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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.1997
Aktenzeichen: C-316/95
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 65/65/EWG, Richtlinie 75/319/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234)
EGV Art. 30
EGV Art. 36
Richtlinie 65/65/EWG
Richtlinie 75/319/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels es einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle vor dem Ablauf des betreffenden Patents Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, ist eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages. Ohne eine solche Rechtsvorschrift kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Verkehrsgenehmigung, deren Erteilung erst nach einer Wartezeit erfolgt, schon während der Laufzeit des Patents erteilt würde und ein nach einem solchen Verfahren hergestelltes Arzneimittel, das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vertrieben wird, unmittelbar nach Ablauf des Patents eingeführt werden könnte.

Die Anwendung der fraglichen Rechtsvorschrift ist jedoch nach Artikel 36 des Vertrages aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt. Das dadurch für den Inhaber eines Patents begründete Recht ist nämlich Teil des spezifischen Gegenstands des Patentrechts, das namentlich das ausschließliche Recht des Inhabers, sein Erzeugnis erstmals in den Verkehr zu bringen, umfasst; würde die Ausübung dieses Rechts verhindert, so würde dieses ausschließliche Recht beeinträchtigt.

4 Es stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages dar - durch die das Inverkehrbringen einer Ware im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats untersagt wird, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats rechtmässig vertrieben wird -, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vor dem Ablauf des betreffenden Patents vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt, dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.

Weil jedoch der Inhaber des Patents sein Erzeugnis während des für die Erlangung der Verkehrsgenehmigung erforderlichen Zeitraums weiter hätte vertreiben können, ohne Wettbewerb ausgesetzt zu sein, wenn der Patentverletzer sein Recht beachtet hätte, kann das dem Patentverletzer vom Gericht auferlegte befristete Verbot nicht als eine unverhältnismässige Maßnahme zur Schadensverhinderung angesehen werden, da es den Patentinhaber nur in die Lage versetzen soll, in der er sich grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet worden wären, und kann folglich nach Artikel 36 des Vertrages aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt werden.

Das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages verbieten es auch nicht, daß das Gericht das Verbot für einen Zeitraum von 14 Monaten nach dem Ablauf des Patents verhängt, der zwar die nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65 in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 - beides Richtlinien betreffend Arzneispezialitäten - zulässige Hoechstdauer des Verfahrens für die Erteilung von Verkehrsgenehmigungen überschreitet, aber der tatsächlichen Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat entspricht. Ein solcher Verbotszeitraum bewirkt nämlich, daß der Patentinhaber in die Lage versetzt wird, in der er sich grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet worden wären. Ferner kann sich der Verletzende gegenüber dem Patentinhaber nicht darauf berufen, daß der Zeitraum von 14 Monaten den nach den Richtlinien zulässigen Zeitraum überschreitet, da andernfalls die Gefahr in Kauf genommen wird, daß der Urheber der Patentverletzung gegenüber dem Patentinhaber begünstigt würde.


Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1997. - Generics BV gegen Smith Kline & French Laboratories Ltd. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Artikel 30 und 36 EG-Vertrag - Patent - Registrierung von Arzneimitteln - Patentverletzung. - Rechtssache C-316/95.

Entscheidungsgründe:

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 29. September 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Oktober 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 dieses Vertrages zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Generics BV (im folgenden: Generics) und der Smith Kline & French Laboratories Ltd (im folgenden: SKF) wegen Verletzung eines Arzneimittelpatents.

3 Der SKF wurde am 19. Juni 1991 auf eine Anmeldung vom 4. September 1973 ein niederländisches Patent für ein Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen Zubereitung mit dem Freinamen "Cimetidin" erteilt, die sie unter der Markenbezeichnung "Tagamet" in den Niederlanden vertreibt. Dieses Patent lief am 4. September 1993 ab.

4 Am 22. Oktober 1987 und am 10. Oktober 1989 stellte die Genfarma BV beim College ter beoordeling van geneesmiddelen (Institut zur Beurteilung von Arzneimitteln; im folgenden: CBG) drei Anträge auf Registrierung von Cimetidin-Tabletten von 200 mg, 400 mg und 800 mg. Gleichzeitig wurden Muster dieser Zubereitungen beim CBG eingereicht. Für die ersten beiden Anträge erhielt die Genpharma BV die Registrierung am 18. Januar 1990 und für den dritten Antrag am 17. Dezember 1992.

5 Danach übertrug die Genfarma BV diese Registrierungen auf die Generics, für die sie am 21. Juni 1993 in das Register der pharmazeutischen Zubereitungen eingetragen wurden.

6 Am 6. August 1993 beantragte die SKF beim Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Den Haag, der Generics durch einstweilige Verfügung zu untersagen, Cimetidin vor dem 5. November 1994 auf dem niederländischen Markt anzubieten oder abzugeben oder die Registrierungen für Cimetidin auf Dritte zu übertragen.

7 Nach Auffassung der SKF verletzte die Übermittlung von Mustern der Cimetidin-Zubereitungen an das CBG nämlich ihr Patent, wie es durch die Rijksoctrooiwet von 1910 (niederländisches Patentgesetz; im folgenden: Patentgesetz) in ihrer im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung geschützt worden sei. Sie verwies insbesondere auf das Urteil des Hoge Raad vom 18. Dezember 1992 in der Rechtssache Medicopharma/ICI, aus dem sich ergebe, daß es nicht unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 30 Absatz 3 des Patentgesetzes falle, wenn eine andere Person als der Patentinhaber dem CBG Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Erzeugnisses vorlege, um dies unmittelbar nach Ablauf des Patents in den Verkehr bringen zu können. Nach dieser Bestimmung erstreckt sich "das ausschließliche Recht nicht auf Handlungen, die sich allein auf die Prüfung des Gegenstands des Patents beziehen, einschließlich des durch die Anwendung des patentierten Verfahrens unmittelbar erhaltenen Erzeugnisses".

8 Da die Generics die Registrierungen somit erst nach Ablauf des Patents am 4. September 1993 hätte beantragen dürfen und diese Registrierungen in Anbetracht der tatsächlichen Durchschnittsdauer des Registrierungsverfahrens in den Niederlanden erst 14 Monate später erhalten hätte, beantragte die SKF, daß das der Generics auferlegte Verbot bis zum 5. November 1994 gelten solle.

9 Der Richter der einstweiligen Verfügung gab dem Antrag der SKF mit der Einschränkung statt, daß er der Generics nur untersagte, Cimetidin vor dem 5. November 1994 unter Benutzung von vor dem 4. September 1993 beantragten Registrierungen anzubieten oder abzugeben oder solche Registrierungen vor dem 5. November 1994 zu übertragen. Diese Entscheidung wurde vom Gerechtshof Den Haag bestätigt. Die Generics legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein.

10 Nach dem Vorlageurteil wendet sich die Generics u. a. dagegen, daß der Gerechtshof Den Haag in seinem Urteil festgestellt hat, daß weder das Verbot, dem CBG während der Laufzeit eines Patents Muster eines unter das Patent fallenden Arzneimittels zur Verfügung zu stellen, noch die Wartefrist, durch die verhindert werden solle, daß die Generics ungerechtfertigte Vorteile aus einer der SKF gegenüber begangenen rechtswidrigen Handlung ziehe, Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels darstellten, die mit den Artikeln 30 und 36 des Vertrages unvereinbar seien.

11 Die der Generics auferlegte Wartefrist sei jedenfalls mit den Richtlinien 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 und 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369, und ABl. 1975, L 147, S. 13) unvereinbar. Diese Wartefrist sei nämlich nach Maßgabe der durchschnittlichen Dauer des Registrierungsverfahrens in den Niederlanden und nicht nach Maßgabe der nach diesen Richtlinien zulässigen Hoechstdauer festgelegt worden.

12 Gemäß Artikel 7 der Richtlinie 65/65 sind die nationalen Behörden verpflichtet, innerhalb einer Frist von 120 Tagen nach der Antragstellung eine Entscheidung zu treffen; diese Frist kann in Ausnahmefällen um 90 Tage verlängert werden. Machen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten von dem Recht Gebrauch, vom Antragsteller eine Ergänzung der Akte um bestimmte Elemente zu verlangen, so werden die in Artikel 7 der Richtlinie 65/65 vorgesehenen Fristen gemäß Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 bis zur Übermittlung der benötigten zusätzlichen Angaben gehemmt. Diese Fristen werden ausserdem für die Zeit gehemmt, die dem Antragsteller gegebenenfalls für mündliche oder schriftliche Erklärungen eingeräumt wird.

13 Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

1. Ist eine nationale Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für bestimmte Arzneimittel berechtigt ist, während der Laufzeit dieses Patents einem Dritten untersagen zu lassen, der für die Registrierung von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster der patentierten (oder nach dem patentierten Verfahren hergestellten) Arzneimittel vorzulegen, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag anzusehen?

2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Fällt diese Maßnahme unter die in Artikel 36 EG-Vertrag vorgesehene Ausnahme für Beschränkungen, die zum Schutz des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind?

3. Wenn ein Patent während seiner Laufzeit unter Verstoß gegen das nationale Recht verletzt wird und die Gefahr besteht, daß der Urheber der Patentverletzung oder ein Dritter noch nach dem Ablauf des Patents aus dieser Verletzung Vorteile zieht oder daß durch die Verletzung noch nach dem Ablauf des Patents für den Patentinhaber Nachteile entstehen, ist dann ein zur Verhinderung dieses drohenden Unrechts auferlegtes gerichtliches Verbot, während eines bestimmten Zeitraums nach diesem Ablauf Waren in Verkehr zu bringen, die während der Laufzeit des Patents durch dieses geschützt waren, eine Maßnahme, die durch Artikel 30 EG-Vertrag verboten ist und nicht unter die Ausnahme des Artikels 36 EG-Vertrag fällt?

4. Wenn die unter 3 genannte Verletzung darin bestand, daß Muster, wie unter 1 dargelegt, für die Registrierung eines Arzneimittels vorgelegt wurden, und wenn der Richter aufgrund dessen, wie unter 3 beschrieben, ein Verbot für einen Zeitraum verhängt, der die in den Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG festgelegte Hoechstdauer des Verfahrens zur Arzneimittelregistrierung überschreitet, führt dann diese Überschreitung dazu, daß das Verbot insoweit mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist und, falls dies zu bejahen ist, der Adressat des Verbotes sich nach dem Gemeinschaftsrecht gegenüber dem früheren Patentinhaber auf diese Unvereinbarkeit berufen kann?

Zur ersten Frage

14 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages ist.

15 Nach ständiger Rechtsprechung stellt jede Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung dar (Urteile vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C-412/93, Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-179, Randnr. 18).

16 Eine Bestimmung der im Ausgangsverfahren fraglichen Art, die es Wettbewerbern untersagt, im Rahmen eines Antrags auf Verkehrsgenehmigung vor Ablauf des fraglichen Patents Muster eines nach dem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, bewirkt u. a., daß kein Wettbewerber eine Verkehrsgenehmigung für ein Arzneimittel dieser Art erhalten kann, bevor die Frist, die nach der Einreichung eines solchen Antrags nach Ablauf des Patents vergehen würde, verstrichen ist. Ein nach einem solchen Verfahren hergestelltes Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat A rechtmässig vertrieben wird, während das einschlägige Patent im Mitgliedstaat B noch nicht abgelaufen ist, kann daher jedenfalls nicht unmittelbar nach Ablauf dieses Patents im letztgenannten Staat in den Verkehr gebracht werden. Ohne die streitige Rechtsvorschrift wäre es jedoch zulässig, im Rahmen eines Antrags auf Verkehrsgenehmigung vor Ablauf des Patents Muster eines solchen Arzneimittels vorzulegen, so daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß eine solche Genehmigung während der Laufzeit des Patents erteilt und das aus dem Mitgliedstaat A stammende Generikum unmittelbar nach Ablauf des Patents in den Mitgliedstaat B eingeführt werden könnte.

17 Daher ist zu antworten, daß die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages ist.

Zur zweiten Frage

18 Die zweite Frage geht im wesentlichen dahin, ob die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen Person als dem Patentinhaber nach dem patentierten Verfahren hergestellt worden sind, gemäß Artikel 36 des Vertrages gerechtfertigt ist.

19 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erlaubt Artikel 36 des Vertrages als - dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums dienende - Ausnahme von einem der grundlegenden Prinzipien des Gemeinsamen Marktes diese Abweichung nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt ist, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen; der spezifische Gegenstand eines Patentrechts umfasst namentlich das ausschließliche Recht des Inhabers, sein Erzeugnis erstmals in den Verkehr zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 187/80, Merck, Slg. 1981, 2063, Randnr. 10).

20 Im vorliegenden Fall ist das Recht des Inhabers eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels, einem Dritten untersagen zu lassen, zur Erlangung einer Verkehrsgenehmigung Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels zu gebrauchen, Teil des spezifischen Gegenstands des Patentrechts, sofern diese Muster ohne die direkte oder indirekte Zustimmung des Patentinhabers gebraucht worden sind. Insoweit begründen im übrigen Artikel 25 des Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (ABl. 1989, L 401, S. 10) und Artikel 28 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs; ABl. 1994, L 336, S. 214) für den Patentinhaber u. a. das Recht, es Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis zu gebrauchen. Würde im vorliegenden Fall die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift verhindert, die das oben beschriebene Recht vorsieht, so würde das in der vorstehenden Randnummer bezeichnete ausschließliche Recht des ersten Inverkehrbringens des Erzeugnisses beeinträchtigt.

21 Nach Artikel 36 sind Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nur unter der Voraussetzung zulässig, daß sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-191/90, Generics und Harris Pharmaceuticals, Slg. 1992, I-5335, Randnr. 21).

22 Aus den Akten ergibt sich nicht, daß das Patentgesetz diskriminierend ist oder darauf abzielt, nationale Erzeugnisse gegenüber Erzeugnissen anderer Mitgliedstaaten zu begünstigen.

23 Daher ist zu antworten, daß die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen Person als dem Patentinhaber nach dem patentierten Verfahren hergestellt worden sind, nach Artikel 36 des Vertrages gerechtfertigt ist.

Zur dritten Frage

24 Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob es eine nach Artikel 36 des Vertrages zu rechtfertigende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 darstellt, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt, dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.

25 Eine solche Maßnahme, durch die das Inverkehrbringen einer Ware im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats untersagt wird, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats rechtmässig vertrieben wird, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages dar.

26 Die Generics macht zur Anwendung von Artikel 36 geltend, es verstosse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wenn der Eintritt eines Schadens durch ein Verbot des Verkaufs von Erzeugnissen nach dem Ablauf des Patents verhindert werden solle, da auch eine finanzielle Entschädigung oder eine Rücknahme der Verkehrsgenehmigungen in Betracht komme.

27 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Generics, wenn sie das Patent der SKF beachtet hätte, die Cimetidin-Muster erst nach dem Ablauf dieses Patents hätte vorlegen können. Die SKF hätte folglich ihr Erzeugnis während des für die Erlangung der Verkehrsgenehmigung erforderlichen Zeitraums weiter vertreiben können, ohne dem Wettbewerb durch das Generikum der Generics ausgesetzt zu sein.

28 Die dem Patentverletzer vom Gericht auferlegte Wartefrist kann als solche nicht als eine unverhältnismässige Maßnahme zur Schadensverhinderung angesehen werden, da sie den Patentinhaber nur in die Lage versetzen soll, in der er sich grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet worden wären.

29 Daher ist zu antworten, daß es eine nach Artikel 36 des Vertrages zu rechtfertigende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 dieses Vertrages darstellt, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt, dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.

Zur vierten Frage

30 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dann, wenn die Patentverletzung darin bestand, daß der zuständigen Stelle im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen Muster eines Arzneimittels vorgelegt wurden, das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages es verbieten, daß das nationale Gericht dem Urheber der Patentverletzung untersagt, dieses Arzneimittel während eines Zeitraums von 14 Monaten nach dem Ablauf dieses Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65 in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 zulässige Hoechstdauer des Genehmigungsverfahrens überschreitet, aber der tatsächlichen Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat entspricht.

31 Da der vom nationalen Gericht festgesetzte Verbotszeitraum, wie im Vorlageurteil ausgeführt wird, der tatsächlichen Durchschnittsdauer des Registrierungsverfahrens im betreffenden Mitgliedstaat entspricht, bewirkt er, wie sich bereits aus Randnummer 28 dieses Urteils ergibt, daß der Patentinhaber in die Lage versetzt wird, in der er sich grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet worden wären.

32 Es steht fest, daß im vorliegenden Fall der Zeitraum von 14 Monaten die nach den genannten Richtlinien zulässige Hoechstfrist überschreitet. Jedoch kann sich der Verletzende gegenüber dem Patentinhaber hierauf nicht berufen, um einen kürzeren Verbotszeitraum zu erreichen. Andernfalls wird nämlich im vorliegenden Fall die Gefahr in Kauf genommen, daß der Urheber der Patentverletzung gegenüber dem Patentinhaber begünstigt würde.

33 Unter Umständen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind, kann daher eine Entscheidung der von dem nationalen Gericht erlassenen Art offensichtlich nicht zu unverhältnismässigen Konsequenzen für den Urheber der Patentverletzung führen.

34 Damit ist zu antworten, daß dann, wenn die Patentverletzung darin bestand, daß der zuständigen Stelle im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen Muster eines Arzneimittels vorgelegt wurden, das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages es nicht verbieten, daß das nationale Gericht dem Urheber der Patentverletzung untersagt, dieses Arzneimittel während eines Zeitraums von 14 Monaten nach dem Ablauf dieses Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65 in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 zulässige Hoechstdauer des Genehmigungsverfahrens überschreitet, aber der tatsächlichen Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat entspricht.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der deutschen und der griechischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 29. September 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, ist eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag.

2. Die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen Person als dem Patentinhaber nach dem patentierten Verfahren hergestellt worden sind, ist nach Artikel 36 EG-Vertrag gerechtfertigt.

3. Es stellt eine nach Artikel 36 EG-Vertrag zu rechtfertigende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 dieses Vertrages dar, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt, dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.

4. Bestand die Patentverletzung darin, daß der zuständigen Stelle im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen Muster eines Arzneimittels vorgelegt wurden, so verbieten es das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages nicht, daß das nationale Gericht dem Urheber der Patentverletzung untersagt, dieses Arzneimittel während eines Zeitraums von 14 Monaten nach dem Ablauf dieses Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten zulässige Hoechstdauer des Genehmigungsverfahrens überschreitet, aber der tatsächlichen Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat entspricht.

Ende der Entscheidung

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