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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.1996
Aktenzeichen: C-222/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/552/EWG, EG-Vertrag


Vorschriften:

Richtlinie 89/552/EWG Art. 2
Richtlinie 89/552/EWG Art. 3
EG-Vertrag Art. 59
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 Absätze 1 und 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, wenn er zur Bestimmung der Veranstalter von über Satelliten ausgestrahlten Sendungen, die seiner Rechtshoheit unterliegen, andere Kriterien als das der Niederlassung, wie etwa die Kriterien der Übertragung oder des Empfangs von Programmen, aufstellt, was dazu führt, daß er eine nach der Richtlinie untersagte Kontrolle über Sendungen ausübt, die der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliegen, und wenn er hinsichtlich der Veranstalter, die seiner Auffassung nach seiner Rechtshoheit unterliegen, auf andere als inländische Satellitendienste eine weniger strenge Regelung anwendet als auf inländische Satellitendienste.

Denn zum einen ist der in Artikel 2 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie verwendete Begriff der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats dahin zu verstehen, daß er notwendigerweise eine Zuständigkeit ratione personä gegenüber den Fernsehveranstaltern umfasst, die nur auf deren Beziehung zu der Rechtsordnung dieses Staates gestützt werden kann, was sich im wesentlichen mit dem Begriff der Niederlassung im Sinne von Artikel 59 Absatz 1 des Vertrages deckt, der nach seinem Wortlaut voraussetzt, daß der Erbringer und der Empfänger einer Dienstleistung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind. Zum anderen kann ein Mitgliedstaat zwar nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie in den von ihr geregelten Bereichen strengere Bestimmungen vorsehen, doch müssen nach Artikel 2 Absatz 1 alle Sendungen, die von Fernsehveranstaltern übertragen werden, die der Rechtshoheit dieses Mitgliedstaats unterworfen sind oder für die er gemäß dem zweiten Gedankenstrich dieser Vorschrift zuständig ist, dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit in diesem Mitgliedstaat bestimmte Sendungen anwendbar ist.


Urteil des Gerichtshofes vom 10. September 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Vereinigtes Königreich Grossbritannien und Nordirland. - Vertragsverletzung - Richtlinie 89/552/EWG - Telekommunikation - Fernsehsendungen - Rechtshoheit über Rundfunkveranstalter. - Rechtssache C-222/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 28. Juli 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Vereinigte Königreich dadurch, daß es die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23; im folgenden: Richtlinie) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 Absätze 1 und 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie verstossen hat.

2 Dem Vereinigten Königreich wird damit vorgeworfen, daß es gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstossen habe,

° indem es für Ausstrahlungen von Fernsehsendungen über Satelliten die in Section 43 des Broadcasting Act 1990 genannten Kriterien aufgestellt habe, um die Veranstalter von über Satelliten ausgestrahlten Sendungen zu bestimmen, die der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterlägen, und indem es im Rahmen dieser Rechtshoheit unterschiedliche Regelungen auf inländische und andere als inländische Satellitendienste anwende

und

° indem es eine Kontrolle über die Sendungen ausübe, die von einem Veranstalter übertragen würden, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliege, wenn diese Sendungen von einem anderen als inländischen Satellitendienst übertragen würden oder der Allgemeinheit als genehmigungsbedürftiger Programmdienst oder von einem örtlichen Lieferdienst zugänglich gemacht würden.

Die Richtlinie

3 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:

"(1) Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, daß alle Fernsehsendungen, die

° von seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstaltern gesendet werden oder

° von Fernsehveranstaltern gesendet werden, die eine von diesem Mitgliedstaat zugeteilte Frequenz oder Übertragungskapazität eines Satelliten oder eine in diesem Mitgliedstaat gelegene Erd-Satelliten-Sendestation benutzen, ohne jedoch der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfen zu sein,

dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen anwendbar ist.

(2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, [die] in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind. Sie können die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorläufig aussetzen, wenn die folgenden Bedingungen erfuellt sind:

a) mit einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat wird in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 22 verstossen;

b) der Fernsehveranstalter hat während der vorangegangenen zwölf Monate bereits mindestens zweimal gegen diese Vorschrift verstossen;

c) der betreffende Mitgliedstaat hat dem Fernsehveranstalter und der Kommission schriftlich die behaupteten Verstösse sowie seine Absicht mitgeteilt, im Falle erneuter Verstösse die Weiterverbreitung einzuschränken;

d) die Konsultationen mit dem Staat, der die Sendung verbreitet, und der Kommission haben innerhalb von 15 Tagen ab der in Buchstabe c) genannten Mitteilung zu keiner gütlichen Regelung geführt, und es kommt zu einem erneuten Verstoß.

Die Kommission achtet darauf, daß eine derartige Aussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Sie kann den betroffenen Mitgliedstaat auffordern, eine gemeinschaftsrechtswidrige Aussetzung unverzueglich zu beenden. Diese Vorschrift lässt die Anwendung entsprechender Verfahren, Rechtsmittel oder Sanktionen bezueglich der betreffenden Verstösse in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unberührt.

(3) Diese Richtlinie gilt nicht für Fernsehsendungen, die ausschließlich zum Empfang in Nichtmitgliedstaaten bestimmt sind und die nicht unmittelbar oder mittelbar in einem oder mehreren Mitgliedstaaten empfangen werden."

4 Artikel 3 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Mitgliedstaaten können für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den von... dieser Richtlinie erfassten Bereichen vorsehen.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen mit geeigneten Mitteln im Rahmen ihrer Rechtsvorschriften dafür, daß die jeweils ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser Richtlinie einhalten."

5 Nach Artikel 25 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie spätestens am 3. Oktober 1991 nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis zu setzen.

Das Übereinkommen des Europarats über das grenzueberschreitende Fernsehen

6 Die Artikel 2, 3, 5 und 27 des Übereinkommens des Europarats vom 5. Mai 1989 über das grenzueberschreitende Fernsehen (im folgenden: Übereinkommen) lauten wie folgt:

"Artikel 2: Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet

a) 'Verbreitung' die Erstausstrahlung von Fernsehprogrammen, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt sind, über terrestrische Sender, über Kabel oder über Satelliten jeder Art in verschlüsselter oder unverschlüsselter Form. Der Ausdruck schließt Fernmeldedienste, die auf individuellen Abruf geleistet werden, nicht ein;

b)...

c) 'Rundfunkveranstalter' die natürliche und juristische Person, die Fernsehprogramme für den Empfang durch die Allgemeinheit zusammenstellt und sie verbreitet oder vollständig und unverändert durch einen Dritten verbreiten lässt;

d) 'Programm' die Gesamtheit der Sendungen eines bestimmten Programms, das durch einen Rundfunkveranstalter im Sinne des Buchstabens c bereitgestellt wird;

..."

"Artikel 3: Geltungsbereich

Dieses Übereinkommen gilt für jedes Programm, das durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen im Hoheitsbereich einer Vertragspartei über Kabel, über terrestrische Sender oder über Satelliten verbreitet oder weiterverbreitet wird und das direkt oder indirekt in einer oder mehreren anderen Vertragsparteien empfangen werden kann."

"Artikel 5: Pflichten der sendenden Vertragsparteien

(1) Jede sendende Vertragspartei sorgt durch geeignete Mittel und durch ihre zuständigen Stellen dafür, daß alle Programme, die durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen in ihrem Hoheitsbereich im Sinne des Artikels 3 verbreitet werden, den Bestimmungen dieses Übereinkommens entsprechen.

(2) Für die Zwecke dieses Übereinkommens ist die sendende Vertragspartei

a) im Fall einer terrestrischen Verbreitung die Vertragspartei, in der die Erstausstrahlung durchgeführt wird;

b) im Fall der Verbreitung über Satelliten

i) die Vertragspartei, in der sich die Aufwärtsverbindung zum Satelliten befindet;

ii) die Vertragspartei, die das Recht auf Nutzung einer Frequenz oder einer Satellitenkapazität gewährt, wenn sich die Aufwärtsverbindung in einem Staat befindet, der nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist;

iii) die Vertragspartei, in welcher der Rundfunkveranstalter seinen Sitz hat, wenn die Zuständigkeit nach den Ziffern i und ii nicht festgelegt ist.

..."

"Artikel 27: Andere internationale Übereinkünfte oder Absprachen

(1) In ihren gegenseitigen Beziehungen wenden die Vertragsparteien, die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind, Gemeinschaftsvorschriften an und wenden daher die sich aus diesem Übereinkommen ergebenden Bestimmungen nur insoweit an, als es zu einem bestimmten Regelungsgegenstand keine Gemeinschaftsvorschrift gibt.

..."

Das nationale Recht

7 Der Broadcasting Act (Rundfunkgesetz) 1990 (im folgenden: Gesetz) stellt den rechtlichen Rahmen u. a. für die Bereitstellung von Fernsehprogrammdiensten durch unabhängige Veranstalter im Vereinigten Königreich dar.

8 Nach Section 13 des Gesetzes ist es untersagt, andere Fernsehprogrammdienste als die der BBC und der Welsh Authority bereitzustellen, wenn dies nicht von der Independent Television Commission (ITC) oder aufgrund einer von ihr erteilten Genehmigung zugelassen wird.

9 Durch Section 16 (2) (g) und (h) des Gesetzes werden die in den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie festgelegten Anforderungen bezueglich des Programmanteils von europäischen Werken und Produktionen unabhängiger Hersteller umgesetzt.

10 Section 43 unterscheidet zwei Arten von "Satelliten-Fernsehdiensten", nämlich die inländischen und die anderen als inländischen Dienste, die beide als "Fernsehprogrammdienste" gelten, so daß für ihre Ausstrahlung eine Genehmigung erforderlich ist. Diese Vorschrift nennt auch die Kriterien, anhand deren die Fernsehsendungen bestimmt werden, die zu diesen beiden Arten von Diensten gehören:

° Nach Section 43 (1) ist ein inländischer Satellitendienst ("domestic satellite service") ein Fernsehdienst, dessen Programme über Satelliten von einem Ort im Vereinigten Königreich auf einer dem Vereinigten Königreich zugeteilten Frequenz verbreitet werden und zum Empfang durch die Allgemeinheit in diesem Staat bestimmt sind.

° Nach Section 43 (2) liegt ein anderer als inländischer Satellitendienst ("non-domestic satellite service") vor,

a) wenn Fernsehprogramme, die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Vereinigten Königreich oder in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, über Satelliten von einem Ort im Vereinigten Königreich verbreitet werden und diese Verbreitung nicht auf einer dem Vereinigten Königreich zugeteilten Frequenz erfolgt oder

b) wenn Fernsehprogramme, die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Vereinigten Königreich oder in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, über Satelliten von einem Ort, der weder im Vereinigten Königreich noch in einem anderen Mitgliedstaat liegt, verbreitet werden, sofern die Programme von einer Person im Vereinigten Königreich bereitgestellt werden, die die redaktionelle Kontrolle über den Programminhalt ausübt.

11 Besondere Bestimmungen sind in Section 44 des Gesetzes für die Genehmigung von inländischen Satellitendiensten und in Section 45 für die Genehmigung von anderen als inländischen Satellitendiensten vorgesehen. Nach Section 44 (3) des Gesetzes gelten für inländische Satellitendienste die Bestimmungen in Section 16 (2) (g) und (h), die die Anforderungen bezueglich des Programmanteils von europäischen Werken betreffen. Dagegen enthält Section 45 (2) für andere als inländische Satellitendienste keine entsprechenden Bestimmungen.

12 Section 47 (2) des Gesetzes betrifft die Modalitäten der Genehmigung von "genehmigungsbedürftigen Programmdiensten". Section 79 (2) bezieht sich auf die Genehmigung von "örtlichen Lieferdiensten", die ausschließlich oder zum Teil darin bestehen, daß ausländische Satellitenprogramme (vollständig und unverändert) weiterverbreitet werden.

Verfahren

13 Mit Schreiben vom 3. November 1992 vertrat die Kommission die Auffassung, daß das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen verstossen habe, daß es die Richtlinie unrichtig und unvollständig umgesetzt habe, und forderte das Vereinigte Königreich auf, hierzu Stellung zu nehmen.

14 Mit Schreiben vom 10. Februar 1993 nahm die Regierung des Vereinigten Königreichs zu den verschiedenen Punkten des Aufforderungsschreibens Stellung.

15 Am 30. September 1993 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie das Vereinigte Königreich aufforderte, innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie abzustellen.

16 Mit Schreiben vom 25. Januar 1994 antwortete das Vereinigte Königreich auf die mit Gründen versehene Stellungnahme.

Klagegegenstand

17 Mit dem zweiten Klageantrag wirft die Kommission dem Vereinigten Königreich vor, daß Section 79 (2) des Gesetzes unter Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie eine Kontrolle über Sendungen vorsehe, die von einem Rundfunkveranstalter übertragen würden, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliege, wenn diese Sendungen von einem anderen als inländischen Satellitendienst übertragen würden oder der Allgemeinheit von einem örtlichen Lieferdienst zugänglich gemacht würden.

18 In seiner Klagebeantwortung hat das Vereinigte Königreich ausgeführt, daß Section 79 (2) des Gesetzes zwar die Übertragung von ausländischen Sendungen über Satelliten erfasse, daß sich jedoch aus Section 79 (5) und den Durchführungsbestimmungen in der Broadcasting (Foreign Satellite Programmes ° Specified Countries) Order 1991 (SI 1991, Nr. 2124) ergebe, daß Section 79 (2) nicht für Programme gelte, die über Satelliten aus anderen Mitgliedstaaten übertragen würden.

19 Aufgrund dieser Erklärungen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung diese Rüge zurückgenommen.

Zur Nichteinhaltung von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie

20 Aus der Klageschrift geht hervor, daß die Kommission gegen das Vereinigte Königreich vier Rügen erhebt, mit denen geltend gemacht wird, daß Section 43 des Gesetzes gegen Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie verstosse, da sie

° für die Bestimmung der Fernsehveranstalter, die der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterworfen seien, auf andere Kriterien als das der Niederlassung abstelle,

° zudem auf ein für diese Rechtshoheit nicht relevantes Kriterium, nämlich das des Empfangs, abstelle,

° die Sendungen aus Drittländern, die der Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs unterlägen, nicht dessen Recht unterwerfe und

° auf andere als inländische und auf inländische Satellitendienste unterschiedliche Regelungen anwende.

21 Die französische Regierung teilt und unterstützt die Analysen der Kommission, auf denen diese Rügen beruhen.

Zu den Kriterien für die Bestimmung der Fernsehveranstalter, die der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterworfen sind

Zur Auslegung von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie

22 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, daß die Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterworfen sind oder für die er gemäß dem zweiten Gedankenstrich dieser Vorschrift hinsichtlich der übertragenen Sendungen zuständig ist, das Recht einhalten, das auf für die Allgemeinheit in diesem Mitgliedstaat bestimmte Sendungen anwendbar ist. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie sorgen die Mitgliedstaaten auch dafür, daß die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen der Richtlinie einhalten.

23 Aus den Akten geht hervor, daß die Kommission und das Vereinigte Königreich unterschiedliche Auffassungen zur Auslegung des Begriffes "Rechtshoheit" in der in Artikel 2 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie enthaltenen Wendung "[der] Rechtshoheit [eines Mitgliedstaats] unterworfene... Fernsehveranstalter" vertreten.

24 Die Kommission trägt vor, der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfene Fernsehveranstalter im Sinne dieser Vorschrift seien diejenigen, die in diesem Mitgliedstaat niedergelassen seien. Folglich entspreche das durch Section 43 des Gesetzes eingeführte System, das auf andere Kriterien abstelle, nicht den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 2 der Richtlinie.

25 Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs ist der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie besitzt, derjenige, in dessen Hoheitsgebiet sich der Ort befindet, von dem aus die Fernsehsendung übertragen wird.

26 In der Tat ist festzustellen, daß die Richtlinie die Wendung "seiner Rechtshoheit unterworfene Fernsehveranstalter" nicht ausdrücklich definiert.

27 Daher ist zunächst zu prüfen, ob sich dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 eine Auslegung zugunsten der einen oder der anderen Auffassung entnehmen lässt.

28 Das Vereinigte Königreich macht geltend, daß seine Auslegung, der zufolge der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie besitze, derjenige sei, in dessen Hoheitsgebiet sich der Ort befinde, von dem aus die Sendung übertragen werde, durch den zweiten Gedankenstrich dieser Vorschrift bestätigt werde, wonach derjenige Mitgliedstaat für die Einhaltung des auf die Sendungen anwendbaren Rechts zu sorgen habe, der eine Frequenz oder Übertragungskapazität eines Satelliten zuteile oder in dem die Erd-Satelliten-Sendestation gelegen sei.

29 Wie jedoch die Kommission zutreffend ausgeführt hat, wäre der zweite Gedankenstrich des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie seiner Substanz beraubt, wenn das einzige Kriterium für die Bestimmung des Mitgliedstaats, der die Rechtshoheit im Sinne dieser Vorschrift besitzt, das des Ortes wäre, von dem aus die Sendung übertragen wird.

30 Das Vereinigte Königreich trägt ausserdem vor, das Verhältnis zwischen den beiden Gedankenstrichen des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie sei nicht das einer Hierarchie, sondern eher das einer Dichotomie.

31 Dazu genügt die Feststellung, daß aus dem Wortlaut dieser Vorschrift eindeutig hervorgeht, daß ein Fernsehveranstalter nicht der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats im Sinne des ersten Gedankenstrichs unterliegen und sich gleichzeitig in der im zweiten Gedankenstrich vorgesehenen Situation befinden kann, die sich nur auf Veranstalter bezieht, die nicht der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfen sind.

32 Schließlich macht das Vereinigte Königreich geltend, Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie erfasse die Übertragung von Sendungen über Satelliten, so daß der erste Gedankenstrich dieser Vorschrift die erdgebundene Übertragung von Sendungen betreffe.

33 Dieses Argument beruht auf der Hypothese, daß der Begriff "Rechtshoheit" in den beiden Gedankenstrichen eine unterschiedliche Bedeutung hat. Wie der Generalanwalt in Nummer 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann diesem Argument aber nicht gefolgt werden. Da sich der zweite Gedankenstrich nur auf den Fall bezieht, daß kein anderer Mitgliedstaat die im ersten Gedankenstrich erwähnte Rechtshoheit besitzt, wird damit vorausgesetzt, daß die Mitgliedstaaten in den im zweiten Gedankenstrich genannten Fällen die Rechtshoheit gemäß dem ersten Gedankenstrich besitzen können.

34 Da die von der Regierung des Vereinigten Königreichs vertretene Auslegung der Analyse des Wortlauts von Artikel 2 Absatz 1 nicht standhält, ist zu prüfen, ob der Auffassung der Kommission gefolgt werden kann.

35 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie soll gewährleisten, daß ein Mitgliedstaat dafür sorgt, daß alle Fernsehsendungen von Fernsehveranstaltern, denen gegenüber er die darin erwähnten Zuständigkeiten geltend machen kann, dem Recht, das auf für die Allgemeinheit in diesem Mitgliedstaat bestimmte Sendungen anwendbar ist, und, wie aus Artikel 3 Absatz 2 hervorgeht, auch den Bestimmungen der Richtlinie selbst entsprechen.

36 Die Befugnis eines Mitgliedstaats, für die Einhaltung seiner Vorschriften zu sorgen, hängt von den Zuständigkeiten ab, die er bezueglich der in seinem Hoheitsgebiet ausgeuebten Tätigkeiten und, subsidiär, gegenüber den Personen oder gegebenenfalls Gegenständen wie z. B. Raumfluggeräten, die eine Anknüpfung an diesen Staat aufweisen, auch wenn sie sich ausserhalb seines Hoheitsgebiets befinden, besitzt.

37 Der zweite Gedankenstrich des Artikels 2 Absatz 1 bezieht sich auf den Fall, daß ein Mitgliedstaat entweder seine Zuständigkeit bezueglich der Benutzung eines Satelliten oder seine territoriale Zuständigkeit bezueglich der Benutzung einer in diesem Staat befindlichen Aufwärtsverbindung zu einem Satelliten, der nicht seiner Zuständigkeit unterliegt, geltend machen kann.

38 Dieser zweite Gedankenstrich erfasst die Ausübung solcher Zuständigkeiten jedoch nur unter der Voraussetzung, daß kein anderer Mitgliedstaat die Rechtshoheit gemäß dem ersten Gedankenstrich dieser Vorschrift besitzt.

39 Ein Mitgliedstaat B kann in der im zweiten Gedankenstrich vorgesehenen Situation nur dann eine Zuständigkeit besitzen, wenn er gemäß dem ersten Gedankenstrich eine Zuständigkeit ratione personä gegenüber den Fernsehveranstaltern geltend machen kann, die entweder eine Frequenz oder Übertragungskapazität eines Satelliten, der eine Anknüpfung an einen Mitgliedstaat A aufweist, oder eine im Hoheitsgebiet dieses Staates A befindliche Aufwärtsverbindung zu einem Satelliten, der nicht der Zuständigkeit des Staates A unterliegt, benutzen wollen.

40 Aus einer Analyse des Artikels 2 Absatz 1 ergibt sich also, daß der im ersten Gedankenstrich verwendete Begriff der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats dahin zu verstehen ist, daß er notwendigerweise eine Zuständigkeit ratione personä gegenüber den Fernsehveranstaltern umfasst.

41 Diese Auslegung wird durch den Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie bestätigt, soweit er die Fernsehveranstalter als der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfene Personen erfasst, ohne in diesem Zusammenhang auf den Ort zu verweisen, von dem aus sie ihre Sendungen übertragen.

42 Eine Zuständigkeit ratione personä eines Mitgliedstaats gegenüber einem Fernsehveranstalter kann aber nur auf dessen Beziehung zu der Rechtsordnung dieses Staates gestützt werden, was sich im wesentlichen mit dem Begriff der Niederlassung im Sinne von Artikel 59 Absatz 1 EG-Vertrag deckt, der nach seinem Wortlaut voraussetzt, daß der Erbringer und der Empfänger einer Dienstleistung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind.

Zum Übereinkommen des Europarats

43 Das Vereinigte Königreich trägt ausserdem vor, daß seine Auslegung der in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 2 der Richtlinie enthaltenen Wendung "seiner Rechtshoheit unterworfene Fernsehveranstalter" hauptsächlich auf Artikel 5 Absatz 2 des Übereinkommens beruhe, wonach die sendende Vertragspartei, die dafür zu sorgen habe, daß die von ihr auferlegten Verpflichtungen von Rechtsträgern oder mittels technischer Einrichtungen in ihrem Hoheitsbereich im Sinne von Artikel 3 eingehalten würden, der Staat sei, in dem sich die Aufwärtsverbindung zum Satelliten befinde oder der das Recht auf Nutzung einer Frequenz oder einer Satellitenkapazität gewähre, wenn sich die Aufwärtsverbindung in einem Staat befinde, der nicht Partei des Übereinkommens sei.

44 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs würde, auch wenn die Gemeinschaft selbst nicht Partei des Übereinkommens sei, eine absurde Situation entstehen, wenn die Gemeinschaft die Übertragung von Sendungen innerhalb der Gemeinschaft über die Richtlinie in einer völlig anderen Weise hätte regeln wollen als die Mitgliedstaaten im Rahmen des Übereinkommens.

45 Bei einem Vergleich von Wortlaut, System und Zielsetzung der Richtlinie mit denen des Übereinkommens kann diesem Vorbringen jedoch nicht gefolgt werden.

46 Zunächst ergibt sich aus Artikel 5 des Übereinkommens, daß der Staat, der für die Einhaltung der Bestimmungen über die Programme zu sorgen hat, die sendende Vertragspartei ("transmitting Party") ist. Nach Artikel 2 des Übereinkommens bedeutet "Verbreitung" ("transmission") die Erstausstrahlung von Fernsehprogrammen, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt sind, über terrestrische Sender, über Kabel oder über Satelliten jeder Art in verschlüsselter oder unverschlüsselter Form. Für den Fall einer terrestrischen Verbreitung bestimmt Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a, daß die sendende Vertragspartei diejenige ist, in der die Erstausstrahlung durchgeführt wird. Hinsichtlich der Verbreitung über Satelliten bestimmt Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b, daß die sendende Vertragspartei diejenige ist, in der sich die Aufwärtsverbindung zum Satelliten befindet (Ziffer i), oder diejenige, die das Recht auf Nutzung einer Frequenz oder einer Satellitenkapazität gewährt, wenn sich die Aufwärtsverbindung in einem Staat befindet, der nicht Partei dieses Übereinkommens ist (Ziffer ii).

47 Somit stützt sich das Übereinkommen zur Bestimmung des Staates, der für die Einhaltung der Bestimmungen über die Programme zu sorgen hat, in erster Linie auf mit der Verbreitung zusammenhängende Kriterien. Nur im Fall der Verbreitung über Satelliten, wenn die Zuständigkeit nicht gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b Ziffern i und ii festgelegt werden kann, verweist diese Vorschrift auf den Sitz des Rundfunkveranstalters (Ziffer iii). Wie der Generalanwalt in Nummer 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist Ziffer iii gegenüber den in den Ziffern i und ii des Artikels 5 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens vorgesehenen Fällen subsidiär.

48 Dagegen ist nach Artikel 2 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie der Mitgliedstaat, der für die Einhaltung der Bestimmungen über die Programme zu sorgen hat, derjenige, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist. Nach Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich wendet die Richtlinie nur für den Fall, daß der Fernsehveranstalter nicht der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, mit der Verbreitung zusammenhängende Kriterien an.

49 Daraus ergibt sich, daß Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie und Artikel 5 Absatz 2 des Übereinkommens unterschiedliche Kriterien für die Bestimmung des Staates anwenden, der für die Einhaltung der Bestimmungen über die Fernsehsendungen zu sorgen hat. Wie die Kommission zutreffend bemerkt hat, entspricht dieser inhaltliche Unterschied einem Unterschied zwischen der Zielsetzung der Richtlinie und der des Übereinkommens. Während mit der Richtlinie nach ihrer zweiten Begründungserwägung die Verwirklichung des Binnenmarktes im Bereich der Fernsehdienste angestrebt wird, verfolgt das Übereinkommen nach seinem Artikel 1 das Ziel, die grenzueberschreitende Verbreitung und Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen zu erleichtern.

50 Zudem steht fest, daß der Rat beim Erlaß der Richtlinie über die Annahme des Übereinkommens vollständig unterrichtet war, wie sich im übrigen aus der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt. Gleichwohl ist, wie der Generalanwalt in Nummer 54 seiner Schlussanträge dargelegt hat, der Richtlinienvorschlag, der aus dem Jahr 1986 stammt, nicht geändert worden, um ihn an die Bestimmungen des Übereinkommens anzupassen. Folglich hat sich der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dem Erlaß der Richtlinie dafür entschieden, den Bereich der Fernsehdienste anders zu regeln als das Übereinkommen.

51 Somit lässt sich dem Übereinkommen nichts entnehmen, was die Ansicht widerlegen könnte, daß die in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie enthaltene Verweisung auf den Staat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, dahin verstanden werden muß, daß es sich um den Staat handelt, in dem dieser Veranstalter niedergelassen ist.

52 Das Vereinigte Königreich hat schließlich auf die Konsequenzen einer Auslegung von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie hingewiesen, die mit Artikel 5 Absatz 2 des Übereinkommens nicht in Einklang stuende. Bei einer solchen Auslegung wäre nämlich jeder Mitgliedstaat eindeutig in eine unmögliche Situation versetzt, da von ihm verlangt würde, daß er entweder auf internationaler Ebene oder auf Gemeinschaftsebene gegen seine Rechtspflichten verstösst.

53 Dazu genügt die Feststellung, daß Artikel 27 Absatz 1 des Übereinkommens ausdrücklich vorsieht, daß die Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht anwenden und daher die Bestimmungen des Übereinkommens nur insoweit anwenden, als es zu einem bestimmten Regelungsgegenstand keine Gemeinschaftsvorschrift gibt.

Zur Effektivität des Kriteriums der Niederlassung

54 Sodann sind verschiedene Argumente des Vereinigten Königreichs in bezug auf die Effektivität einer Auslegung des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie zu prüfen, der zufolge der Staat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterliegt, derjenige ist, in dem dieser Veranstalter niedergelassen ist.

55 Zwar kann eine solche Auslegung des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie zu Schwierigkeiten führen, wie auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt hat.

56 Doch hat ein Mitgliedstaat, wenn er bei der Durchführung einer Richtlinie auf Schwierigkeiten stösst, diese der Kommission zu unterbreiten, damit sie in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitgliedstaaten hierfür eine geeignete Lösung finden kann. Jedenfalls berechtigt die blosse Tatsache, daß bei der Anwendung des Kriteriums, das der Bestimmung des nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie zuständigen Staates zugrunde liegt, praktische Probleme auftauchen können, einen Mitgliedstaat nicht, dieses Kriterium durch ein anderes seiner Wahl zu ersetzen.

57 Das Vereinigte Königreich trägt unter Berufung auf die Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 39/75 (Cönen, Slg. 1975, 1547) und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Factortame u. a., Slg. 1991, I-3905) weiter vor, daß ein Fernsehveranstalter in mehr als einem Mitgliedstaat niedergelassen sein könne und daß einem solchen Veranstalter die Richtlinienbestimmungen sowohl hinsichtlich der Sendungen, die vom Staat der Hauptniederlassung aus, als auch hinsichtlich der Sendungen, die vom Staat der Zweitniederlassung aus verbreitet würden, zugute kommen müssten. Daher bestehe die Gefahr, daß mehrere Mitgliedstaaten für denselben Fernsehveranstalter zuständig seien.

58 Dazu ist zu bemerken, daß das vom Vereinigten Königreich verfochtene Kriterium zu Problemen der Zuständigkeitsabgrenzung führen kann, die nach seiner Ansicht nur durch den Abschluß internationaler Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten gelöst werden können. Das Kriterium der Niederlassung kann zwar ebenfalls Schwierigkeiten verursachen, doch hat die Kommission, ohne daß ihr das Vereinigte Königreich widersprochen hätte, erklärt, daß die Mitgliedstaaten eine Lösung finden könnten, indem sie dieses Kriterium dahin auslegten, daß es sich um den Ort handele, an dem der Fernsehveranstalter den Mittelpunkt seiner Tätigkeiten habe, insbesondere an dem die Entscheidungen über die Programmpolitik und die endgültige Zusammenstellung der zu sendenden Programme getroffen würden, ohne daß zusätzliche Rechtsvorschriften erforderlich wären, um die Gefahr einer doppelten Kontrolle zu vermeiden.

59 Das Vereinigte Königreich macht ausserdem geltend, daß das Kriterium der Niederlassung die Gefahr des Mißbrauchs mit sich bringe, da ein Fernsehveranstalter seinen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen könnte, um sich der Anwendung der Vorschriften eines Mitgliedstaats zu entziehen.

60 Dazu ist festzustellen, daß bei der Auslegung des Kriteriums der Niederlassung in dem von der Kommission befürworteten Sinn (siehe Randnr. 58 des vorliegenden Urteils) die vom Vereinigten Königreich erwähnte Mißbrauchsgefahr erheblich verringert wäre und daß das vom Vereinigten Königreich verfochtene Kriterium jedenfalls eine vergleichbare, wenn nicht sogar noch grössere Mißbrauchsgefahr mit sich bringen würde.

61 Nach alledem entspricht Section 43 des Gesetzes dadurch, daß diese Vorschrift für die Bestimmung der der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterworfenen Veranstalter auf andere Kriterien als das der Niederlassung abstellt, nicht den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 2 der Richtlinie.

62 Die Rüge ist daher begründet.

Zum Kriterium des Programmempfangs

63 Nach Auffassung der Kommission entspricht Section 43 des Gesetzes, soweit diese Vorschrift auf das Kriterium des Programmempfangs abstellt, nicht dem Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie. Dieses Kriterium sei im Rahmen der Richtlinie für die Bestimmung des Mitgliedstaats, der die Rechtshoheit über einen Fernsehveranstalter besitzt, ohne jede Bedeutung.

64 Insoweit genügt der Hinweis darauf, daß der Gerichtshof bereits in Randnummer 61 des vorliegenden Urteils festgestellt hat, daß die in Section 43 des Gesetzes aufgestellten Kriterien nicht den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 2 der Richtlinie entsprechen.

65 Die Rüge ist daher begründet.

Zum Umstand, daß die Sendungen aus Drittländern, die der Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs unterliegen, nicht dessen Recht unterworfen werden

66 Die Kommission trägt dazu vor, das Gesetz solle nicht gewährleisten, daß die Sendungen aus Drittländern, die eine dem Vereinigten Königreich zugeteilte Frequenz zum Empfang durch die Allgemeinheit in einem anderen Mitgliedstaat benutzten, dem Recht entsprächen, das auf für die Allgemeinheit im Vereinigten Königreich bestimmte Sendungen anwendbar sei.

67 Die Regierung des Vereinigten Königreichs bemerkt, es könnte nur in dem ganz unrealistischen Fall, daß sie einem Drittlandssender eine Frequenz zuteilen würde, ohne eine Kontrolle über dessen Dienste auszuüben, zu einem Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie kommen.

68 Dazu genügt die Feststellung, daß, auch wenn es sich um einen hypothetischen Fall handelt, das Vereinigte Königreich nicht bestreitet, daß das Gesetz in dieser Hinsicht nicht der Richtlinie entspricht.

69 Die Rüge ist daher begründet.

Zur Anwendung unterschiedlicher Regelungen auf andere als inländische und auf inländische Satellitendienste

70 Die Kommission trägt vor, die in Section 43 des Gesetzes vorgesehene Unterscheidung zwischen inländischen und anderen als inländischen Satellitendiensten entspreche ° abgesehen davon, daß sie sich auf andere Kriterien als das der Niederlassung des Fernsehveranstalters stütze ° nicht dem Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie, da Section 43 andere als inländische Satellitendienste einer weniger strengen Regelung unterwerfe als inländische Satellitendienste.

71 Die Kommission legt hierzu dar, daß nach Section 44 (3) des Gesetzes Section 16 (2) (g) und (h) des Gesetzes auf inländische Satellitendienste anwendbar sei, daß diese Vorschrift aber nicht für andere als inländische Satellitendienste gelte. Es stehe fest, daß Section 16 (2) des Gesetzes zur Durchführung der Artikel 4 und 5 der Richtlinie bestimmt sei.

72 Sowohl die Kommission als auch das Vereinigte Königreich haben jedoch erklärt, daß die Frage, ob das Vereinigte Königreich seine Verpflichtungen aus den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie hinsichtlich der anderen als inländischen Satellitendienste tatsächlich erfuellt habe, Gegenstand eines anderen Verfahrens gemäß Artikel 169 des Vertrages sei.

73 Da das Vereinigte Königreich nicht bestreitet, daß auf andere als inländische Satellitendienste eine weniger strenge Regelung angewandt wird als auf inländische Satellitendienste, folgt daraus, daß sich im Rahmen der vorliegenden Klage nur die Frage stellt, ob dies gegen Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie verstösst.

74 Zwar kann ein Mitgliedstaat nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie in den von der Richtlinie geregelten Bereichen strengere Bestimmungen vorsehen, doch müssen nach Artikel 2 Absatz 1 alle Sendungen, die von Fernsehveranstaltern übertragen werden, die der Rechtshoheit dieses Mitgliedstaats unterworfen sind oder für die er gemäß dem zweiten Gedankenstrich dieser Vorschrift zuständig ist, dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit in diesem Mitgliedstaat bestimmte Sendungen anwendbar ist.

75 Die Rüge ist daher begründet.

Zur Nichteinhaltung von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie

76 Die Kommission trägt schließlich vor, Section 44 und Section 45 des Gesetzes über die Erteilung von Genehmigungen für inländische und andere als inländische Satellitendienste entsprächen nicht dem Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie, da die Definition der inländischen und anderen als inländischen Satellitendienste in Section 43 des Gesetzes Fernsehveranstalter einschließe, die der Rechtshoheit anderer Mitgliedstaaten unterlägen, woraus sich die Möglichkeit einer doppelten Kontrolle ergebe.

77 Das Vereinigte Königreich bestreitet nicht, daß sich Section 43 des Gesetzes auf alle Fernsehveranstalter erstreckt, die Sendungen von seinem Hoheitsgebiet aus verbreiten.

78 Somit ist festzustellen, daß sich Section 43 des Gesetzes dadurch, daß diese Vorschrift andere Kriterien als das in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehene Kriterium der Niederlassung anwendet, unter Verstoß gegen Absatz 2 dieses Artikels auch auf Fernsehveranstalter erstreckt, die aufgrund ihrer Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten deren Rechtshoheit unterliegen.

79 Die Rüge ist daher begründet.

80 Nach alledem hat das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 Absätze 1 und 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie verstossen, indem es für Ausstrahlungen von Fernsehsendungen über Satelliten die in Section 43 des Broadcasting Act 1990 genannten Kriterien aufgestellt hat, um die Veranstalter von über Satelliten ausgestrahlten Sendungen zu bestimmen, die der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterliegen, indem es im Rahmen dieser Rechtshoheit unterschiedliche Regelungen auf inländische und andere als inländische Satellitendienste anwendet und indem es eine Kontrolle über die Sendungen ausübt, die von einem Fernsehveranstalter übertragen werden, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, wenn diese Sendungen von einem anderen als inländischen Satellitendienst übertragen werden oder der Allgemeinheit als Programmdienst, der zur Verbreitung der Programme einer Genehmigung bedarf, zugänglich gemacht werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

81 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Vereinigte Königreich hat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 Absätze 1 und 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit verstossen, indem es für Ausstrahlungen von Fernsehsendungen über Satelliten die in Section 43 des Broadcasting Act 1990 genannten Kriterien aufgestellt hat, um die Veranstalter von über Satelliten ausgestrahlten Sendungen zu bestimmen, die der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichs unterliegen, indem es im Rahmen dieser Rechtshoheit unterschiedliche Regelungen auf inländische und andere als inländische Satellitendienste anwendet und indem es eine Kontrolle über die Sendungen ausübt, die von einem Fernsehveranstalter übertragen werden, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, wenn diese Sendungen von einem anderen als inländischen Satellitendienst übertragen werden oder der Allgemeinheit als Programmdienst, der zur Verbreitung der Programme einer Genehmigung bedarf, zugänglich gemacht werden.

2. Das Vereinigte Königreich trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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