Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.05.1992
Aktenzeichen: C-29/91
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/187/EWG
Vorschriften:
Richtlinie 77/187/EWG Art. 1 Abs. 1 |
1. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist so auszulegen, daß der Begriff "vertragliche Übertragung" auf eine Situation Anwendung findet, in der eine Behörde beschließt, die Gewährung von Subventionen an eine juristische Person einzustellen, wodurch die vollständige und endgültige Beendigung der Tätigkeiten dieser juristischen Person bewirkt wird, um die Subventionen auf eine andere juristische Person zu übertragen, die einen ähnlichen Zweck verfolgt.
2. Der in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 enthaltene Begriff "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" betrifft den Fall, daß die betreffende Einheit ihre Identität gewahrt hat. Um festzustellen, ob eine Übertragung im genannten Sinne vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände, die den fraglichen Vorgang kennzeichnen, zu prüfen, ob die ausgeuebten Funktionen von der neuen juristischen Person mit den gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten tatsächlich fortgesetzt oder wiederaufgenommen wurden, wobei Tätigkeiten besonderer Art, die selbständige Aufgaben darstellen, gegebenenfalls Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie gleichgestellt werden können.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. MAI 1992. - DR SOPHIE REDMOND STICHTING GEGEN HENDRIKUS BARTOL UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: KANTONRECHTER GRONINGEN - NIEDERLANDE. - WAHRUNG VON ANSPRUECHEN DER ARBEITNEHMER BEIM UEBERGANG VON UNTERNEHMEN. - RECHTSSACHE C-29/91.
Entscheidungsgründe:
1 Das Kantongerecht Groningen hat mit Beschluß vom 21. Januar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Reihe von Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Dr. Sophie Redmond Stichting (Klägerin) und Hendrikus Bartol sowie acht weiteren Personen.
3 Aus den Akten geht hervor, daß es sich bei der Klägerin um eine Stiftung handelt, die sich insbesondere mit der Hilfeleistung für Süchtige befasst, die bestimmten Gruppen der niederländischen Gesellschaft angehören. Die Beklagten sind bei dieser Stiftung als Arbeitnehmer aufgrund von Arbeitsverträgen beschäftigt, auf die die Bestimmungen des Burgerlijk Wetbök (Bürgerliches Gesetzbuch; im folgenden: BW) Anwendung finden.
4 Die Gemeinde Groningen, die dieser Stiftung Subventionen gewährte, die deren einzigen Einkünfte darstellten, stellte die Gewährung dieser Subventionen mit Wirkung vom 1. Januar 1991 ein. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Subventionen einer anderen auf dem Gebiet der Hilfeleistung für Süchtige tätigen Stiftung, der Stichting Sigma, gewährt.
5 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die nun über keine Einkünfte mehr verfügt, erhob beim Kantongerecht Groningen gemäß Artikel 1639w BW Klage auf Auflösung der zwischen ihr und denjenigen Mitgliedern ihrer Belegschaft, die von der Stichting Sigma nicht übernommen wurden, bestehenden Arbeitsverträge.
6 Einige der Beklagten des Ausgangsverfahrens beriefen sich auf die Artikel 1639aa ff., die zum Zweck der Umsetzung der Richtlinie in das niederländische Recht in das Burgerlijk Wetbök eingefügt worden waren. Das Kantongerecht, das in erster und letzter Instanz entscheidet, sah sich daher vor eine Frage der Auslegung der Richtlinie gestellt. Es hat das Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über folgende Fragen entschieden hat:
a) Bezieht sich der Begriff des "Übergangs von Unternehmen... auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung" im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auch auf den Fall, daß eine subventionierende Einrichtung beschließt, die Unterstützung einer juristischen Person einzustellen, wodurch deren Tätigkeiten vollständig und endgültig beendet werden, und von diesem Zeitpunkt an auf eine andere juristische Person mit dem gleichen oder einem vergleichbaren Zweck überzuleiten, wobei von den beiden juristischen Personen und der subventionierenden Einrichtung nicht nur beabsichtigt und vereinbart wird, die Klienten/Patienten der ersten juristischen Person soweit wie möglich auf die zweite juristische Person "überzuleiten", sondern auch, die durch die erste juristische Person von dieser subventionierenden Einrichtung gemieteten unbeweglichen Sachen anschließend an die zweite juristische Person zu vermieten und so weit wie möglich (und wünschenswert) von "der Kenntnis und den Mitteln (z. B. Personal)" der ersten juristischen Person Gebrauch zu machen?
b) Macht es für die Beantwortung der vorstehenden Frage einen Unterschied, daß das Inventar der ersten juristischen Person nicht auf die zweite juristische Person mitübertragen wird?
c) Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, ob das nicht übertragene Inventar ausschließlich oder nahezu ausschließlich aus Hilfsmitteln für die oben erwähnte Begegnungs- und Erholungsfunktion besteht?
d) Kann noch von einer Wahrung der Identität des (übertragenen Teils des) Unternehmens gesprochen werden, wenn die oben erwähnte Begegnungs- und Erholungsfunktion der ersten juristischen Person nicht übertragen wird, die Hilfeleistungsfunktion aber wohl?
e) Macht es für die Beantwortung dieser letzten Frage einen Unterschied, ob die Begegnungs- und Erholungstätigkeiten als ein selbständiger Zweck oder ausschließlich als ein Hilfsmittel für eine bestmögliche Hilfeleistung anzusehen sind?
f) Macht es für die Beantwortung der vorstehenden Fragen schließlich noch einen Unterschied, daß der (beabsichtigte) Übergang der Tätigkeiten der ersten juristischen Person auf die zweite in erster Linie nicht durch (eine) hierauf abzielende Vereinbarung(en) zwischen der subventionierenden Einrichtung und den beiden juristischen Personen, sondern durch den auf einer Änderung der Politik der subventionierenden Behörde beruhenden Beschluß verursacht wird, die finanzielle Unterstützung der ersten juristischen Person einzustellen und auf die zweite juristische Person überzuleiten?
7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
8 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie lautet:
"Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar."
9 Die sechs Vorlagefragen des Kantongerecht Groningen betreffen im Kern zwei unterschiedliche Aspekte des in Artikel 1 der Richtlinie umschriebenen Anwendungsbereichs dieser Richtlinie. Ein Teil der ersten Frage und die sechste Frage betreffen die Auslegung des Begriffs "vertragliche Übertragung", die übrigen Fragen den Begriff "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen". Für eine Antwort an das Kantongerecht müssen nacheinander die Auslegungsprobleme untersucht werden, zu denen diese beiden Begriffe unter den vom nationalen Gericht dargestellten Umständen Anlaß geben können.
Zum Begriff "vertragliche Übertragung"
10 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. Februar 1985 in der Rechtssache 135/83 (Abels, Slg. 1985, 469, Randnrn. 11 bis 13) festgestellt, daß sich die Tragweite der streitigen Vorschriften wegen der Unterschiede zwischen ihren sprachlichen Fassungen und des unterschiedlichen Inhalts des Begriffs der vertraglichen Übertragung im Recht der Mitgliedstaaten nicht allein aufgrund einer wörtlichen Auslegung bestimmen lässt.
11 Er hat diesen Begriff daher so weit ausgelegt, daß er dem Zweck der Richtlinie - Schutz der Arbeitnehmer bei Übertragung ihres Unternehmens - gerecht wird, und hat ausgeführt, daß diese Richtlinie in allen Fällen anwendbar ist, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt (vgl. zuletzt Urteil vom 15. Juni 1988 in der Rechtssache 101/87, Bork International, Slg. 1988, 3057, Randnr. 13).
12 Der Gerichtshof hat namentlich entschieden, daß in den Anwendungsbereich der Richtlinie die Pacht eines Unternehmens, gefolgt von der Auflösung des Pachtvertrags und der anschließenden Wiederübernahme des Betriebs durch den Eigentümer (Urteil vom 17. Dezember 1987 in der Rechtssache 287/86, Ny Mölle Kro, Slg. 1987, 5465), die Anpachtung eines Restaurants, die Auflösung des Pachtvertrags und der Abschluß eines neuen Pachtvertrags mit einem neuen Betreiber (Urteil vom 10. Februar 1988 in der Rechtssache 324/86, Daddy' s Dance Hall, Slg. 1988, 739) und schließlich sogar die Veräusserung eines Bar- und Diskothekenbetriebs im Wege des Mietkaufs und die Rückgabe des Betriebs aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung (Urteil vom 5. Mai 1988 in den verbundenen Rechtssachen 144/87 und 145/87, Berg, Slg. 1988, 2559) fallen.
13 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 15. Juni 1988 (Bork International, a. a. O., Randnr. 14) ausgeführt hat, kann, wenn der Mieter als Inhaber eines Unternehmens diese Eigenschaft bei Beendigung des Mietvertrags verliert und ein Dritter sie später aufgrund eines mit dem Eigentümer abgeschlossenen Kaufvertrags erwirbt, dieser Vorgang in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, wie er in Artikel 1 Absatz 1 umschrieben ist. Daß in diesem Fall die Übertragung in zwei Schritten in der Weise erfolgt, daß das Unternehmen zunächst vom Mieter auf den Eigentümer zurückübertragen wird, der es anschließend auf den neuen Eigentümer überträgt, schließt die Anwendbarkeit der Richtlinie nicht aus.
14 Bei dem Vorgang, auf den sich die Vorlagefragen des Kantongerecht Groningen beziehen, ist nach seiner Schilderung im Vorlagebeschluß die Lage vergleichbar. Es geht nämlich darum, daß eine Gemeinde, die die Tätigkeiten einer Stiftung subventioniert, die sich mit der Hilfeleistung für Süchtige beschäftigt, beschließt, die Subventionierung einzustellen mit der Folge, daß die Stiftung ihre Tätigkeit beenden muß, um die Subventionen anschließend auf eine andere Stiftung mit der gleichen Zielsetzung zu übertragen.
15 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner sechsten Frage wissen, ob der Umstand, daß die Entscheidung für die Übertragung einseitig von der öffentlichen Körperschaft getroffen wurde und nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der öffentlichen Körperschaft und den subventionierten Einrichtungen beruht, zur Unanwendbarkeit der Richtlinie führt.
16 Diese Frage ist zu verneinen.
17 Zum einen liegt eine einseitige Entscheidung ebenso vor, wenn ein Eigentümer beschließt, den Mieter zu wechseln, wie wenn eine öffentliche Körperschaft ihre Subventionspolitik ändert. Die Art der Subvention spielt dabei keine Rolle, denn in einigen Mitgliedstaaten werden Subventionen durch einseitigen Akt unter bestimmten Voraussetzungen, in anderen aufgrund von Subventionsverträgen gewährt. In allen Fällen erfolgt die Änderung des Empfängers der Subvention im Rahmen vertraglicher Abmachungen im Sinne der Richtlinie und der Rechtsprechung (Urteile vom 5. Mai 1988, Berg, a. a. O., Randnr. 19, und vom 15. Juni 1988, Bork International, a. a. O., Randnrn. 13 und 14). Zudem bestreitet die Klägerin in ihren vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen zwar, daß Verträge abgeschlossen worden seien, das Kantongerecht führt jedoch in den Gründen seines Beschlusses ausdrücklich aus: "Sowohl die Klägerin als auch die Stichting Sigma erklärten sich bereit, aktiv an der 'Übertragung' der von der Klägerin betreuten Personen auf die Stichting Sigma mitzuwirken, wozu auch eine Arbeitsgruppe 'Überleitung der Tätigkeiten der Stichting Redmond auf die Stichting Sigma' ins Leben gerufen wurde."
18 Zum anderen schließt, wie auch die Kommission in ihren Erklärungen hervorhebt, der Umstand, daß der Vorgang auf der Gewährung von Subventionen für Stiftungen oder Vereine beruht, die unentgeltliche Dienstleistungen erbringen, diesen Vorgang nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus. Die Richtlinie hat nämlich, wie bereits ausgeführt, zum Ziel, die Rechte der Arbeitnehmer zu gewährleisten, und sie gilt für alle Arbeitnehmer, die nach nationalem Recht irgendeinen, wenn auch nur eingeschränkten Schutz genießen (Urteile vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 105/84, Danmols Inventar, Slg. 1985, 2639, Randnr. 27, und vom 15. April 1986 in der Rechtssache 237/84, Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1247, Randnr. 13). Ausweislich des Vorlagebeschlusses fallen die betroffenen Arbeitnehmer unter das niederländische Burgerlijk Wetbök.
19 In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin als ein weiteres Argument vorgetragen, daß sich die Klägerin in einer einem Konkurs vergleichbaren Situation befinde; diese Situation ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen, da sich die ernsthafte Gefahr einer im Widerspruch zu den sozialen Zielen des EWG-Vertrags stehenden allgemeinen Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte nicht ausschließen ließe, wenn die Richtlinie bei Konkursen Anwendung fände (Urteil vom 7. Februar 1985, Abels, a. a. O., Randnr. 23).
20 Diesem neuen Vorbringen, das in den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen nicht enthalten ist und keine Stütze in den Akten findet, kann nicht gefolgt werden. Nach dem Urteil Abels findet die Richtlinie nämlich keine Anwendung auf den Übergang von Unternehmen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist. Selbst wenn also die Klägerin im Zeitpunkt des Übergangs Schwierigkeiten bei der Erfuellung ihrer Verpflichtungen gehabt hätte, was nicht dargetan ist, hätte dieser Umstand für sich nicht genügt, um den Übergang vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen (vgl. insbesondere Urteil vom 11. Juli 1985, Danmols Inventar, a. a. O., Randnrn. 9 und 10).
21 Auf die Vorlagefragen bzw. Teilfragen, die im Zusammenhang mit dem Begriff "vertragliche Übertragung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 stehen, ist daher zu antworten, daß diese Bestimmung so auszulegen ist, daß dieser Begriff auf eine Situation Anwendung findet, in der eine Behörde beschließt, die Gewährung von Subventionen an eine juristische Person einzustellen, wodurch die vollständige und endgültige Beendigung der Tätigkeiten dieser juristischen Person bewirkt wird, um die Subventionen auf eine andere juristische Person zu übertragen, die einen ähnlichen Zweck verfolgt.
Der Begriff Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen
22 Im Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 24/85 (Spijkers, Slg. 1986, 1119) hat der Gerichtshof klargestellt, aufgrund welcher Tatumstände zu beurteilen ist, ob ein Übergang eines Unternehmens im Sinne der Richtlinie vorliegt. Dabei sind drei Punkte von Bedeutung.
23 Erstens besteht das entscheidende Kriterium für die Antwort auf die Frage, ob es sich um einen Übergang im Sinne der Richtlinie handelt, darin, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann der Fall ist, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wiederaufgenommen wird (Urteil vom 18. März 1986, Spijkers, a. a. O., Randnrn. 11 und 12).
24 Zweitens müssen für die Feststellung, ob diese Voraussetzungen erfuellt sind, sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Alle diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert beurteilt werden (Urteil vom 18. März 1986, Spijkers, a. a. O., Randnr. 13).
25 Schließlich ist für die tatsächliche Beurteilung, die für die Feststellung erforderlich ist, ob ein Übergang in dem angegebenen Sinn vorliegt, das nationale Gericht zuständig, das dabei die vorgenannten Auslegungskriterien zu beachten hat (Urteil vom 18. März 1986, Spijkers, a. a. O., Randnr. 14).
26 Im vorliegenden Fall weist nach dem Vorlagebeschluß die Übertragung der Subventionen von der einen Stiftung auf die andere folgende Merkmale auf: Die Klägerin stellt ihre Tätigkeiten ein, beide Stiftungen verfolgen denselben oder einen ähnlichen Zweck, die Klägerin geht teilweise in der Stichting Sigma auf, die beiden Stiftungen arbeiteten bei der Durchführung der Übertragungsvorgänge zusammen, es wurde eine Übertragung der Kenntnisse und der Mittel der Klägerin auf die Stichting Sigma vereinbart, das von der Klägerin gemietete Gebäude wurde an die Stichting Sigma vermietet, und diese Stiftung bot einigen zuvor bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluß neuer Arbeitsverträge an.
27 Diese Umstände sind von grosser, wenn nicht ausschlaggebender Bedeutung für die Feststellung, ob ein Übergang vorliegt, und sie können bei der Auslegung und Anwendung von Artikel 1 der Richtlinie berücksichtigt werden.
28 Mit der zweiten, der dritten, der vierten und der fünften Frage fragt das Kantongerecht, ob einige besondere Umstände im Zusammenhang mit bestimmten Gegenständen und Tätigkeiten zu einer anderen Wirkung der Gesichtspunkte führen können, die bereits zur Beantwortung der Frage ausgeführt wurden, ob ein Übergang vorliegt oder nicht.
29 Die Bedeutung der beweglichen Gegenstände, deren Nichtübertragung der Anwendbarkeit der Richtlinie allein nicht entgegensteht, muß das nationale Gericht im Rahmen der Gesamtwertung, wie sie in Randnummer 24 beschrieben ist, beurteilen.
30 Das gleiche gilt für die Tätigkeiten einer Begegnungs- und Erholungsstätte, wobei zu bemerken ist, daß der blosse Umstand, daß diese eine selbständige Aufgabe bildeten, der Anwendung der genannten Bestimmungen der Richtlinie nicht im Wege steht. Diese regeln nämlich nicht nur den Übergang von Unternehmen, sondern auch den von Betrieben oder Betriebsteilen; solchen können Tätigkeiten besonderer Art gleichgestellt werden.
31 Auf die Vorlagefragen nach der Auslegung des Begriffs "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 ist daher zu antworten, daß diese Bestimmung so auszulegen ist, daß dieser Begriff den Fall betrifft, daß die betreffende Einheit ihre Identität bewahrt hat. Um festzustellen, ob eine Übertragung im genannten Sinne in einem Fall wie dem vorliegt, der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände, die den fraglichen Vorgang kennzeichnen, zu prüfen, ob die ausgeuebten Funktionen von der neuen juristischen Person mit den gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten tatsächlich fortgesetzt oder wiederaufgenommen werden, wobei Tätigkeiten besonderer Art, die selbständige Aufgaben darstellen, gegebenenfalls Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie gleichgestellt werden können.
Kostenentscheidung:
Kosten
32 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Kantongerecht Groningen mit Beschluß vom 21. Januar 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1) Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist so auszulegen, daß der Begriff "vertragliche Übertragung" auf eine Situation Anwendung findet, in der eine Behörde beschließt, die Gewährung von Subventionen an eine juristische Person einzustellen, wodurch die vollständige und endgültige Beendigung der Tätigkeiten dieser juristischen Person bewirkt wird, um die Subventionen auf eine andere juristische Person zu übertragen, die einen ähnlichen Zweck verfolgt.
2) Der in dieser Vorschrift enthaltene Begriff "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" betrifft den Fall, daß die betreffende Einheit ihre Identität gewahrt hat. Um festzustellen, ob eine Übertragung im genannten Sinne in einem Fall wie dem vorliegt, der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände, die den fraglichen Vorgang kennzeichnen, zu prüfen, ob die ausgeuebten Funktionen von der neuen juristischen Person mit den gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten tatsächlich fortgesetzt oder wiederaufgenommen wurden, wobei Tätigkeiten besonderer Art, die selbständige Aufgaben darstellen, gegebenenfalls Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie gleichgestellt werden können.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.