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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.11.1992
Aktenzeichen: C-127/91
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2114/71 vom 28. September 1971, Verordnung (EWG) Nr. 1204/72 vom 7. Juni 1972


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2114/71 vom 28. September 1971 Art. 2
Verordnung (EWG) Nr. 1204/72 vom 7. Juni 1972 Art. 5 Abs. 1 Buchst. b
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Gewährung der Beihilfe für Ölsaaten, wie sie in der Verordnung Nr. 2114/71 über die Beihilfe für Ölsaaten vorgesehen ist, hängt gemäß den mit der Verordnung Nr. 1204/72 erlassenen Durchführungsbestimmungen davon ab, daß der Antrag auf Ausstellung des in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der letztgenannten Verordnung genannten Teils I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe an dem Tage gestellt wird, an dem der betroffene Mitgliedstaat die Kontrolle der Saaten in der Ölmühle übernimmt, also vor der Verarbeitung der Saaten zur Gewinnung von Öl. Da der Betrag der Beihilfe ständig schwankt, kann die Erzielung ungerechtigter Vorteile durch die Wirtschaftsteilnehmer nur dadurch verhindert werden, daß vorgeschrieben wird, daß dieser Antrag an dem Tag gestellt wird, an dem die Saaten unter Kontrolle gestellt werden. Dies ist unerläßlich, um das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung zu gewährleisten; es verstösst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, daß ein Wirtschaftsteilnehmer, der dieser Verpflichtung nicht nachkommt, jeden Anspruch auf Beihilfe verliert.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 12. NOVEMBER 1992. - COMPTOIR NATIONAL TECHNIQUE AGRICOLE GEGEN MINISTERE DE L'AGRICULTURE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL ADMINISTRATIF DE PARIS - FRANKREICH. - LANDWIRTSCHAFT - ANSPRUCH AUF VERARBEITUNGSBEIHILFE. - RECHTSSACHE C-127/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal administratif Paris hat mit Urteil vom 14. März 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Mai 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2174/71 des Rates vom 28. September 1971 über die Beihilfe für Ölsaaten (ABl. L 222, S. 2) und der Verordnung (EWG) Nr. 1204/72 der Kommission vom 7. Juni 1972 über Durchführungsbestimmungen zur Beihilferegelung für Ölsaaten (ABl. L 133, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Comptoir National Technique Agricole (im folgenden: CNTA) und dem Landwirtschaftsminister.

3 Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. November 1966 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, 172, S. 3025) sieht die Gewährung einer Beihilfe für in der Gemeinschaft geerntete und verarbeitete Ölsaaten vor.

4 Die Verordnung Nr. 2114/71 regelt die Grundsätze, nach denen diese Beihilfe gewährt wird, sowie die Einzelheiten der Kontrolle des Anspruchs auf Beihilfe.

5 Nach Artikel 2 dieser Verordnung kontrollieren die Mitgliedstaaten die Verarbeitung in der Ölmühle, um sicherzustellen, daß die Beihilfe nur für solche Ölsaaten gewährt wird, für die ein Anspruch darauf besteht. Gemäß Artikel 4 stellen die Mitgliedstaaten jedem Antragsteller eine Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe aus, die den Nachweis liefern soll, daß die in der Gemeinschaft geernteten Ölsaaten in einer Ölmühle unter Kontrolle gestellt worden sind. Nach Artikel 10 entsteht der Anspruch auf Beihilfe im Augenblick der Verarbeitung der Ölsaaten zur Gewinnung von Öl.

6 Die Durchführungsvorschriften zur Beihilferegelung wurden mit der Verordnung Nr. 1204/72 erlassen. Nach Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung wird die Kontrolle von der Einbringung der Ölsaaten in die Ölmühle an bis zu ihrer Verarbeitung ausgeuebt. Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung bestimmt, daß die Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe u. a. aus einem mit I.D. bezeichneten Teil besteht, der bescheinigt, daß die dort identifizierte Menge an in der Gemeinschaft geernteten Ölsaaten der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2114/71 erwähnten Kontrolle unterworfen wurde.

7 Im Jahre 1980 ließ das CNTA in einer Fabrik in Bordeaux mehrere Partien Ölsaaten zerkleinern. Eine erste Partie von 2 317 Tonnen wurde im Oktober in die Fabrik eingebracht und zerkleinert; der Antrag auf Ausstellung des Teils I.D. der Beihilfebescheinigung wurde erst am 31. Oktober 1980 bei der Société interprofessionelle des oléagineux (im folgenden: SIDO) eingereicht, die in Frankreich mit der Durchführung der Beihilferegelung für Ölsaaten betraut ist. Eine zweite Partie von 3 725 Tonnen wurde im November in die Fabrik eingebracht und zerkleinert; der Teil I.D. der Bescheinigung wurde am 4. Dezember 1980 beantragt. Die verspätete Einreichung der Anträge war dem CNTA zufolge auf eine durch einen Brand, der im Januar 1980 stattgefunden hatte, verursachte Störung des Fabrikbetriebs zurückzuführen.

8 Die SIDO stellte zwar fest, daß die Teile I.D. der Bescheinigungen über die Gemeinschaftsbeihilfe mit Verspätung beantragt worden waren, war jedoch bereit, die in Rede stehenden Beihilfen auszuzahlen, sofern das CNTA ihr eine Kaution stellte, die gewährleisten sollte, daß der Betrag zurückgezahlt würde, den das CNTA gegebenenfalls schulden würde, wenn der EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft) über die Beihilfefähigkeit der Partien, für die Vorschüsse gewährt worden waren, entschieden haben würde. Diese Kaution wurde von der Bank Étoile commerciale hinterlegt.

9 Mit ihrer an die Französische Republik gerichteten Entscheidung 85/456/EWG vom 28. August 1985 (ABl. L 267, S. 24) lehnte es die Kommission ab, den EAGFL mit dem Betrag der vorerwähnten Beihilfe zu belasten. Mit Schreiben vom 27. Januar 1986 unterrichtete die SIDO hierüber die Bank Étoile commerciale und forderte sie zur Bezahlung des Betrages der für das CNTA hinterlegten Kaution auf. Die Bank unterrichtete ihrerseits das CNTA über diese Aufforderung und ließ der SIDO den fraglichen Betrag zukommen.

10 Nachdem das Tribunal administratif Paris mit einer Klage des CNTA auf Ersatz des diesem durch die Wiedereinziehung der zu Unrecht gezahlten Gemeinschaftsbeihilfen durch die SIDO entstandenen Schadens befasst worden war, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verbieten die Verordnung Nr. 2114/71 des Rates vom 28. September 1971 und die Verordnung Nr. 1204/72 der Kommission vom 7. Juni 1972 die Gewährung der Beihilfe, wenn die Bescheinigung ° Teil I.D. ° der zuständigen Stelle erst nach der Zerkleinerung der für die Gewährung dieser Beihilfe in Betracht kommenden Samen zugesandt wurde?

11 Wegen weiterer Einzelheiten des dem Ausgangsrechtsstreits zugrunde liegenden Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

12 Zur Beantwortung der Frage des vorliegenden Gerichts sind zunächst diejenigen Bestimmungen zu untersuchen, die die Bedeutung des Teils I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe und die Einzelheiten der Ausstellung dieses Teils betreffen.

13 Nach den Artikeln 4 der Verordnung Nr. 2114/71 und 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1204/72 bescheinigt dieser Teil I.D., daß die dort identifizierte Menge an in der Gemeinschaft erzeugten Ölsaaten der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2114/71 erwähnten Kontrolle unterworfen wurde. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1204/72 wird diese Kontrolle von der Einbringen der Ölsaaten in die Ölmühle an bis zu ihrer Verarbeitung zum Zweck der Ölerzeugung oder bis zum Verlassen der Ölmühle in unverändertem Zustand ausgeuebt.

14 Gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2114/71 wird die Bescheinigung an dem Tag ausgestellt, an dem der betroffene Mitgliedstaat die Kontrolle der Ölsaaten in der Ölmühle übernimmt, in der die Saaten verarbeitet werden. Artikel 12 der Verordnung Nr. 1204/72 bestimmt, daß die Bescheinigung, was den Teil I.D. betrifft, als am Tag der Abgabe des Antrags ausgestellt gilt.

15 In seinen beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen macht das CNTA in erster Linie geltend, es müsse zwischen der Unterkontrollstellung der Saaten, wie sie in den Verordnungen Nrn. 2114/71 und 1204/72 vorgesehen sei, und den schlichten Modalitäten der Bestimmung des Beihilfebetrags unterschieden werden.

16 Hierzu bemerkt das CNTA, für die Zwecke dieser Kontrolle werde in der Ölmühle getrennt Buch über die in der Gemeinschaft geernteten Saaten einerseits und die eingeführten Saaten andererseits geführt. Bei ihrer Einbringung in die Ölmühle würden die in der Gemeinschaft geernteten Saaten gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2114/71 unter der Verantwortung von Sachverständigen, die die SIDO ernenne, gewogen und sortiert. Diese genaue und kontradiktorisch verlaufende materielle Kontrolle gestatte es, diejenigen Mengen an Saaten zu ermitteln, für die ein Anspruch auf Beihilfe bestehe. Diese Zuführung zur Kontrolle unter den vorerwähnten Bedingungen werde durch die Eingangsscheine der Ölmühle bescheinigt.

17 Demgegenüber solle der Teil I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe, der auf blossen Antrag und ohne die geringste Kontrolle durch die zahlende Stelle, vorliegend die SIDO, ausgestellt werde, lediglich bestätigen, daß die identifizierte Menge an Saaten gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 2114/71 unter Kontrolle gestellt worden sei. In der Tat habe der Antrag auf Ausstellung des Teils I.D. der Bescheinigung lediglich insoweit Bedeutung, als es um die Festsetzung des Beihilfebetrags und das Datum gehe, zu dem die Beihilfe vorgestreckt werden könne.

18 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß nach Artikel 35 der Verordnung Nr. 1204/72 der Beihilfebetrag derjenige Betrag ist, der am Tag der Beantragung des Teils I.D. der Bescheinigung gilt, jedoch geht aus Artikel 3 der Verordnung Nr. 2114/71 hervor, daß dies der Tag sein muß, an dem der betroffene Mitgliedstaat die Kontrolle der Saaten übernommen hat.

19 Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2114/71 und Artikel 12 der Verordnung Nr. 1204/72 ist aber zu entnehmen, daß der Antrag an dem Tag gestellt werden muß, an dem die Saaten unter Kontrolle gestellt wurden.

20 Die Einhaltung der Verpflichtung, den Antrag auf Ausstellung des Teils I.D. der Bescheinigung an dem Tage vorzunehmen, an dem die Saaten unter Kontrolle gestellt werden, ist um so zwingender geboten, als sie für das ordnungsmässige Funktionieren der in Rede stehenden Beihilferegelung unerläßlich ist.

21 Da der Betrag der zu gewährenden Beihilfe nämlich derjenige ist, der am Tag der Abgabe des Antrags auf Ausstellung des Teils I.D. gilt, und da dieser Betrag ständig schwankt, könnten, wenn der Tag der Antragstellung, d. h. der Tag, an dem die fraglichen Saaten unter Kontrolle gestellt werden, nicht zwingend festgesetzt wäre, einige Wirtschaftsteilnehmer sich veranlasst sehen, einen günstigeren Zeitpunkt für die Antragstellung abzuwarten und sich auf diese Weise einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.

22 Das CNTA macht weiterhin geltend, die katastrophalen Folgen, die es zu tragen hätte, wenn ihm die Gemeinschaftsbeihilfe vorenthalten würde, stuenden offensichtlich in keinem angemessenen Verhältnis zu der ihm zur Last gelegten Nichtbeachtung von Bestimmungen, die lediglich die Modalitäten der Ausstellung des Teils I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe beträfen.

23 Hierzu ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verweisen, wonach für die Feststellung, ob eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit übereinstimmt, erstens geprüft werden muß, ob die zur Erreichung des angestrebten Zwecks eingesetzten Mittel mit der Bedeutung dieses Zwecks zu vereinbaren sind, und zweitens, ob sie zu dessen Erreichung erforderlich sind (vgl. insbesondere Urteil vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 266/84, Denkavit France, Slg. 1986, 149, Randnr. 17).

24 Wie bereits ausgeführt, ist die Verpflichtung, den Antrag an dem Tage einzureichen, an dem die Saaten unter Kontrolle gestellt werden, unerläßlich, um das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung zu gewährleisten.

25 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, steht unter diesen Umständen der mit der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung verbundene Verlust des Beihilfeanspruchs nicht ausser Verhältnis zu dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Ziel (vgl. Urteile vom 2. Mai 1990 in den Rechtssachen C-357/88 und C-358/88, Hopermann, Slg. 1990, I-1669, Randnrn. 15 und 16, und Slg. 1990, I-1687, Randnrn. 14 und 15).

26 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, daß die Gewährung der Beihilfe für Ölsaaten, wie sie in der Verordnung Nr. 2114/71 des Rates vom 28. September 1971 vorgesehen ist, gemäß den mit der Verordnung Nr. 1204/72 der Kommission vom 7. Juni 1972 erlassenen Durchführungsbestimmungen davon abhängt, daß der Antrag auf Ausstellung des in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der letztgenannten Verordnung genannten Teils I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe an dem Tage gestellt wird, an dem der betroffene Mitgliedstaat die Kontrolle der Saaten in der Ölmühle übernimmt, also vor der Verarbeitung der Saaten zur Gewinnung von Öl.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal administratif Paris mit Urteil vom 14. März 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Gewährung der Beihilfe für Ölsaaten, wie sie in der Verordnung (EWG) Nr. 2114/71 des Rates vom 28. September 1971 über die Beihilfe für Ölsaaten vorgesehen ist, hängt gemäß den mit der Verordnung (EWG) Nr. 1204/72 der Kommission vom 7. Juni 1972 über Durchführungsbestimmungen zur Beihilferegelung für Ölsaaten erlassenen Durchführungsbestimmungen davon ab, daß der Antrag auf Ausstellung des in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der letztgenannten Verordnung genannten Teils I.D. der Bescheinigung über die Gemeinschaftsbeihilfe an dem Tage gestellt wird, an dem der betroffene Mitgliedstaat die Kontrolle der Saaten in der Ölmühle übernimmt, also vor der Verarbeitung der Saaten zur Gewinnung von Öl.

Ende der Entscheidung

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