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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.03.1992
Aktenzeichen: C-261/90
Rechtsgebiete: Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Vorschriften:
Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Art. 5 Nr. 3 | |
Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Art. 16 Nr. 5 | |
Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Art. 24 |
1. Eine Klage des nationalen Rechts wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts, deren Zweck es nicht ist, den Schuldner zum Ersatz des Schadens verurteilen zu lassen, den er dem Gläubiger durch eine zur Beeinträchtigung von dessen Rechten vorgenommene Verfügungshandlung verursacht hat, sondern dem Gläubiger gegenüber die Wirkungen der Verfügungshandlung seines Schuldners zu beseitigen, kann nicht als eine Klage angesehen werden, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten im Sinne von Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geltend gemacht wird. Eine derartige Klage fällt folglich nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.
2. Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens begründet eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Vollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung betrieben wird, für Verfahren, die sich aus der Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen ergeben.
Eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage, mit der der Gläubiger begehrt, daß die Verfügungshandlung, mit der der Schuldner die Rechte des Gläubigers beeinträchtigen wollte, diesem gegenüber rückgängig gemacht wird, und die somit dem Schutz des Zugriffs eines Gläubigers im Hinblick auf eine spätere Zwangsvollstreckung aus dem Schuldverhältnis dient, ist nicht auf die Entscheidung in einem derartigen Verfahren gerichtet und fällt folglich nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens.
3. Unter einstweiligen Maßnahmen, einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, im Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens sind Maßnahmen zu verstehen, die auf in seinen Anwendungsbereich fallenden Rechtsgebieten ergehen und eine Sach- oder Rechtslage erhalten sollen, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird.
Eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage, die es zwar ermöglicht, den Zugriff des Gläubigers zu schützen, indem sie eine absichtliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners verhindert, jedoch darauf gerichtet ist, daß die Rechtslage bezueglich des Vermögens des Schuldners und des Begünstigten der Verfügungshandlung des Schuldners verändert wird, kann nicht als eine derartige Maßnahme angesehen werden.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 26. MAERZ 1992. - MARIO REICHERT, HANS-HEINZ REICHERT UND INGEBORG KOCKLER GEGEN DRESDNER BANK AG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL D'AIX-EN-PROVENCE - FRANKREICH. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN VOM 27. SEPTEMBER 1968 - GLAEUBIGERANFECHTUNGSKLAGE - ARTIKEL 5 NR. 3, ARTIKEL 16 NR. 5 UND ARTIKEL 24 DES UEBEREINKOMMENS. - RECHTSSACHE C-261/90.
Entscheidungsgründe:
1 Die Cour d' appel Aix-en-Provence hat mit Urteil vom 7. Mai 1990, in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen am 28. August 1990, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im folgenden: Übereinkommen) durch den Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Artikel 5 Nr. 3, Artikel 16 Nr. 5 und Artikel 24 dieses Übereinkommens zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen den Eheleuten Reichert und ihrem Sohn Mario Reichert auf der einen und der Dresdner Bank AG auf der anderen Seite.
3 Herr und Frau Reichert, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, sind Eigentümer unbeweglicher Sachen, die im Gebiet der Gemeinde Antibes (Frankreich, Departement Alpes-Maritimes) belegen sind; mit einem in Creutzwald (Frankreich, Departement Moselle) geschlossenen notariellen Schenkungsvertrag übertrugen sie ihrem Sohn Mario Reichert das "blosse", nämlich unter dem Vorbehalt persönlicher Dienstbarkeiten stehende, Eigentum an diesen Sachen. Die Dresdner Bank AG, Gläubigerin der Eheleute Reichert, focht diese Schenkung vor dem Tribunal de grande instance Grasse, in dessen Bezirk die streitigen Sachen belegen sind, auf der Grundlage von Artikel 1167 des französischen Code civil an, wonach die Gläubiger "in ihrem eigenen Namen die Handlungen anfechten [können], die ihr Schuldner absichtlich zur Beeinträchtigung ihrer Rechte unternommen hat" (Gläubigeranfechtungsklage).
4 Das Tribunal de grande instance Grasse erklärte sich unter Zurückweisung einer von den Eheleuten Reichert erhobenen Einrede der Unzuständigkeit mit Urteil vom 20. Februar 1987 aufgrund von Artikel 16 Nr. 1 des Übereinkommens für zuständig, wonach ohne Rücksicht auf den Wohnsitz "für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen... zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist", ausschließlich zuständig sind.
5 Die Eheleute Reichert fochten dieses Urteil wegen Unzuständigkeit des Gerichts vor der Cour d' appel Aix-en-Provence an, die das Verfahren mit Urteil vom 18. November 1987 aussetzte und dem Gerichtshof eine erste Frage vorlegte, die im Kern dahin ging, ob sich der Anwendungsbereich von Artikel 16 Nr. 1 des Übereinkommens auf den Fall erstreckt, daß ein Gläubiger mit einer im nationalen Recht vorgesehenen Klage, im vorliegenden Fall mit der Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts, eine Immobiliarschenkung anficht, die der Schuldner nach Ansicht des Gläubigers absichtlich zur Beeinträchtigung von dessen Rechten vorgenommen hat.
6 Mit Urteil vom 10. Januar 1990 in der Rechtssache C-115/88 (Reichert, Slg. 1990, I-27) hat der Gerichtshof für Recht erkannt:
"Die Klage, mit der ein Gläubiger anstrebt, daß eine Verfügungshandlung über ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache, die sein Schuldner nach seinem Vorbringen absichtlich zur Beeinträchtigung seiner Rechte vorgenommen hat, ihm gegenüber für unwirksam erklärt wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 16 Nr. 1 des Übereinkommens."
7 Die Cour d' appel Aix-en-Provence hat jedoch mit dem erwähnten Urteil vom 7. Mai 1990 dem Gerichtshof auf Antrag der Dresdner Bank AG, die sich gegenüber dem Rechtsmittel auf andere Bestimmungen des Übereinkommens als Artikel 16 Nr. 1 stützen möchte, auf den sich die erste Vorlagefrage bezog, folgende ergänzende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Wenn Artikel 16 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 nicht angewendet werden kann, gelten dann für eine auf Artikel 1167 des französischen Code civil gestützte Klage, mit der ein Gläubiger erreichen will, daß eine Handlung zur Übertragung von dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen, die sein Schuldner in einer Weise vorgenommen hat, in der er nach Ansicht des Gläubigers dessen Rechte beeinträchtigen wollte, ihm gegenüber rückgängig gemacht wird, die Zuständigkeitsregeln von Artikel 5 Nr. 3, Artikel 24 oder Artikel 16 Nr. 5 dieses internationalen Übereinkommens, wenn man den deliktischen oder quasi-deliktischen Charakter der geltend gemachten beabsichtigten Beeinträchtigung oder auch das Bestehen von Sicherungsmaßnahmen berücksichtigt, deren Umwandlung in Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in die unbewegliche Sache, die Gegenstand der von dem Schuldner übertragenen dinglichen Rechte ist, durch die Entscheidung in der Hauptsache ermöglicht werden soll?
8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
9 Da der Gerichtshof in dem schon erwähnten Urteil Reichert vom 10. Januar 1990 entschieden hat, daß eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 16 Nr. 1 des Übereinkommens fällt, ist die ergänzende Frage des vorlegenden Gerichts zu beantworten.
10 Nach Artikel 2 des Übereinkommens sind, vorbehaltlich besonderer Vorschriften, Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Das Übereinkommen lässt Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel zu, indem es dem Kläger in bestimmten Fällen die Befugnis einräumt, den Beklagten vor den Gerichten des Staates, in dem dieser seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten eines anderen Staates zu verklagen (Fälle der Artikel 5 und 24 des Übereinkommens). Das Übereinkommen sieht auch ausschließliche Zuständigkeiten ohne Rücksicht auf den Wohnsitz vor (Fall des Artikels 16).
11 Für die Beantwortung der Vorlagefrage ist unter diesen Umständen nacheinander zu prüfen, ob eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts in den Anwendungsbereich einer der Ausnahmebestimmungen des Übereinkommens fällt, die im Vorlageurteil genannt sind.
Zu Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens
12 Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens lautet:
"Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:
...
3) wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist".
13 Die Rechtsmittelgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Dresdner Bank AG, macht geltend, die Gläubigeranfechtungsklage falle unter Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens, da es sich um eine Klage handele, die darauf gerichtet sei, die Folgen eines gegen das Gesetz oder gegen ungeschriebene Sorgfaltspflichten verstossenden und einem Dritten Schaden zufügenden schuldhaften Verhaltens - also eines Verhaltens, das einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sei - zu beseitigen.
14 Dagegen kann nach Ansicht der Kommission die Gläubigeranfechtungsklage, die Wirkungen gegenüber gutgläubigen Dritten, also gegenüber Personen, die keine schuldhafte Handlung oder Unterlassung begangen hätten, haben könne und gegebenenfalls den Dritterwerber nicht nur mit einer Schadensersatzpflicht belaste, sondern auch dazu führen könne, daß dessen Vermögen mittelbar vermindert werde, nicht als eine Klage wegen einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sei, angesehen werden. Sie falle folglich nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens.
15 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 189/87 (Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Randnrn. 15 und 16) entschieden hat, dient der Begriff "unerlaubte Handlung" als Kriterium zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer der besonderen Zuständigkeitsregeln, auf die der Kläger zurückgreifen kann. In Anbetracht der Zwecke und des Gesamtzusammenhangs des Übereinkommens ist dieser Begriff nicht als blosse Verweisung auf das innerstaatliche Recht eines der beteiligten Staaten zu verstehen, denn es muß sichergestellt werden, daß sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben. Infolgedessen ist auch der Begriff "unerlaubte Handlung" als autonomer Begriff anzusehen, bei dessen Auslegung im Rahmen der Anwendung des Übereinkommens in erster Linie die Systematik und die Zwecke dieses Übereinkommens berücksichtigt werden müssen, damit dessen volle Wirksamkeit sichergestellt wird.
16 Wie der Gerichtshof ferner in Randnummer 17 dieses Urteils entschieden hat, ist, um eine einheitliche Lösung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, davon auszugehen, daß sich der Begriff "unerlaubte Handlung" auf alle nicht an einen "Vertrag" im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 anknüpfenden Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird.
17 Wie der Gerichtshof in Randnummer 12 des schon erwähnten Urteils Reichert vom 10. Januar 1990 ausgeführt hat, hat die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts ihre Grundlage im Forderungsrecht, einem persönlichen Recht des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner, und dient dem Schutz des Zugriffs des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners. Hat sie Erfolg, so bewirkt sie, daß die vom Schuldner absichtlich zur Beeinträchtigung der Gläubigerrechte vorgenommene Verfügungshandlung allein gegenüber dem Gläubiger unwirksam ist.
18 Ferner ergibt sich aus dem Schriftsatz der Kommission, der insoweit nicht angezweifelt worden ist, daß sich nach französischem Recht die Gläubigeranfechtungsklage sowohl, wenn der Begünstigte bösgläubig ist, gegen entgeltliche Verfügungshandlungen des Schuldners, als auch, selbst wenn der Begünstigte gutgläubig ist, gegen unentgeltliche Verfügungshandlungen des Schuldners richten kann.
19 Zweck einer derartigen Klage ist es nicht, den Schuldner zum Ersatz des Schadens verurteilen zu lassen, den er dem Gläubiger durch seine zur Beeinträchtigung von dessen Rechten vorgenommene Verfügungshandlung verursacht hat, sondern dem Gläubiger gegenüber die Wirkungen der Verfügungshandlung seines Schuldners zu beseitigen. Die Klage richtet sich nicht nur gegen den Schuldner, sondern auch gegen den - am Schuldverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner nicht beteiligten - durch die Verfügung Begünstigten, und zwar bei unentgeltlichen Verfügungen auch dann, wenn den Begünstigten kein Verschulden trifft.
20 Unter diesen Umständen kann eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts nicht als eine Klage angesehen werden, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten im Sinne von Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens geltend gemacht wird; sie fällt damit nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.
Zu Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens
21 Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens bestimmt:
"Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig
...
5) für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist."
22 Die Dresdner Bank AG macht geltend, die Gläubigeranfechtungsklage gehöre, da sie die Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung vorbereite, zu den Ausnahmen nach Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens.
23 Dagegen vertritt die Kommission die Ansicht, die Gläubigeranfechtungsklage falle nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, da sie nicht bewirke, daß das Gericht über eine die Vollstreckung eines Urteils betreffende Frage entscheide, sondern daß es ein Urteil erlasse, durch das die Rechtslage bezueglich des Vermögens des Schuldners verändert werde.
24 Erstens sieht Artikel 16 des Übereinkommens, wie der Gerichtshof im Urteil vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 220/84 (Malhé, Slg. 1985, 2267, Randnr. 16) entschieden hat, als Ausnahmen von der allgemeinen Regel des Artikels 2 des Übereinkommens eine Reihe von ausschließlichen Zuständigkeiten für Klagen vor, die mit Rücksicht auf die Lage einer unbeweglichen Sache, den Sitz einer Gesellschaft, die Eintragung in ein öffentliches Register oder - dies ist Gegenstand von Nr. 5 - den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, besondere Beziehungen zu einem anderen als dem in Artikel 2 bezeichneten Vertragsstaat aufweisen.
25 Zweitens darf Artikel 16 nicht weiter ausgelegt werden, als sein Zweck es erfordert, da er bewirkt, daß den Parteien die ihnen sonst gegebene Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen genommen wird und daß sie in bestimmten Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist (Urteile vom 14. Dezember 1977 in der Rechtssache 73/77, Sanders, Slg. 1977, 2383, Randnrn. 17 und 18, sowie vom 10. Januar 1990, Reichert, a. a. O., Randnr. 9).
26 Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Ortes der Vollstreckung der Entscheidung darin besteht, daß es allein Sache der Gerichte des Vertragsstaats ist, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, in diesem Gebiet die Vorschriften über die Tätigkeit der Vollstreckungsbehörden anzuwenden.
27 Drittens sind nach dem Bericht des Sachverständigenausschusses, der das Übereinkommen ausgearbeitet hat (ABl. 1979, C 59, S. 1), unter "Verfahren, die die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben", Verfahren zu verstehen, die sich aus der "Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen oder Urkunden" ergeben; danach fallen "Streitigkeiten, die sich bei diesen Verfahren ergeben,... unter die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des Vollstreckungsorts".
28 Eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts dient, wie in Randnummer 17 ausgeführt, dem Schutz des Zugriffs des Gläubigers, da mit ihr begehrt wird, daß das zuständige Gericht die Verfügungshandlung, mit der der Schuldner die Rechte des Gläubigers beeinträchtigen wollte, diesem gegenüber rückgängig macht. Zwar wahrt sie so die Interessen des Gläubigers, insbesondere im Hinblick auf eine spätere Zwangsvollstreckung aus dem Schuldverhältnis, jedoch ist sie nicht auf die Entscheidung in einem Verfahren gerichtet, das die "Inanspruchnahme von Zwangsmitteln, insbesondere bei der Herausgabe oder Pfändung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen im Hinblick auf die Vollstreckung von Entscheidungen oder Urkunden" zum Gegenstand hat, und fällt folglich nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 16 Nr. 5 des Übereinkommens.
Zu Artikel 24 des Übereinkommens
29 Artikel 24 des Übereinkommens lautet:
"Die in dem Recht eines Vertragsstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats aufgrund dieses Übereinkommens zuständig ist."
30 Die Dresdner Bank AG macht geltend, die Gläubigeranfechtungsklage diene der vorläufigen Sicherung des Gläubigers und stelle auch "eine einstweilige auf eine Sicherung gerichtete Maßnahme" im Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens dar.
31 Dagegen ist die Kommission der Auffassung, Zweck der Gläubigeranfechtungsklage sei es nicht, eine Sach- oder Rechtslage zu erhalten, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt werde, sondern sie sei auf eine Änderung der Rechtsverhältnisse an einer Sache gerichtet. Sie stelle daher keine einstweilige, insbesondere auch keine auf eine Sicherung gerichtete, Maßnahme im Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens dar.
32 Wie der Gerichtshof bereits im Urteil vom 27. März 1979 in der Rechtssache 143/78 (De Cavel, Slg. 1979, 1055, Randnr. 8) entschieden hat, sind Vermögensgegenstände betreffende einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, geeignet, die verschiedenartigsten Ansprüche zu sichern. Daher bestimmt sich ihre Zugehörigkeit zum Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht nach ihrer Rechtsnatur, sondern nach derjenigen der durch sie gesicherten Ansprüche. Artikel 24 des Übereinkommens kann, wie der Gerichtshof in Randnummer 9 dieses Urteils weiter ausgeführt hat, nicht als Begründung dafür herangezogen werden, einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, auf Rechtsgebieten, die vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind, in diesen einzubeziehen.
33 Wie der Gerichtshof ferner im Urteil vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 125/79 (Denilauler, Slg. 1980, 1553, Randnrn. 15 und 16) entschieden hat, führt eine Analyse der Funktion des Artikels 24 im Gesamtsystem des Übereinkommens zu der Schlußfolgerung, daß für Maßnahmen dieser Art eine besondere Regelung beabsichtigt war, um die besondere Umsicht und eingehende Kenntnis der konkreten Umstände zu berücksichtigen, deren es bei der Bewilligung derartiger Maßnahmen sowie bei der Festlegung von Modalitäten und Voraussetzungen bedarf, durch die sichergestellt werden soll, daß diese Maßnahmen ihren einstweiligen und auf eine Sicherung gerichteten Charakter behalten.
34 Unter "einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind", im Sinne von Artikel 24 sind also Maßnahmen zu verstehen, die auf in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Rechtsgebieten ergehen und eine Sach- oder Rechtslage erhalten sollen, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird.
35 Eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts ermöglicht es zwar, den Zugriff des Gläubigers zu schützen, indem sie eine absichtliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners verhindert; sie dient jedoch nicht der Erhaltung einer Sach- oder Rechtslage für die Zeit bis zum Erlaß der Entscheidung des in der Hauptsache zuständigen Gerichts. Sie ist darauf gerichtet, daß die Rechtslage bezueglich des Vermögens des Schuldners und des Begünstigten dadurch verändert wird, daß die Verfügungshandlung, die der Schuldner absichtlich zur Beeinträchtigung der Rechte des Gläubigers vorgenommen hat, diesem gegenüber rückgängig gemacht wird. Die Gläubigeranfechtungsklage kann folglich nicht als eine einstweilige, insbesondere nicht als eine auf eine Sicherung gerichtete, Maßnahme im Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens angesehen werden.
36 Auf die Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, daß eine Klage nach nationalem Recht wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts, mit der der Gläubiger erreichen will, daß eine Handlung zur Übertragung von dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen, die der Schuldner angeblich in der Absicht vorgenommen hat, die Rechte des Gläubigers zu beeinträchtigen, diesem gegenüber rückgängig gemacht wird, nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 5 Nr. 3, Artikel 16 Nr. 5 und Artikel 24 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen fällt.
Kostenentscheidung:
Kosten
37 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm von der Cour d' appel Aix-en-Provence mit Urteil vom 7. Mai 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Eine Klage nach nationalem Recht wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts, mit der der Gläubiger erreichen will, daß eine Handlung zur Übertragung von dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen, die der Schuldner angeblich in der Absicht vorgenommen hat, die Rechte des Gläubigers zu beeinträchtigen, diesem gegenüber rückgängig gemacht wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 5 Nr. 3, Artikel 16 Nr. 5 und Artikel 24 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Ende der Entscheidung
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