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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: C-360/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 2000/39/EG vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer
Vorschriften:
Richtlinie 2000/39/EG vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer Art. 1 | |
Richtlinie 2000/39/EG vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 | |
Richtlinie 2000/39/EG vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer Art. 3 Abs. 2 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
28. Oktober 2004(1)
"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 2000/39/EG - Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer - Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit - Festlegung von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten - Nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist im gesamten Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erfolgte Umsetzung"
Parteien:
In der Rechtssache C-360/03
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,
eingereicht am 19. August 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, J. Makarczyk, P. Kuris und J. Klucka,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/39/EG der Kommission vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG des Rates zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (ABl. L 142, S. 47) verstoßen hat, dass sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die notwendig sind, um dieser Richtlinie vollständig nachzukommen, erlassen oder der Kommission mitgeteilt hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Wie aus ihrem Artikel 1 hervorgeht, legt die Richtlinie 2000/39 für die in ihrem Anhang aufgeführten chemischen Arbeitsstoffe einen gemeinschaftlichen Arbeitsplatz-Richtgrenzwert fest.
3 Nach Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie spätestens am 31. Dezember 2001 nachzukommen, und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen. Absatz 2 dieses Artikels sieht außerdem vor, dass "[d]ie Mitgliedstaaten ... der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit[teilen], die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen".
Vorverfahren
4 Da die in Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/39 vorgesehene Frist verstrichen war, ohne dass die Kommission von der Republik Österreich über die Maßnahmen in Kenntnis gesetzt worden war, die diese getroffen hatte, um der Richtlinie vollständig nachzukommen, und da die Kommission auch nicht über sonstige Informationen verfügte, die ihr den Schluss erlaubt hätten, dass dieser Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus der Richtlinie erfüllt hatte, leitete sie am 12. Februar 2002 das Verfahren nach Artikel 226 EG ein.
5 Nachdem die Kommission die Republik Österreich aufgefordert hatte, sich zu äußern, gab sie am 17. Dezember 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Aus der Stellungnahme geht insbesondere hervor, dass zwar auf Bundesebene die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2000/39 im Wesentlichen getroffen worden waren, dass aber solche Maßnahmen im Burgenland sowie in den Ländern Kärnten, Oberösterreich und Vorarlberg völlig fehlten und die Umsetzung in den Ländern Steiermark und Tirol nur teilweise erfolgt war.
6 Als Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme teilte die österreichische Regierung der Kommission am 17. Februar 2003 detailliert den Stand der Umsetzung mit, die auf Bundesebene und in den in der Stellungnahme genannten Ländern im Gang war. Darüber hinaus übermittelte sie mit Schreiben vom 28. Januar und 14. April 2003 verschiedene ergänzende Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie, u. a. die Aktualisierung der Bundesvorschriften zur Umsetzung sowie die von der Regierung des Landes Oberösterreich erlassenen Vorschriften über Grenzwerte für Arbeitsstoffe und über Krebs erzeugende Arbeitsstoffe in der Land- und Forstwirtschaft.
7 Da die Kommission jedoch der Auffassung war, dass diese Maßnahmen und die Erklärungen der österreichischen Regierung unzureichend seien, weil aus ihnen gerade ersichtlich werde, dass die Richtlinie 2000/39 im Burgenland sowie in den Ländern Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg nicht vollständig umgesetzt worden sei, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
8 Die österreichische Regierung bestreitet die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung nicht, macht aber geltend, dass in dem von der Richtlinie 2000/39 geregelten Bereich die Zuständigkeiten in Österreich zwischen den Ländern und dem Bund geteilt seien und dieser nach innerstaatlichem Recht nicht die Befugnis habe, die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen anstelle der Länder zu erlassen. Obwohl sie das Land Kärnten laufend über ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie informiert habe, habe dieses noch nicht die Maßnahmen erlassen, die notwendig seien, um der Richtlinie bezüglich des Schutzes der Bediensteten des Landes und seiner Gemeinden oder Gemeindeverbände nachzukommen. Unter diesen Umständen ermögliche es der Republik Österreich erst ihre Verurteilung durch den Gerichtshof, die erforderliche Umsetzung in Kärnten durchzuführen.
9 Was dagegen die übrigen in der Klage der Kommission genannten Länder angehe, so stehe die Umsetzung der Richtlinie 2000/39 unmittelbar bevor; einige dieser Länder - wie das Burgenland bezüglich des Schutzes der Bediensteten des Landes und der Gemeinden und Kärnten bezüglich des Schutzes der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft - hätten die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen bereits erlassen und im Juli 2003 notifiziert. Die Klage sei daher im Hinblick auf den weit vorangeschrittenen Prozess der Umsetzung der Richtlinie in den betreffenden Ländern - allenfalls nach der formalen Notifikation der innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen - teilweise abzuweisen.
10 Insoweit ist daran zu erinnern, dass sich nach ständiger Rechtsprechung ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung einschließlich solcher, die sich aus seinem bundesstaatlichen Aufbau ergeben, berufen kann, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (vgl. u. a. Urteile vom 11. Oktober 2001 in der Rechtssache C-111/00, Kommission/Österreich, Slg. 2001, I-7555, Randnr. 12, und vom 17. Januar 2002 in der Rechtssache C-423/00, Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-593, Randnr. 16). Auch wenn es jedem Mitgliedstaat freisteht, die internen Gesetzgebungsbefugnisse so zu verteilen, wie er es für richtig hält, so bleibt er doch im Hinblick auf Artikel 226 EG der Gemeinschaft gegenüber für die Beachtung der Verpflichtungen, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, allein verantwortlich (Urteile vom 16. Januar 2003 in der Rechtssache C-388/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-721, Randnr. 27, und vom 10. Juni 2004 in der Rechtssache C-87/02, Kommission/Italien, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 38).
11 Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, und dass der Gerichtshof spätere Veränderungen nicht berücksichtigen kann, auch wenn sie eine korrekte Umsetzung der Richtlinie, die Gegenstand der Vertragsverletzungsklage ist, darstellen (in diesem Sinne u. a. Urteile Kommission/Österreich, Randnrn. 13 und 14, und Kommission/Belgien, Randnr. 14, sowie Urteil vom 24. Juni 2004 in der Rechtssache C-212/02, Kommission/Österreich, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 28).
12 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Republik Österreich ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/39 nicht vollständig erfüllt hat, da in einigen Ländern zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage noch nicht alle zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen erlassen waren und im Fall des Burgenlandes und des Landes Kärnten die bereits erlassenen Maßnahmen der Kommission erst im Juli 2003, also nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist von zwei Monaten, notifiziert wurden.
13 Unter diesen Umständen ist die Klage der Kommission als begründet anzusehen.
14 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist daher festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/39 verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie vollständig nachzukommen.
Kostenentscheidung:
Kosten
15 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Österreich beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/39/EG der Kommission vom 8. Juni 2000 zur Festlegung einer ersten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG des Rates zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit verstoßen, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie vollständig nachzukommen.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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