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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.1997
Aktenzeichen: C-183/95
Rechtsgebiete: Entscheidung 95/119/EG
Vorschriften:
Entscheidung 95/119/EG |
Die Entscheidung 95/119 über bestimmte Schutzmaßnahmen bezueglich aus Japan stammender Fischereierzeugnisse verstösst, soweit sie im Anschluß an die Feststellung ernsthafter Mängel hinsichtlich der Hygiene und der Kontrolle der Bedingungen für Produktion und Lagerung von Fischereierzeugnissen durch eine Delegation von Sachverständigen der Kommission ein vollständiges Verbot der Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus dem gesamten japanischen Hoheitsgebiet verhängt, weder gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit, der Gleichheit oder des Vertrauensschutzes, noch weist sie einen Ermessensmißbrauch oder Begründungsmangel auf. Insoweit beachtet die Entscheidung, insbesondere was den Grundsatz der Verhältnismässigkeit angeht, das Kriterium des Artikels 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen, auf dessen Grundlage sie erlassen wurde und der dann, wenn im Gebiet eines Drittlands eine Krankheit oder irgendein anderer Grund auftritt, der die menschliche oder tierische Gesundheit ernsthaft gefährden könnte, insbesondere aufgrund der Feststellungen der Veterinärsachverständigen der Kommission die Möglichkeit vorsieht, "je nach der Schwere der Lage" Schutzmaßnahmen zu erlassen.
Was den Umstand bestrifft, daß die Entscheidung die Aussetzung der Einfuhren nicht auf einen Teil des japanischen Gebietes beschränkt, so kann man der Kommission nämlich nicht vorwerfen, daß sie sich auf die Kontrolle einer begrenzten Zahl von Ausfuhrbetrieben beschränkt hat, da diese Kontrollen zuverlässig waren und ihre Ergebnisse in angemessener Weise extrapoliert werden konnten, um die Lage im gesamten Gebiet des betreffenden Drittlands zu beschreiben. Was den Umstand angeht, daß die Entscheidung nicht eine weniger zwingende Schutzmaßnahme wählt, wie sie eine Kontrolle bei der Einfuhr der japanischen Erzeugnisse darstellt, so sind Gesundheitskontrollen im Stadium der Produktion nicht nur eindeutig wirkungsvoller und praktischer als Kontrollen bei der Einfuhr, sondern bilden auch die Grundlage für die Richtlinien über Veterinär- und Gesundheitskontrollen. Was im übrigen die Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern betrifft, deren Einkünfte zu einem grossen Teil aus der Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus Japan stammen, so kann die Entscheidung nicht als unverhältnismässiger Eingriff betrachtet werden, da sie die in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismässigkeit erfuellt, die gerade die Wahrung der Interessen der Wirtschaftsteilnehmer gewährleisten sollen, und da dem Schutz der Volksgesundheit, dessen Gewährleistung die Entscheidung bezweckt, gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen vorrangige Bedeutung beizumessen ist.
Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997. - Affish BV gegen Rijksdienst voor de keuring van Vee en Vlees. - Ersuchen um Vorabentscheidung: College van Beroep voor het Bedrijfsleven - Niederlande. - Gesundheitspolizei - Schutzmaßnahme - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Gültigkeit der Entscheidung 95/119/EG der Kommission. - Rechtssache C-183/95.
Entscheidungsgründe:
1 Der Präsident des College van Beroep voor het Bedrijfsleven hat mit Entscheidung vom 24. Mai 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Entscheidung 95/119/EG der Kommission vom 7. April 1995 über bestimmte Schutzmaßnahmen bezueglich aus Japan stammender Fischereierzeugnisse (ABl. L 80, S. 56; im folgenden: streitige Entscheidung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung zwischen der Affish BV und dem Rijksdienst voor de keuring van Vee en Vlees (Staatliches Amt für die Untersuchung von Vieh und Fleisch; im folgenden: Rijksdienst) über das Verbot der Einfuhr von Fischereierzeugnissen mit Ursprung in Japan.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Richtlinie 91/493/EWG des Rates vom 22. Juli 1991 zur Festlegung von Hygienevorschriften für die Erzeugung und die Vermarktung von Fischereierzeugnissen (ABl. L 268, S. 15), insbesondere Artikel 10 bis 12, enthält die für die Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus Drittländern im viehseuchenrechtlichen Bereich geltenden Vorschriften.
4 Artikel 10 Absatz 1 dieser Richtlinie stellt den Grundsatz auf, daß die Vorschriften für die Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus Drittländern den Vorschriften für die Erzeugung und die Vermarktung von Gemeinschaftserzeugnissen mindestens gleichwertig sein müssen. Gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie werden besondere Einfuhrbedingungen für jedes Drittland oder jede Gruppe von Drittländern entsprechend der gesundheitlichen Lage des betreffenden Drittlands festgelegt.
5 Artikel 11 Absatz 7 der Richtlinie lautet: "Solange die in Absatz 1 vorgesehenen Einfuhrbedingungen noch nicht festgelegt sind, achten die Mitgliedstaaten darauf, daß für die Einfuhren von Fischereierzeugnissen aus Drittländern Bedingungen angewandt werden, die den für die Erzeugung und Vermarktung der Gemeinschaftserzeugnisse geltenden Vorschriften zumindest gleichwertig sind".
6 Durch mehrere aufeinanderfolgende Entscheidungen des Rates und der Kommission wurden Übergangsmaßnahmen hinsichtlich der Erteilung von Bescheinigungen für Fischereierzeugnisse aus Drittländern erlassen, um die Anwendung der in der Richtlinie 91/493 vorgesehenen Regelung zu erleichtern.
7 Gemäß Artikel 12 dieser letztgenannten Richtlinie gelten insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen und des weiteren Vorgehens im Anschluß daran sowie der zu treffenden Schutzmaßnahmen die Bestimmungen und Grundsätze der Richtlinie 90/675/EWG des Rates vom 10. Dezember 1990 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen.
8 Artikel 19 der Richtlinie 90/675 sieht die Möglichkeit des Erlasses von Schutzmaßnahmen vor. Sein Absatz 1 bestimmt:
"Kommt es im Gebiet eines Drittlands zum Ausbruch oder zur Ausbreitung einer in der Richtlinie 82/894/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1982 über die Mitteilung von Viehseuchen in der Gemeinschaft, ABl. L 378, S. 58] aufgeführten Krankheit oder zu einer Zoonose oder ist zu befürchten, daß eine Krankheit oder irgendein anderer Grund die menschliche oder tierische Gesundheit ernsthaft gefährden könnte, oder ist dies - insbesondere aufgrund der Feststellungen der Veterinärsachverständigen der Kommission - aus anderen schwerwiegenden Gründen zum Schutz von Mensch und Tier erforderlich, so trifft die Kommission von sich aus oder auf Antrag eines Mitgliedstaats unverzueglich je nach der Schwere der Lage eine der nachstehenden Maßnahmen:
- Aussetzung der Einfuhren aus dem gesamten Gebiet oder einem Teilgebiet des betreffenden Drittlands und gegebenenfalls des Durchfuhrlands,
- Erlaß besonderer Bedingungen für die Erzeugnisse aus dem gesamten Gebiet oder einem Teilgebiet des betreffenden Drittlands."
9 Auf der Grundlage von Artikel 19 der Richtlinie 90/675 erließ die Kommission die streitige Entscheidung. Artikel 1 dieser Entscheidung lautet: "Die Mitgliedstaaten verbieten die Einfuhr von Fischereierzeugnissen in jeglicher Form mit Ursprung in Japan." Artikel 3 sieht vor, daß die Mitgliedstaaten ihre bei der Einfuhr angewandten Maßnahmen ändern, um sie mit dieser Entscheidung in Einklang zu bringen, und daß sie die Kommission hiervon in Kenntnis setzen.
10 Die erste und die dritte Begründungserwägung der streitigen Entscheidung haben folgenden Wortlaut:
"Bei einer Dienstreise von Experten der Kommission nach Japan wurden die Bedingungen der Produktion und der Verarbeitung von Fischereierzeugnissen, die für den Export in die Gemeinschaft bestimmt sind, überprüft. Dabei wurde von den Sachverständigen festgestellt, daß die amtlichen Versicherungen, die von den japanischen Behörden abgegeben werden, nicht den Tatsachen entsprechen und die Bedingungen für Produktion und Lagerung von Fischereierzeugnissen ernsthafte Mängel hinsichtlich der Hygiene und Kontrolle aufweisen, so daß beim Verzehr eine grosse Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht."
"Aufgrund der genannten Tatsachen ist es erforderlich, die Einfuhr jeglicher Fischereierzeugnisse aus Japan so lange auszusetzen, bis eine Verbesserung der Sachlage hinsichtlich der Hygiene und Kontrolle eingetreten ist."
11 In den Niederlanden wurde die streitige Entscheidung durch die Verordnung vom 13. April 1995 (Stcrt. 1995, S. 74) zur Änderung der Warenwetregeling Invörverbod bepaalde visserijprodukten uit Japan (aufgrund des Lebensmittelgesetzes erlassene Verordnung über das Einfuhrverbot für bestimmte Fischereierzeugnisse aus Japan, Stcrt. 1994, S. 86) durchgeführt. Nach Artikel 1 der so geänderten Warenwetregeling, die am 15. April 1995 in Kraft getreten ist, dürfen Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Japan in keiner Form in das Gebiet der Niederlande eingeführt werden.
Der Ausgangsrechtsstreit
12 Affish ist eine Gesellschaft mit Sitz in Rotterdam (Niederlande). Sie führt tiefgefrorene Fischereierzeugnisse vorwiegend aus Japan ein und vertreibt sie auf dem Gemeinschaftsmarkt. Zu diesem Zweck steht sie in Verbindung mit der in Osaka (Japan) ansässigen Handelsfirma Hanwa Co. Ltd. Hanwa vertritt vier in diesem Land ansässige Fabriken, die Surimi - auf See zu Halbfertigerzeugnissen verarbeiteter Fisch - zu Surimi-Fischereierzeugnissen, sogenanntem Kamaboko, weiterverarbeiten.
13 Mit Bescheid vom 2. Mai 1995 versagte der Rijksdienst unter Berufung auf die streitige Entscheidung Affish die Einfuhrgenehmigung für einige Ende März 1995 verschiffte Kamaboko-Partien mit Ursprung in Japan. Für diese Partien waren von den japanischen Behörden gesundheitspolizeiliche Bescheinigungen ausgestellt worden.
14 Mit Schriftsatz vom 3. Mai 1995 beantragte Affish beim Präsidenten des College van Beroep voor het Bedrijfsleven, den Bescheid des Rijksdienst durch einstweilige Anordnung auszusetzen und festzustellen, daß der Rijksdienst die Einfuhr der obengenannten Partien Fischereierzeugnisse sowie der in Zukunft von ihr aus Japan noch zu beziehenden Partien ausschließlich aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren ablehnen dürfe, wobei eine solche Ablehnung ihre Grundlage in einer vom Rijksdienst vorgenommenen oder in Auftrag gegebenen Laboruntersuchung haben müsse.
15 Affish machte für ihren Antrag geltend, die streitige Entscheidung sei ungültig, weil sie gegen Artikel 19 der Richtlinie 90/675, gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstosse, da sie die aus Japan eingeführten Erzeugnisse gegenüber den aus Thailand und Korea eingeführten benachteilige.
16 Ausserdem machte Affish geltend, die streitige Entscheidung verstosse gegen die Artikel 2, 4 und 5 des Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (ABl. 1994, L 336, S. 40; im folgenden: Übereinkommen), das Bestandteil des Anhangs I A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation ist, das durch den Beschluß 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigt wurde. Affish fügte hinzu, selbst wenn man annehme, daß das Übereinkommen in der Gemeinschaft keine unmittelbare Wirkung haben könne, müsse das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 19 der Richtlinie 90/675, in seinem Lichte ausgelegt werden.
17 Hilfsweise berief sich Affish darauf, daß das Königreich der Niederlande bei der Durchführung der streitigen Entscheidung den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt habe, da die nationalen Rechtsvorschriften keine Übergangsregelung für bereits verschiffte Partien vorgesehen habe.
18 In seiner Vorlageentscheidung hat der Präsident des College van Beroep voor het Bedrijfsleven zunächst den vorläufigen Bericht über die in der ersten Begründungserwägung der streitigen Entscheidung erwähnte Dienstreise der Sachverständigen der Kommission vom 27. bis 31. März 1995 wiedergegeben. Dieser Bericht vom 4. April 1995 enthält erstens allgemeine Bemerkungen über Betriebe, die sich mit Fischereierzeugnissen befassen, erläutert zweitens insbesondere die Ergebnisse der Besichtigung dreier auf die Erzeugung von Pectenmuscheln spezialisierter Betriebe und erwähnt drittens die Besichtigung von vier Betrieben, die sich mit anderen Fischereierzeugnissen befassen, sowie des Fischmarkts in Tokio. Der Bericht kommt zu folgendem Ergebnis: "Die besichtigten Betriebe für Pectenmuscheln und Fischereierzeugnisse genügen nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/493/EWG. Einige stellen ein ernsthaftes Risiko für die Volksgesundheit dar. Die von den zuständigen Behörden durchgeführten Kontrollen bieten keine einzige Garantie dafür, daß keine Betrügereien hinsichtlich des Ursprungs der Erzeugnisse stattfinden." Zu diesem Bericht gehören ausserdem Einzelberichte über die Besichtigung von sieben Betrieben.
19 Sodann hat das vorlegende Gericht das von Affish hilfsweise vorgetragene Argument mit der Begründung zurückgewiesen, daß weder die streitige Entscheidung noch die Richtlinie 90/675, noch irgendeine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts es den Mitgliedstaaten erlaubten, die Entscheidung durchzuführen und dabei eine Übergangsregelung für bereits verschiffte Partien vorzusehen.
20 Schließlich hat das Gericht die Auffassung vertreten, daß die Gültigkeit der streitigen Entscheidung nach vorläufiger Einschätzung insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 19 der Richtlinie 90/675 genannten Bedingungen ernstlich in Zweifel gezogen werden könne. Das Gericht hat hinzugefügt, daß die übrigen Antragsgründe von Affish nicht einzeln geprüft zu werden brauchten, da sie sich auf die Erklärung beschränkten, die angefochtene Maßnahme sei im Hinblick auf diesen Artikel unverhältnismässig.
21 Unter diesen Umständen hat der Präsident des College van Beroep voor het Bedrijfsleven den Vollzug der Entscheidung des Rijksdienst für bestimmte darin aufgeführte Partien ausgesetzt, spätestens bis der Gerichtshof die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage beantwortet hat. Es hat diese Aussetzung mit der Maßgabe versehen, daß
- der Rijksdienst die betreffenden Partien Fischereierzeugnisse so gründlich wie nach dem heutigen Stand der Wissenschaft möglich im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren auf etwaige Mängel untersucht;
- der Rijksdienst die fraglichen Partien nur dann zum Verkehr innerhalb der Gemeinschaft zulässt, wenn nach seiner Beurteilung aufgrund der erwähnten Untersuchung hinreichend feststeht, daß keine Mängel vorliegen.
Die Vorabentscheidungsfrage
22 Die vom Präsidenten des College van Beroep voor het Bedrijfsleven zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage hat folgenden Wortlaut:
Ist die Entscheidung 95/119/EG der Kommission vom 7. April 1995 unter Berücksichtigung der Ausführungen im vorliegenden Beschluß gültig, soweit sie Surimi-Fischereierzeugnisse, auch Kamaboko genannt, betrifft, die die Antragstellerin aus anderen japanischen Regionen als denjenigen einführt, in denen die durch eine Delegation von Sachverständigen der Kommission gemäß deren Bericht vom 4. April 1995 untersuchten Betriebe liegen, oder zumindest aus anderen als den untersuchten Betrieben, und bei denen nach angemessener Untersuchung bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft keine Gesundheitsrisiken zutage getreten sind?
Zum Verfahren
23 Die Kommission ersucht den Gerichtshof, seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen dafür zu ergänzen, daß ein nationales Gericht die Vollziehung eines Rechtsakts einer nationalen Verwaltungsbehörde aussetzt, der auf einer Gemeinschaftsmaßnahme beruht, deren Gültigkeit angezweifelt wird. Nach Auffassung der Kommission muß das Gemeinschaftsorgan, das die fragliche Maßnahme erlassen hat, in einem solchen Fall die Möglichkeit haben, vor dem nationalen Gericht in angemessener Weise angehört zu werden.
24 Nach ständiger Rechtsprechung ist nur das nationale Gericht berechtigt, zu bestimmen, welche Fragen dem Gerichtshof vorzulegen sind (vgl. insbesondere Urteil vom 12. November 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-134/91 und C-135/91, Kerafina - Keramische und Finanzholding und Vioktimatiki, Slg. 1992, I-5699, Randnr. 16). Die von der Kommission im vorliegenden Fall aufgeworfene Verfahrensfrage hat jedoch mit dem Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens nichts zu tun.
25 Im übrigen geht aus dem Vorlagebeschluß und den Erklärungen der Kommission hervor, daß diese von Affish aufgefordert worden ist, sich auf Verlangen des vorlegenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen, daß sie jedoch aufgrund mehrerer Umstände dieser Aufforderung nicht gefolgt ist.
26 Demnach braucht über die von der Kommission aufgeworfene Frage nicht entschieden zu werden.
Zur Vorlagefrage
27 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß der Präsident des College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit seiner Frage im wesentlichen wissen will, ob die streitige Entscheidung, soweit sie ein vollständiges Verbot der Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus dem gesamten japanischen Hoheitsgebiet verhängt, für nichtig zu erklären ist, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst, wie er in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 niedergelegt ist. In Anbetracht aller beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen und der vor ihm gemachten mündlichen Ausführungen ist ausserdem zu prüfen, ob die streitige Entscheidung nicht einen Ermessensmißbrauch darstellt; ferner ist ihre Gültigkeit anhand der Grundsätze der Gleichheit und des Vertrauensschutzes sowie anhand von Artikel 190 EG-Vertrag zu untersuchen.
28 Was den von Affish vorgetragenen angeblichen Verstoß gegen das Übereinkommen angeht, so hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht ersucht, die streitige Entscheidung anhand dieses Übereinkommens zu prüfen, und der Gerichtshof braucht diese Prüfung auch nicht von Amts wegen vorzunehmen.
Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit
29 Da das durch die streitige Entscheidung vorgesehene Verbot der Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus ganz Japan und insbesondere auch aus anderen Regionen als denjenigen, in denen die durch die Sachverständigendelegation der Kommission besichtigten Betriebe liegen, verhängt werden kann, stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob das Verbot mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar ist.
30 Insoweit ist an die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu erinnern, wonach es für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht, darauf ankommt, ob die darin gewählten Mittel für den angestrebten Zweck geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. insbesondere Urteil vom 13. Mai 1997 in der Rechtssache C-233/94, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 1997, I-0000, Randnr. 54).
31 Im vorliegenden Zusammenhang findet dieser Grundsatz einen besonderen Ausdruck in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675, wonach die von der Kommission beschlossene Schutzmaßnahme zur Schwere der Lage im Verhältnis stehen muß. Diese Maßnahme besteht entweder in der Aussetzung der Einfuhren oder in der Festlegung besonderer Bedingungen für die eingeführten Erzeugnisse. In beiden Fällen kann die Maßnahme auf das gesamte Gebiet des betreffenden Drittlands ausgedehnt oder auf Erzeugnisse aus einem Teilgebiet dieses Drittlands beschränkt werden.
32 Es ist daher zu prüfen, ob die streitige Entscheidung gegen Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 verstösst, da sie die Aussetzung der Einfuhren von Fischereierzeugnissen nicht auf einen Teil des japanischen Gebietes beschränkt, da sie nicht eine sonst weniger zwingende Schutzmaßnahme wählt oder aber da sie eine übermässige Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit von Affish mit sich gebracht hat.
33 Zur räumlichen Auswirkung des Einfuhrverbots ist festzustellen, daß man der Kommission nicht vorwerfen kann, daß sie sich auf die Kontrolle einer begrenzten Zahl von Betrieben, die Fischereierzeugnisse ausführen, beschränkt hat, da diese Kontrollen zuverlässig waren und ihre Ergebnisse in angemessener Weise extrapoliert werden konnten, um die Lage im gesamten Gebiet des betreffenden Drittlands zu beschreiben. Eine Besichtigung zahlreicher oder gar aller Betriebe ist nämlich praktisch unmöglich, will man dem Erfordernis der Schnelligkeit genügen, die der Erlaß von Schutzmaßnahmen auf dem Gebiet der Volksgesundheit verlangt. Ausserdem ist die Kommission bei der Organisation der Kontrollen auf die Behörden des betreffenden Drittlands angewiesen.
34 Was die Zuverlässigkeit der von der Sachverständigendelegation vorgenommenen Kontrollen angeht, so ist sie im vorliegenden Fall von keinem Verfahrensbeteiligten bestritten worden.
35 Zu der Möglichkeit, die Ergebnisse dieser Kontrollen in den ausgewählten Betrieben zu extrapolieren, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kommission, da die Auswahl von den japanischen Behörden getroffen worden war, davon ausgehen konnte, daß diese Betriebe für sämtliche japanischen Betriebe und nicht für diejenigen mit den schlechtesten hygienischen Bedingungen repräsentativ waren.
36 Sodann geht aus dem Bericht der genannten Sachverständigendelegation hervor, daß die zuständige japanische Behörde (das Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt, unterstützt durch die Gesundheitsämter der Präfekturen) die betreffenden Betriebe keiner zufriedenstellenden Kontrolle unterzogen hatte und Betriebe, die ernsthafte Risiken für die Volksgesundheit aufwiesen, als den Erfordernissen der Richtlinie 91/493 entsprechend angeführt hatte, und daß die ungenaue Kennzeichnung der Warenpartien es nicht gestattet hat, deren Ursprungsbetriebe und die Verarbeitungsweise mit Sicherheit zu identifizieren. Wie die Kommission betont hat, hätte unter diesen Umständen in Ermangelung eines zentralen Kontrolldienstes für ganz Japan eine etwaige Beschränkung des Verbotes auf Erzeugnisse aus bestimmten Regionen Japans keine Garantie dafür geboten, daß Erzeugnisse aus einem Betrieb einer anderen Region, in der alle Veterinärbestimmungen eingehalten worden wären, nicht mit Erzeugnissen vermengt worden wären, die nicht aus dieser Region stammten.
37 Schließlich kann der Umstand, daß Affish Kamaboko-Erzeugnisse aus Betrieben eingeführt hat, bei denen es nicht die geringste gesundheitliche Beanstandung gab, für sich allein nicht beweisen, daß die streitige Entscheidung unverhältnismässig ist. Konnte die Kommission nämlich, wie oben dargelegt, aus den Feststellungen der Sachverständigendelegation zu Recht allgemeine Schlußfolgerungen für ganz Japan ziehen, so können spätere Bemerkungen in bezug auf einige besondere Betriebe diese Schlußfolgerungen nicht in Frage stellen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Schutzmaßnahmen naturgemäß nach Maßgabe der Entwicklung der Lage und neuer Informationen abgeändert werden können.
38 Was die Frage angeht, ob die Kommission eine andere Art von Maßnahmen als die Aussetzung der Einfuhren hätte wählen müssen, so ist sowohl vor dem nationalen Gericht als auch vor dem Gerichtshof auf die Möglichkeit einer Kontrolle bei der Einfuhr der japanischen Erzeugnisse hingewiesen worden.
39 Insoweit wenden die niederländische und die finnische Regierung sowie die Kommission ein, daß wegen der Art der Fischereierzeugnisse Gesundheitskontrollen im Stadium der Produktion eindeutig wirkungsvoller und praktischer seien als Kontrollen bei der Einfuhr. Diesem Vorbringen haben die anderen Verfahrensbeteiligten nicht widersprochen.
40 Im übrigen stellt das gewählte Vorgehen, wie der Generalanwalt in den Nummern 93 und 94 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Grundlage für die Richtlinien über Veterinär- und Gesundheitskontrollen, u. a. auch für die Richtlinie 91/493, dar.
41 Zu der behaupteten übermässigen Einschränkung ihrer gewerblichen Tätigkeit trägt Affish vor, die streitige Entscheidung könne ihr Überleben gefährden, da ein erheblicher Teil ihrer Einkünfte tatsächlich aus der Einfuhr von Fischereierzeugnissen aus Japan stamme.
42 Dazu ist zu bemerken, daß die freie Ausübung eines Berufes nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kein absolutes Vorrecht ist, sondern im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden muß. Folglich kann sie namentlich im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antastet (vgl. insbesondere Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 78). Die Bedeutung der angestrebten Ziele kann Einschränkungen rechtfertigen, die sogar beträchtliche negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer haben können (vgl. Urteil vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 17).
43 Aber selbst gemessen an den wirtschaftlichen Folgen, die die streitige Entscheidung für die Einführer haben kann, die sich in einer Lage wie der von Affish befinden, kann diese Entscheidung nicht als unverhältnismässiger Eingriff betrachtet werden, da sie die in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismässigkeit erfuellt. Diese Anforderungen sollen nämlich gerade die Wahrung der Interessen der Wirtschaftsteilnehmer gewährleisten. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als dem Schutz der Volksgesundheit, dessen Gewährleistung die streitige Entscheidung bezweckt, gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen vorrangige Bedeutung beizumessen ist (vgl. Beschluß vom 12. Juli 1996 in der Rechtssache C-180/96 R, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1996, I-3903, Randnr. 93).
44 Demnach verstösst die streitige Entscheidung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wie er in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 90/675 niedergelegt ist.
Zum angeblichen Ermessensmißbrauch
45 Affish vertritt die Auffassung, die Kommission habe mit dem Erlaß der streitigen Entscheidung aus zwei Gründen einen Ermessensmißbrauch begangen.
46 Zum einen diene die Schutzmaßnahme nicht dem Schutz der Volksgesundheit, sondern mit ihr solle Druck auf die japanischen Behörden ausgeuebt werden, damit sie die gesundheitspolizeiliche Überwachung in diesem Land verstärkten.
47 Zum anderen habe sich die Kommission nicht auf die Ergebnisse der nach Japan entsandten Sachverständigendelegation stützen dürfen, um ein Einfuhrverbot gemäß Artikel 19 der Richtlinie 90/675 zu erlassen, da diese Delegation den Auftrag gehabt habe, die besonderen Einfuhrbedingungen gemäß Artikel 11 der Richtlinie 91/493 festzulegen.
48 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Randnr. 69) stellt es einen Ermessensmißbrauch dar, wenn ein Gemeinschaftsorgan einen Rechtsakt ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder um ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell zur Bewältigung der konkreten Sachlage vorsieht, erlässt.
49 Was die von der Kommission verfolgten Ziele angeht, so ist in Randnummer 36 des vorliegenden Urteils festgestellt worden, daß die Unzulänglichkeiten bei der Kontrolle durch die japanischen Behörden gerade zu der Beurteilung beigetragen haben, daß die gesundheitliche Qualität der Erzeugnisse aus ganz Japan nicht garantiert werden konnte. Im übrigen hat Affish nichts vorgetragen, womit sich beweisen ließe, daß die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Entscheidung einen anderen Zweck verfolgt hätte als den, zu dem ihr durch Artikel 19 der Richtlinie 90/675 eine Befugnis auf dem betreffenden Gebiet eingeräumt worden ist.
50 Zum angewandten Verfahren genügt die Feststellung, daß es für die Beurteilung eines etwaigen Ermessensmißbrauchs nicht darauf ankommt, daß die Entsendung der Sachverständigendelegation nach Japan den Zweck hatte, die besonderen Einfuhrbedingungen gemäß Artikel 11 der Richtlinie 91/493 festzulegen, da diese Delegation das Niveau des Gesundheitsschutzes in den Betrieben für Fischereierzeugnisse sowie das Kontrollsystem bewertet und somit einschlägige Informationen im Sinne des Artikels 19 der Richtlinie 90/675 geliefert hat.
51 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Kommission mit dem Erlaß der streitigen Entscheidung keinen Ermessensmißbrauch begangen hat.
Zum angeblichen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
52 Nach Ansicht von Affish läuft die streitige Entscheidung, da sie nicht die Surimi-Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Thailand oder Korea, die mit den Erzeugnissen japanischen Ursprungs in Wettbewerb stuenden, betreffe, auf eine ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung der Einführer dieser aus Japan stammenden Erzeugnisse und der Einführer der gleichen, aus Thailand oder Korea stammenden Erzeugnisse hinaus. Die Kommission hätte vor dem Erlaß von Maßnahmen in bezug auf japanischen Kamaboko eine Sachverständigendelegation nach Thailand und Korea schicken müssen. Die streitige Entscheidung verstosse daher gegen den Gleichheitsgrundsatz.
53 Insoweit liefert Affish kein Indiz, das dartun könnte, daß die Lage in Korea und in Thailand hinsichtlich der Hygiene- und Kontrollbedingungen bei der Produktion der in die Gemeinschaft ausgeführten Fischereierzeugnisse mit der Lage in Japan vergleichbar wäre und daß die Kommission die Kontrolle dieser Bedingungen vernachlässigt hätte. Jedenfalls kann von der Kommission angesichts einer für die Volksgesundheit bedrohlichen Situation nicht verlangt werden, daß sie den Erlaß einer Schutzmaßnahme gegenüber einem Drittland verzögert, damit die gesundheitspolizeilichen Bedingungen in allen anderen Drittländern, die die gleichen Erzeugnisse in die Gemeinschaft ausführen, kontrolliert werden können.
54 Folglich verstösst die streitige Entscheidung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
55 Da zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung bereits einige Partien Fischereierzeugnisse nach der Gemeinschaft verschifft waren, zieht die finnische Regierung die Gültigkeit dieser Entscheidung im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes in Zweifel. Dieses besondere Problem wurde auch von Affish, der italienischen Regierung und der Kommission aufgeworfen.
56 Es ist daher zu prüfen, ob die streitige Entscheidung ausdrücklich Übergangsmaßnahmen für bereits verschiffte Partien hätte vorsehen müssen.
57 Selbst wenn man annimmt, daß die Gemeinschaft zuvor eine Lage geschaffen hat, die geeignet war, ein berechtigtes Vertrauen zu begründen, kann ein unbestreitbares öffentliches Interesse dem Erlaß von Übergangsmaßnahmen für Sachlagen entgegenstehen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung entstanden, in ihrer Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen sind (vgl. Urteile vom 14. Mai 1975 in der Rechtssache 74/74, CNTA/Kommission, Slg. 1975, 533, Randnr. 44, vom 16. Mai 1979 in der Rechtssache 84/78, Tomadini, Slg. 1979, 1801, Randnr. 20, und vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnrn. 16 und 19, sowie Beschluß vom 5. Februar 1997 in der Rechtssache C-51/95 P, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1997, I-727, Randnr. 27). Das Ziel der streitigen Entscheidung, nämlich der Schutz der Volksgesundheit, stellt ein solches unbestreitbares öffentliches Interesse dar.
58 Was die Möglichkeit der Anwendung einer Schutzmaßnahme angeht, die in einer Kontrolle der bereits versandten Partien Fischereierzeugnisse bei ihrer Einfuhr besteht, so gelten die in den Randnummern 39 und 40 des vorliegenden Urteils genannten Gründe für den Ausschluß dieser Art von Kontrollen auch für die Partien, die zum Zeitpunkt der streitigen Entscheidung bereits verschifft waren. Ausserdem konnte die Kommission die Schutzmaßnahme nicht der besonderen Lage eines einzigen Einführers oder eines einzigen Einfuhrmitgliedstaats anpassen, sondern musste die Einfuhren von Fischereierzeugnissen aus Japan im Gebiet der gesamten Gemeinschaft berücksichtigen.
59 Daraus ergibt sich, daß die streitige Entscheidung nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstösst.
Zum angeblichen Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages
60 Im Rahmen ihres Vorbringens in bezug auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit macht Affish geltend, die Kommission habe nicht die Umstände angegeben, die als Grundlage für den Erlaß der streitigen Entscheidung hätten dienen können.
61 Die niederländische Regierung weist darauf hin, daß es wünschenswert gewesen wäre, wenn die Kommission in den Begründungserwägungen ihrer Entscheidung die Gründe für ihre Annahme dargelegt hätte, daß eine weniger zwingende Maßnahme zum Schutz der Volksgesundheit ungeeignet gewesen wäre.
62 Die Kommission hält dem entgegen, daß die Begründung ihrer Entscheidung, wenn auch in knapper Form, deutlich mache, daß Produktion und Kontrolle von Fischereierzeugnissen in Japan schwere Mängel hinsichtlich der Hygiene aufwiesen. Die Erwähnung des Umstands, daß eine weniger zwingende Maßnahme unzureichend gewesen wäre, hätte nichts zum Verständnis der streitigen Entscheidung beigetragen.
63 Die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung muß zwar die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig erkennen lassen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die ergriffene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann; sie braucht jedoch nicht sämtliche tatsächlich oder rechtlich erheblichen Gesichtspunkte aufzuführen. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Erfordernissen genügt, ist nämlich nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. insbesondere Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-122/94, Slg. 1996, I-881, Randnr. 29).
64 Im vorliegenden Fall lassen die Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung klar erkennen, daß die Kommission die streitige Schutzmaßnahme erlassen hat, nachdem sie eine Delegation von Sachverständigen vor Ort entsandt hatte, die schwere Mängel hinsichtlich der Hygiene und Kontrolle der Bedingungen für die Produktion und Lagerung von Fischereierzeugnissen festgestellt haben, die Risiken für den Schutz der Volksgesundheit darstellen konnten.
65 Im Hinblick auf die Art der streitigen Entscheidung und insbesondere auf die Frist, innerhalb deren sie ergehen musste, konnte sich die Kommission darauf beschränken, das angewandte Verfahren und die wesentlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage für ihre Beurteilung bildeten, in allgemeiner Weise anzugeben, ohne die Einzelheiten des Berichts der Sachverständigendelegation zu wiederholen oder durch eine besondere Begründung zu erläutern, weshalb andere Möglichkeiten ausgeschlossen wurden.
66 Die streitige Entscheidung ist somit nicht unzureichend begründet.
67 Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Prüfung der streitigen Entscheidung nichts ergeben hat, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.
Kostenentscheidung:
Kosten
68 Die Auslagen der niederländischen, der italienischen und der finnischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Präsidenten des College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit Entscheidung vom 24. Mai 1995 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Die Prüfung der Entscheidung 95/119/EG der Kommission vom 7. April 1995 über bestimmte Schutzmaßnahmen bezueglich aus Japan stammender Fischereierzeugnisse hat nichts ergeben, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.
Ende der Entscheidung
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