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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: C-286/02
Rechtsgebiete: EWR-Abkommen, Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein, Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766


Vorschriften:

EWR-Abkommen Art. 6
EWR-Abkommen Art. 13
EWR-Abkommen Art. 2 Abs. 5
Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein Art. 2
Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 Art. 1 Abs.1
Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 Anhang I
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 1. April 2004. - Bellio F.lli Srl gegen Prefettura di Treviso. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Treviso - Italien. - Landwirtschaft - Tierseuchenrecht - Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien - Verfütterung von tierischem Protein. - Rechtssache C-286/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-286/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale Treviso (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Bellio F.lli Srl

gegen

Prefettura di Treviso

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein (ABl. L 306, S. 32) und der Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 (ABl. 2001, L 2, S. 32)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), des Richters R. Schintgen und der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Bellio F.lli Srl, vertreten durch F. Capelli und R. Bordignon, avvocati,

- der Italienischen Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Palmieri und M. Fiorilli, avvocati dello Stato,

- Irlands, vertreten durch D. J. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. Butler, BL,

- des Königreichs Norwegen, vertreten durch I. Høyland und A. Enersen als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Bellio F.lli Srl, vertreten durch Rechtsanwalt F. Capelli, der Italienischen Republik, vertreten durch P. Palmieri, Irlands, vertreten durch D. C. Smyth, BL, des Königreichs Norwegen, vertreten durch A. Enersen, und der Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, in der Sitzung vom 4. Dezember 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

29. Januar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Tribunale Treviso hat mit Beschluss vom 26. Juni 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 2002, gemäß Artikel 234 EG mehrere Fragen insbesondere nach der Auslegung der Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein (ABl. L 306, S. 32) und der Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 (ABl. 2001, L 2, S. 32) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Società Bellio F.lli Srl (im Folgenden: Bellio Fratelli) und der Prefettura di Treviso über die Beschlagnahme einer aus Norwegen eingeführten Partie Fischmehl.

Anwendbares Recht

Die Bestimmungen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

3. Artikel 6 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) sieht vor:

Unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.

4. Artikel 13 dieses Abkommens, der in seinem wesentlichen Gehalt mit Artikel 30 EG identisch ist, hat folgenden Wortlaut:

Die Bestimmungen der Artikel 11 und 12 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen.

5. Artikel 20 des EWR-Abkommens sieht vor:

Die Bestimmungen und Regelungen über Fisch und andere Meereserzeugnisse sind in Protokoll 9 niedergelegt.

6. Artikel 2 Absatz 5 des Protokolls 9 des EWR-Abkommens über den Handel mit Fisch und anderen Meereserzeugnissen bestimmt:

Die Gemeinschaft wendet keine mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung für die in Anlage 2 genannten Waren an. In diesem Zusammenhang gilt Artikel 13 des Abkommens.

7. Anlage 2 Tabelle I dieses Protokolls sieht vor:

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Die Entscheidung 2000/766

8. Die Entscheidung 2000/766 wurde auf der Grundlage der Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit bestimmten lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224, S. 29), zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/118/EWG des Rates vom 17. Dezember 1992 (ABl. 1993, L 62, S. 49) (im Folgenden: Richtlinie 90/425), insbesondere von Artikel 10 Absatz 4, und der Richtlinie 97/78/EG des Rates vom 18. Dezember 1997 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen (ABl. 1998, L 24, S. 9), insbesondere von Artikel 22, erlassen.

9. In den ersten beiden Begründungserwägungen der Entscheidung 2000/766 wird darauf hingewiesen, dass die Gemeinschaftsvorschriften, die es untersagen, bestimmte verarbeitete tierische Proteine in der Produktion von Futtermitteln für Wiederkäuer zu verwenden,... seit Juli 1994 in Kraft [sind], dass aber [i]n einigen Mitgliedstaaten... Fälle der spongiformen Enzephalopathie des Rindes (BSE) registriert [wurden], von denen 1995 und danach geborene Tiere betroffen waren.

10. In der dritten Begründungserwägung dieser Entscheidung heißt es ferner: Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss hat am 27. und 28. November 2000 eine Stellungnahme erarbeitet; darin empfiehlt er, ein vorübergehendes Verbot der Verwendung tierischen Proteins in Futtermitteln in den Fällen ins Auge zu fassen, in denen eine Kreuzkontamination zwischen Futtermitteln für Rinder und möglicherweise BSE-verseuchte Proteine enthaltenden Futtermitteln für andere Tiere nicht ausgeschlossen werden kann.

11. Satz 1 der sechsten Begründungserwägung der Entscheidung 2000/766 hat folgenden Wortlaut:

In Anbetracht der vorgenannten Umstände empfiehlt es sich, als Vorsichtsmaßnahme die Verwendung von tierischem Protein in Futtermitteln vorübergehend so lange zu untersagen, bis eine vollständige Neubewertung der Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften in den Mitgliedstaaten vorgenommen wurde.

12. Artikel 2 dieser Entscheidung bestimmt:

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen an Nutztiere, die zur Nahrungsmittelproduktion gehalten, gemästet oder gezüchtet werden.

(2) Das Verbot nach Absatz 1 gilt nicht für die Verwendung von

- Fischmehl zur Verfütterung an andere Tiere als Wiederkäuer unter Kontrollmaßnahmen, die nach dem Verfahren des Artikels 17 der Richtlinie 89/662/EWG des Rates vom 11. Dezember 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt [ABl. L 395, S. 13, zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/118, im Folgenden: Richtlinie 89/662] festgelegt werden;

...

13. Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung 2000/766 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten außer im Falle der Ausnahmen nach Artikel 2 Absatz 2 das Inverkehrbringen, den Handel, die Einfuhr aus Drittländern und die Ausfuhr in Drittländer von verarbeiteten tierischen Proteinen zur Verfütterung an Nutztiere, die zur Nahrungsmittelproduktion gehalten, gemästet oder gezüchtet werden, verbieten und sicherstellen, dass derartige Proteine vom Markt genommen sowie aus den Vertriebswegen und aus den Lagern der landwirtschaftlichen Betriebe entfernt werden. In Artikel 3 Absatz 2 dieser Entscheidung werden die Gemeinschaftsbestimmungen genannt, die für die Sammlung, Beförderung, Verarbeitung, Lagerung und Beseitigung tierischer Abfälle gelten.

Die Entscheidung 2001/9

14. Die Entscheidung 2001/9 der Kommission wurde auf der Grundlage der Richtlinie 89/662, insbesondere von Artikel 9 Absatz 4, der Richtlinie 90/425, insbesondere von Artikel 10 Absatz 4, und der Richtlinie 97/78, insbesondere von Artikel 22, erlassen.

15. Artikel 1 Absatz 1 dieser Entscheidung sieht vor:

Die Mitgliedstaaten lassen die Verfütterung von Fischmehl an Nichtwiederkäuer nur zu, wenn die in Anhang I festgelegten Bedingungen eingehalten werden.

16. Anhang I dieser Entscheidung bestimmt:

1. Fischmehl ist in Verarbeitungsanlagen zu produzieren, die ausschließlich der Fischmehlerzeugung dienen und die zu diesem Zweck von der zuständigen Behörde gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 90/667/EWG zugelassen sind.

2. Vor dem Inverkehrbringen auf dem Gebiet der Gemeinschaft ist jede Sendung von importiertem Fischmehl gemäß der Richtlinie 98/88/EG der Kommission [vom 13. November 1998 mit Leitlinien für den mikroskopischen Nachweis und die Schätzung von Bestandteilen tierischen Ursprungs bei der amtlichen Untersuchung von Futtermitteln (ABl. L 318, S. 45)] zu untersuchen.

3. Fischmehl ist von den Verarbeitungsanlagen auf direktem Weg zu den Futtermittelherstellungsbetrieben zu transportieren. Die Transportfahrzeuge dürfen nicht gleichzeitig andere Futtermittel transportieren. Wird ein Fahrzeug anschließend für den Transport anderer Produkte verwendet, so ist es vor und nach dem Einsatz für die Beförderung von Fischmehl gründlich zu reinigen und zu inspizieren.

4. Fischmehl ist von den Grenzkontrollstellen auf direktem Weg zu den Futtermittelherstellungsbetrieben zu transportieren. Dabei sind die Bestimmungen von Artikel 8 der Richtlinie 97/78/EG einzuhalten, und die Transportfahrzeuge dürfen nicht gleichzeitig andere Futtermittel befördern. Wird ein Fahrzeug anschließend für den Transport anderer Produkte verwendet, so ist es vor und nach dem Einsatz für die Beförderung von Fischmehl gründlich zu reinigen und zu inspizieren.

5. Abweichend von Nummer 3 und 4 kann eine Zwischenlagerung von Fischmehl zugelassen werden, wenn dies in speziellen Lagern erfolgt, die von der zuständigen Behörde für diesen Zweck zugelassen sind.

6. Fischmehl enthaltende Futtermittel dürfen nur in Futtermittel-Produktionsbetrieben hergestellt werden, die keine Futtermittel für Wiederkäuer erzeugen und von der zuständigen Behörde entsprechend zugelassen sind.

Abweichend von dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Herstellung von Futtermitteln für Wiederkäuer in Futtermittelbetrieben erlauben, die auch Fischmehl enthaltende Futtermittel für andere Spezies erzeugen. Voraussetzung hierfür ist, dass folgende Bedingungen erfuellt sind:

- Für Wiederkäuer bestimmte Futtermittel werden völlig gesondert von Futtermitteln, die nicht an Wiederkäuer verfüttert werden dürfen, transportiert und gelagert.

- Die Lager-, Transport-, Produktions- und Verpackungseinrichtungen für Mischfuttermittel, die für Wiederkäuer bestimmt sind, sind vollständig abgetrennt.

- Aufzeichnungen mit allen Angaben über den Kauf und die Verwendung von Fischmehl und den Verkauf von Fischmehl enthaltenden Futtermitteln werden der zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt.

- Es werden Routineuntersuchungen an den für Wiederkäuer bestimmten Futtermitteln ausgeführt, um sicherzustellen, dass diese keine verbotenen verarbeiteten tierischen Proteine im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung 2000/766/EG enthalten.

7. Die Etikettierung von Fischmehl enthaltenden Futtermitteln muss deutlich sichtbar folgende Aufschrift tragen: Enthält Fischmehl - nicht zur Verfütterung an Wiederkäuer!.

8. Fahrzeuge, die Fischmehl enthaltende Futtermittel als Schüttgut befördern, dürfen nicht gleichzeitig Futtermittel für Wiederkäuer befördern. Wird ein Fahrzeug anschließend für den Transport anderer Produkte verwendet, so ist es vor und nach dem Einsatz für die Beförderung von Fischmehl enthaltenden losen Futtermitteln gründlich zu reinigen und zu inspizieren.

...

17. Die Richtlinien 89/662 und 90/425 sind Bestandteil des EWR-Abkommens, wie aus dessen Anhang I Veterinärwesen und Pflanzenschutz in der Fassung des Beschlusses Nr. 69/98 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 17. Juli 1998 (ABl. 1999, L 158, S. 1) hervorgeht. Die Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 wurden durch den Beschluss Nr. 65/2003 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 20. Juni 2003 zur Änderung des Anhangs I (Veterinärwesen und Pflanzenschutz) des EWR-Abkommens (ABl. L 257, S. 1) in das EWR-Abkommen aufgenommen.

Die Richtlinie 98/34/EG

18. Durch die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) wurde die Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 (ABl. L 109, S. 8) kodifiziert. Die Richtlinie 98/34 wurde durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. L 217, S. 18) geändert.

19. Nach den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 83/189 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Entwürfe technischer Vorschriften, die sie anzunehmen beabsichtigen, zu übermitteln und diese nicht vor Ablauf einer bestimmten, am Tag des Eingangs der Mitteilung bei der Kommission beginnenden Frist anzunehmen.

20. Artikel 10 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 98/34 sieht allerdings vor, dass die Artikel 8 und 9 nicht für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gelten, durch die die Mitgliedstaaten den verbindlichen Gemeinschaftsrechtsakten, mit denen u. a. technische Spezifikationen in Kraft gesetzt werden, nachkommen.

Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen

21. Dem Vorlagebeschluss ist Folgendes zu entnehmen:

- Die Firma Bellio führte im Januar 2000 aus Norwegen eine Partie Fischmehl ein, die anschließend von dem Futtermittelhersteller SAPAS Sas in S. Miniato (PI) zur Herstellung von Futtermitteln für andere Tiere als Wiederkäuer erworben wurde.

- Aus den Proben, die dem Fischmehl anlässlich von Kontrollen durch die zuständigen Beamten der Polizia Giudiziaria del Servizio di Vigilanza Igienico Sanitaria bei der SAPAS Sas entnommen wurden, ergab sich, dass das Mehl Tierknochenmaterial ungeklärter Herkunft enthielt, was zur Beschlagnahme des von der Firma Bellio gelieferten Fischmehls führte.

- Eine im Auftrag der Firma Bellio durchgeführte Gegenanalyse ergab, dass das Fischmehl zu weniger als 0,1 % aus Knochengewebe von Säugetieren bestand.

- Die am 27. September 2001 im Istituto Superiore della Sanità durchgeführte Überprüfung der Analyse bestätigte das Vorhandensein von Knochenmaterial.

- Das Vorhandensein von Knochengewebe von Säugetieren stellt die Grundlage für die Verwaltungssanktion dar, die gemäß Artikel 17 Buchstabe a sowie Artikel 22 Absätze 1 und 3 des Gesetzes Nr. 281 vom 15. Februar 1963 in der geänderten und ergänzten Fassung gegen die Firma Bellio F.lli Srl verhängt wurde wegen des Verkaufs eines einfachen Futtermittels - im vorliegenden Fall Fischmehl -, das in einer Weise dargeboten und vermarktet wurde, die geeignet war, den Erwerber über Zusammensetzung, Art und Natur der Ware zu täuschen, und das nach dem Ergebnis der Analyse mit den Erklärungen, Angaben und Bezeichnungen, die sich auf dem Etikett und in dem das Produkt begleitenden Handelsdokument befanden, nicht übereinstimmte, und die in der Anordnung der Einziehung und Vernichtung der im Beschlagnahmeprotokoll Nr. 17 vom 21. Februar 2001 genannten 36 Säcke Fischmehl und in der Aufforderung zur Zahlung der Geldbuße von 18 597,27 Euro besteht, vorbehaltlich jeder weiteren hiermit verbundenen und/oder sich daraus ergebenden vorläufigen und/oder abschließenden Maßnahme.

22. Das von Bellio Fratellli angerufene Tribunale Treviso führt aus, dass auf das Gemeinschaftsrecht über die Verwendung von Fischmehl als Bestandteil von Tierfuttermitteln Bezug zu nehmen sei, um zu prüfen, ob Rechtsverstöße in diesem Bereich vorlägen. Es hält die Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 im vorliegenden Fall für einschlägig.

23. Das Tribunale Treviso weist allerdings darauf hin, dass das Fischmehl angesichts des in ihm enthaltenen Anteils an Knochenmaterial von Säugetieren zufällig verunreinigt worden sein könnte. Daher könnte der allgemeine Grundsatz der Gewährung einer angemessenen Toleranzgrenze, der in verschiedenen Bereichen Eingang in die Gemeinschaftsregelung gefunden habe, angewandt werden. Andernfalls würde die Beachtung einer technischen Vorschrift vorgeschrieben, die von der Kommission nach der Richtlinie 83/189 in der durch die Richtlinie 98/34 kodifizierten Fassung hätte genehmigt werden müssen.

24. Das Tribunale Treviso führt aus, da es sich um Fischmehl aus Norwegen - einem Mitgliedstaat des EWR - handele, fänden darauf nach den Artikeln 8 bis 16 des EWR-Abkommens die Gemeinschaftsgrundsätze in Bezug auf den freien Warenverkehr Anwendung.

25. Das Tribunale Treviso hat gemäß Artikel 234 EG beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Artikel 2 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Entscheidung 2000/766 und 1 Absatz 1 der Entscheidung 2001/9 in Verbindung mit den Gemeinschaftsvorschriften, auf denen diese Bestimmungen beruhen, so auszulegen, dass das zufällige Vorhandensein von nicht vorgesehenem oder nicht erlaubtem Material in Fischmehl, das für die Herstellung von Futtermitteln für andere Tiere als Wiederkäuer verwendet wird, als rechtlich oder sachlich zulässig angesehen werden kann und dem Unternehmer aufgrund dessen ein Recht auf eine angemessene Toleranzgrenze zuzuerkennen ist?

2. Falls die erste Frage bejaht wird, ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der Vorsorge sowie unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften für die Bereiche, in denen auf zufällige Verunreinigungen von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln unter Angabe der entsprechenden Toleranzgrenzen Bezug genommen wird, davon auszugehen, dass eine zufällige Verunreinigung einer zur Futtermittelherstellung für andere Tiere als Wiederkäuer bestimmten Menge Fischmehl durch 0,1 % oder höchstens 0,5 % Knochengewebe von Säugetieren den Erlass einer so drastischen Sanktion wie der vollständigen Vernichtung dieses Fischmehls rechtfertigt?

3. Kann ein Ausschluss jeder Toleranzgrenze in Bezug auf das Vorhandensein des in den vorstehenden Fragen genannten Materials der Einführung einer technischen Vorschrift im Sinne der Richtlinie 83/189 gleichgestellt werden, die zuvor der Kommission hätte mitgeteilt werden müssen?

4. Sind die in den Artikeln 28 EG und 30 EG enthaltenen Bestimmungen über den freien Warenverkehr, die nach den Artikeln 8 bis 16 des EWR-Abkommens auf Norwegen anwendbar sind, im Hinblick auf die in Frage 1 genannten Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 so auszulegen, dass ein Mitgliedstaat in einem Fall, wie er in den Fragen 1 und 2 beschrieben ist, keine Toleranzgrenze von null anordnen darf?

Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfragen

26. Die Italienische Republik vertritt die Ansicht, dass die vom Tribunale Treviso formulierten Fragen für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits offensichtlich ohne Bedeutung seien. Sie verweist darauf, dass nach Artikel 17 Buchstabe a des Gesetzes Nr. 281 von 1963 der Vertrieb von Erzeugnissen geahndet werde, die nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind, die die Gesundheit von Tieren oder Menschen gefährden und die in einer den Erwerber täuschenden Weise dargeboten werden. Im Ausgangsverfahren liege der festgestellte Verstoß allerdings eher darin, dass Erzeugnisse vermarktet würden, die nicht dem entsprächen, was erklärt worden sei, und die in einer den Erwerber täuschenden Weise dargeboten würden, als darin, dass gesundheitsschädliche Erzeugnisse vermarktet würden. Die Beantwortung der vom Tribunale Treviso aufgeworfenen Fragen sei daher keine für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits notwendige Vorbedingung, da, selbst wenn die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen bejaht würden, die Rechtmäßigkeit der verhängten Sanktionen auch dadurch begründet wäre, dass die möglichen Erwerber getäuscht worden seien oder dass Bellio Fratelli andere als die deklarierten Erzeugnisse vermarktet habe.

27. Nach ständiger Rechtsprechung ist es ausschließlich Sache der nationalen Gerichte, die über den Rechtsstreit zu entscheiden haben und in deren Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I2099, Randnr. 38, vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I607, Randnr. 18, vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00, Adolf Truley, Slg. 2003, I1931, Randnr. 21, und vom 22. Mai 2003 in der Rechtssache C-18/01, Korhonen u. a., Slg. 2003, I5321, Randnr. 19).

28. Nach dieser Rechtsprechung kann der Gerichtshof die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts ferner nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, Canal Satélite Digital, Randnr. 19, Adolf Truley, Randnr. 22, und Korhonen u. a., Randnr. 20).

29. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nämlich nicht offensichtlich, dass das vorlegende Gericht die Antwort auf die von ihm gestellten Fragen nicht benötigt, selbst wenn der angenommene Verstoß in der Vermarktung von Erzeugnissen besteht, die nicht dem entsprechen, was erklärt worden ist, und die in einer den Erwerber täuschenden Weise dargeboten werden. Im Übrigen verfügt der Gerichtshof über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

30. Folglich sind die vom Tribunale Treviso vorgelegten Vorabentscheidungsfragen nicht für unzulässig zu erklären.

Zum anwendbaren Recht

31. Auf aus Norwegen eingeführtes Fischmehl ist Artikel 2 Absatz 5 des Protokolls 9 des EWR-Abkommens über den Handel mit Fisch und anderen Meereserzeugnissen anwendbar, da das Königreich Norwegen Vertragspartei dieses Abkommens ist. Nach diesem Artikel wendet [die Gemeinschaft] keine mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung [auf ein solches Erzeugnis] an, sofern nicht diese Beschränkungen oder Maßnahmen nach Artikel 13 des EWRAbkommens gerechtfertigt sind. Nach diesem letztgenannten Artikel können Verbote oder Beschränkungen u. a. aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren gerechtfertigt sein.

32. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Gemeinschaftsregelung aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren im Sinne dieses Artikels 13 des EWRAbkommens gerechtfertigt ist oder ob diese Regelung eine durch Artikel 2 Absatz 5 des Protokolls 9 dieses Abkommens verbotene Maßnahme gleicher Wirkung ist.

33. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das EWRAbkommen von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, in diesem Abkommen als Gemeinschaft bezeichnet, geschlossen wurde. Artikel 300 Absatz 7 EG sieht vor, dass [d]ie nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen... für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich [sind]. Im Übrigen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts gebietet, diese nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Verträgen auszulegen (Urteil vom 10. September 1996 in der Rechtssache C-61/94, Kommission/Deutschland, Slg. 1996, I-3989, Randnr. 52).

34. Wie in Artikel 6 des EWRAbkommens klargestellt wird, sind die Bestimmungen des Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des EGVertrags sowie der aufgrund dieses Vertrages erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen auszulegen, die der Gerichtshof vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des EWRAbkommens erlassen hat. Zudem haben sowohl der Gerichtshof als auch der EFTA-Gerichtshof die Notwendigkeit anerkannt, darüber zu wachen, dass die Vorschriften des EWR-Abkommens, die im Wesentlichen mit denen des Vertrages identisch sind, einheitlich ausgelegt werden (Urteil 23. September 2003 in der Rechtssache C-452/01, Ospelt und Schlössle Weissenberg Familienstiftung, Slg. 2003, I0000, Randnr. 29, Urteil des EFTAGerichtshofes vom 12. Dezember 2003, EFTA Surveillance Authority/Iceland, E-1/03, noch nicht im EFTA Court Report veröffentlicht, Randnr. 27).

35. Wie in Randnummer 4 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist Artikel 13 des EWR-Abkommens in seinem wesentlichen Gehalt mit Artikel 30 EG identisch.

36. Um dem nationalen Gericht sachdienliche Antworten zu geben, ist diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.

Zu den Vorabentscheidungsfragen

Zur ersten, zur zweiten und zur vierten Frage

37. Die erste, die zweite und die vierte Frage sind zusammen zu prüfen. Mit diesen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Gemeinschaftsbestimmungen über Tiermehle mit einer Toleranzgrenze von null anzuwenden sind oder ob das unter bestimmten Bedingungen zugelassene Fischmehl auch dann noch vermarktet werden darf, wenn es aufgrund einer wahrscheinlich zufälligen Verunreinigung einen winzigen Anteil an Knochengewebe von Säugetieren enthält.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

38. Nach Ansicht der Bellio Fratelli ist die Gemeinschaftsregelung so auszulegen, dass sie eine bestimmte, einer zufälligen Verunreinigung geschuldete Toleranzgrenze hinnimmt. Sie verweist hierzu auf die Verordnungen auf dem Gebiet genetisch veränderter Organismen (GVO), in denen eine Toleranzgrenze für die Verunreinigung von 1 % vorgesehen sei, insbesondere in der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind (ABl. L 159, S. 4), und in der Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 zur Änderung der Verordnung Nr. 1139/98 (ABl. L 6, S. 13). Die Untersuchung des Fischmehls reiche nicht aus, um seine Gesundheitsschädlichkeit festzustellen, da die Reste von Säugetieren auch von ungefährlichen Tieren wie Wal oder Ratte stammen könnten. Außerdem gehe es nicht um Nahrungsmittel, die - wie in der Rechtssache Hahn (Urteil vom 24. Oktober 2002 in der Rechtssache C121/00, Slg. 2002, I-9193) - für den Menschen bestimmt seien, sondern um Futtermittel für Schweine, bei denen noch nie ein BSEBefall nachgewiesen worden sei. Bellio Fratelli gelangt zu dem Ergebnis, dass die von der Prefettura di Treviso erlassene Sanktion der Vernichtung des Erzeugnisses gegen die Gemeinschaftsregelung verstoße und im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung auf jeden Fall unverhältnismäßig sei.

39. Die Italienische Republik, Irland, das Königreich Norwegen und die Kommission sind der Meinung, dass die Gemeinschaftsregelung, soweit sie überhaupt auf die Sanktion anwendbar sei, keine auch nur zufällige Verunreinigung dulde. Sie führen aus, Ziel des Tiermehlverbots sei der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere die Verhütung einer Kreuzkontamination, d. h. einer zufälligen Verunreinigung, die Zulassung von Fischmehl sei eine Ausnahme vom Grundsatz des Tiermehlverbots, und die Bestimmungen über die Voraussetzungen für diese Zulassung seien eng auszulegen, und schließlich gebe es im Gemeinschaftsrecht keinen stillschweigenden Grundsatz einer Toleranzgrenze. Sie verweisen auf den Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse über BSE und die Schlussfolgerung der Fachleute, wonach die Aufnahme einer geringen Menge eines verseuchten Erzeugnisses die Krankheit auslösen könne. Sie machen darauf aufmerksam, dass das Vorhandensein winziger, nur unter dem Mikroskop erkennbarer Knochenreste keinen Hinweis auf die in dem Erzeugnis möglicherweise vorhandene Menge weichen Gewebes von Säugetieren liefere. Sie gelangen zu dem Ergebnis, dass die Gemeinschaftsregelung eng auszulegen sei und dass die Vernichtung des Erzeugnisses gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig sei. Die innerstaatlichen Bestimmungen, die eine Toleranzgrenze von null und die Vernichtung des Erzeugnisses vorsähen, seien jedenfalls mit Artikel 30 EG und den entsprechenden Bestimmungen des EWR-Abkommens vereinbar. In der Sitzung hat die Kommission erläutert, dass die Anwendung der Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 überwacht werde und dass diese Entscheidungen regelmäßig geändert worden seien, um der Entwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse Rechnung zu tragen. Die Entscheidungen seien in das EWR-Abkommen aufgenommen worden, was ihre Berechtigung beweise.

Antwort des Gerichtshofes

40. Zur Auslegung der Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 sind ihr Wortlaut, ihr Aufbau, aber auch ihr Kontext und ihre Zielsetzung zu prüfen. Diese lassen sich u. a. den Rechtsgrundlagen, auf denen diese Entscheidungen erlassen wurden, und ihren Begründungserwägungen entnehmen. Schließlich sind die einschlägigen Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen.

41. Die fraglichen Entscheidungen wurden im Rahmen der Bekämpfung der transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE) erlassen. Die von den Wissenschaftlern allgemein angenommene Arbeitshypothese lautet, dass diese Krankheiten, deren Creutzfeldt-Jakob-Variante den Menschen befällt und zum Tod zahlreicher Personen geführt hat, hauptsächlich oral übertragen werden, d. h. durch die Aufnahme von Nahrung, die Prionen enthält (vgl. Opinion on hypotheses on the origin and the transmission of BSE adopted by the Scientific Steering Committee at its meeting of 29-30 November 2001). In der Tat hat das Verbot der Verfütterung von Tiermehlen an Wiederkäuer zu den besten Ergebnissen bei der Bekämpfung dieser Krankheiten geführt, ohne dass diese jedoch vollständig verschwinden.

42. In seiner in der dritten Begründungserwägung der Entscheidung 2000/766 genannten Stellungnahme vom 27. und 28. November 2000 hat der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss auf die Gefahr einer Kreuzkontamination zwischen Futtermitteln für Rinder und möglicherweise BSE-verseuchte Proteine enthaltenden Futtermitteln für andere Tiere hingewiesen. Er empfahl ein vorübergehendes Verbot der Verwendung tierischen Proteins in Futtermitteln.

43. Auf die Frage in welcher Dosis verseuchtes Material die Krankheit auslösen könne, räumte der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss nach Anhörung von Wissenschaftlern in seiner bei seiner Sitzung vom 13. und 14. April 2000 erarbeiteten Stellungnahme ein, dass er nicht genau bestimmen könne, welche Mindestdosis verseuchten Materials erforderlich sei, um die Krankheit beim Menschen auszulösen.

44. Die Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 sind im Licht dieser Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung von Artikel 152 EG auszulegen, wonach bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird.

45. Diese beiden Entscheidungen schreiben zwar dadurch, dass sie verschiedene, tierische Proteine betreffende Verbote enthalten, Ausnahmen vom freien Warenverkehr vor. Sie wurden jedoch auf der Grundlage der Richtlinien 89/662 und 90/425 erlassen, die in Anhang I Veterinärwesen und Pflanzenschutz des EWR-Abkommens aufgenommen wurden und gerade den freien Verkehr landwirtschaftlicher Erzeugnisse innerhalb des EWR sicherstellen sollen (vgl. in diesem Sinne zum freien Verkehr innerhalb der Gemeinschaft Urteil vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-180/96, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Randnr. 63).

46. Angesichts des mit ihnen angestrebten Zieles der Gesundheit der Bevölkerung sind diese Entscheidungen weit und die darin vorgesehene Ausnahme für Fischmehl eng auszulegen.

47. Das Vorbringen der Bellio Fratelli, die Entscheidungen enthielten keine Bestimmung über die zufällige Verunreinigung eines Erzeugnisses, ist unzutreffend. In der dritten Begründungserwägung der Entscheidung 2000/766 wird nämlich auf die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses vom 27. und 28. November 2000 zur Gefahr einer Kreuzkontamination bei Futtermitteln für Rinder hingewiesen. Den Erörterungen vor diesem Ausschuss ist aber zu entnehmen, dass der Ausschuss die Kreuzkontamination als zufällige Verunreinigung definiert, die bei der Herstellung der Grundstoffe, bei der Beförderung, der Lagerung, der Herstellung von Futtermitteln oder ihrer Behandlung in Betrieben mit gemischten Viehbeständen, also mit Wiederkäuern und anderen Tieren, entstehen kann (Report and Scientific Opinion on mammalian derived meat and bone meal forming a cross-contaminant of animal feedstuffs adopted by the Scientific Steering Committee at its meeting of 24-25 September 1998, point 2 [Definitions]).

48. Gerade um eine solche zufällige Verunreinigung zu verhindern, enthält die Enscheidung 2001/9 in Anhang I besonders strenge Bestimmungen zur vollständigen Trennung der Wege zur Herstellung, Beförderung und Lagerung der Grundstoffe, aber auch zur Lagerung, Beförderung, Produktion und Verpackung von Mischfuttermitteln, damit Fischmehle nicht mit Futtermitteln für Wiederkäuer in Berührung kommen können. Dieser Anhang enthält ferner Bestimmungen zur Reinigung der Fahrzeuge und zu ihrer Untersuchung.

49. Der Umstand, dass das Fischmehl für Schweine bestimmt war, rechtfertigt keine abweichende Auslegung der Entscheidungen 2000/766 und 2001/9. Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 2000/766 erfasst gerade einen solchen Fall, da die Verwendung von Fischmehl nur zur Verfütterung an andere Tiere als Wiederkäuer zulässig ist. Wie der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss ausgeführt hat, kann die Kreuzkontamination bei Rindern, aus der sich BSE entwickeln kann, aus jedem Abschnitt des Umgangs mit dem Erzeugnis herrühren, selbst wenn das Mehl tatsächlich zur Verfütterung an andere Tiere als Wiederkäuer verwendet wird.

50. Ebenso wenig reicht die Annahme, dass die Knochenreste von anderen Säugetieren als Wiederkäuern wie Walen oder Ratten stammen können, zum Nachweis dafür aus, dass die Gemeinschaftsmaßnahme angesichts der drohenden Gefahren und der Möglichkeiten zur Untersuchung der Erzeugnisse ungeeignet oder unverhältnismäßig gewesen sei.

51. Im Übrigen ist von geringer Bedeutung, dass der Grad der Verunreinigung des Erzeugnisses nur gering ist. Nach Anhang I Nummer 2 der Entscheidung 2001/9 ist nämlich jede Sendung von importiertem Fischmehl gemäß der Richtlinie 98/88 zu untersuchen. Mit den durch diese Richtlinie vorgesehenen mikroskopischen Untersuchungen lässt sich zwar das Vorhandensein von Säugetieren stammender Bestandteile, insbesondere Knochen, feststellen, nicht aber, in welcher Menge gegebenenfalls weiches Gewebe in dem Erzeugnis vorhanden ist.

52. Außerdem hat, wie in Randnummer 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss eingeräumt, dass er nicht genau bestimmen könne, welche Mindestdosis verseuchten Materials erforderlich sei, um eine TSE beim Menschen auszulösen.

53. Insoweit ist das Vorbringen in Bezug auf die Regelung über GVO weder einschlägig noch stichhaltig. Der Kontext der GVO unterscheidet sich nämlich von dem der TSE, bei denen es sich um Krankheiten handelt, die zum Tod zahlreicher Menschen geführt und die Schlachtung tausender von Tieren erforderlich gemacht haben. Außerdem wird durch die Tatsache, dass die Regelung im Bereich der GVO ausdrücklich eine Geringfügigkeitsschwelle von 1 % für das zufällige Vorhandensein von GVO vorsieht, die Ansicht der Bellio Fratelli nicht gestützt, wonach in allen Gemeinschaftsregelungen eine Toleranzgrenze für zufällige Verunreinigungen stillschweigend hingenommen werde, sofern die Verunreinigung 1 % nicht übersteige. Die ausdrückliche Festlegung eines tolerierten Schwellenwerts zufälliger Verunreinigung in einer Gemeinschaftsregelung kann nämlich so ausgelegt werden, dass das Fehlen der Festlegung eines solchen Schwellenwerts bedeutet, dass keinerlei zufällige Verunreinigung toleriert wird.

54. Bei der Vernichtung der verseuchten Partien handelt es sich um eine Maßnahme, die in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung 2000/766 vorgesehen ist. Eine verseuchte Partie ist nämlich als zum Verbrauch ungeeignet anzusehen und muss gegebenenfalls vernichtet werden, wobei jede zur Verhütung einer Umweltverseuchung erforderliche Vorsorge zu treffen ist. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Gefahr der Umweltverseuchung zu den Gefahren zählt, die der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss in seiner Stellungnahme vom 27. und 28. November 2000 berücksichtigt hat (vgl. Nr. 3 dieser Stellungnahme).

55. Folglich kann die Vernichtung nicht als Sanktion, sondern muss vielmehr als eine gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Maßnahme der Vorbeugung betrachtet werden, die den Mitgliedstaaten insoweit kein Ermessen lässt.

56. Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Artikel 2 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Entscheidung 2000/766 und 1 Absatz 1 der Entscheidung 2001/9 in Verbindung mit den Gemeinschaftsvorschriften, auf denen diese Bestimmungen beruhen, so auszulegen sind, dass sie das auch nur zufällige Vorhandensein von anderen, nicht erlaubten Stoffen in Fischmehl, das für die Herstellung von Futtermitteln für andere Tiere als Wiederkäuer verwendet wird, nicht zulassen und den Wirtschaftsteilnehmern keine Toleranzgrenze zuerkennen. Bei der Vernichtung verseuchter Mehlpartien handelt es sich um eine Maßnahme der Vorbeugung, die in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung 2000/766 vorgesehen ist.

57. Was die Berechtigung dieser Bestimmungen im Hinblick auf Artikel 13 des EWR-Abkommens angeht, so ist es, da beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung noch Unsicherheiten bestehen, mangels Harmonisierung Sache der Vertragsparteien, unter Berücksichtigung der grundlegenden Erfordernisse des EWR-Rechts und insbesondere des freien Warenverkehrs innerhalb des EWR zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit von Menschen gewährleisten wollen (Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 5. April 2001, EFTA Surveillance Authority/Norway, E-3/00, EFTA Court Report 2000-2001, S. 73, Randnr. 25; vgl. zum freien Warenverkehr in der Gemeinschaft Urteile vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 174/82, Sandoz, Slg. 1983, 2445, Randnr. 16, vom 23. September 2003 in der Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark, Slg. 2003, I0000, Randnr. 42, und vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I0000, Randnr. 49).

58. Das bedeutet, dass jede Vertragspartei zur Entscheidung darüber befugt ist, wie sie mit der Gefahr umgeht; bei der Feststellung, welches Ausmaß der Gefahr sie für angemessen hält, verfügt sie über ein Ermessen. Unter solchen Umständen kann sich eine solche Partei auf das Vorsorgeprinzip berufen, wonach der Nachweis ausreicht, dass in Bezug auf die fragliche Gefahr eine maßgebende wissenschaftliche Unsicherheit besteht. Dieses Ermessen unterliegt allerdings der Nachprüfung durch den Richter (Urteil EFTA Surveillance Authority/Norway, Randnr. 25).

59. Von den Vertragsparteien erlassene Maßnahmen müssen auf wissenschaftliche Daten gestützt sein; sie müssen gegenüber entsprechenden bereits erlassenen Maßnahmen verhältnismäßig, frei von Diskriminierung, transparent und kohärent sein (Urteil EFTA Surveillance Authority/Norway, Randnr. 26).

60. Somit muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden, auch wenn das Erfordernis des Schutzes der Bevölkerung als herausragendes Anliegen anerkannt worden ist (Urteil EFTA Surveillance Authority/Norway, Randnr. 27).

61. Im vorliegenden Fall fügen sich die erlassenen Maßnahmen in den Rahmen kohärenter Rechtsvorschriften ein, die die Bekämpfung der TSE zum Ziel haben. Die Maßnahmen wurden auf Empfehlung von Fachleuten erlassen, die über die maßgebenden wissenschaftlichen Daten verfügten, und sie gelten ohne Unterschied für jegliches Fischmehl, das in der Gemeinschaft Verwendung finden kann. Angesichts der Ausführungen in den Randnummern 40 bis 56 des vorliegenden Urteils verstoßen diese Maßnahmen nicht gegen den im EWR-Recht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

62. Folglich sind diese Maßnahmen durch den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren im Sinne des Artikels 13 des EWR-Abkommens gerechtfertigt. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 am 20. Juni 2003 durch den Beschluss Nr. 65/2003 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses in das EWR-Abkommen aufgenommen wurden.

63. Bei der Antwort auf die vorgelegten Fragen ist daher darauf hinzuweisen, dass Artikel 13 des EWR-Abkommens so auszulegen ist, dass er den Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 nicht entgegensteht.

Zur dritten Frage

64. Den Gründen des Vorlagebeschlusses ist zu entnehmen, dass die dritte Frage für den Fall gestellt wurde, dass der Ausschluss jeder Toleranzgrenze als eine von einem Mitgliedstaat erlassene Maßnahme anzusehen sei. Da dies nicht der Fall ist, weil sich dieser Ausschluss aus der Gemeinschaftsregelung selbst ergibt, ist diese Frage nicht zu beantworten.

Kostenentscheidung:

Kosten

65. Die Auslagen der italienischen, der irischen und der norwegischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale Treviso mit Beschluss vom 26. Juni 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 2 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein und Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 in Verbindung mit den Gemeinschaftsvorschriften, auf denen diese Bestimmungen beruhen, sind so auszulegen, dass sie das auch nur zufällige Vorhandensein von anderen, nicht erlaubten Stoffen in Fischmehl, das für die Herstellung von Futtermitteln für andere Tiere als Wiederkäuer verwendet wird, nicht zulassen und den Wirtschaftsteilnehmern keine Toleranzgrenze zuerkennen. Bei der Vernichtung verseuchter Mehlpartien handelt es sich um eine Maßnahme der Vorbeugung, die in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung 2000/766 vorgesehen ist.

2. Artikel 13 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 ist so auszulegen, dass er den Entscheidungen 2000/766 und 2001/9 nicht entgegensteht.

Ende der Entscheidung

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