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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 24.09.1996
Aktenzeichen: C-239/96 R
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EuGH-Verfahrensordnung
Vorschriften:
EG-Vertrag Art. 173 | |
EG-Vertrag Art. 185 | |
EG-Vertrag Art. 186 | |
EuGH-Verfahrensordnung Art. 83 § 1 | |
EuGH-Verfahrensordnung Art. 83 § 2 |
1. Die Frage der Zulässigkeit der Klage ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht zu prüfen, um der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorzugreifen. Wird jedoch geltend gemacht, daß die Klage offensichtlich unzulässig sei, hat der Richter der einstweiligen Anordnung festzustellen, ob die Klage Anhaltspunkte enthält, aus denen sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf ihre Zulässigkeit schließen lässt.
2. Verwendet die Kommission Mittel der Gemeinschaft für Maßnahmen, für die es an einer ordnungsgemässen Rechtsgrundlage fehlt, weil sie nicht vom Rat beschlossen worden sind, so kann dadurch angesichts der wichtigen Stellung, die den Vorschriften institutionellen Charakters, die die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Organen der Gemeinschaft regeln, in der Gemeinschaftsrechtsordnung zuzuerkennen ist, und in Anbetracht der Rolle, die die Mitgliedstaaten durch die Mitwirkung an der Ausübung sowohl der normativen als auch der haushaltsrechtlichen Befugnisse und durch die Leistung eines Beitrags zum Gemeinschaftshaushalt in der Gemeinschaft spielen, einem Mitgliedstaat ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen, der das Eingreifen des Richters der einstweiligen Anordnung rechtfertigt.
3. Bei der im Rahmen eines Verfahrens wegen einstweiliger Anordnung vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers daran, die Fortführung der Verfahren, die durch die von ihm angefochtenen Entscheidungen eingeleitet worden sind, zu verhindern, und dem Interesse des Antragsgegners an einem möglichst zuegigen Ablauf dieser Verfahren hat der Richter der einstweiligen Anordnung zu prüfen, ob die etwaige Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache die Umkehrung der Lage erlauben würde und ° umgekehrt ° inwiefern bei Abweisung der Klage die verschiedenen in Betracht kommenden einstweiligen Anordnungen jeweils die Erreichung der mit den streitigen Entscheidungen verfolgten Ziele vereiteln würden.
Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 24. September 1996. - Vereinigtes Königreich Grossbritannien und Nordirland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Vorläufiger Rechtsschutz - Sozialpolitik - Gemeinschaftliche Massnahmen zugunsten der älteren Menschen - Gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung. - Verbundene Rechtssachen C-239/96 R und C-240/96 R.
Entscheidungsgründe:
1 Mit zwei Klageschriften, die am 10. Juli 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, hat das Vereinigte Königreich gemäß Artikel 173 EG-Vertrag die Nichtigerklärung der Entscheidungen beantragt, die zum einen in dem Rundschreiben der Kommission vom 2. Mai 1996, mit dem zur Stellung von Anträgen auf Zuschüsse der Kommission zu Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen aufgefordert wird, und zum anderen in dem am 15. Mai 1996 bei den britischen Behörden eingegangenen Rundschreiben der Kommission, mit dem zur Stellung von Anträgen auf Zuschüsse der Kommission zu Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung aufgefordert wird, enthalten sind oder auf die in diesen beiden Rundschreiben Bezug genommen wird.
2 Mit gesonderten Schriftsätzen, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, hat das Vereinigte Königreich gemäß den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, den Vollzug der genannten Entscheidungen auszusetzen und der Kommission aufzugeben, die in den streitigen Rundschreiben enthaltenen Aufforderungen zurückzuziehen und die betroffenen dritten Personen hiervon unverzueglich zu unterrichten oder die Kommission zu ermächtigen, die Prüfung der Zuschussanträge abzuschließen und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten unter der Voraussetzung einzugehen, daß klar zum Ausdruck gebracht wird, daß die Zahlung der Zuschüsse unter dem Vorbehalt erfolgt, daß der Gerichtshof ihre Rechtmässigkeit im Hauptsacheverfahren bestätigt, oder jeden zusätzlichen oder anderen Rechtsschutz zu gewähren, den der Gerichtshof für angebracht hält.
3 Auf eine Frage des Gerichtshofes hat die Kommission mit einem Schreiben, das am 17. Juli 1996 bei der Kanzlei eingegangen ist, bestätigt, daß sie bis zum 30. September 1996 keine Verbindlichkeit eingehen und keine zusätzliche Zahlung im Rahmen der streitgegenständlichen Verfahren leisten werde.
4 Die Kommission hat ihre schriftliche Stellungnahme zu den Anträgen auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung am 5. August 1996 eingereicht.
5 Mit Antragschriften, die am 19. August 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, in den Verfahren wegen Nichtigerklärung und wegen einstweiliger Anordnung als Streithelferin zur Stützung der Anträge des Vereinigten Königreichs zugelassen zu werden. Nach Artikel 37 Absätze 1 und 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 93 §§ 1 und 2 der Verfahrensordnung ist dem Streithilfeantrag in den Verfahren wegen einstweiliger Anordnung stattzugeben.
6 Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Streithilfeschriftsätze am 28. August 1996 eingereicht.
7 Die Beteiligten haben am 9. September 1996 mündlich verhandelt.
8 Wegen ihres Zusammenhangs sind die beiden Rechtssachen nach Artikel 43 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.
Sachverhalt
9 Wie sich aus den Akten ergibt, wurden in der Vergangenheit Vorhaben zugunsten der älteren Menschen und Vorhaben zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Armut auf der Grundlage mehrjähriger Programme, die der Rat durch auf Artikel 235 des Vertrages gestützte Beschlüsse aufgestellt hatte, von der Kommission gefördert oder finanziell unterstützt.
10 Vorhaben zugunsten der älteren Menschen wurden erstmals 1991 bezuschusst.
11 Mit dem Beschluß 91/49/EWG des Rates vom 26. November 1990 über gemeinsame Aktionen zugunsten älterer Menschen (ABl. L 28, S. 29) war nämlich ein Dreijahresprogramm für die Jahre 1991 bis 1993 aufgestellt worden, durch das die Weitergabe von Kenntnissen, Ideen und Erfahrungen, die sich auf das Altern beziehen, gefördert werden sollte.
12 Ferner sah der Beschluß 92/440/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die Veranstaltung des Europäischen Jahres der älteren Menschen und der Solidargemeinschaft der Generationen (1993) (ABl. L 245, S. 43) u. a. die gemeinschaftliche Finanzierung eines Netzes von Pilotprojekten öffentlicher oder privater Einrichtungen zur Förderung neuer Ansätze sowohl hinsichtlich der Nutzung des Potentials älterer Menschen als auch hinsichtlich der Förderung ihres Beitrags sowie zur Betreuung älterer Menschen vor (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c Ziffer iv).
13 Um diese Tätigkeit fortsetzen zu können, legte die Kommission am 3. März 1995 einen Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Unterstützung der Gemeinschaft für Aktionen zugunsten älterer Menschen vor (ABl. C 115, S. 14). Dieser Vorschlag, der ebenfalls auf Artikel 235 des Vertrages gestützt war, sah die Aufstellung eines Programms für die Zeit vom 1. September 1995 bis zum 31. Dezember 1999 vor. Im Rahmen dieses Programms sollten drei Arten von Maßnahmen, nämlich konkrete Projekte, vergleichende Untersuchungen und grenzueberschreitende Initiativen für einen Informationsaustausch sowie eine europäische "Beobachtungsstelle", finanziert werden (Artikel 3). Die geplanten Aktionen sollten innovativ sein oder experimentellen Charakter haben, auf die Förderung optimaler Lösungen abzielen, von Organisationen und Personen durchgeführt werden, die auf dem betreffenden Gebiet als führend angesehen werden, Maßnahmen zur Unterrichtung nicht mitwirkender Interessenten über ihre Ergebnisse einschließen und grenzueberschreitend sein (Abschnitt III des Anhangs). In dem Vorschlag war nicht angegeben, welche Dauer diese Aktionen haben sollten. Er ist bisher vom Rat nicht angenommen worden.
14 Die gemeinschaftliche Aktion zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung reicht bis ins Jahr 1975 zurück.
15 Am 22. Juli 1975 erließ der Rat den Beschluß 75/458/EWG über das Programm von Modellvorhaben und Modellstudien zur Bekämpfung der Armut (ABl. L 199, S. 34), der auf Artikel 235 des Vertrages gestützt war und zuletzt durch den Beschluß 80/1270/EWG des Rates vom 22. Dezember 1980 über eine ergänzende Aktion zur Bekämpfung der Armut (ABl. L 375, S. 68) geändert wurde. Dieses Programm galt für die Zeit von Dezember 1975 bis November 1981.
16 Am 19. Dezember 1984 erließ der Rat sodann den Beschluß 85/8/EWG über gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut auf Gemeinschaftsebene (ABl. 1985, L 2, S. 24). Er war ebenfalls auf Artikel 235 des Vertrages gestützt und galt für die Zeit vom Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1988.
17 Schließlich wurde durch den Beschluß 89/457/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 über ein mittelfristiges Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht benachteiligten Personengruppen (ABl. L 224, S. 10) ein drittes Programm für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1994 (im folgenden: Programm "Armut 3") aufgestellt.
18 Um diese Aktion fortführen zu können, legte die Kommission einen Vorschlag vor für einen Beschluß des Rates über ein mittelfristiges Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Ausgrenzung und zur Förderung der Solidarität: ein neues Programm zur Unterstützung und Anregung der Innovation 1994°1999 (KOM[93] 435 endg. vom 22. September 1993, nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht; im folgenden: Vorschlag für ein Programm "Armut 4"). Dieser Beschluß war auf Artikel 235 des Vertrages gestützt und sah ein vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Dezember 1999 durchzuführendes Programm vor, das zur wirksamen Beteiligung der am stärksten benachteiligten Personen am wirtschaftlichen und sozialen Leben beitragen sollte (Artikel 1). Als Maßnahmen waren u. a. die Durchführung von Modellmaßnahmen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene in Zusammenarbeit mit dem öffentlichen und dem privaten Sektor sowie die Unterstützung beim Aufbau und der Entwicklung transnationaler Netze von Projekten vorgesehen (Artikel 4). Die zu finanzierenden Modellmaßnahmen sollten u. a. multidimensional ausgelegt sein, die Beteiligung der Bevölkerung verbessern sowie innovativ sein und experimentellen Charakter haben (Anhang 1). Dieser Vorschlag wurde vom Rat nicht angenommen.
19 Die in den obengenannten Beschlüssen des Rates vorgesehenen gemeinschaftlichen Aktionen liefen somit, was die Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen angeht, am 1. Januar 1994 und, was die Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung betrifft, am 1. Juli 1994 aus.
20 Nach diesen Zeitpunkten wurden auf Initiative der Kommission Mittel aus den Haushaltslinien B3-4103 (Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung) und B3-4104 (Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen) gebunden.
21 Nach Angaben der Kommission wurden die Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen in den Jahren 1994 und 1995 durchweg so finanziert.
22 Ferner nahm die Kommission 1995 Mittelbindungen für 86 Projekte zur Bekämpfung der Armut vor. Gegen die entsprechende Entscheidung hat das Vereinigte Königreich Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssache C-106/96).
23 Im Mai 1996 erstellte die Kommission die beiden streitigen Rundschreiben, mit denen die interessierten Organisationen aufgefordert wurden, einen Zuschuß für Projekte zugunsten der älteren Menschen oder für Projekte zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung zu beantragen, und verteilte diese Rundschreiben insbesondere in den Mitgliedstaaten.
24 Das Rundschreiben vom 2. Mai 1996 über Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen sieht die Gewährung von Zuschüssen zu Maßnahmen vor, die darauf abzielen, durch die Suche nach innovativen Wegen zur Verbesserung der Lage der älteren Personen optimale Verfahren zu entwickeln; diese Maßnahmen sollen auf europäischer Ebene entfaltet werden und länderübergreifend sein, die Unterrichtung nicht beteiligter Interessenten vorsehen und soweit wie möglich von älteren Menschen selbst geleitet werden.
25 Das Rundschreiben über Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung sieht die Gewährung von Zuschüssen zu Vorhaben mit europäischem Mehrwert vor, die multidimensional sind und innovative Wege aufzeigen, um die Lage ausgegrenzter Menschen zu verbessern, und durch die neue Methoden entwickelt werden, die als innovative Anregungen für modellhafte Verfahren und Fachkompetenz in dem jeweiligen Bereich betrachtet werden können.
26 Die Höhe der Verpflichtungsermächtigungen für 1996 belief sich in der Haushaltslinie B3-4103 (Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung) auf 9 Millionen ECU und in der Haushaltslinie B3-4104 (Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen) auf 6,5 Millionen ECU (ABl. 1996, L 22, S. 1, 968 und 970).
27 Nach Angaben der Kommission ist bisher im Rahmen der durch die fraglichen Rundschreiben eingeleiteten Verfahren keine Mittelbindung vorgenommen worden.
Würdigung
28 Das Vereinigte Königreich beantragt, für die Zeit bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes im Hauptsacheverfahren den Vollzug der angefochtenen Maßnahmen auszusetzen oder eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
29 Nach den Artikeln 185 und 186 des Vertrages kann der Gerichtshof die Durchführung der angefochtenen Handlungen aussetzen, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, oder in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.
30 Nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf Erlaß solcher Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.
31 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Richter der einstweiligen Anordnung Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs oder andere einstweilige Anordnungen erlassen, wenn ihre Notwendigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht ist (Fumus boni iuris) und sie in dem Sinn dringlich sind, daß es zur Abwendung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, daß sie schon vor der Entscheidung zur Hauptsache ergehen und ihre Wirkungen entfalten. Dabei nimmt der Richter der einstweiligen Anordnung gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung vor.
Zulässigkeit
32 Die Kommission macht vorab geltend, die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung seien zurückzuweisen, da die Nichtigkeitsklagen offensichtlich unzulässig seien.
33 Bei den Rundschreiben, deren Nichtigerklärung in den Hauptsacheverfahren beantragt werde, handele es sich um rein vorläufige oder vorbereitende Maßnahmen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens; sie könnten daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages sein.
34 Zur Untermauerung dieses Vorbringens führt die Kommission aus, die streitigen Rundschreiben verpflichteten sie in keiner Weise zur Gewährung von Zuschüssen; es handele sich bei ihnen somit nicht um unwiderrufliche Entscheidungen zur Bindung von Mitteln. Nur endgültige Entscheidungen könnten Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein. Die Kommission verweist u. a. auf das Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 (IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639), mit dem der Gerichtshof eine Klage nach Artikel 173 des Vertrages gegen eine Entscheidung, mit der ein Verfahren in einer Wettbewerbssache eröffnet worden war, und gegen die Mitteilung der Beschwerdepunkte als unzulässig abgewiesen hat.
35 Das Vereinigte Königreich vertritt dagegen die Ansicht, die streitigen Rundschreiben, die Aufforderungen zur Stellung von Anträgen und Leitlinien für diese Anträge enthielten, entfalteten ebenso wie die Beschlüsse des Rates, die in der Vergangenheit als Grundlage für die Gewährung von Zuschüssen durch die Kommission gedient hätten, rechtliche Wirkungen. Das Vereinigte Königreich verweist insoweit auf die Urteile vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78 (Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, insbesondere Randnrn. 38 und 40, eine Ausschreibung betreffend) und vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83 (Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, insbesondere Randnrn. 28 und 36, die Verteilung von Haushaltsmitteln betreffend).
36 In der Sitzung hat die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls geltend gemacht, daß die Klagen zulässig seien, und dabei auf die weite Auslegung des Begriffes der anfechtbaren Handlung verwiesen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes und insbesondere aus dem Urteil vom 16. Juni 1966 in der Rechtssache 54/65 (Compagnie des forges de Châtillon, Commentry und Neuves-Maisons/Hohe Behörde, Slg. 1966, 530) ergebe.
37 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Zulässigkeit der Klage im Verfahren der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht zu prüfen, um der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorzugreifen. Wird jedoch geltend gemacht, daß die Klage offensichtlich unzulässig sei, hat der Richter der einstweiligen Anordnung festzustellen, ob die Klage Anhaltspunkte enthält, aus denen sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf ihre Zulässigkeit schließen lässt (siehe u. a. Beschlüsse vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 160/88 R, Fédération européenne de la santé animale/Rat, Slg. 1988, 4121, Randnr. 22, und vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-117/91 R, Bosman/Kommission, Slg. 1991, I-3353, Randnr. 7).
38 Im vorliegenden Fall erscheinen die Nichtigkeitsklagen in diesem Verfahrensstadium entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht als offensichtlich unzulässig. Insoweit genügt der Hinweis, daß die Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme selbst eingeräumt hat, daß die Rundschreiben, da sie einer Ausschreibung gleichkämen, den Bereich des gesamten Auswahlverfahrens festlegten und als solche rechtliche Wirkungen hätten.
39 Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung kann somit nicht aus diesem Grund zurückgewiesen werden.
40 Daher ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erfuellt sind.
Fumus boni iuris
41 Zum Fumus boni iuris ist festzustellen, daß sich die Beteiligten darüber einig sind, daß nach Artikel 22 der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 356, S. 1; im folgenden: Haushaltsordnung), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG, Euratom, EGKS) Nr. 2335/95 des Rates vom 18. September 1995 (ABl. L 240, S. 12), neue bedeutende Aktionen nicht ohne einen Rechtsakt des abgeleiteten Rechts, der die Ausgabe grundsätzlich vorsieht und die Modalitäten ihrer Durchführung festlegt (Basisrechtsakt), aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden dürfen.
42 Dagegen gehen die Auffassungen der Beteiligten über die Anwendung dieser Vorschrift auf die Aktionen, auf die sich die beiden streitigen Rundschreiben beziehen, auseinander.
43 Das Vereinigte Königreich vertritt die Ansicht, mangels eines Beschlusses des Rates sei die Kommission nicht befugt gewesen, die streitigen Entscheidungen zu erlassen.
44 Das Vereinigte Königreich führt dazu zunächst aus, die Kommission könne neue bedeutende Aktionen nicht aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinschaft durchführen, sondern benötige dazu gemäß der Verteilung der Zuständigkeiten, wie sie sich aus den verschiedenen Vertragsbestimmungen sowie aus Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Haushaltsordnung und Abschnitt IV Nr. 3 Buchstabe c der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 30. Juni 1982 über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens (ABl. C 194, S. 1) ergebe, einen Basisrechtsakt.
45 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs stellen die Vorhaben im Sinne der beiden streitigen Rundschreiben solche neuen bedeutenden Aktionen dar. Dies ergebe sich insbesondere aus der Gleichartigkeit der Maßnahmen, auf die sich die angefochtenen Aufforderungen zur Beantragung von Zuschüssen bezögen, und den Aktionen, die in Ausführung der oben in den Randnummern 11, 12 und 15 bis 17 beschriebenen früheren Beschlüsse des Rates bezuschusst worden seien oder auf die sich die oben in den Randnummern 18 und 13 beschriebenen Vorschläge vom September 1993 und vom März 1995 für Beschlüsse des Rates bezogen hätten, die im Jahr 1996 hätten anwendbar sein sollen.
46 Weiter trägt das Vereinigte Königreich vor, die beiden Entscheidungen seien nicht ausreichend begründet, insbesondere weil die Kommission unter Verstoß gegen Abschnitt II A Nr. 1 Buchstabe a der Mitteilung der Kommission an die Haushaltsbehörde ° Rechtsgrundlagen und Hoechstbeträge ° (SEK[94] 1106 endg., nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht; im folgenden: Mitteilung vom 6. Juli 1994) nicht nachgewiesen habe, daß die geplanten Maßnahmen Pilotvorhaben oder vorbereitende Maßnahmen und keine bedeutenden Aktionen seien.
47 Die Kommission macht dagegen geltend, die geplanten Vorhaben seien vorbereitende Maßnahmen im Sinne der Mitteilung vom 6. Juli 1994. Es handele sich nämlich um innovative Tätigkeiten mit einer Dauer von höchstens einem Jahr, die einen Multiplikatoreffekt haben sollten.
48 Die Kommission führt aus, die Vorhaben zugunsten der älteren Menschen im Sinne des Rundschreibens vom 2. Mai 1996 seien Teil der Vorbereitung des Programms, auf das sich der von ihr im März 1995 vorgelegte Vorschlag für einen Beschluß des Rates bezogen habe. Sie lägen ausserdem innerhalb des Zweijahreszeitraums, während dessen sie befugt sei, ohne einen Basisrechtsakt vorbereitende Maßnahmen durchzuführen, wenn sie noch vor dem Ende des zweiten Jahres nach Einleitung der vorbereitenden Maßnahme einen Vorschlag für einen solchen Basisrechtsakt mache (Abschnitt II A Nr. 1 Buchstabe b der Mitteilung vom 6. Juli 1994).
49 Auch die Vorhaben zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung seien vorbereitende Maßnahmen, die künftig, falls sie erfolgreich seien, aus anderen Gemeinschaftsmitteln finanziert werden könnten.
50 Nach Ansicht der Kommission unterscheiden sich die letztgenannten Vorhaben sowohl von den durch das Programm "Armut 3" finanzierten Projekten als auch von den Vorhaben, auf die sich ihr Vorschlag für ein Programm "Armut 4" vom September 1993 bezogen habe. Das streitige Rundschreiben betreffe nämlich Vorhaben von kurzer Dauer und geringem finanziellen Umfang und ° abgesehen von einer Überwachung durch die Kommission ° ohne besondere Koordinierung; die Vorhaben, auf die sich der Vorschlag für ein Programm "Armut 4" bezogen habe, hätten dagegen mehrjährig, mit einer komplexen Koordinierungsinfrastruktur ausgestattet und finanziell bedeutender sein sollen.
51 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat im Rahmen der Prüfung des Fumus boni iuris der Anträge weder über die Auslegung des Artikels 22 der Haushaltsordnung noch über die Art der Vorhaben, auf die sich die beiden streitigen Rundschreiben jeweils beziehen, endgültig zu befinden.
52 Unter diesem Vorbehalt ist jedoch festzustellen, daß die Argumente, die das Vereinigte Königreich zur Begründung seiner Ansicht, daß die durch den Erlaß der beiden streitigen Rundschreiben eingeleiteten Verfahren von der Kommission nicht ohne einen Beschluß des Rates hätten durchgeführt werden dürfen, gewichtig erscheinen.
53 Die Bedenken, die der Inhalt der beiden Rundschreiben insoweit hervorruft, werden durch den Kontext, in dem diese erlassen worden sind, verstärkt; sie haben in diesem Verfahrensstadium durch die Stellungnahme der Kommission nicht ausgeräumt werden können.
54 So bestehen, was die Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen betrifft, unbestreitbare Übereinstimmungen zwischen den im Rundschreiben vom 2. Mai 1996 beschriebenen Vorhaben und den Projekten, die auf der Grundlage des Beschlusses 91/49 bezuschusst worden sind oder in dem von der Kommission am 3. März 1995 vorgelegten Vorschlag für einen Beschluß vorgesehen waren. Insbesondere scheint dies, worauf das Vereinigte Königreich hingewiesen hat, für die verfolgten Ziele wie auch für die Begünstigten zu gelten.
55 Ausserdem ist in dem Rundschreiben vom 2. Mai 1996 nicht vom vorbereitenden Charakter der Maßnahmen die Rede, sondern es wird dort lediglich angekündigt, daß die Kommission "weiterhin" auf europäischer Ebene Maßnahmen fördern werde, die der älteren Generation zugute kommen und zu einer grösseren Solidarität zwischen den Generationen führen sollten.
56 So verhält es sich im wesentlichen auch mit dem Rundschreiben über Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung. In seiner Nummer 1 ist nämlich vorgesehen, daß die Vorhaben drei Grundvoraussetzungen (Multidimensionalität; innovativer Charakter und Einbeziehung anderer Akteure als Partner; Entwicklung neuer Methoden, die als innovative Anregungen für modellhafte Vorhaben und Fachkompetenz betrachtet werden können) erfuellen müssen, die eng an die Beschreibung des Programms "Armut 3" im Vorschlag der Kommission für ein Programm "Armut 4" (S. 9 f.) und an die drei "Grundprinzipien" des Vorschlags für ein Programm "Armut 4" selbst (S. 12 ff.) angelehnt sind.
57 Ausserdem ist in dem streitigen Rundschreiben ebenfalls nicht vom vorbereitenden Charakter der Maßnahmen die Rede, sondern es wird lediglich bekanntgegeben, daß wie im vorangehenden Jahr Haushaltsmittel für die Kofinanzierung von Modellvorhaben zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und zur Förderung der Solidarität verfügbar seien.
58 Das Vorbringen der Kommission, die Vorhaben, auf die sich die streitigen Rundschreiben beziehen, seien durch ihre kurze Dauer und ihren Charakter als innovative Demonstrationsvorhaben gekennzeichnet, erscheint im derzeitigen Stadium nicht voll überzeugend.
59 Bei den Aspekten Innovation und Bestimmung zu Demonstrationszwecken handelt es sich nämlich um Merkmale, die auch bei den früher angenommenen oder vorgeschlagenen Programmen gegeben waren.
60 Auch erscheint es nicht offensichtlich, daß die Vorhaben, auf die sich die beiden streitigen Rundschreiben beziehen, tatsächlich aufgrund ihrer Art von kurzer Dauer sind. In dem Rundschreiben, das Vorhaben zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung betrifft, ist im Gegenteil vorgesehen, daß die Vorhaben den Vorzug erhalten, die voraussichtlich eine nachhaltige Wirkung zeigen (Nr. 3 Buchstabe b). Zwar heisst es in demselben Rundschreiben, daß die Kommission ihren Zuschuß nur für einen Zeitraum von etwa zwölf Monaten gewähren könne; dies scheint sich aber dem ersten Anschein nach eher aus der Tatsache, daß das Rundschreiben ausschließlich auf den Haushaltsplan gestützt ist, als aus der Art der fraglichen Vorhaben zu ergeben.
61 Nach alledem lässt sich im derzeitigen Verfahrensstadium das Vorbringen des Antragstellers nicht von der Hand weisen, daß die streitigen Vorhaben nicht dazu bestimmt gewesen seien, im Hinblick auf die spätere Einleitung weiter reichender Programme vorbereitende Maßnahmen zu bezuschussen: vielmehr habe durch sie ein Ausgleich dafür, daß der Rat die Beschlußvorschläge nicht angenommen hatte, geschaffen werden sollen, um auf diese Weise die aufgrund der früheren Beschlüsse des Rates eingeleiteten Tätigkeiten fortzusetzen.
Dringlichkeit und Interessenabwägung
62 Zur Beurteilung der Dringlichkeit der beantragten Anordnung ist zu prüfen, ob diese zur Abwendung eines schweren Schadens erforderlich ist, der selbst bei Erfolg der Klage nicht wiedergutgemacht werden könnte.
63 Offensichtlich würde durch die Durchführung der streitigen Auswahlverfahren bis zu ihrem Abschluß wegen der Zuteilung der fraglichen Haushaltsmittel und ihrer eventuellen Verwendung durch die Empfänger, die durch das Urteil zur Hauptsache nicht rückgängig gemacht werden könnte, eine irreversible tatsächliche Lage geschaffen.
64 Das Vereinigte Königreich macht geltend, eine rechtswidrige Ausgabe stelle eine nicht wiedergutzumachende Verletzung der Vorschriften über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsorganen dar und führe zu einem irreparablen Schaden für die Kommission und die Mitgliedstaaten auf finanzieller wie auf institutioneller Ebene.
65 Nach Ansicht der Kommission kann der Antragsteller nicht als Hüter des öffentlichen Interesses auftreten und hat überdies nicht hinreichend dargetan, daß ihm ein schwerer Schaden entstehen würde.
66 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß man dem Vereinigten Königreich wegen seiner Stellung als Mitgliedstaat der Gemeinschaft, die die Mitwirkung an der Ausübung sowohl der normativen als auch der haushaltsrechtlichen Befugnisse sowie die Leistung eines Beitrags zum Gemeinschaftshaushalt umfasst, nicht die Möglichkeit versagen kann, den Schaden geltend zu machen, der entstuende, wenn Ausgaben unter Verstoß gegen die Bestimmungen über die Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Organe vorgenommen würden.
67 Zur Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht hat, ist der geltend gemachte Schaden im Lichte sämtlicher betroffener Interessen zu prüfen (Beschluß vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-280/93 R, Deutschland/Rat, Slg. 1993, I-3667, Randnr. 29).
68 Hierzu ist zunächst, was das Verhalten des Antragstellers angeht, festzustellen, daß sich das Vereinigte Königreich aktiv bemüht hat, den Eintritt des geltend gemachten Schadens zu verhindern. Wie die Kommission selbst in ihrer schriftlichen Stellungnahme vorgetragen hat, ist der Vorschlag für ein Programm "Armut 4" gerade deshalb nicht angenommen worden, weil sich das Vereinigte Königreich und die Bundesrepublik Deutschland dem im Rat widersetzt haben. Das Vereinigte Königreich hat ausserdem eine Nichtigkeitsklage gegen die finanziellen Verbindlichkeiten erhoben, die die Kommission 1995 für Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut eingegangen ist. Schließlich hat das Vereinigte Königreich in der Sitzung vorgetragen, es habe schon im Januar 1996 Bedenken gegen die von der Kommission für Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen vorgenommenen Ausgaben angemeldet.
69 Sodann ist festzustellen, daß die Vorschriften institutionellen Charakters, die die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Organen der Gemeinschaft regeln, eine wichtige Stellung in der Gemeinschaftsrechtsordnung einnehmen (Urteil vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache C-70/88, Parlament/Rat, Slg. 1990, I-2041) und daß allein aufgrund eines qualifizierten Verstosses gegen solche wesentlichen Regelungen die Anwendung von Artikel 186 des Vertrages geboten sein kann (Beschluß vom 21. Mai 1977 in den Rechtssachen 31/77 R und 53/77 R, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1977, 921, Randnrn. 17 und 20).
70 Zwar ist ein solcher offensichtlicher Verstoß im derzeitigen Stadium des Verfahrens nicht nachgewiesen; doch kann das Gewicht der vom Antragsteller vorgebrachten Angriffsmittel in Verbindung mit der Bedeutung der Vorschriften, deren Verletzung geltend gemacht wird, nicht ausser acht gelassen werden.
71 Demnach hat das Vereinigte Königreich in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß ein nicht wiedergutzumachender Schaden drohen würde, wenn keine einstweilige Anordnung erginge.
72 Im Hinblick auf die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche einstweilige Anordnung zu erlassen ist, ist das Interesse des Antragstellers daran, die Fortführung der streitigen Verfahren bis zu einem irreversiblen Stadium zu verhindern, gegen das Interesse der Antragsgegnerin an einem möglichst zuegigen Ablauf dieser Verfahren abzuwägen. Dabei ist zu prüfen, ob die etwaige Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache die Umkehrung der Lage erlauben würde und ° umgekehrt ° inwiefern bei Abweisung der Klage die verschiedenen in Betracht kommenden einstweiligen Anordnungen jeweils die Erreichung der mit den streitigen Entscheidungen verfolgten Ziele vereiteln würden (Beschlüsse vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 50, und vom 12. Juli 1996 in der Rechtssache C-180/96 R, Vereinigtes Königreich/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 89).
73 Zwar würde eine Umgehung des Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers durch die Kommission einen erheblichen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellen, der durch das Urteil zur Hauptsache nicht rückgängig gemacht werden könnte; eine blosse Aussetzung der streitigen Verfahren würde aber eine unumkehrbare Lage schaffen und könnte schwerwiegende Folgen haben, da die im Haushaltsplan ausgwiesenen Mittel nicht mehr zu den für sie vorgesehenen sozialen Zwecken verwendet werden könnten.
74 Die vom Vereinigten Königreich geltend gemachte Dringlichkeit vermag somit eine solche Anordnung nicht zu rechtfertigen, zumal diese nicht erforderlich ist, um den geltend gemachten Schaden abzuwenden.
75 Nach alledem ist die Kommission zu ermächtigen, die im Rahmen der streitigen Verfahren vorgesehenen Mittelbindungen vorzunehmen; ihr ist zugleich aufzugeben, dabei klar anzugeben, daß diese Mittelbindungen vorbehaltlich des Urteils zur Hauptsache erfolgen, und vor Erlaß dieses Urteils keine Zahlungen zu leisten.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES
beschlossen:
1. Die Kommission hat bei der Vornahme von Mittelbindungen im Rahmen der Durchführung ihres Rundschreibens vom 2. Mai 1996, mit dem zur Stellung von Anträgen auf Zuschüsse der Kommission zu Maßnahmen zugunsten der älteren Menschen aufgefordert wird, und ihres am 15. Mai 1996 bei den britischen Behörden eingegangenen Rundschreibens, mit dem zur Stellung von Anträgen auf Zuschüsse der Kommission zu Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung aufgefordert wird, klar anzugeben, daß diese Mittelbindungen vorbehaltlich des Urteils des Gerichtshofes zur Hauptsache erfolgen; sie darf vor Erlaß dieses Urteils keine Zahlungen leisten.
2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 24. September 1996
Ende der Entscheidung
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