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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: C-266/06 P
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 17
Vorschriften:
Verordnung Nr. 17 Art. 15 Abs. 2 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
22. Mai 2008
"Rechtsmittel - Wettbewerb - Kartell - Markt für Methionin - Geldbuße - Verordnung Nr. 17 - Art. 15 Abs. 2 - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen - Verfälschung des Sachverhalts - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Grundsatz der Gleichbehandlung"
Parteien:
In der Rechtssache C-266/06 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 16. Juni 2006,
Evonik Degussa GmbH, vormals Degussa AG, mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold, M. Karl und C. Steinle,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Mölls als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.-J. Freund, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Rat der Europäischen Union, vertreten durch S. Marquardt, G. Curmi und M. Simm als Bevollmächtigte,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2007,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Evonik Degussa GmbH, vormals Degussa AG (im Folgenden: Degussa), das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 5. April 2006, Degussa/Kommission (T-279/02, Slg. 2006, II-897, im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre in erster Linie auf die Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/674/EG der Kommission vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.519 - Methionin) (ABl. 2003, L 255, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung) gerichtete Klage teilweise abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), bestimmt:
"Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:
a) gegen Artikel [81] Absatz (1) oder Artikel [82] des Vertrages verstoßen,
...
Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."
Sachverhalt
3 In den Randnrn. 1 bis 24 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den Sachverhalt des ihm unterbreiteten Rechtsstreits wie folgt zusammengefasst:
"1 ... Degussa ... ist eine deutsche Gesellschaft, die im Jahr 2000 gegründet wurde, als sich SKW Trostberg und Degussa-Hüls, die ihrerseits im Jahr 1998 durch die Fusion der deutschen Chemieunternehmen Degussa AG (Frankfurt am Main) und Hüls AG (Marl) entstanden war, zusammenschlossen. Sie stellt u. a. Tierfutter her und bietet als einziges Unternehmen die drei wichtigsten essenziellen Aminosäuren Methionin, Lysin und Threonin aus einer Hand an.
2 ... Methionin ist eine essenzielle Aminosäure, die den Vormischungen und dem Mischfutter für sämtliche Tierarten beigefügt wird. ...
...
4 Im maßgebenden Zeitraum waren Rhône-Poulenc (heute Aventis SA [im Folgenden: Aventis]), deren für die Herstellung von Methionin zuständige Tochtergesellschaft Rhône-Poulenc Animal Nutrition (heute Aventis Animal Nutrition SA [im Folgenden: AAN]) war, Degussa und Novus die drei weltweit größten Hersteller von Methionin. ...
5 Am 26. Mai 1999 legte Rhône-Poulenc der Kommission eine Erklärung vor, in der sie eingestand, an einem Kartell zur Festsetzung der Preise und Verkaufsmengen für Methionin teilgenommen zu haben; gleichzeitig beantragte sie die Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit).
...
9 Am 1. Oktober 2001 übersandte die Kommission fünf Herstellern von Methionin, darunter [Degussa], eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die gleiche Mitteilung wurde an [AAN], eine 100%ige Tochtergesellschaft von Aventis, gerichtet.
10 In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte legte die Kommission diesen Unternehmen zur Last, von 1986 bis, in der Mehrzahl der Fälle, Anfang 1999 an einer fortdauernden gegen Artikel 81 EG und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßenden Vereinbarung beteiligt gewesen zu sein, die sich auf das gesamte Gebiet des EWR erstreckt habe. Nach Ansicht der Kommission bestand die fragliche Vereinbarung in der Festsetzung der Preise für Methionin, der Schaffung eines Mechanismus für die Durchführung von Preiserhöhungen, der Zuteilung von nationalen Märkten und Marktanteilsquoten und einem Mechanismus zur Überwachung und Durchführung dieser Vereinbarungen.
...
12 Die Erwiderungen gingen bei der Kommission zwischen dem 10. und 18. Januar 2002 ein. Aventis und AAN (im Folgenden gemeinsam: Aventis/AAN) sowie [die Nippon Soda Co. Ltd (im Folgenden: Nippon Soda)] räumten die Zuwiderhandlung ein und gaben den Sachverhalt in vollem Umfang zu. Degussa räumte die Zuwiderhandlung ebenfalls ein, jedoch nur für den Zeitraum von 1992 bis 1997. ...
13 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission in der Erwägung, dass Aventis/AAN, Degussa und Nippon Soda an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise beteiligt gewesen seien, die das gesamte Gebiet des EWR umfasst habe und mit der sie Zielpreise für Methionin und einen Mechanismus für die Durchführung von Preiserhöhungen vereinbart, Informationen über Absatzmengen und Marktanteile ausgetauscht sowie diese Vereinbarungen überwacht und durchgesetzt hätten, die [streitige] Entscheidung ...
14 In den Randnummern 63 bis 81 der [streitigen] Entscheidung gab die Kommission als Ziel des Kartells die Vereinbarung von Preisspannen und 'Tiefstpreisen' an. Die Teilnehmer seien übereingekommen, dass eine Erhöhung ihrer Preise erforderlich sei, und hätten erörtert, was der Markt habe akzeptieren können. Daraufhin seien die Preiserhöhungen in mehreren aufeinanderfolgenden 'Kampagnen' durchgeführt worden, deren Verlauf bei den anschließenden Kartellzusammenkünften überprüft worden sei. Außerdem hätten die Teilnehmer Informationen über Verkaufsmengen und Produktionskapazitäten sowie ihre jeweiligen Schätzungen des Gesamtmarktvolumens ausgetauscht.
15 In Bezug auf die Umsetzung der Zielpreise führte die Kommission aus, dass die Verkäufe von den Teilnehmern überwacht sowie die mitgeteilten Zahlen zusammengestellt und bei regelmäßigen Zusammenkünften besprochen worden seien, ohne dass jedoch ein System der Verkaufsmengenüberwachung, flankiert durch eine Ausgleichsregelung, vorgelegen habe, obwohl Degussa einen entsprechenden Vorschlag gemacht habe. Regelmäßige multilaterale (mehr als 25 zwischen 1986 und 1999) und bilaterale Zusammenkünfte seien ein wesentliches Merkmal der Kartellführung gewesen. Sie hätten in 'Gipfeltreffen' und eher technisch ausgerichteten Zusammenkünften der Betriebs-/Verkaufsleiter bestanden.
16 Schließlich lasse sich die Durchführung des Kartells in drei getrennte Zeiträume untergliedern. Der erste Zeitraum, während dessen die Preise hoch gewesen seien, habe sich von Februar 1986 bis zum Jahr 1989 erstreckt und habe geendet, als Sumitomo aus dem Kartell ausgeschieden und Monsanto mit [Hydroxyanalogmethionin] in den Markt eingetreten sei. Während des zweiten Zeitraums, von 1989 bis 1991, seien die Preise dramatisch zurückgegangen. Bei den Kartellteilnehmern habe Unsicherheit über die beste Reaktion auf diese neue Lage geherrscht (Rückgewinnung von Marktanteilen oder Konzentration auf die Preise), und nach mehreren Zusammenkünften in den Jahren 1989 und 1990 seien sie zu dem Schluss gelangt, dass sie ihre Bemühungen auf die Erhöhung der Preise konzentrieren müssten. Im dritten und letzten Zeitraum von 1991 bis Februar 1999 habe die Zunahme der Verkäufe des von Monsanto (seit 1991 Novus) hergestellten [Hydroxyanalogmethionin] die Kartellteilnehmer veranlasst, vor allem das Preisniveau zu halten.
17 Die [streitige] Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:
'Artikel 1
Die gesamtschuldnerisch haftenden Aventis ... und [AAN], ... Degussa ... und ... Nippon Soda ... haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag sowie gegen Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie sich an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt haben.
Die Zuwiderhandlung dauerte von Februar 1986 bis Februar 1999.
...
Artikel 3
Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen verhängt:
- gegen Degussa ... eine Geldbuße von 118 125 000 EUR,
- gegen Nippon Soda ... eine Geldbuße von 9 000 000 EUR.
...'
18 Bei der Festsetzung der Geldbuße wandte die Kommission, ohne ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen, im Wesentlichen die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), beschriebene Vorgehensweise sowie die Mitteilung über Zusammenarbeit an.
19 Bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigte die Kommission erstens die Schwere der Zuwiderhandlung. Sie stellte fest, dass angesichts der Art des in Rede stehenden Verhaltens, seiner Auswirkungen auf den Methioninmarkt und der Größe des betroffenen räumlichen Marktes die Unternehmen, an die die [streitige] Entscheidung gerichtet sei, einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen begangen hätten (Randnrn. 270 bis 293 der [streitigen] Entscheidung).
20 Da die Kommission im Übrigen der Meinung war, dass eine Differenzierung vorzunehmen sei, um der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Unternehmen, Mitbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung zu tragen, und dass die Geldbuße so festzusetzen sei, dass sie eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleiste, hielt sie es angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den Unternehmen für angemessen, deren Weltmarktanteil bei Methionin zugrunde zu legen, so dass Rhône-Poulenc und Degussa eine erste Gruppe von Unternehmen bildeten und Nippon Soda allein die zweite Gruppe. Demzufolge legte die Kommission die Grundbeträge der Geldbußen bei Aventis/AAN und Degussa auf 35 Millionen Euro und bei Nippon Soda auf 8 Millionen Euro fest (Randnrn. 294 bis 302 der [streitigen] Entscheidung).
21 Um eine hinreichend abschreckende Wirkung zu gewährleisten und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind, war die Kommission schließlich der Ansicht, dass der sich aus der jeweiligen Marktstellung der Unternehmen ergebende Grundbetrag der gegen Aventis/AAN und Degussa festgesetzten Geldbußen erhöht werden müsse, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser beiden Unternehmen gerecht zu werden. Die Kommission beschloss daher, den Grundbetrag der Geldbuße bei Aventis/AAN und Degussa um 100 % auf 70 Millionen Euro zu erhöhen (Randnrn. 303 bis 305 der [streitigen] Entscheidung).
22 Was zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung betrifft, so nahmen nach Ansicht der Kommission Aventis/AAN, Degussa und Nippon Soda von Februar 1986 bis Februar 1999 über einen Zeitraum von zwölf Jahren und zehn Monaten fortgesetzt an der Zuwiderhandlung teil. Die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgelegten Grundbeträge der Geldbußen wurden deshalb um 10 % pro Jahr und 5 % pro Halbjahr, also um 125 %, erhöht. Der Grundbetrag der Geldbuße wurde daher bei Aventis/AAN und Degussa auf 157,5 Millionen Euro und bei Nippon Soda auf 18 Millionen Euro festgesetzt (Randnrn. 306 bis 312 der [streitigen] Entscheidung).
23 Drittens war die Kommission der Meinung, dass bei den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen weder erschwerende noch mildernde Umstände zu berücksichtigen seien (Randnrn. 313 bis 331 der [streitigen] Entscheidung).
24 Viertens schließlich setzte die Kommission in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit die Geldbuße von Aventis/AAN nach Abschnitt B dieser Mitteilung um 100 % herab. Dagegen vertrat sie die Ansicht, dass Nippon Soda und Degussa weder die Voraussetzungen für eine wesentlich niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt B noch die Voraussetzungen für eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllten. Sie erkannte allerdings an, dass Nippon Soda die Voraussetzungen von Abschnitt D Nummer 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung und Degussa die Voraussetzungen von Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich erfüllte, und ermäßigte deshalb die gegen diese Unternehmen verhängten Geldbußen um 50 % bzw. 25 % (Randnrn. 332 bis 355 der [streitigen] Entscheidung)."
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
4 Mit Klageschrift, die am 16. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Degussa Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung und, hilfsweise, auf Herabsetzung der darin verhängten Geldbuße.
5 Im Tenor des angefochtenen Urteils entschied das Gericht:
"1. Die in Artikel 3 der [streitigen] Entscheidung ... gegen [Degussa] festgesetzte Geldbuße wird auf 91 125 000 Euro herabgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. [Degussa] trägt ihre eigenen Kosten und 75 % der Kosten der Kommission.
4. Die Kommission trägt 25 % ihrer eigenen Kosten.
5. Der Rat trägt seine eigenen Kosten."
Anträge der Verfahrensbeteiligten
6 Degussa beantragt,
- das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit ihre Klage durch das Urteil abgewiesen worden ist;
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit Degussa betroffen ist;
- hilfsweise, die in Art. 3 der streitigen Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen;
- höchst hilfsweise, die Sache zur Entscheidung in Einklang mit der rechtlichen Beurteilung im Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen;
- in jedem Fall die Kommission zu verurteilen, die Kosten von Degussa für die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof zu tragen.
7 Die Kommission beantragt,
- das Rechtsmittel zurückzuweisen;
- Degussa die Kosten aufzuerlegen.
8 Der Rat beantragt,
- das Rechtsmittel zurückzuweisen;
- eine angemessene Kostenentscheidung zu treffen.
Zum Rechtsmittel
9 Degussa stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Sie rügt erstens eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen, zweitens eine Verfälschung des Sachverhalts und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung im Rahmen der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung, drittens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Begründungspflicht bei der Neufestsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Festlegung des "Abschreckungsfaktors".
Erster Rechtsmittelgrund: Fehlerhafte Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
10 Im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft Degussa dem Gericht vor, das Gemeinschaftsrecht dadurch verletzt zu haben, dass es die Anforderungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen missachtet und diesen Grundsatz deshalb bei der Prüfung von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 falsch angewandt habe. Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen.
- Erster Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Fehlerhafte Auslegung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen
11 Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft Degussa dem Gericht vor, es habe in den Randnrn. 74 bis 83 des angefochtenen Urteils den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen falsch ausgelegt, indem es verkannt habe, dass sich dieser Grundsatz an den Gesetzgeber wende, der selbst für die notwendige Bestimmtheit einer Sanktionsnorm sorgen müsse und diese Aufgabe nicht dem Rechtsanwender überlassen dürfe. Das Gericht habe vielmehr ausgeführt, wie die Gemeinschaftsgerichte und die Kommission selbst die unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 präzisiert hätten. Dadurch habe das Gericht die Anforderungen, die der genannte Grundsatz an den Rat als Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 83 EG stelle, unterbewertet und infolgedessen die Rechtswidrigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 zu Unrecht verneint.
12 Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es weder geprüft noch festgestellt habe, ob im Wortlaut von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 der Umfang und die Modalitäten der Ausübung des der Kommission eingeräumten Ermessens bei der Bußgeldverhängung hinreichend deutlich festgelegt seien. Es habe in den Randnrn. 75 und 76 des angefochtenen Urteils lediglich geprüft, ob der Rat das Ermessen der Kommission überhaupt eingeschränkt habe, nicht aber, ob diese Einschränkung das rechtsstaatlich gebotene Maß an Vorhersehbarkeit der Geldbußen gewährleiste.
13 Das Gericht habe damit Stellenwert und Inhalt des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergebe, verkannt. Es habe diesem Grundsatz in den Randnrn. 66 und 74 bis 76 des angefochtenen Urteils einen niedrigeren als den ihm nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zukommenden Stellenwert zuerkannt.
14 Ferner habe das Gericht in Randnr. 73 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft verkannt, dass der genannte Grundsatz nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten in dem von ihr vertretenen Sinne ausgelegt werde, nämlich dahin, dass er vom Gesetzgeber verlange, die Höhe der Geldbußen hinreichend präzise zu bestimmen.
15 Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 werde dem durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen bedingten Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit nicht gerecht. Zudem sei die Analyse des Gerichts in Randnr. 75 des angefochtenen Urteils, wonach diese Bestimmung eine bezifferbare und absolute Obergrenze enthalte, die es erlaube, den Höchstbetrag der Geldbuße im Voraus zu bestimmen, schlicht unzutreffend. Die betreffende Obergrenze hänge vom Umsatz ab, der jederzeit erheblich variieren könne, und der Rat habe noch nicht einmal explizit festgelegt, auf welches Geschäftsjahr es für die Berechnung der Obergrenze der Geldbuße ankomme.
16 Schließlich habe das Gericht in Randnr. 78 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft verkannt, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission ein Ermessen bei der Entscheidung darüber einräume, ob sie eine Geldbuße verhänge oder nicht. Dieses gesetzgeberische Versäumnis könne entgegen der in Randnr. 78 vertretenen Ansicht weder durch die Leitlinien noch durch die Mitteilung über Zusammenarbeit oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze kompensiert werden.
17 Die Kommission vertritt die Auffassung, das Gericht habe den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zutreffend ausgelegt, so dass die insoweit geäußerte Kritik von Degussa unbegründet sei und keinen Rechtsfehler erkennen lasse, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könne.
18 Die Kompetenzverteilung zwischen dem Rat, den Gemeinschaftsgerichten und der Kommission sei nicht verletzt worden. Der Begriff "Recht" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entspreche nämlich dem in anderen Bestimmungen der EMRK verwendeten Begriff "Gesetz" und umfasse sowohl das Gesetzes- als auch das Richterrecht.
19 Der Vorwurf von Degussa, das Gericht habe nur geprüft, ob der Rat in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 das Ermessen der Kommission eingeschränkt habe, nicht aber, ob diese Einschränkung das rechtsstaatlich gebotene Maß an Vorhersehbarkeit der Geldbußen gewährleiste, sei unbegründet. Eine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung könne nicht allein auf der Grundlage ihres Wortlauts ausgelegt werden, und das Gericht habe jedenfalls entgegen der Behauptung von Degussa die Frage, ob das fragliche Maß an Vorhersehbarkeit gewährleistet sei, nicht unbeantwortet gelassen, sondern in seiner in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils gezogenen Schlussfolgerung bejaht.
20 Damit fehle der Behauptung von Degussa, das Gericht habe Stellenwert und Inhalt des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen verkannt, die Grundlage. Das Gericht habe in den Randnrn. 66 und 74 bis 76 des angefochtenen Urteils den Stellenwert dieses Grundsatzes nicht entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs relativiert.
21 Dem Gericht könne auch nicht vorgeworfen werden, verkannt zu haben, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten in dem von Degussa vertretenen Sinn ausgelegt werde.
22 Außerdem habe das Gericht völlig zu Recht festgestellt, dass die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze für Geldbußen in Höhe von 10 % absolut, bezifferbar und anhand des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr bestimmbar sei.
23 Der Vorwurf von Degussa, das Gericht habe in Randnr. 78 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, könne im Übrigen schon deshalb nicht ernst genommen werden, weil sie diese Ausführungen nur teilweise zur Kenntnis nehme. Das Gericht verweise nämlich nicht nur auf die Selbstbeschränkung, die sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens auferlege, sondern auch auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze und die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften sowie den Grundsatz des freien Wettbewerbs, die allesamt von der Kommission bei der Entscheidung darüber, ob sie eine Geldbuße festsetze, beachtet werden müssten.
24 Der Rat ist wie die Kommission der Ansicht, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen habe, als es entschieden habe, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen verstoße. Das Vorbringen von Degussa hierzu sei deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
25 Der Rat macht geltend, er habe mit dem Erlass von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 als Gesetzgeber die gegebenenfalls zu verhängenden Sanktionen selbst hinreichend präzise bestimmt, um dem verfolgten Unternehmen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren. Er macht sich insoweit den Standpunkt des Gerichts zu eigen und führt aus, die betreffende Bestimmung stelle eine klare und unzweideutige Rechtsgrundlage dar, die es den Wirtschaftsteilnehmern in Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen gestatte, die möglichen Folgen ihres Handelns abzusehen.
26 Außerdem vertritt der Rat die Auffassung, dass mit den in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Kriterien und Beschränkungen das erforderliche Maß an Vorhersehbarkeit der Geldbußen gewährleistet sei und nicht die Rede davon sein könne, dass diese Vorschrift der Kommission ein Ermessen gewähre.
- Zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen
27 Mit dem zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft Degussa dem Gericht vor, es habe den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen fehlerhaft angewandt und sei in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils zu dem falschen Schluss gekommen, ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer könne hinreichend genau die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohten. Die Bußgeldpraxis der Kommission sei unberechenbar und könne sich jederzeit ändern.
28 Das Gericht verkenne in den Randnrn. 77 bis 82 des angefochtenen Urteils, dass weder die Leitlinien noch die Gemeinschaftsrechtsprechung oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze die Unbestimmtheit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 auf ein mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen vereinbares Maß reduziert hätten.
29 In Bezug auf die Leitlinien führt Degussa eine Reihe von Beispielen insbesondere zur Festlegung des Ausgangsbetrags der Geldbuße und zur Anwendung des Abschreckungsfaktors an, um deutlich zu machen, dass diese die Unbestimmtheit der betreffenden Bestimmung nicht wesentlich verringert hätten und entgegen den Feststellungen des Gerichts in Randnr. 82 des angefochtenen Urteils den Unternehmen keine Rechtssicherheit verschafften. Insoweit sei auch die Behauptung des Gerichts in Randnr. 79 des angefochtenen Urteils unzutreffend, gerade die vom Gemeinschaftsrichter ausgeübte Kontrolle habe es ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Rechtsbegriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 zu präzisieren.
30 Zur Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte trägt Degussa vor, es sei noch nicht gelungen, den schillernden Begriff der Schwere der Zuwiderhandlung hinreichend zu präzisieren. Desgleichen gebe die Rechtsprechung der Kommission in Bezug auf die Methode der Bußgeldbemessung völlig freie Hand, solange nur die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Grenze von 10 % eingehalten werde.
31 Zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit stellt Degussa fest, auch sie könnten die Unbestimmtheit der genannten Vorschrift entgegen der Ansicht, die das Gericht in den Randnrn. 77 und 78 des angefochtenen Urteils vertreten habe, nicht kompensieren.
32 Die Kommission entgegnet, das Gericht habe den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen richtig angewandt; die insoweit geäußerte Kritik von Degussa sei unbegründet. Außerdem könnten die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen nicht willkürlich geändert werden, und die Bußgeldpraxis der Kommission sei, anders als von Degussa suggeriert, keineswegs unberechenbar.
33 Entgegen den Behauptungen von Degussa trügen die Leitlinien dazu bei, die Rechtssicherheit für die Unternehmen zu erhöhen. Die Kritik von Degussa an den Leitlinien sei unbegründet und verkenne das Ausmaß der Selbstbindung, die sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens auferlegt habe und auf die das Gericht in Randnr. 82 des angefochtenen Urteils verwiesen habe. Ebenso wenig seien die Vorwürfe von Degussa begründet, dass weder die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte noch die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Unbestimmtheit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 hätten abhelfen können.
34 Der Rat ist wie die Kommission der Ansicht, dass das Gericht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zutreffend angewandt habe und dass das Vorbringen von Degussa hierzu als unbegründet zurückzuweisen sei.
35 Die mit der Rechtsanwendung betrauten Behörden und die Gemeinschaftsgerichte wachten hinreichend über die Einhaltung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen. Die Entscheidungen der Kommission, einschließlich der von ihr erlassenen Leitlinien, und die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte böten dem verfolgten Unternehmen angemessenen Schutz vor Willkür.
Würdigung durch den Gerichtshof
36 Da die beiden Teile des ersten Rechtsmittelgrundes eng miteinander zusammenhängen, sind sie gemeinsam zu prüfen.
37 Zunächst ist zur Klärung der Frage, ob das Gericht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen falsch angewandt hat, dessen Tragweite zu bestimmen.
38 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, die den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegen, auch durch verschiedene völkerrechtliche Verträge, vor allem durch Art. 7 Abs. 1 EMRK, gewährleistet wird (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Dezember 1996, X, C-74/95 und C-129/95, Slg. 1996, I-6609, Randnr. 25, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnrn. 215 bis 219, und vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld, C-303/05, Slg. 2007, I-3633, Randnr. 49).
39 Aus diesem Grundsatz folgt, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (vgl. Urteil Advocaten voor de Wereld, Randnr. 50).
40 Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Klarheit des Gesetzes nicht nur anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung zu beurteilen, sondern auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. u. a. EGMR, Urteil G./Frankreich vom 27. September 1995, Serie A, Nr. 325-B, § 25). Insoweit hat der Gerichtshof anerkannt, dass nach dieser Rechtsprechung der Begriff "Recht" im Sinne von Art. 7 Abs. 1 EMRK dem in anderen Bestimmungen der EMRK verwendeten Begriff "Gesetz" entspricht und sowohl das Gesetzes- als auch das Richterrecht umfasst (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 216).
41 Daher ist im Licht der oben genannten grundsätzlichen Erwägungen zu prüfen, ob das Gericht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen im angefochtenen Urteil falsch ausgelegt hat.
42 Dazu ist zunächst festzustellen, dass das Gericht in den Randnrn. 66 bis 73 des angefochtenen Urteils eine Auslegung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen vorgenommen hat, die mit den Ausführungen in den Randnrn. 38 bis 40 des vorliegenden Urteils in Einklang steht.
43 So hat das Gericht in Randnr. 66 des angefochtenen Urteils entschieden, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist, der verlangt, dass jede Gemeinschaftsregelung klar und bestimmt ist.
44 Ferner hat das Gericht in den Randnrn. 69 bis 72 des angefochtenen Urteils die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 EMRK korrekt wiedergegeben. Es hat dort zutreffend ausgeführt, dass die genannte Vorschrift nicht verlangt, dass der Wortlaut der einschlägigen Bestimmung, aufgrund deren eine Sanktion verhängt wird, so genau formuliert ist, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind.
45 Das Gericht hat auch zu Recht, gestützt auf die genannte Rechtsprechung, in Randnr. 72 des angefochtenen Urteils zum einen hervorgehoben, dass das mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen einhergehende Erfordernis der Vorhersehbarkeit einem durch das Gesetz verliehenen Ermessen, dessen Umfang und Ausübungsmodalitäten hinreichend deutlich festgelegt sind, nicht entgegensteht, und zum anderen hinzugefügt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in diesem Zusammenhang neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage berücksichtigt, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden.
46 Insoweit kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, dass es die Anforderungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen verkannt habe, da dieser sich an den Gesetzgeber richte, der allein darauf achten müsse, dass die Sanktionsnorm hinreichend genau definiert werde. Denn wie sich aus Randnr. 40 des vorliegenden Urteils ergibt, ist die Klarheit des Gesetzes sowohl anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung als auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung zu beurteilen; genau darauf hat das Gericht in Randnr. 72 des angefochtenen Urteils hingewiesen.
47 Desgleichen ist schon der Wortlaut des angefochtenen Urteils, insbesondere seiner Randnrn. 66 bis 74, ein ausreichender Beleg dafür, dass die Rüge von Degussa, das Gericht habe den Stellenwert, den der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs habe, zu gering eingeschätzt, keinen Erfolg haben kann.
48 Folglich hat das Gericht im angefochtenen Urteil die Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ergeben, nicht verkannt; die dahin gehenden Vorwürfe von Degussa sind somit unbegründet.
49 Sodann ist zu klären, ob das Gericht bei der Prüfung von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er nach den Randnrn. 38 bis 40 des vorliegenden Urteils auszulegen ist, korrekt angewandt hat.
50 Im Rahmen dieser Prüfung, die hauptsächlich in den Randnrn. 74 bis 83 des angefochtenen Urteils vorgenommen wird, hat das Gericht insbesondere zu Recht ausgeführt, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission zwar ein weites Ermessen belässt, doch dessen Ausübung durch die Einführung objektiver Kriterien beschränkt, an die sich die Kommission halten muss. Insoweit hat es, gestützt auf den Wortlaut der genannten Bestimmung, in Randnr. 75 des angefochtenen Urteils zu Recht deutlich gemacht, dass die mögliche Geldbuße eine bezifferbare und absolute Obergrenze hat, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße eines konkreten Unternehmens im Voraus bestimmbar ist.
51 Im weiteren Verlauf seiner Analyse hat das Gericht in Randnr. 77 des angefochtenen Urteils zutreffend angegeben, dass die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat, wie sie durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts entwickelt wurden.
52 In Randnr. 78 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt, dass die Ermessensausübung auch durch die Verhaltensregeln eingeschränkt wird, die sich die Kommission selbst in der Mitteilung über Zusammenarbeit und den Leitlinien auferlegt hat.
53 In Bezug auf die Leitlinien hat das Gericht in Randnr. 82 der angefochtenen Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass diese nach Ansicht des Gerichtshofs eine Verhaltensnorm aufstellen, von der die Kommission nicht abweichen kann, ohne wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung und den Vertrauensschutz mit einer Sanktion belegt zu werden, und dass sie Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen schaffen, indem sie das Verfahren regeln, das sich die Kommission zur Festsetzung der nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen auferlegt hat.
54 Ferner hat das Gericht in Randnr. 79 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass der Gerichtshof und das Gericht mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen befinden, mit denen die Kommission eine Geldbuße festsetzt, und somit sowohl diese Entscheidungen für nichtig erklären als auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen können. Das Gericht hat richtigerweise die Auffassung vertreten, dass die bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis der Kommission mithin der umfassenden Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter unterliegt und dass diese es ermöglicht hat, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 zu präzisieren.
55 Aus all diesen Erwägungen hat das Gericht in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils den zutreffenden Schluss gezogen, dass ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer - falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters - in hinreichend genauer Weise die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen kann, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen, und dass die Tatsache, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau erkennen kann, keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen darstellt.
56 Aus den Randnrn. 74 bis 83 des angefochtenen Urteils geht somit hervor, dass das Gericht bei der Analyse von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen in Einklang mit den in den Randnrn. 38 bis 40 des vorliegenden Urteils angeführten Erwägungen korrekt angewandt hat.
57 Insbesondere ist festzustellen, dass das Gericht in den Randnrn. 74 bis 83 des angefochtenen Urteils die klar definierten Modalitäten und Grenzen berücksichtigt hat, die der Kommission bei der Ausübung des ihr durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessens in Einklang mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit, das mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen einhergeht, gesetzt sind. Bei der Beurteilung der Klarheit dieser Regelung hat das Gericht auch zu Recht der Tatsache Rechnung getragen, dass die Ausübung des fraglichen Ermessens der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter unterliegt, die es ermöglicht hat, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung die Kriterien und die Berechnungsmethode zu präzisieren, die die Kommission im Rahmen der Festsetzung der Geldbußen anwenden muss.
58 Dem Gericht kann auch nicht vorgeworfen werden, nicht geprüft zu haben, ob der Wortlaut von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 das rechtsstaatlich gebotene Maß an Vorhersehbarkeit gewährleistete. Abgesehen davon, dass - wie Randnr. 40 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist - die Klarheit des Gesetzes sowohl anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung als auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung zu beurteilen ist, genügt die Feststellung, dass eine solche Prüfung insbesondere in den Randnrn. 75 und 83 des angefochtenen Urteils vorgenommen wurde, wobei die letztgenannte Randnummer die Schlussfolgerung enthält, zu der das Gericht in Bezug auf die hinreichende Vorhersehbarkeit der Berechnungsmethode und der Höhe der aufgrund der genannten Vorschrift verhängten Geldbußen zu Recht gelangt ist.
59 Degussa macht überdies geltend, das Gericht habe in den Randnrn. 77 bis 82 des angefochtenen Urteils verkannt, dass weder die Leitlinien noch die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze die Unbestimmtheit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 hinreichend reduziert hätten.
60 Dem kann nicht gefolgt werden. Wie vom Gericht in Randnr. 82 des angefochtenen Urteils ausgeführt, hat der Gerichtshof in Bezug auf die Leitlinien bereits entschieden, dass sie eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens enthalten, das sich die Kommission zur Festsetzung der nach Art. 15 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen auferlegt hat, und damit Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 213, und Urteil vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935, Randnr. 209).
61 Es kann auch nicht bestritten werden, dass die gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zur Klarstellung der Kriterien und der Berechnungsmethode beigetragen hat, die die Kommission im Rahmen der Festsetzung der Geldbußen anwenden muss. Insoweit wurden die in dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien von der Kommission insbesondere bei der Erstellung der Leitlinien herangezogen und haben es ihr ermöglicht, eine bekannte und zugängliche Entscheidungspraxis zu entwickeln (vgl. Urteil JCB Service/Kommission, Randnr. 209).
62 In diesem Zusammenhang kann auch die gegen allgemeine Rechtsgrundsätze gerichtete Kritik von Degussa keinen Erfolg haben. Von diesen Grundsätzen und insbesondere den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ließ sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen eindeutig leiten. Degussa selbst nimmt im Übrigen in ihrem Vorbringen auf die genannten Grundsätze und die betreffende Rechtsprechung Bezug.
63 Aus alledem folgt, dass das Gericht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen nicht fehlerhaft ausgelegt oder angewandt hat. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.
Zweiter Rechtsmittelgrund: Verfälschung des Sachverhalts und Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung
64 Auch der zweite Rechtsmittelgrund von Degussa besteht aus zwei Teilen.
Erster Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Verfälschung des Sachverhalts bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung
- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
65 Mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes rügt Degussa, das Gericht habe im Rahmen der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils den Inhalt des Vermerks von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 verfälscht. Die Beurteilungsfehler des Gerichts, die zu der Verfälschung geführt hätten, lägen darin, dass es dem Vermerk eine wettbewerbsfeindliche Gesinnung von Degussa während ihrer Teilnahme an den Treffen mit Wettbewerbern im Zeitraum von Herbst 1988 bis Herbst 1990 sowie einen wettbewerbswidrigen Zweck und Inhalt dieser Treffen entnommen habe. Tatsächlich gehe aus dem Vermerk genau das Gegenteil hervor.
66 Außerdem habe das Gericht unerwähnt gelassen, dass in dem von der Kommission durchgeführten Verwaltungsverfahren nicht nur Degussa der Sachverhaltsschilderung von Nippon Soda unmissverständlich widersprochen habe, sondern auch ein anderer Zeuge, Rhône-Poulenc, bestätigt habe, dass die anfänglichen Vereinbarungen im Jahr 1988 beendet worden und vollkommen getrennt von den Vereinbarungen der neunziger Jahre zu sehen seien.
67 Schließlich widersprächen die unzutreffenden Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils den Ausführungen in Randnr. 241, wonach "von Herbst 1988 bis Sommer 1990 die Uneinigkeit der Kartellmitglieder zusammen mit der Konkurrenz durch den neuen Marktteilnehmer und dem generellen Rückgang der Nachfrage zu einem erheblichen Preisverfall führte ... Dies gilt umso mehr, als - wie die Prüfung der Dauer der Zuwiderhandlung ergeben hat - nicht nachgewiesen werden konnte, dass in diesem Zeitraum eine Preisabsprache getroffen wurde."
68 Die Kommission hält diesen ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
69 Degussa erkläre zwar, sie rüge eine Verfälschung des Inhalts des Vermerks von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 durch das Gericht. In Wirklichkeit mache sie jedoch einen Beurteilungsfehler geltend, der nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels unterliege. Degussa greife nämlich keine der Feststellungen an, die das Gericht in den Randnrn. 123 und 125 des angefochtenen Urteils zum Inhalt dieses Vermerks getroffen habe. Außerdem habe das Gericht dessen Inhalt zutreffend festgestellt, und die Behauptung, der Vermerk sei durch das Gericht verfälscht worden, sei unbegründet.
70 Im Übrigen zeige bereits eine flüchtige Lektüre der Randnrn. 125, 127 und 128 des angefochtenen Urteils, dass es den von Degussa behaupteten Widerspruch zu Randnr. 241 nicht gebe.
- Würdigung durch den Gerichtshof
71 Auch wenn Degussa formal geltend macht, dass das Gericht den Inhalt des Vermerks von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 verfälscht habe, versucht sie der Sache nach, die Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen.
72 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus den Art. 225 EG und 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs, dass allein das Gericht für die Feststellung der Tatsachen - sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind - und für ihre Würdigung zuständig ist. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 225 EG zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt (vgl. u. a. Urteil vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C-551/03 P, Slg. 2006, I-3173, Randnr. 51, und Urteil JCB Service/Kommission, Randnr. 106).
73 Zudem ist der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es nämlich allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. u. a. Urteile General Motors/Kommission, Randnr. 52, und JCB Service/Kommission, Randnr. 107).
74 Ferner ist daran zu erinnern, dass sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben muss, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (vgl. u. a. Urteile General Motors/Kommission, Randnr. 54, und JCB Service/Kommission, Randnr. 108).
75 Bei der vom Gericht in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Würdigung handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, die im Rahmen eines Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden kann, da Degussa nicht dargetan hat, dass das Gericht den Inhalt des Vermerks von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 verfälscht hat.
76 Daher ist das Vorbringen von Degussa im Rahmen des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes, der Inhalt des genannten Vermerks sei verfälscht worden, als unzulässig zurückzuweisen.
77 Das Vorbringen von Degussa, das Gericht habe unerwähnt gelassen, dass nicht nur sie in dem von der Kommission durchgeführten Verwaltungsverfahren der Sachverhaltsschilderung von Nippon Soda widersprochen habe, geht ins Leere.
78 Da nämlich allein das Gericht zu beurteilen hat, welcher Wert den ihm vorgelegten Beweisen beizumessen ist, hätte auch die Erwähnung der genannten Tatsache durch das Gericht keinen Einfluss auf den von ihm in Randnr. 137 des angefochtenen Urteils gezogenen Schluss, wonach die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten habe, dass Degussa in der Zeit von Ende 1998 bis Sommer 1990 an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen habe.
79 Auch dem Vorbringen von Degussa, die von ihm als unzutreffend gerügten Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils stünden in Widerspruch zu dessen Randnr. 241, kann nicht gefolgt werden, denn es ist unbegründet.
80 Hierzu genügt die Feststellung, dass schon der Wortlaut der Randnrn. 125 bis 128 des angefochtenen Urteils, in denen es ausdrücklich heißt, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass es in der Zeit von Ende 1998 bis Sommer 1990 eine Preisabsprache gegeben habe, in rechtlich hinreichender Weise belegt, dass kein Widerspruch zu Randnr. 241 des Urteils besteht.
81 Da das Vorbringen zur Stützung des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes somit teils unzulässig ist, teils ins Leere geht und teils unbegründet ist, ist dieser Teil zurückzuweisen.
Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung
- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
82 Mit dem zweiten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes rügt Degussa, das Gericht habe in den Randnrn. 121 bis 140 des angefochtenen Urteils gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung und das Grundrecht auf ein faires Verfahren verstoßen, da es den Vermerk von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 verfälscht und seine unzutreffenden Feststellungen zu ihrer angeblichen Beteiligung an Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in der Zeit von Ende 1998 bis Sommer 1990 allein auf die falsche Erklärung von Nippon Soda vom 23. Februar 2000 gestützt habe, ohne sich mit deren Glaubwürdigkeit kritisch auseinanderzusetzen.
83 Zu beanstanden sei die Art der Beweiswürdigung durch das Gericht und insbesondere die fehlende Angabe der Gründe, aus denen die Erklärung von Nippon Soda vom 23. Februar 2000 glaubwürdig sein solle, die gegenteiligen Aussagen von Rhône-Poulenc und Degussa dagegen falsch. Das Gericht sei gerade im vorliegenden Fall, in dem Aussage gegen Aussage stehe, verpflichtet gewesen, die genannte Erklärung kritisch zu hinterfragen; in einem solchen Fall dürfe den Erklärungen, die ein Unternehmen im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Kommission abgebe, nur Glauben geschenkt werden, wenn sie durch weitere, unabhängige Beweise gestützt würden.
84 Die Kommission ist der Ansicht, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung vorliege, und führt aus, die Beurteilung der Beweiskraft eines Schriftstücks durch das Gericht unterliege grundsätzlich nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels. Die Behauptung von Degussa, hier stehe Aussage gegen Aussage und in einem solchen Fall dürfe den Erklärungen eines Unternehmens im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Kommission nur dann Glauben geschenkt werden, wenn sie durch weitere, unabhängige Beweise gestützt würden, rechtfertige keine Ausnahme von dem genannten Grundsatz.
- Würdigung durch den Gerichtshof
85 Mit diesem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes versucht Degussa der Sache nach, den Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittels erneut mit der vom Gericht vorgenommenen tatsächlichen Würdigung des Beweiswerts von Aktenstücken zu befassen, aus denen das Gericht geschlossen hat, die Kommission habe zu Recht die Ansicht vertreten, dass Degussa in der Zeit von Ende 1998 bis Sommer 1990 an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen habe.
86 Wie in den Randnrn. 72 und 73 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es aber allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen, während der Gerichtshof nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt ist, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Dessen Beurteilung ist somit - sofern die Beweise nicht verfälscht werden, was Degussa hier nicht dargetan hat - keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt.
87 Folglich ist der zweite Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes unzulässig, so dass der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt als teils unzulässig, teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen ist.
Dritter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Begründungspflicht bei der Neufestsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße
88 Auch der dritte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen.
Erster Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Neufestsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße
- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
89 Mit dem ersten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes wirft Degussa dem Gericht vor, es habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, indem es in Randnr. 254 des angefochtenen Urteils den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrag der Geldbuße nur von 35 auf 30 Mio. Euro herabgesetzt habe, obwohl die Kommission, wie in den Randnrn. 234 und 243 des Urteils zu Recht festgestellt werde, für neun der dreizehn Jahre, auf die sich die streitige Entscheidung beziehe, den Nachweis von Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Preis von Methionin schuldig geblieben sei.
90 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Grundsatz der schuldangemessenen Strafe verlange, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße dem begangenen Unrecht angemessen sei, und gebiete daher eine größere Herabsetzung dieses Betrags. Der Unrechtsgehalt einer Zuwiderhandlung bestimme sich nicht nur nach dem Handlungsunrecht, sondern auch nach dem Erfolgsunrecht; beide Kriterien seien entgegen der vom Gericht in Randnr. 250 des angefochtenen Urteils vertretenen Ansicht mindestens gleichwertig.
91 Die Kommission ist der Auffassung, dass der Gerichtshof bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der Geldbußen entscheide, nicht aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung ersetzen dürfe. Der Gerichtshof könne daher im Rechtsmittelverfahren nicht überprüfen, ob der vom Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzte Betrag der Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung stehe, wie sie vom Gericht im Anschluss an seine Sachverhaltswürdigung festgestellt worden seien.
92 Im Übrigen entspreche die Bedeutung, die das Gericht der hinter dem Verhalten steckenden Absicht im Vergleich zu dessen Wirkungen beigemessen habe, der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Das Gericht habe daher nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
- Würdigung durch den Gerichtshof
93 Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes rügt Degussa im Wesentlichen, dass die vom Gericht in Randnr. 254 des angefochtenen Urteils festgesetzte Geldbuße angesichts seiner Feststellungen in den Randnrn. 245 bis 253 dieses Urteils unbillig sei. Sie möchte nämlich nur eine andere Gewichtung der vom Gericht bei der Festsetzung der Geldbuße herangezogenen Gesichtspunkte erreichen.
94 Wie bereits in den Randnrn. 72 und 73 des vorliegenden Urteils ausgeführt, erstreckt sich die Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels aber nicht auf die Tatsachenfeststellungen des Gerichts, es sei denn, ausweislich der Prozessakten sind diese Feststellungen tatsächlich falsch, die Beweise sind vom Gericht verfälscht worden, die von ihm vorgenommene rechtliche Einordnung der Tatsachen ist fehlerhaft oder es geht darum, ob die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten wurden.
95 Ebenso wenig darf der Gerichtshof bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts verhängten Geldbußen entscheidet (vgl. u. a. Urteile vom 6. April 1995, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, C-310/93 P, Slg. 1995, I-865, Randnr. 34, und vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C-328/05 P, Slg. 2007, I-3921, Randnr. 98).
96 Folglich ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen.
Zweiter Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen die Begründungspflicht bei der Neufestsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße
- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
97 Mit dem zweiten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes macht Degussa geltend, das Gericht habe dadurch gegen seine Begründungspflicht verstoßen, dass es in den Randnrn. 252 bis 254 des angefochtenen Urteils widersprüchliche Feststellungen in Bezug auf den Zeitraum von Herbst 1988 bis Herbst 1990 getroffen habe.
98 Das Gericht widerspreche sich nämlich, wenn es in den genannten Randnummern ausführe, dass die Zuwiderhandlung "besonders schwer" gewesen sei, während es in den Randnrn. 183 und 241 des angefochtenen Urteils zutreffend feststelle, dass zwischen Herbst 1988 und Herbst 1990 überhaupt keine Preisabsprache getroffen worden sei. Während dieser zwei Jahre habe es somit nicht nur keine Auswirkungen auf den Preis von Methionin gegeben, sondern es habe schon gar keine ihrer Art nach "besonders schwere" Zuwiderhandlung vorgelegen.
99 Daraus folge, dass der vom Gericht festgesetzte Ausgangsbetrag der Geldbuße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und dass er sich entsprechend der Untergrenze der Leitlinien für einen "besonders schweren" Verstoß auf 20 Mio. Euro hätte belaufen müssen.
100 Nach Ansicht der Kommission entspricht die Begründung des Gerichts in den Randnrn. 252 bis 254 des angefochtenen Urteils in jeder Hinsicht den Anforderungen der einschlägigen ständigen Rechtsprechung. Von widersprüchlichen Feststellungen des Gerichts in Bezug auf das Fehlen einer Preisabsprache zwischen Herbst 1988 und Herbst 1990 könne keine Rede sein.
101 Das Gericht habe auch nicht deswegen einen Beurteilungsfehler begangen, weil es den Umstand, dass die Kommission für zwei von dreizehn Jahren der Zuwiderhandlung keine Preisabsprachen habe nachweisen können, nicht zum Anlass genommen habe, ihre Einordnung der Zuwiderhandlung als "besonders schwer" zu korrigieren.
- Würdigung durch den Gerichtshof
102 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob die Begründung eines Urteils des Gerichts widersprüchlich oder unzureichend ist, eine Rechtsfrage ist, die als solche im Rahmen eines Rechtsmittels aufgeworfen werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 7. Mai 1998, Somaco/Kommission, C-401/96 P, Slg. 1998, I-2587, Randnr. 53, und vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C-3/06 P, Slg. 2007, I-1331, Randnr. 45).
103 Im Übrigen verlangt die Begründungspflicht, die das Gericht gemäß Art. 36 Satz 1 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs hat, nach ständiger Rechtsprechung nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es dem von einem Urteil Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung des Gerichts zu erfahren, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 372, vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnr. 72, und vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C-362/05 P, Slg. 2007, I-4333, Randnr. 78).
104 Im vorliegenden Fall hat das Gericht im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung in Randnr. 252 des angefochtenen Urteils zu Recht an seine Rechtsprechung erinnert, nach der horizontale Preisabsprachen stets zu den schwersten Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gezählt worden sind. Weiter hat es in Randnr. 253 des Urteils hervorgehoben, dass die Kommission ihre Beurteilung auch auf andere Gesichtspunkte gestützt habe, und zwar insbesondere auf die Feststellung, dass die Zuwiderhandlung ihrem Wesen nach als besonders schwer einzustufen sei. Schließlich hat es aus den Erwägungen in den Randnrn. 245 bis 253 des angefochtenen Urteils in Randnr. 254 den Schluss gezogen, dass die Kommission die Zuwiderhandlung zu Recht als besonders schwer eingestuft habe.
105 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Inhalt der Begründung des Gerichts in den Randnrn. 252 bis 254 des angefochtenen Urteils in vollem Umfang den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung genügt.
106 Aus den Randnrn. 252 bis 254 des angefochtenen Urteils geht zudem hervor, dass kein Widerspruch zu den Randnrn. 183 und 241 besteht, in denen es heißt, die Kommission habe nicht nachweisen können, dass in der Zeit von Herbst 1988 bis Herbst 1990 eine Preisabsprache getroffen worden sei. Die Feststellung des Gerichts in den letztgenannten Randnummern hinderte es nicht daran, im Rahmen der Schwere der Zuwiderhandlung mehrere Beurteilungskriterien, darunter insbesondere das Wesen der Zuwiderhandlung, heranzuziehen und zutreffend zu entscheiden, dass die Kommission die fragliche Zuwiderhandlung zu Recht als besonders schwer eingestuft habe. Im Übrigen hält sich das Gericht genau an die Leitlinien, in denen horizontale Preisabsprachen, wie sie hier nachgewiesen wurden, ebenfalls als besonders schwere Zuwiderhandlungen eingestuft werden.
107 Folglich weist die Begründung des Urteils des Gerichts keinen Widerspruch auf, so dass der zweite Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, als unbegründet zurückzuweisen ist.
108 Daher ist der dritte Rechtsmittelgrund in vollem Umfang zurückzuweisen, teils als unzulässig und teils als unbegründet.
Vierter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Festlegung des "Abschreckungsfaktors"
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
109 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund rügt Degussa, das Gericht habe den Aufschlag auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße, der deren hinreichend abschreckende Wirkung sicherstellen solle, in Randnr. 342 des angefochtenen Urteils nicht entsprechend dem Größenunterschied zwischen ihr und Aventis herabgesetzt und dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.
110 Das Gericht habe zwar in den Randnrn. 333 und 339 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass der Aufschlag den erheblichen Größenunterschied zwischen Aventis und ihr widerspiegeln müsse; es habe aber den Aufschlag in ihrem Fall nur um 20 Prozentpunkte (von 100 % auf 80 %) gesenkt, obwohl ihr Umsatz um mehr als 33 % unter dem von Aventis gelegen habe, wie das Gericht in Randnr. 334 seines Urteils selbst festgestellt habe.
111 Auch die hierfür vom Gericht in Randnr. 341 des angefochtenen Urteils gegebene Begründung, dass Degussa über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfüge, rechtfertige nicht die teilweise Nivellierung des von ihm festgestellten erheblichen Größenunterschieds. Diese Begründung sei widersprüchlich und stehe nicht mit der Rechtsprechung in Einklang, wonach der Abschreckungsaufschlag allein von der Größe des Unternehmens abhänge. Die genannte Infrastruktur beruhe nämlich auf den Gesamtressourcen des Unternehmens und damit auf seiner Größe. Das Gericht hätte diese Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Infrastruktur berücksichtigen müssen und die Gesamtressourcen von Degussa nicht in der Annahme, sie verfüge in gleichem Maß über juristische und wirtschaftliche Ressourcen wie Aventis, überschätzen dürfen.
112 Die Kommission führt aus, Degussa stelle erneut die Verhältnismäßigkeit der vom Gericht festgesetzten Geldbuße in Frage; das Gericht habe aber sehr wohl den Größenunterschied zwischen Degussa und Aventis berücksichtigt, indem es den Aufschlag auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verringert habe. Die Rüge, das Gericht habe dabei gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, sei aus den bereits im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes in Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dargelegten Gründen zurückzuweisen.
113 Im Übrigen sei das Gericht nicht verpflichtet gewesen, die Korrektur des Abschreckungsaufschlags im Fall von Degussa so zu bemessen, dass darin die gesamte Differenz zwischen ihrem Umsatz und dem von Aventis zum Ausdruck komme. Bei der Bemessung des Aufschlags, die kein Selbstzweck sei, werde der Kommission in den Leitlinien empfohlen, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen oft über Sachverstand und Ressourcen verfügten, anhand deren sie besser erkennen könnten, inwiefern ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen sie habe. Genau dies habe die Kommission getan, wie das Gericht in Randnr. 340 des angefochtenen Urteils festgestellt habe. Diese Vorgehensweise erfordere keine Differenzierung zwischen zwei als Großunternehmen mit entsprechenden Ressourcen eingestuften Unternehmen.
Würdigung durch den Gerichtshof
114 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts verhängten Geldbußen entscheidet, zwar nicht aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf, doch darf die Ausübung einer solchen Befugnis nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden (vgl. u. a. Urteile vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, Randnrn. 96 und 97, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 152).
115 Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 339 des angefochtenen Urteils beschlossen, den bei Degussa vorgenommenen Aufschlag auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße so zu verringern, dass er den erheblichen Größenunterschied zwischen ihr und Aventis widerspiegelt.
116 Sodann ist das Gericht in Randnr. 341 des angefochtenen Urteils bei der Ermittlung des genannten Aufschlags zu Recht davon ausgegangen, dass die zwischen Aventis und Degussa bestehende Gemeinsamkeit, die darin besteht, dass sie aufgrund ihrer Größe über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, es rechtfertigt, dass in der Höhe des Aufschlags nicht die gesamte Differenz zwischen den Umsätzen dieser Unternehmen zum Ausdruck kommt. Es hat dabei - wie in Randnr. 340 seines Urteils dargelegt - berücksichtigt, dass kein Anlass bestand, zwischen zwei Unternehmen zu differenzieren, deren Umsätze es jedenfalls rechtfertigen, sie als Großunternehmen einzustufen, die über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen sie hat.
117 Schließlich hat das Gericht aufgrund dieser Erwägungen in Randnr. 342 des angefochtenen Urteils in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Ansicht vertreten, dass die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße von Degussa um 80 % zu erhöhen sei.
118 Diese Vorgehensweise des Gerichts steht in Einklang mit den Leitlinien, die sich die Kommission für die Ausübung ihres Ermessens bei der Bußgeldbemessung auferlegt.
119 Nach Nr. 1 A Abs. 5 der Leitlinien kann bei der Ermittlung der Geldbuße auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind. Nach Nr. 1 A Abs. 7 kann der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise gegebenenfalls dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, wobei dieser Abstufung keine mathematische Formel zugrunde liegt.
120 Ferner ist hervorzuheben, dass bei der Festsetzung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, zwar der Umsatz des Unternehmens berücksichtigt werden darf, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, doch darf ihm keine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Umsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 121, und Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 243).
121 Ebenso darf das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf eine mathematische Berechnungsmethode, die allein auf dem Umsatz des betreffenden Unternehmens beruht, auf ihr Ermessen in Bezug auf die Festsetzung der Geldbußen verzichten, das an sich zu einer unterschiedlichen Behandlung der Unternehmen führt, da das Gericht in diesem Bereich zahlreiche Gesichtspunkte, darunter die für Großunternehmen charakteristische Verfügbarkeit juristischer und wirtschaftlicher Ressourcen, berücksichtigen kann, damit in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft gewährleistet ist.
122 Folglich ist das Gericht, wenn es im Rahmen der genannten Befugnis selbst die Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf eine Festsetzung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken beurteilt, nicht verpflichtet, für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihm errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Umsatz zum Ausdruck kommen.
123 Es kann dem Gericht daher kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass es im angefochtenen Urteil den Gesichtspunkt, dass sowohl Aventis als auch Degussa aufgrund ihrer Größe über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügten, als Rechtfertigung dafür herangezogen hat, dass die Höhe des Aufschlags auf die Geldbuße von Degussa nicht die gesamte Differenz zwischen den Umsätzen dieser Unternehmen widerspiegeln musste.
124 Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund, mit dem Degussa rügt, dass das Gericht in ihrem Fall die Geldbuße zu Abschreckungszwecken um einen Betrag erhöht habe, der gemessen am Umsatz höher sei als bei Aventis, und sie dadurch benachteiligt habe, als unbegründet zurückzuweisen.
125 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
126 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung von Degussa beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Evonik Degussa GmbH trägt die Kosten.
3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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