werden;
- die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden.
Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner die erforderlichen Maßnahmen, um eine unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verbieten.
5. Die Artikel 9 bis 11 der Richtlinie 75/442 führen die Fälle auf, in denen für die Beseitigungs- und Verwertungsverfahren eine Genehmigung der zuständigen Behörde notwendig ist. Diese Verfahren sind in den Anhängen IIA und IIB der Richtlinie in der Fassung der Entscheidung 96/350 genannt.
6. Nach Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 bedürfen für die Zwecke des Artikels 4 der Richtlinie alle Anlagen oder Unternehmen, die die in Anhang IIA der Richtlinie genannten Beseitigungsverfahren durchführen, einer Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Diese Genehmigung erstreckt sich insbesondere auf
- Art und Menge der Abfälle,
- die technischen Vorschriften,
- die Sicherheitsvorkehrungen,
- den Ort der Beseitigung,
- die Beseitigungsmethode.
7. Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie bestimmt:
Diese Genehmigungen können befristet, erneuert, mit Bedingungen und Auflagen verbunden oder, insbesondere wenn die vorgesehene Beseitigungsmethode aus Umweltgründen nicht akzeptiert werden kann, verweigert werden.
8. Artikel 10 der Richtlinie bestimmt hinsichtlich der in ihrem Anhang IIB genannten Verwertungsverfahren:
Für die Zwecke des Artikels 4 bedürfen alle Anlagen oder Unternehmen, die die in Anhang IIB genannten Maßnahmen durchführen, einer Genehmigung.
9. Artikel 11 der Richtlinie sieht für alle Abfälle mit Ausnahme der gefährlichen Abfälle, für die besondere Bestimmungen gelten, die Möglichkeit einer Befreiung von der Genehmigungspflicht vor:
(1)... können von der Genehmigungspflicht des Artikels 9 bzw. Artikels 10 befreit werden:
a) die Anlagen oder Unternehmen, die die Beseitigung ihrer eigenen Abfälle am Entstehungsort sicherstellen,
und
b) die Anlagen oder Unternehmen, die Abfälle verwerten.
Diese Befreiung gilt nur,
- wenn die zuständigen Behörden für die verschiedenen Arten von Tätigkeiten jeweils allgemeine Vorschriften zur Festlegung der Abfallarten und -mengen sowie der Bedingungen erlassen haben, unter denen die Tätigkeit von der Genehmigungspflicht befreit werden kann,
und
- wenn die Art oder Menge der Abfälle und die Verfahren zu ihrer Beseitigung oder Verwertung so beschaffen sind, dass die Bedingungen des Artikels 4 eingehalten werden.
(2) Die in Absatz 1 genannten Anlagen oder Unternehmen müssen bei den zuständigen Behörden gemeldet sein.
(3) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die gemäß Absatz 1 erlassenen allgemeinen Vorschriften.
Richtlinie 91/689
10. Die Richtlinie 91/689 über gefährliche Abfälle sieht in ihrem Artikel 3 Absätze 1 und 2 vor:
(1) Die Abweichung gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442/EWG von der Genehmigungspflicht bei Anlagen oder Unternehmen, die ihre Abfälle selbst beseitigen, gilt nicht für gefährliche Abfälle im Sinne der vorliegenden Richtlinie.
(2) Gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 75/442/EWG kann ein Mitgliedstaat für Anlagen oder Unternehmen, die die von der vorliegenden Richtlinie erfassten Abfälle verwerten, eine Ausnahme von den Bestimmungen des Artikels 10 jener Richtlinie vorsehen,
- wenn dieser Mitgliedstaat allgemein Vorschriften erlässt, in denen Art und Menge der Abfälle aufgeführt und spezifische Auflagen (Grenzwerte für die in den Abfällen enthaltenen gefährlichen Stoffe, Emissionsgrenzwerte, Art der Tätigkeit) und die sonstigen für verschiedene Verwertungsverfahren geltenden Vorschriften festgelegt sind, und
- wenn die Art oder Menge der Abfälle und die Verfahren zu ihrer Verwertung so beschaffen sind, dass die Bedingungen des Artikels 4 der Richtlinie 75/442/EWG eingehalten werden.
Nationale Regelung
11. Das Dekret des Umweltministeriums vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Artikel 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen (GURI Nr. 88 vom 16. April 1998, supplemento ordinario Nr. 72, im Folgenden: Dekret), setzt die Richtlinien 91/156 und 91/689 in die nationale Rechtsordnung um.
12. Artikel 5 Absatz 1 des Dekrets mit der Überschrift Verwertung in der Umwelt bestimmt:
Die in Anhang 1 genannten Tätigkeiten der Verwertung in der Umwelt sollen geschädigte Gebiete durch morphologische Umgestaltungsmaßnahmen wieder für Produktions- oder soziale Zwecke herrichten.
13. Artikel 7 des Dekrets mit der Überschrift Mengen sieht vor:
1. Unbeschadet der in den Anhängen besonders vorgesehenen Bestimmungen werden die jährlichen Hoechstmengen an Abfällen, die im Rahmen der in diesem Dekret geregelten Verwertungstätigkeiten eingesetzt werden können, durch die jährliche Verarbeitungskapazität der Anlage, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, bestimmt, und zwar nach Abzug der eventuell verwendeten Rohstoffe und ohne dass Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt entstehen.
...
2. Bei den in Anhang 2 genannten energetischen Verwertungstätigkeiten wird die Hoechstmenge an Abfällen nach Maßgabe der Fähigkeit des Abfalls zur Wärmeerzeugung, der nominalen wärmetechnischen Leistung der Anlage, in der das energetische Verwertungsverfahren angewandt wird, und der geschätzten Funktionsdauer jeder einzelnen Verwertungsanlage bestimmt.
3. Die zur Verwertung bestimmten jährlichen Abfallmengen müssen in der Mitteilung über die Aufnahme der Tätigkeit angegeben werden, wobei die Einhaltung der in diesem Artikel genannten Bedingungen darzulegen ist.
Vorverfahren
14. Mit Mahnschreiben vom 28. Februar 2000 teilte die Kommission den italienischen Behörden mit, dass die Italienische Republik durch den Erlass des Dekrets gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1, 9, 10 und 11 der Richtlinie 75/442 und Artikel 3 der Richtlinie 91/689 verstoßen habe.
15. Die Kommission forderte die italienischen Behörden nach Artikel 226 EG auf, innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Erhalt des Mahnschreibens hierzu Stellung zu nehmen.
16. Die Behörden antworteten mit zwei Schreiben vom 3. und 26. Mai 2000.
17. Da die Kommission die Antworten der italienischen Behörden in einigen Punkten nicht für zufriedenstellend hielt, sandte sie der italienischen Regierung am 11. April 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme mit der Aufforderung, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.
18. Die italienischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 17. August 2001.
19. Da diese Antwort die Kommission nicht überzeugte, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur ersten Rüge hinsichtlich der Hoechstmengen an Abfällen, die von der Genehmigungspflicht befreit werden können
Vorbringen der Parteien
20. Die Kommission trägt vor, Artikel 7 des Dekrets verstoße gegen Artikel 11 der Richtlinie 75/442, da er keine Hoechstmenge für die zur Verwertung bestimmten Abfälle festlege, die von der Genehmigungspflicht befreit werden könnten, sondern die Menge nach Maßgabe der jährlichen Verarbeitungskapazität jeder betroffenen Anlage bestimme.
21. Die Auslegung der italienischen Regierung beeinträchtige den in Artikel 4 der Richtlinie 75/442 genannten Zweck, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen, da sie es den Verwertungsunternehmen ermögliche, von der Genehmigungspflicht befreit zu werden, selbst wenn sie beträchtliche Abfallmengen verarbeiteten. Eine solche Herangehensweise nehme dem gewöhnlichen Verfahren der Genehmigungsbeantragung jede praktische Geltung.
22. Die italienische Regierung trägt vor, die Mitgliedstaaten seien nicht gehalten, absolute Hoechstmengen festzulegen. Der Wortlaut von Artikel 11 der Richtlinie 75/442 enthalte keine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne.
23. Vielmehr genüge es nach Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 für die Befreiung, wenn eine der beiden in den beiden Gedankenstrichen dieses Unterabsatzes enthaltenen Voraussetzungen erfuellt sei. Nach der zweiten Voraussetzung müssten die Mitgliedstaaten entweder die Art oder die Menge der betreffenden Abfälle bestimmen, um den in Artikel 4 der Richtlinie 75/442 genannten Gesundheits- und Umweltschutzerfordernissen Rechnung zu tragen. Das Wort oder im Satzteil die Art oder Menge der Abfälle erhärte diese Analyse.
24. Da diese Voraussetzung erfuellt sei und die in Artikel 4 der Richtlinie genannten Erfordernisse somit beachtet seien, brauche die im ersten Gedankenstrich genannte erste Voraussetzung nicht erfuellt zu sein. Diese beiden Voraussetzungen stellten unterschiedliche Fälle dar und seien demnach als alternativ für die Mitgliedstaaten und nicht als kumulativ zu betrachten.
25. Die italienische Regierung betont, dass die Bestimmungen des Dekrets insgesamt und insbesondere die über die Festlegung der relativen Hoechstmengen einen hohen Umweltschutz bezweckten und diesem Zweck besser entsprächen als die Festlegung einer absoluten Hoechstmenge. Der Umstand, dass es für kapazitätsstarke Anlagen unmöglich sei, die Abfälle zu verwerten, wenn eine absolute Grenze erreicht sei, und sie zu deren Beseitigung verpflichtet seien, laufe sogar den allgemeinen Prinzipien der Richtlinie 75/442 zuwider.
Würdigung durch den Gerichtshof
26. Um festzustellen, ob die Italienische Republik die Richtlinie 75/442 zutreffend angewandt hat, ist zu prüfen, ob diese Richtlinie den Mitgliedstaaten vorschreibt, absolute Hoechstmengen für die zur Verwertung bestimmten Abfälle festzulegen, die von der Genehmigungspflicht befreit werden können, oder ob die Mitgliedstaaten relative Mengen je nach der jährlichen Verarbeitungskapazität jeder betroffenen Anlage bestimmen können. Hierfür ist der Wortlaut von Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 75/442 zu prüfen.
27. Zunächst geht aus dem Text dieser Bestimmung hervor, dass die Befreiung von der Genehmigungspflicht unter dem Vorbehalt steht, dass zwei Voraussetzungen erfuellt sind. Da jede Voraussetzung durch einen Gedankenstrich eingeleitet wird und beide durch und verbunden sind, handelt es sich bei ihnen entgegen dem Vorbringen der italienischen Regierung zweifellos um kumulative und nicht um alternative Voraussetzungen.
28. Sodann ist der Umfang der mit der ersten Voraussetzung auferlegten Verpflichtung zur Festlegung einer Menge abzugrenzen, da diese Voraussetzung von den Mitgliedstaaten ebenso zu beachten ist wie die zweite.
29. Die erste Voraussetzung sieht ausdrücklich vor, dass die zuständigen Behörden für die verschiedenen Arten von Tätigkeiten Vorschriften zur Festlegung der Abfallarten und -mengen sowie der Bedingungen, unter denen die Tätigkeit von der Genehmigungspflicht befreit werden kann, erlassen müssen.
30. Obwohl der Ausdruck absolute Hoechstmenge nicht ausdrücklich verwendet wird, geht bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung hervor, dass der Begriff der Menge auf eine für jede einzelne Abfallart anwendbare Obergrenze verweist, jenseits deren Verwertungsmaßnahmen nicht in den Genuss der Befreiungsregelung kommen, sondern genehmigungspflichtig sind.
31. Auch die Systematik der Richtlinie 75/442 insgesamt spricht für diese Auslegung. Die Richtlinie sieht nämlich ein gewöhnliches Verfahren vor, das die in ihren Artikeln 9 und 10 erwähnte Genehmigungspflicht umfasst. Artikel 11 der Richtlinie führt ein vereinfachtes Verfahren ein, indem er unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von dieser Pflicht vorsieht. Dieses Verfahren hat Ausnahmecharakter und muss möglichst einfach anzuwenden und zu kontrollieren sein, was nicht der Fall wäre, wenn die Abfallmengen je nach Anlage variieren könnten.
32. Das Argument der italienischen Regierung, dass die Bestimmungen des Dekrets dem Zweck des Umweltschutzes besser gerecht würden als die Bestimmungen der Richtlinie 75/442, ist nicht stichhaltig.
33. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann die Verpflichtung, die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten, nicht dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten vom Erlass von Umsetzungsmaßnahmen befreit wären, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre nationalen Bestimmungen besser seien als die betreffenden Gemeinschaftsbestimmungen und dass die nationale Regelung aus diesem Grund besser geeignet sei, die Verwirklichung des mit der Richtlinie verfolgten Zieles zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann das Bestehen nationaler Vorschriften die Umsetzung durch spezifische Gesetzes oder Verordnungsmaßnahmen nur dann überfluessig machen, wenn diese Vorschriften tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationale Verwaltung garantieren (vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C194/01, Kommission/Österreich, Slg. 2004, I0000, Randnr. 39). So steht es im vorliegenden Fall den Mitgliedstaaten nicht frei, die von der Richtlinie 75/442 vorgegebenen Vorschriften dadurch zu umgehen, dass sie die Hoechstmengen für jede genehmigungsfrei verwertbare Abfallart durch relative Mengen je nach der Kapazität der Verwertungsanlagen ersetzen.
34. Im Übrigen kann nicht behauptet werden, wie es die italienische Regierung tut, dass die Auslegung der Kommission dem Zweck der Richtlinie zuwiderlaufe, soweit sie zur Folge habe, dass Großanlagen nur eine geringe, den Hoechstmengen entsprechende Abfallmenge verwerten könnten und den Rest beseitigen müssten. Denn nichts hindert diese Unternehmen daran, über diese Hoechstmengen hinausgehende Abfallmengen zu verwerten, falls sie dabei das Genehmigungsverfahren beachten.
35. Somit ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 10 und 11 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 verstoßen hat, dass sie in dem Dekret keine Hoechstmengen je Abfallart für Abfälle, die nach dem genehmigungsfreien Verfahren verwertet werden können, festgelegt hat.
Zur zweiten Rüge hinsichtlich der ungenauen Definition der Abfallarten, die unter die Genehmigungsbefreiung fallen
Vorbringen der Parteien
36. Die Kommission beanstandet zweierlei: Erstens bezeichneten einige Titel der technischen Normen, die in den Anhängen 1 und 2 des Dekrets enthalten seien, die Abfallarten äußerst vage; zweitens seien die Codes des Europäischen Abfallkatalogs (im Folgenden: EWCCodes) oft nicht angegeben oder entsprächen, wenn sie angegeben seien, nicht den Definitionen der Titel der technischen Normen. Daraus folge, dass einige gefährliche Abfälle der Kategorie der nichtgefährlichen Abfälle zugerechnet werden könnten, was den verarbeitenden Anlagen und Unternehmen erlaube, unter Berufung auf die weniger strengen Kriterien für nichtgefährliche Abfälle von der Genehmigungspflicht befreit zu werden.
37. Die Kommission veranschaulicht ihre Rüge anhand von drei Fällen.
38. Zunächst sei beispielhaft zu erwähnen, dass die technische Norm 5.9 für Kabelstücke aus ummantelter optischer Faser dielektrischer, semidielektrischer und metallischer Art in Anhang 1 des Dekrets keinen EWCCode nenne.
39. Sodann sei die technische Norm 7.8 für Abfälle aus feuerfestem Material, Abfälle aus feuerfestem Material aus Hochtemperaturöfen in Anhang 1 des Dekrets mit einer Reihe von EWCCodes versehen, die nicht die Feststellung erlaube, ob gebrauchte Auskleidungsmaterialien aus der Aluminiumverhüttung unter diese Norm fielen, und die zu einer Verwechslung von nichtgefährlichen und gefährlichen Abfällen führen könne.
40. Schließlich trage die technische Norm 3.10 für entladene Silberoxidbatterien in Anhang 1 des Dekrets den unzutreffenden EWCCode 160605 der unter die nichtgefährlichen Abfälle fallenden Kategorie andere Batterien und Akkumulatoren anstelle des EWCCodes 160603 - im Hinblick auf den Quecksilbergehalt - für Quecksilbertrockenzellen und falle somit in die Kategorie der gefährlichen Abfälle. Insoweit weist die Kommission darauf hin, dass der Titel des Codes 160603 durch ihre Entscheidung vom 3. Mai 2000 (ABl. L 226, S. 3) geändert worden sei, die die Bezeichnung Quecksilber enthaltende Batterien eingeführt habe.
41. Die italienische Regierung macht geltend, die drei von der Kommission untersuchten Fälle seien Ausnahmen und die Kommission habe zu Unrecht allgemein vermutet, dass Definitionen für die von der Genehmigungspflicht befreiten Abfallarten fehlten oder unrichtig seien.
42. In Bezug auf die technische Norm 3.10 für entladene Silberoxidbatterien trägt die italienische Regierung vor, dass die Beschreibung der Norm und der EWCCode, der ihr zugewiesen sei, im Kontext der Prüfung der Herkunft und der chemischen und physikalischen Merkmale der Abfälle zu lesen sei. In diesem besonderen Fall entspreche die Einstufung der fraglichen Abfälle nach dem EWCCode für nichtgefährliche Abfälle genau den im Dekret angegebenen chemischen und physikalischen Merkmalen, nämlich Stahlhülle, die mehr als 1 % Silberoxide und/oder -salze enthält und deren Gehalt an Zink 9 % und an Nickel 55 % nicht überschreitet.
Würdigung durch den Gerichtshof
43. Mit dieser zweiten Rüge wirft die Kommission der Italienischen Republik allgemein vor, die nichtgefährlichen Abfallarten, die für die Verwertung nach dem vereinfachten Verfahren bestimmt sind, nicht genau definiert zu haben. Die sich auf diese Abfallarten beziehenden technischen Normen seien äußerst vage formuliert, und EWCCodes fehlten entweder oder seien unzutreffend angegeben. Die Kommission begründet ihren Vorwurf, indem sie sich auf drei technische Normen bezieht.
44. Dazu ist zu bemerken, dass die Kommission nur drei konkrete Fälle nennt und kein Beweismittel vorlegt, das dem Gerichtshof die Feststellung ermöglichen würde, ob die Rüge begründet ist, soweit sie sich auf sämtliche im Dekret enthaltenen technischen Normen bezieht. Die Prüfung der Rüge ist folglich auf die drei genannten Fälle zu beschränken.
45. Hinsichtlich der technischen Norm 5.9 ist darauf hinzuweisen, dass die italienische Regierung zunächst der Kommission auf deren Mahnschreiben und deren mit Gründen versehene Stellungnahme angegeben hat, dass sie beabsichtige, einen EWCCode einzufügen, dann aber in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen hat, dass die EWCCodes zutreffend gemäß der Entscheidung 2000/532/EG angewandt worden seien.
46. Auch wenn die italienische Regierung vorträgt, dass die von ihr angewandten EWCCodes diejenigen Codes hätten wiedergeben sollen, die in der Entscheidung 2000/532 vorgesehen seien, die die Mitgliedstaaten spätestens am 1. Januar 2002 umzusetzen hatten, also zu einem nach den vorgeworfenen Ereignissen liegenden Datum, so ist doch festzustellen, dass die Regierung nicht bestritten hat, dass sie vor diesem Datum nach den Bestimmungen der Richtlinie 75/442 einen EWCCode auf die fraglichen Abfälle anwenden musste.
47. Da die Italienische Republik der Norm 5.9 auch nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch keinen EWCCode zugeordnet hatte, ist die von der Kommission gerügte Vertragsverletzung hinsichtlich dieser Norm erwiesen.
48. Was die Rüge der Kommission in Bezug auf die technische Norm 7.8 angeht, so genügt der Hinweis, dass die italienische Regierung in ihrer Klagebeantwortung angegeben hat, dass die angewandten EWCCodes schnellstmöglich geändert werden müssten. Daraus folgt, dass die italienische Regierung nicht bestritten hat, dass die angewandten Codes nicht den Anforderungen der Richtlinie 75/442 entsprechen; die von der Kommission gerügte Vertragsverletzung ist somit festzustellen, soweit sie diese Norm betrifft.
49. Der dritte Fall betrifft die technische Norm 3.10. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die italienische Regierung nicht auf die Bemerkung der Kommission geantwortet hat, dass die fraglichen Batterien Quecksilber enthielten. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass die im Dekret enthaltene Beschreibung der technischen Merkmale des Erzeugnisses kein Quecksilber erwähne, was ihrer Ansicht nach die Anwendung des EWCCodes für nichtgefährlichen Abfall rechtfertigt.
50. Es ist festzustellen, dass, soweit die fraglichen Batterien Quecksilber enthielten, die Kommission die Ansicht vertreten konnte, dass es sich um gefährlichen Abfall handelte und der passende EWCCode der Code 160603 für Quecksilbertrockenzellen und nicht der Code 160605 für andere Batterien und Akkumulatoren der nichtgefährlichen Abfälle war. Die Kommission hatte allerdings zu beweisen, dass die fraglichen Batterien Quecksilber enthielten, was aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen nicht hervorgeht. Wegen des Fehlens solcher Beweise ist die gegen die Norm 3.10 gerichtete Rüge der Kommission zurückzuweisen.
51. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Republik Italien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 und Artikel 3 der Richtlinie 91/689 verstoßen hat, dass sie die Abfallarten hinsichtlich der technischen Normen 5.9 und 7.8 in Anhang 1 des Dekrets nicht genau definiert hat.
Zur dritten Rüge hinsichtlich der Einstufung bestimmter Tätigkeiten der Abfallbeseitigung als Abfallverwertung
Vorbringen der Parteien
52. Die Kommission wirft der Italienischen Republik vor, Abfallbeseitigungsverfahren als Abfallverwertungsverfahren dargestellt und dadurch gegen die Artikel 9 und 11 der Richtlinie 75/442 über das Genehmigungsverfahren in Verbindung mit Artikel 1 Buchstaben e und f und den Anhängen IIA und IIB dieser Richtlinie verstoßen zu haben, die diese Verfahren definieren.
53. Die fraglichen Maßnahmen sind in Artikel 5 des Dekrets genannt. Sie sollen geschädigte Gebiete durch morphologische Umgestaltungsmaßnahmen wieder für Produktions- oder soziale Zwecke herrichten und umfassen die Abdeckung von Deponien.
54. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Maßnahmen zur Wiederherrichtung geschädigter Gebiete für Produktions- oder soziale Zwecke durch morphologische Umgestaltung unzutreffend in die Kategorie R 10 des Anhangs IIB der Richtlinie 75/442 eingestuft worden seien. Diese Kategorie beziehe sich auf die Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder der Ökologie und betreffe eher die Verwendung von Schlämmen in der Landwirtschaft.
55. Was Maßnahmen zur Abdeckung von Deponien anbelangt, die sich im Aufbringen von Abfällen auf bereits vorhandene Abfälle erschöpfen, so trägt die Kommission vor, dass dies keine Verwertungstätigkeiten im eigentlichen Sinne seien, die unter Punkt R 5 des Anhangs IIB der Richtlinie 75/442 fallen könnten, und dass die Italienische Republik sie unzutreffend eingestuft habe. Die Abdeckung von Deponien falle unter Punkt D 1 des Anhangs IIA der genannten Richtlinie, der sich auf Beseitigungsverfahren beziehe und Ablagerungen in oder auf dem Boden (z. B. Deponien usw.) aufführe.
56. Die italienische Regierung trägt dagegen vor, dass die Einstufung von Maßnahmen der Verwertung in der Umwelt in die Kategorie R 10 - Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder der Ökologie - zutreffe. Diese Maßnahmen zielten auf die Umweltsanierung ab und gehörten daher durchaus zu dieser Kategorie. Die Umweltsanierung dürfe nicht mit einer Beseitigungsmaßnahme verwechselt werden.
57. Hinsichtlich der Abdeckung von Deponien betont die italienische Regierung, dass diese Maßnahme ebenso wie die Verwertung in der Umwelt keine Beseitigungsmaßnahme, sondern eine Sanierungstätigkeit im eigentlichen Sinne sei.
58. In ihrer Erwiderung vertritt die Kommission im Licht der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Unterschied zwischen Verwertung und Beseitigung die Ansicht, dass einige der in Artikel 5 des Dekrets genannten morphologischen Umgestaltungsmaßnahmen der Kategorie R 10 zugerechnet werden könnten.
59. Die Kommission bleibt jedoch bei ihrer Auffassung, dass die Verwendung von Abfällen und Bohrschlamm, die bis zu 50 kg/t schwachgiftigen Kohlenwasserstoff und 300 kg/t schwachgiftiges raffiniertes Öl enthalten können und den technischen Normen 7.14 und 7.15 entsprechen, nicht als Verwertung in der Umwelt bezeichnet werden könnten.
Würdigung durch den Gerichtshof
60. Wie sich aus ihrer Erwiderung ergibt, erhält die Kommission ihre Rüge nur noch im Hinblick auf die Verwendung von Abfällen und Bohrschlamm im Sinne der technischen Normen 7.14 und 7.15 des Dekrets aufrecht. Die Verwendung dieser Abfälle stellt nach ihrer Ansicht kein Verwertungs-, sondern ein Beseitigungsverfahren dar.
61. Die Kommission gibt nicht den genauen Grund an, aus dem sie ihre Rüge hinsichtlich dieser Abfälle aufrechterhält, und lässt es bei dem Hinweis darauf bewenden, dass diese Abfälle große Mengen schwachgiftiger Kohlenwasserstoffe und schwachgiftigen raffinierten Öls enthielten. Sie scheint somit zu meinen, dass die fraglichen Abfälle gefährliche Substanzen enthalten, die ihrer Verwendung zu Verwertungszwecken entgegenstehen.
62. Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit der Abfälle als solche kein relevantes Kriterium für die Beurteilung der Frage ist, ob ein Verfahren der Abfallbehandlung als Verwertung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 75/442 anzusehen ist. Das entscheidende Merkmal für eine Abfallverwertungsmaßnahme liegt darin, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfuellen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können (Urteil vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache C6/00, ASA, Slg. 2002, I1961, Randnrn. 68 und 69).
63. Daraus folgt, dass die bloße Tatsache, dass die fraglichen Abfälle große Mengen schwachgiftiger Kohlenwasserstoffe und schwachgiftigen raffinierten Öls enthalten, es nicht ausschließt, dass sie zu Verwertungszwecken verwendet werden können.
64. Im Übrigen hat die Kommission, wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eingeräumt, dass einige Maßnahmen der Umweltsanierung und der Abdeckung von Deponien als Verwertungsverfahren auch im Sinne der technischen Norm 4.4 angesehen werden können. Die in den technischen Normen 7.14 und 7.15 genannten Tätigkeiten sind aber genau oder fast genau wie diese Verfahren beschrieben.
65. Demnach ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass die Italienische Republik Abfallbeseitigungsverfahren unzutreffend als Abfallverwertungsverfahren eingestuft hat, weshalb die dritte Rüge in vollem Umfang zurückzuweisen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
66. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall beide Parteien mit ihrem Vorbringen teilweise unterlegen sind, ist zu beschließen, dass sie ihre eigenen Kosten tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 10 und 11 Absatz 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 verstoßen, dass sie im Dekret vom 5. Februar 1998 zur Bezeichnung der nichtgefährlichen Abfälle, die den vereinfachten Verwertungsverfahren im Sinne der Artikel 31 und 33 des Gesetzesdekrets Nr. 22 vom 5. Februar 1997 unterliegen, keine Hoechstmengen je Abfallart für Abfälle, die nach dem genehmigungsfreien Verfahren verwertet werden können, festgelegt hat.
2. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 in der geänderten Fassung und Artikel 3 der Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle verstoßen, dass sie die Abfallarten hinsichtlich der technischen Normen 5.9 und 7.8 in Anhang 1 des genannten Dekrets nicht genau definiert hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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