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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: C-143/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/43/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 92/43/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 20. März 2003. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 92/43/EWG - Erhaltung der natürlichen Lebensräume - Wild lebende Tiere und Pflanzen. - Rechtssache C-143/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-143/02

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Valero Jordana und R. Amorosi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten und durch M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

"wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) verstoßen hat, dass sie eine Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie eingeführt hat, die

- Projekte, die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erheblich beeinträchtigen könnten, jedoch in den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht aufgeführt sind, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausnimmt,

- für die besonderen Schutzgebiete nicht die Verpflichtung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorsieht, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die diese Gebiete ausgewiesen worden sind, zu verhindern, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten, und

- nicht die Anwendung der Schutzmaßnahmen nach Artikel 6 Absatz 2 dieser Richtlinie auf die in ihrem Artikel 5 Absatz 1 genannten Gebiete vorsieht,

erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie des Richters C. Gulmann (Berichterstatter) und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Januar 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 17. April 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) (im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie eine Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie eingeführt hat, die

- Projekte, die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erheblich beeinträchtigen könnten, jedoch in den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht aufgeführt sind, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausnimmt,

- für die besonderen Schutzgebiete nicht die Verpflichtung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorsieht, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die diese Gebiete ausgewiesen worden sind, zu verhindern, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten, und

- nicht die Anwendung der Schutzmaßnahmen nach Artikel 6 Absatz 2 dieser Richtlinie auf die in ihrem Artikel 5 Absatz 1 genannten Gebiete vorsieht.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 5 der Richtlinie sieht vor:

"(1) In Ausnahmefällen, in denen die Kommission feststellt, dass ein Gebiet mit einem prioritären natürlichen Lebensraumtyp oder einer prioritären Art in einer nationalen Liste nach Artikel 4 Absatz 1 nicht aufgeführt ist, das ihres Erachtens aufgrund von zuverlässigen einschlägigen wissenschaftlichen Daten für den Fortbestand dieses prioritären natürlichen Lebensraumtyps oder das Überleben dieser prioritären Art unerlässlich ist, wird ein bilaterales Konzertierungsverfahren zwischen diesem Mitgliedstaat und der Kommission zum Vergleich der auf beiden Seiten verwendeten wissenschaftlichen Daten eingeleitet.

(2) Herrschen nach einem Konzertierungszeitraum von höchstens sechs Monaten weiterhin Meinungsverschiedenheiten, so übermittelt die Kommission dem Rat einen Vorschlag über die Auswahl des Gebietes als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung.

(3) Der Rat beschließt einstimmig innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem er mit diesem Vorschlag befasst worden ist.

(4) Während der Konzertierungsphase und bis zur Beschlussfassung des Rates unterliegt das betreffende Gebiet den Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 2."

3 Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie bestimmt:

"(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

4 Artikel 7 der Richtlinie sieht vor:

"Was die nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG zu besonderen Schutzgebieten erklärten oder nach Artikel 4 Absatz 2 derselben Richtlinie als solche anerkannten Gebiete anbelangt, so treten die Verpflichtungen nach Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4 der vorliegenden Richtlinie ab dem Datum für die Anwendung der vorliegenden Richtlinie bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat entsprechend der Richtlinie 79/409/EWG zum besonderen Schutzgebiet erklärt oder als solches anerkannt wird, an die Stelle der Pflichten, die sich aus Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG ergeben."

Vorgerichtliches Verfahren

5 Da die Kommission der Ansicht war, dass das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 357 vom 8. September 1997 (GURI Nr. 248, supplemento ordinario Nr. 219/L vom 23. Oktober 1997, im Folgenden: Präsidialdekret), das ihr von den italienischen Behörden übermittelt worden war, die Richtlinie nicht korrekt umsetze, richtete sie am 4. April 2000 ein Mahnschreiben an die Italienische Republik, in dem sie diese aufforderte, sich hierzu zu äußern.

6 Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 sandte die italienische Regierung der Kommission einen Vermerk des Umweltministeriums, in dem dieses erklärte, dass ihm die von der Kommission gerügten Mängel bereits bekannt seien, dass es weitere Mängel festgestellt habe, die bei der Anwendung des Präsidialdekrets zu ernsthaften Schwierigkeiten führen könnten, und dass seit einem Jahr Verhandlungen mit den regionalen Verwaltungen im Gange seien, um das Präsidialdekret zu ändern.

7 Am 8. September 2000 übermittelte die italienische Regierung der Kommission einen weiteren Vermerk des Umweltministeriums vom 29. August 2000, in dem dieses erklärte, dass der Entwurf für eine Verordnung zur Änderung des Präsidialdekrets gebilligt worden sei und dass jede weitere Änderung im Zuge seiner Überarbeitung und Annahme der Kommission mitgeteilt werde.

8 Nachdem die Kommission keine weitere Mitteilung über die Annahme der Verordnung zur Änderung des Präsidialdekrets erhalten hatte, richtete sie am 25. Juli 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Italienische Republik, in der sie die in dem Mahnschreiben dargelegten Vorwürfe wiederholte und diesen Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

9 Da die Kommission von den italienischen Behörden keine Antwort erhielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

10 Die Italienische Republik bestreitet die ihr zur Last gelegten Vorwürfe nicht. Sie habe im Übrigen vorgesehen, die Artikel 5 und 6 des Präsidialdekrets über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten und den Schutz von Gebieten, die nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen sind, in dem von der Kommission vorgeschlagenen Sinne zu ändern und in das Präsidialdekret einen Artikel 4bis einzufügen, der Artikel 5 der Richtlinie umsetze. Allerdings seien sich die italienischen Regionen und der Staat nicht über die insoweit handlungsbefugten Stellen einig.

11 Hierzu genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteil vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache C-148/00, Kommission/Italien, Slg. 2001, I-9823, Randnr. 7), und dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die fehlende Durchführung einer Richtlinie innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-276/98, Kommission/Portugal, Slg. 2001, I-1699, Randnr. 20, und vom 28. November 2002 in der Rechtssache C-392/01, Kommission/Spanien, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 9).

12 Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie erlaubt es nicht, Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, von seinem Anwendungsbereich auszunehmen, wenn sie ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten. Artikel 7 der Richtlinie sieht u. a. die Anwendung von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie auf die gemäß der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete vor. Artikel 5 der Richtlinie bestimmt, dass während der Phase der bilateralen Konzertierung zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission und bis zur Beschlussfassung des Rates das betreffende Gebiet der Schutzregelung des Artikels 6 Absatz 2 der Richtlinie zu unterwerfen ist.

13 Da die Artikel 5, 6 und 7 der Richtlinie nicht vollständig innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist umgesetzt wurden, ist die Klage der Kommission begründet.

14 Es ist daher festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 der Richtlinie verstoßen hat, dass sie eine Maßnahme zur Umsetzung dieser Richtlinie ergriffen hat, die

- Projekte, die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erheblich beeinträchtigen könnten, jedoch in den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht aufgeführt sind, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausnimmt,

- für die besonderen Schutzgebiete nicht die Verpflichtung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorsieht, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die diese Gebiete ausgewiesen worden sind, zu verhindern, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten, und

- nicht die Anwendung der Schutzmaßnahmen nach Artikel 6 Absatz 2 dieser Richtlinie auf die in ihrem Artikel 5 Absatz 1 genannten Gebiete vorsieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, die Italienische Republik zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 5, 6 und 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen in der Fassung der Änderung durch die Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27. Oktober 1997 verstoßen, dass sie eine Maßnahme zur Umsetzung dieser Richtlinie eingeführt hat, die

- Projekte, die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erheblich beeinträchtigen könnten, jedoch in den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht aufgeführt sind, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausnimmt,

- für die besonderen Schutzgebiete nicht die Verpflichtung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorsieht, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die diese Gebiete ausgewiesen worden sind, zu verhindern, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie 92/43 erheblich auswirken könnten, und

- nicht die Anwendung der Schutzmaßnahmen nach Artikel 6 Absatz 2 dieser Richtlinie auf die in ihrem Artikel 5 Absatz 1 genannten Gebiete vorsieht.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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