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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.1998
Aktenzeichen: C-364/95
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EG) Nr. 478/95, Verordnung (EWG) Nr. 404/93, Verordnung (EWG) Nr. 1442/93, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT)
Vorschriften:
EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234) | |
EGV Art. 40 Abs. 3 Unterabs. 2 | |
Verordnung (EG) Nr. 478/95 | |
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 | |
Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 | |
Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) |
3 Artikel 234 Absatz 1 des Vertrages bezweckt, gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts klarzustellen, daß die Anwendung des Vertrages nicht die Pflicht des betreffenden Mitgliedstaats berührt, die Rechte von Drittländern aus einer früher geschlossenen Übereinkunft zu beachten und seine entsprechenden Verpflichtungen zu erfuellen. Eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts hat demnach gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann zurückzutreten, wenn diese zum einen vor dem Inkrafttreten des Vertrages geschlossen wurde und wenn zum anderen das fragliche Drittland daraus Rechte herleiten kann, deren Beachtung es von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen kann.
Artikel 234 Absatz 1 des Vertrages findet daher keine Anwendung in den Rechtssachen, in denen es um die Einfuhr von Bananen aus einem Drittland geht, das nicht Partei einer völkerrechtlichen Übereinkunft ist, die Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten des Vertrages geschlossen haben.
So verhält es sich hier. Es geht um Einfuhren von Bananen aus Ecuador, die 1995 stattfanden und auf die die Verordnungen Nrn. 404/93 und 478/95 Anwendung fanden, die bestimmten Artikeln des GATT widersprechen sollen. Dieses Drittland war nämlich im Jahre 1947 keine Vertragspartei des GATT und wurde erst 1996 Mitglied der Welthandelsorganisation und damit des GATT 1994.
4 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 478/95 mit ergänzenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung Nr. 404/93 betreffend die Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung Nr. 1442/93 wird das Zollkontingent für die Einfuhren von Drittlandbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen in spezifische Kontingente aufgeteilt, die verschiedenen Drittländern oder Drittländergruppen zugewiesen werden, wobei ein bestimmter Prozentsatz den Vertragsstaaten des Rahmenabkommens vorbehalten bleibt. Nach Artikel 3 Absatz 2 müssen sich nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C, nicht aber diejenigen der Gruppe B (Marktbeteiligte, die mit Gemeinschafts- und/oder herkömmlichen AKP-Bananen handeln), bei den zuständigen Behörden von Kolumbien, Costa Rica und Nicaragua für die Einfuhr von Bananen aus diesen Ländern Ausfuhrlizenzen beschaffen.
Die Aufteilung des Zollkontingents in Länderkontingente, die bestimmte Drittländer begünstigt und damit die Einfuhrmöglichkeiten der Marktbeteiligten beschränkt, die traditionell Bananen aus anderen Drittländern importieren, verletzt das allgemeine Diskriminierungsverbot in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages.
Das Gemeinschaftsrecht kennt nämlich keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die Gemeinschaft in ihren Aussenbeziehungen Drittländer unter allen Aspekten gleich behandeln müsste. Wenn eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, kann auch eine unterschiedliche Behandlung von Marktbeteiligten der Gemeinschaft, die nur eine zwangsläufige Folge der unterschiedlichen Behandlung der Drittländer ist, mit denen diese Marktbeteiligten Handelsbeziehungen angeknüpft haben, nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden. Die Beschränkung der Einfuhrmöglichkeiten von Marktbeteiligten der betroffenen Gruppen, zu der die Errichtung von Länderkontingenten führen kann, ist zwangsläufige Folge der unterschiedlichen Behandlung von Drittländern nach Maßgabe dessen, ob diese Vertragsparteien des Rahmenabkommens sind, und nach Maßgabe des Umfangs des ihnen in diesem Abkommen eingeräumten Kontingents.
Hingegen ist die Ungleichbehandlung, die die Befreiung von Marktbeteiligten der Gruppe B vom Ausfuhrlizenzsystem darstellt und die zur Folge hat, daß der Preis, den die Marktbeteiligten der Gruppen A und C zu entrichten haben, um ungefähr 33 % steigt, mit dem genannten Diskriminierungsverbot unvereinbar, das nur spezifischer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist, der zu den elementaren Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört. Sie führt zur Ungültigkeit der Verordnung Nr. 478/95 insoweit, als diese nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C dem dort geschaffenen Ausfuhrlizenzsystem unterwirft.
Die gemeinsame Marktorganisation für Bananen, wie sie mit der Verordnung Nr. 404/93, namentlich der Regelung über die Aufteilung des Zollkontingents, geschaffen wurde, enthält bestimmte Beschränkungen oder Ungleichbehandlungen, die die Marktbeteiligten der Gruppen A und C benachteiligen. Diese unterschiedliche Behandlung verstösst nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot, soweit sie in Anbetracht der unterschiedlichen Lage, in der sich die verschiedenen Gruppen von Marktbeteiligten vor der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation befanden, naturgemäß mit dem Ziel einer Integration bisher abgeschotteter Märkte verbunden ist. Auch macht das Ziel der Marktorganisation, den Absatz der Gemeinschaftserzeugung und der traditionellen AKP-Erzeugung zu sichern, die Herstellung eines gewissen Gleichgewichts zwischen den betroffenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern erforderlich.
Jedoch ist nicht dargetan, daß dieses Gleichgewicht, das durch die Erhöhung des Zollkontingents und die entsprechende Kürzung der Zölle im Rahmenabkommen, die auch den Marktbeteiligten der Gruppe B zugute kommen, gestört wurde, nur dadurch wiederhergestellt werden konnte, daß diesen Marktbeteiligten ein wesentlicher Vorteil gewährt und damit eine neue Ungleichbehandlung zu Lasten der anderen Gruppen von Marktbeteiligten geschaffen wurde, die bereits bei der Einführung des Zollkontingents und von dessen Aufteilung ähnlichen Beschränkungen und Ungleichbehandlungen unterworfen worden waren.
Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1998. - T. Port GmbH & Co. gegen Hauptzollamt Hamburg-Jonas. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Hamburg - Deutschland. - Bananen - Gemeinsame Marktorganisation - Einfuhrregelung - Rahmenabkommen über Bananen - GATT - Artikel 234 EG-Vertrag. - Verbundene Rechtssachen C-364/95 und C-365/95.
Entscheidungsgründe:
1 Das Finanzgericht Hamburg hat dem Gerichtshof mit Beschlüssen vom 22. und 27. September 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 16. November 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 234 EG-Vertrag, nach der Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 478/95 der Kommission vom 1. März 1995 mit ergänzenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates betreffend die Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 (ABl. L 49, S. 13) sowie nach der unmittelbaren Wirkung des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der T. Port GmbH & Co. (Klägerin), einem traditionellen Importeur von Drittlandbananen, und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas über die Nachentrichtung von Zöllen auf die Einfuhr von Bananen aus Ecuador.
Rechtslage
3 Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) hat in Titel IV die bisherigen nationalen Regelungen für den Handel mit Drittländern durch eine gemeinsame Regelung ersetzt.
4 Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung Nr. 404/93 lautet wie folgt:
"Alle Bananeneinfuhren in die Gemeinschaft bedürfen der Vorlage einer Einfuhrbescheinigung, die von den Mitgliedstaaten auf Antrag jedem Interessierten ungeachtet seines Niederlassungsorts in der Gemeinschaft erteilt wird; Sonderbestimmungen für die Anwendung der Artikel 18 und 19 bleiben hiervon unberührt."
5 Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 404/93 sah ursprünglich vor, daß jährlich ein Zollkontingent in Höhe von 2 000 000 t Eigengewicht für Einfuhren von Drittlandbananen und nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen eröffnet wird. Im Rahmen dieses Zollkontingents wird auf Einfuhren von Drittlandbananen eine Abgabe von 100 ECU/t erhoben, während auf nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen kein Zoll erhoben wird.
6 Nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 404/93 wird das Zollkontingent anteilig zu 66,5 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Drittlandbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, zu 30 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, und zu 3,5 v. H. für in der Gemeinschaft niedergelassene Marktbeteiligte, die ab 1992 mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen begonnen haben, eröffnet.
7 Nach Artikel 19 Absatz 2 erhält jeder Marktbeteiligte Einfuhrbescheinigungen auf der Grundlage des durchschnittlichen Absatzes von Bananen, den er in den letzten drei Jahren, für die Angaben vorliegen, getätigt hat.
8 Nach Artikel 20 der Verordnung Nr. 404/93 erlässt die Kommission die Durchführungsbestimmungen für den Titel IV; diese können sich u. a. auf die Ausstellung der Einfuhrbescheinigungen beziehen.
9 Demgemäß erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen (ABl. L 142, S. 6), in der das Zollkontingent auf die drei genannten, als Gruppe A, B und C bezeichneten Gruppen von Marktbeteiligten aufgeteilt wird.
10 Am 19. Februar 1993 verlangten die Republik Kolumbien, die Republik Costa Rica, die Republik Guatemala, die Republik Nicaragua und die Republik Venezuela von der Gemeinschaft gemäß Artikel XXII Absatz 1 des GATT die Aufnahme von Konsultationen über die Verordnung Nr. 404/93. Da diese Konsultationen zu keiner zufriedenstellenden Lösung führten, brachten diese lateinamerikanischen Staaten im April 1993 das in Artikel XXIII Absatz 2 des GATT vorgesehene Streitbeilegungsverfahren in Gang.
11 Am 18. Januar 1994 legte das im Rahmen dieses Verfahrens eingesetzte Panel einen Bericht vor, nach dem die mit der Verordnung Nr. 404/93 festgelegte Einfuhrregelung mit den Vorschriften des GATT unvereinbar ist.
12 Dieser Bericht wurde von den Vertragsparteien des GATT nicht angenommen.
13 Am 28. und 29. März 1994 traf die Gemeinschaft eine Vereinbarung mit der Republik Kolumbien, der Republik Costa Rica, der Republik Nicaragua und der Republik Venezuela, das sogenannte Rahmenabkommen über Bananen (im folgenden: Rahmenabkommen).
14 Das Rahmenabkommen besteht aus zwei Papieren. Das erste Papier - Vereinbartes Ergebnis der Verhandlungen zwischen Columbien, Costa Rica, Nicaragua, Venezuela und der Europäischen Gemeinschaft über das EG-Einfuhrregime für Bananen - stellt eine Art Präambel des eigentlichen Abkommens dar; das zweite Papier - Rahmenabkommen über Bananen - enthält die technischen Bestimmungen der Vereinbarung mit den lateinamerikanischen Staaten.
15 Im ersten Papier heisst es:
"Der beigefügte Entwurf des Abkommens über Bananen ist das befriedigende Ergebnis der Bananen betreffenden Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde.
Ausserdem stellt das Abkommen das Ergebnis der Konsultationen und Verhandlungen über Bananen im Rahmen des Artikels XXVIII GATT zwischen der Gemeinschaft und den beteiligten Staaten dar.
Ferner handelt es sich bei dem Abkommen um eine Beilegung des Streits betreffend Bananen, in deren Folge ein GATT-Panel-Bericht erstellt worden ist. Daher wird vereinbart, daß Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua, Venezuela und die EG die Annahme des besagten Panel-Berichts nicht betreiben werden.
Kolumbien, Costa Rica, Nikaragua und Venezuela verpflichten sich, für die Geltungsdauer des beigefügten Abkommens im Hinblick auf das EG-Bananenregime den Streitbeilegungsmechanismus des GATT nicht in Anspruch zu nehmen."
16 In Nummer 1 des zweiten Papiers, des eigentlichen Rahmenabkommens, wird das Gesamtzollkontingent für 1994 auf 2 100 000 t und für 1995 und die folgenden Jahre auf 2 200 000 t festgelegt, vorbehaltlich einer Erhöhung infolge der Erweiterung der Gemeinschaft.
17 Nummer 2 des Rahmenabkommens legt die Prozentsätze dieses Kontingents fest, die Kolumbien, Costa Rica, Nicaragua und Venezuela zugewiesen werden. Diese Staaten erhalten 49,4 % des Gesamtkontingents, während der Dominikanischen Republik und den anderen AKP-Staaten 90 000 t für nichttraditionelle Einfuhren gewährt werden und der Rest den anderen Drittländern zukommt.
18 Die Nummern 3 bis 5 betreffen die Handhabung oder Änderung der Länderkontingente in Fällen, in denen ein Land sein Kontingent nicht erfuellen kann oder das Gesamtkontingent erhöht wird.
19 Nummer 6 sieht vor, daß die Verwaltung des Kontingents einschließlich der Erhöhungen unverändert gemäß der Verordnung Nr. 404/93 erfolgt. Weiter heisst es dort:
"Allerdings werden die Länder, für die einzelne Anteile am Zollkontingent festgelegt sind, ermächtigt, für bis zu 70 % des ihnen zugewiesenen Kontingents spezielle Ausfuhrlizenzen auszugeben, deren Vorlage Voraussetzung für die Erteilung von Einfuhrlizenzen durch die Gemeinschaft für Marktbeteiligte der Gruppen A und C sind.
Die Genehmigung zur Ausgabe der speziellen Ausfuhrlizenzen wird von der Kommission erteilt, um die Verbesserung regelmässiger und stabiler Handelsbeziehungen zwischen Erzeugern und Importeuren zu ermöglichen. Bedingung ist, daß die Ausfuhrlizenzen ohne Diskriminierung an die Marktbeteiligten ausgegeben werden."
20 In Nummer 7 wird der Zollsatz im Rahmen des Kontingents auf 75 ECU/t festgesetzt.
21 Nach den Nummern 8 und 9 wird das vereinbarte System spätestens ab dem 1. Oktober 1994 angewendet und bleibt bis zum 31. Dezember 2002 in Kraft.
22 Die Nummern 10 und 11 lauten wie folgt:
"Dieses Abkommen wird in den Schedule der Gemeinschaft für die Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde eingegliedert.
Durch dieses Übereinkommen wird der Streit zwischen Kolumbien, Costa Rica, Venezuela, Nikaragua und der Gemeinschaft über das Bananenregime der Gemeinschaft beigelegt. Die Parteien verpflichten sich, die Annahme des GATT-Panel-Berichts betreffend diese Angelegenheit nicht weiterzuverfolgen."
23 Die Nummern 1 und 7 des Rahmenabkommens wurden in den Schedule LXXX des GATT 1994 aufgenommen, der die Liste der Zollzugeständnisse der Gemeinschaft enthält. Das GATT 1994 stellt seinerseits den Anhang 1 A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im folgenden: WTO) dar. In einem Anhang zu Schedule LXXX ist das Rahmenabkommen wiedergegeben.
24 Am 25. Juli 1994 beantragte die Bundesrepublik Deutschland beim Gerichtshof ein Gutachten über die Vereinbarkeit des Rahmenabkommens mit dem EG-Vertrag.
25 Mit Urteil vom 5. Oktober 1994 wies der Gerichtshof die in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973) von der Bundesrepublik Deutschland gegen die Verordnung Nr. 404/93 erhobene Nichtigkeitsklage ab.
26 Am 21. Dezember 1994 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 3224/94 mit Übergangsbestimmungen zu dem im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Rahmenabkommen über Bananen (ABl. L 337, S. 72).
27 Am 22. Dezember 1994 erließ der Rat einstimmig den Beschluß 94/800/EG über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1).
28 Nach Artikel 1 Absatz 1 erster Gedankenstrich dieses Beschlusses werden im Namen der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich des in ihre Zuständigkeit fallenden Teils u. a. das Übereinkommen zur Errichtung der WTO sowie die Übereinkünfte in den Anhängen 1, 2 und 3 dieses Übereinkommens, darunter das GATT 1994, genehmigt.
29 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 10. April 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht wurde, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 94/800 erhoben, soweit er den Abschluß des Rahmenabkommens betrifft (Rechtssache C-122/95).
30 Die Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L 349, S. 105) enthält einen Anhang XV bezueglich Bananen. Darin ist vorgesehen, daß Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 404/93 dahin geändert wird, daß die Zollkontingentsmenge für das Jahr 1994 auf 2 100 000 t und für die folgenden Jahre auf 2 200 000 t festgesetzt wird. Im Rahmen dieses Zollkontingents wird auf Einfuhren von Drittlandbananen eine Abgabe von 75 ECU/t erhoben.
31 Mit der Verordnung Nr. 478/95, die namentlich auf Artikel 20 der Verordnung Nr. 404/93 gestützt ist, sollen die zur Umsetzung des Rahmenabkommens erforderlichen Maßnahmen nunmehr auf endgültiger Basis erlassen werden.
32 Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 478/95 bestimmt:
"Das Zollkontingent für Einfuhren von Drittlandbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen gemäß den Artikeln 18 und 19 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 wird... in spezifische Quoten aufgeteilt, die den in... Anhang [I] genannten Ländern bzw. Gruppen von Ländern zugeteilt werden."
33 Anhang I enthält drei Tabellen: In der ersten Tabelle sind die den lateinamerikanischen Staaten im Rahmenabkommen vorbehaltenen Prozentsätze vom Zollkontingent wiedergegeben, in der zweiten Tabelle wird das Kontingent von 90 000 t nichttraditionellen AKP-Bananen aufgeteilt, und die dritte Tabelle enthält die Angabe, daß alle anderen Drittstaaten 50,6 % des Gesamtkontingents erhalten.
34 Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 478/95 bestimmt:
"Bei Waren mit Ursprung in Kolumbien, Costa Rica oder Nicaragua muß den Anträgen auf Erteilung von Einfuhrlizenzen für die in Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 genannten Gruppen A und C zudem eine gültige Ausfuhrlizenz beiliegen..."
35 Im Gutachten 3/94 vom 13. Dezember 1995 (Slg. 1995, I-4577) hat der Gerichtshof festgestellt, daß der Antrag auf Gutachten der Bundesrepublik Deutschland gegenstandslos geworden sei, da nach der Anrufung des Gerichtshofes das in die Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde eingegliederte Rahmenabkommen zusammen mit diesen Übereinkünften beschlossen worden sei; der Antrag auf Abgabe eines Gutachtens habe sich somit erledigt.
Sachverhalt
36 Die Klägerin, ein traditioneller Importeur von Drittlandbananen, erhielt von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (im folgenden: Bundesanstalt) Bescheinigungen für die Einfuhr von Drittlandbananen für das zweite Halbjahr 1993 und das Jahr 1994 zu einem Zollsatz von 100 ECU/t sowie für das Jahr 1995 zu einem Zollsatz von 75 ECU/t. Das Einfuhrvolumen wurde auf der Grundlage der in den Referenzjahren 1989, 1990 und 1991 abgesetzten Mengen festgesetzt.
37 Bereits für das Jahr 1994 beantragte die Klägerin bei der Bundesanstalt zusätzliche Bescheinigungen unter Berufung auf einen Härtefall.
38 In diesem Verfahren gab der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 9. Februar 1995 der Bundesanstalt auf, der Klägerin für das Jahr 1995 zusätzliche Einfuhrbescheinigungen zu erteilen, und legte dem Gerichtshof Fragen nach der Regelung von Härtefällen zur Vorabentscheidung vor (Rechtssache C-68/95, T. Port, Slg. 1996, I-6065).
39 Nach Verwendung dieser Bescheinigungen beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt Hamburg-Jonas im März 1995 die Zollabfertigung eines Postens Bananen aus Ecuador ohne Vorlage von Einfuhrbescheinigungen oder Zahlung der geschuldeten Zölle durch die Einführerin.
40 Gegen den ablehnenden Bescheid des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, der durch Bescheid des Bundesministeriums der Finanzen bestätigt wurde, sowie gegen die Verordnung Nr. 478/95 erhob die Klägerin Verfassungsbeschwerde.
41 Mit Beschluß vom 26. April 1995 nahm das Bundesverfassungsgericht diese Beschwerden nicht zur Entscheidung an, weil die Klägerin zunächst Rechtsschutz im fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren begehren müsste. Das Bundesverfassungsgericht wies darauf hin, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß das Gericht des einstweiligen Rechtsschutzes angesichts des Konfliktes zwischen der Verordnung Nr. 404/93 und den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem GATT auf einen vorübergehenden Nichtvollzug der Verordnung erkennen könne. Auch hätten die Fachgerichte noch nicht die Rechtmässigkeit der Verordnung Nr. 478/95 geprüft.
42 Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt Hamburg-Jonas erneut die Zollabfertigung des Postens Bananen unter Anwendung eines ermässigten Zollsatzes.
43 Auf einen erneut ablehnenden Bescheid des Hauptzollamts Hamburg-Jonas hin begehrte die Klägerin vor dem Finanzgericht Hamburg vorläufigen Rechtsschutz durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Sie machte geltend, die Verordnungen Nrn. 404/93 und 478/95, die zwar gemeinschaftsrechtlich gültig seien, seien wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem GATT ausbrechende Rechtsakte der Gemeinschaft im Sinne des Maastricht-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993. Gleiches gelte für das Urteil Deutschland/Rat, in dem der Gerichtshof die Rechtmässigkeit der Verordnung Nr. 404/93 festgestellt habe. Diese Rechtsakte, die die Grundrechte der Klägerin in ihrem Wesensgehalt verletzten, seien deshalb in Deutschland nicht anwendbar.
44 Das Finanzgericht Hamburg entsprach mit Beschluß vom 19. Mai 1995 dem Antrag der Klägerin und gab dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas durch einstweilige Anordnung auf, den von der Klägerin in Ecuador gekauften Posten Bananen ohne Vorlage einer Einfuhrbescheinigung und zum ermässigten Zollsatz von 75 ECU/t zum freien Verkehr abzufertigen. In diesem Beschluß führte das Finanzgericht aus, daß die Verordnungen Nrn. 404/93 und 478/95 gegen die Vorschriften des GATT verstießen und die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag berechtigt sei, das GATT-widrige Gemeinschaftsrecht einstweilen nicht anzuwenden. Im selben Beschluß legte das Finanzgericht Hamburg dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vor (Rechtssache C-182/95, T. Port).
45 Am 8., 21. und 28. Juni 1995 erließ das Finanzgericht Hamburg drei weitere Beschlüsse über zusätzliche Posten Bananen, die die Klägerin aus Ecuador einführte.
46 Mit Beschluß vom 22. August 1995 hob der Bundesfinanzhof diese vier Beschlüsse des Finanzgerichts Hamburg auf, soweit die Hauptsache nicht mit der Abfertigung der Bananen zum freien Verkehr erledigt war.
47 Gegen diesen Beschluß erhob die Klägerin Verfassungsbeschwerde.
48 Gemäß Artikel 82a § 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichtshofes setzte der Präsident des Gerichtshofes mit Entscheidung vom 8. September 1995 das Verfahren in der Rechtssache C-182/95, T. Port, bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus.
49 Mit Bescheiden vom 29. August und 1. September 1995 verlangte das Hauptzollamt Hamburg-Jonas die Nachentrichtung der Zölle, die auf die von der Klägerin ohne Vorlage der erforderlichen Einfuhrbescheinigungen aus Ecuador eingeführten Bananen anwendbar waren.
50 Die Anträge der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Hauptzollamt Hamburg-Jonas mit Bescheiden vom 5. und 12. September 1995 ab.
51 Auf Antrag der Klägerin ordnete das Finanzgericht Hamburg mit Beschlüssen vom 22. und 27. September 1995 die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Zolländerungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 29. August und 1. September 1995 ohne Sicherheitsleistung an.
52 Das Finanzgericht Hamburg erkennt an, daß die Verordnung Nr. 404/93 nach dem Urteil Deutschland/Rat mit Ausnahme der Bestimmungen, um die es in der Rechtssache C-68/95, T. Port, ging, als gemeinschaftsrechtlich gültig zu betrachten ist. Jedoch widerspreche diese Verordnung sowie die Verordnung Nr. 478/95 bestimmten Grundregeln des GATT, die die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei beachten müsse. Damit stelle sich die Frage, ob die einschlägigen Regeln des GATT angesichts des Artikels 234 Absatz 1 EG-Vertrag in Deutschland Anwendungsvorrang vor den Verordnungen Nrn. 404/93 und 478/95 hätten.
53 Weiter setze die Prüfungskompetenz, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 26. April 1995 der Fachgerichtsbarkeit hinsichtlich des Konfliktes zwischen der Anwendung der Verordnung Nr. 404/93 und den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem GATT zuerkannt habe, voraus, daß dem Gemeinschaftsbürger die Berufung auf bestimmte Vorschriften des GATT nicht abgeschnitten werde. Daher sei es angebracht, dem Gerichtshof erneut die Frage nach der unmittelbaren Wirkung des GATT vorzulegen, obwohl der Gerichtshof insbesondere in dem Urteil Deutschland/Rat bereits festgestellt habe, daß die Regeln des GATT nicht derart unbedingt seien, daß sie als völkerrechtliche Bestimmungen in den Rechtsordnungen der Vertragsparteien unmittelbar anwendbar seien.
54 Schließlich bezweifelt das Finanzgericht Hamburg die Vereinbarkeit der Verordnung Nr. 478/95 mit dem Diskriminierungsverbot insbesondere des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag.
55 Aus diesen Gründen ist das Finanzgericht Hamburg der Auffassung, die Entscheidung der beiden bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten setze eine Beantwortung der ersten drei Fragen voraus, die es dem Gerichtshof in der Rechtssache C-182/95, T. Port, gestellt hatte. Es hat daher die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof in den beiden Rechtssachen die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag dahin auszulegen, daß Artikel I, Artikel II und Artikel III des GATT in der Bundesrepublik Deutschland Anwendungsvorrang vor Artikel 18, Artikel 19 i.V.m. Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 haben?
2. a) Ist die auf die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 gestützte Verordnung (EG) Nr. 478/95 gültig?
b) Falls ja, ist Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag dahin auszulegen, daß Artikel XIII GATT gegenüber dieser Verordnung Anwendungsvorrang zukommt?
3. Falls die Fragen zu 1. und 2. b) bejaht werden: Kann der Gemeinschaftsbürger sich auf den Anwendungsvorrang der genannten GATT-Bestimmungen in einem Verfahren vor den Gerichten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft berufen?
56 Der Präsident des Gerichtshofes hat die beiden Rechtssachen am 15. Dezember 1995 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
57 Unter Berücksichtigung der Erwägungen, die das Finanzgericht Hamburg in seinen Vorlagebeschlüssen angestellt hat, sind die erste Frage und der zweite Teil der zweiten Frage, die beide die Auslegung des Artikels 234 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit verschiedenen Bestimmungen des GATT betreffen, zusammen zu erörtern. Anschließend ist die dritte Frage zu erörtern, die für den Fall der Bejahung der ersten Frage und des zweiten Teils der zweiten Frage gestellt ist; sie bezieht sich auf die unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des GATT. Schließlich ist der erste Teil der zweiten Frage über die Gültigkeit der Verordnung Nr. 478/95 zu erörtern.
Die Auslegung des Artikels 234 Absatz 1 EG-Vertrag
58 Die erste Frage und der zweite Teil der zweiten Frage gehen dahin, ob nach Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag die Artikel 17, 18 und 19 der Verordnung Nr. 404/93 und die Verordnung Nr. 478/95 mit der Begründung ausser Anwendung gelassen werden können, daß sie den Artikeln I, II, III und XIII des GATT widersprechen.
59 Nach Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor Inkrafttreten dieses Vertrages zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, durch diesen Vertrag nicht berührt.
60 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-124/95, Centro-Com, Slg. 1997, I-81, Randnrn. 56 f.) bezweckt diese Bestimmung, gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts klarzustellen, daß die Anwendung des EG-Vertrags nicht die Pflicht des betreffenden Mitgliedstaats berührt, die Rechte von Drittländern aus einer früher geschlossenen Übereinkunft zu wahren und seine entsprechenden Verpflichtungen zu erfuellen. Um festzustellen, ob eine Gemeinschaftsbestimmung gegenüber einer früher geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkunft zurückzutreten hat, ist demnach zu prüfen, ob diese Übereinkunft dem betreffenden Mitgliedstaat Verpflichtungen auferlegt, deren Erfuellung die Drittländer, die Parteien der Übereinkunft sind, noch verlangen können.
61 Eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts hat demnach gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann zurückzutreten, wenn diese zum einen vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschlossen wurde und wenn zum anderen das fragliche Drittland daraus Rechte herleiten kann, deren Beachtung es von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen kann.
62 Nach den Akten geht es bei den Ausgangsrechtsstreitigkeiten um die Nachentrichtung von Zöllen für Einfuhren von Bananen aus Ecuador, die 1995 stattfanden.
63 Ecuador war im Jahre 1947 keine Vertragspartei des GATT und wurde erst 1996 Mitglied der WTO und damit des GATT 1994.
64 Bei Sachverhalten wie denen der Ausgangsverfahren steht somit weder das GATT 1947, das vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschlossen wurde, noch das GATT 1994 gemäß Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag der Anwendung der Verordnungen Nrn. 404/93 und 478/95 entgegen.
65 Auf die erste Frage und den zweiten Teil der zweiten Frage ist damit zu antworten, daß Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag keine Anwendung findet, wenn es um die Einfuhr von Bananen aus einem Drittland geht, das nicht Partei einer völkerrechtlichen Übereinkunft ist, die Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschlossen haben.
Die unmittelbare Wirkung des GATT
66 Die dritte Frage betrifft die unmittelbare Wirkung des GATT; sie ist für den Fall einer Bejahung der ersten Frage und des zweiten Teils der zweiten Frage gestellt.
67 Da diese Fragen in Randnummer 65 verneint wurden, braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.
Die Gültigkeit der Verordnung Nr. 478/95
68 Der erste Teil der zweiten Frage des Finanzgerichts Hamburg betrifft die Gültigkeit der Verordnung Nr. 478/95. Nach dem Vorlagebeschluß verstösst diese Verordnung gegen Artikel XIII des GATT, da sich das allgemeine Quotenzuteilungssystem nicht an den Referenzeinfuhren orientiert.
69 Aus den bei der Erörterung der ersten Frage und des zweiten Teils der zweiten Frage angegebenen Gründen braucht sich der Gerichtshof hierzu nicht zu äussern.
70 Das Finanzgericht Hamburg fragt weiter, ob die Verordnung Nr. 478/95 für ungültig zu erklären ist, weil das dort geschaffene System der Zuteilung der Zollkontingente dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag widerspreche.
71 Hierzu führen die Klägerin und die deutsche Regierung aus, daß die Zuteilung von Länderkontingenten an bestimmte Drittländer gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 478/95 die Einfuhrmöglichkeiten von Marktbeteiligten beschränke, die traditionell Bananen aus anderen Drittländern einführten. Bei der Einfuhr aus Drittländern, denen Länderkontingente zugeteilt seien, diskriminiere die Verordnung Nr. 478/95 die Marktbeteiligten der Gruppen A und C gegenüber den Marktbeteiligten der Gruppe B, da nach Artikel 3 Absatz 2 nur die ersteren sich bei den zuständigen Behörden der fraglichen Drittländer Ausfuhrlizenzen für die Einfuhr von Bananen aus diesen Ländern beschaffen müssten.
72 Die französische Regierung weist darauf hin, daß die Gemeinschaft nicht verpflichtet sei, verschiedene Drittländer gleichzubehandeln, und daß eine unterschiedliche Behandlung von Marktteilnehmern hingenommen werden müsse, wenn sie Folge der unterschiedlichen Behandlung dieser Länder sei. Zudem seien die den Drittländern, die Vertragsparteien des Rahmenabkommens seien, zugewiesenen Länderkontingente im wesentlichen nach Maßgabe der durchschnittlichen früheren Einfuhren aus diesen Ländern festgesetzt worden; das trägt auch die Kommission vor.
73 In der Sitzung haben die französische und die spanische Regierung sowie Rat und Kommission ergänzend vorgetragen, die Ungleichbehandlung, die in der Befreiung der Marktbeteiligten der Gruppe B von der Verpflichtung liege, sich Ausfuhrlizenzen zu beschaffen, sei objektiv dadurch gerechtfertigt, daß das Wettbewerbsgleichgewicht zwischen diesen Marktbeteiligten und denjenigen der Gruppen A und C, das die Verordnung Nr. 404/93 habe schaffen wollen, wiederhergestellt werden müsse. Im Urteil Deutschland/Rat habe der Gerichtshof anerkannt, daß den Marktbeteiligten der Gruppe B zum Zwecke der Herstellung dieses Gleichgewichts bestimmte Vorteile eingeräumt werden dürften. Die Erhöhung des Zollkontingents und die Verringerung der Zollsätze, die im Rahmenabkommen vereinbart und mit der Verordnung Nr. 3290/94 in die Verordnung Nr. 404/93 eingefügt worden seien, hätten dieses Gleichgewicht zum Nachteil der Marktbeteiligten der Gruppe B gestört.
74 Bei der Erörterung, ob die Verordnung Nr. 478/95 gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EG-Vertrag verstösst, ist zwischen der Schaffung der Länderkontingente und der Befreiung der Marktbeteiligten der Gruppe B von dem Ausfuhrlizenzsystem zu unterscheiden.
75 Was den ersten Aspekt betrifft, so hat der Gerichtshof im Urteil Deutschland/Rat das Gesamtzollkontingent für rechtmässig erklärt, das für die Einfuhr von Drittlandbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen, nicht aber für die traditionellen Einfuhren mit Ursprung in AKP-Staaten, die kraft des Abkommens von Lomé einer Vorzugsregelung unterliegen, errichtet worden war.
76 Zudem kennt das Gemeinschaftsrecht keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die Gemeinschaft in ihren Aussenbeziehungen Drittländer unter allen Aspekten gleich behandeln müsste. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 28. Oktober 1982 in der Rechtssache 52/81 (Faust/Kommission, Slg. 1982, 3745, Randnr. 25) festgestellt hat, folgt hieraus, daß dann, wenn eine unterschiedliche Behandlung von Drittländern nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, auch eine unterschiedliche Behandlung von Marktbeteiligten der Gemeinschaft, die nur eine zwangsläufige Folge der unterschiedlichen Behandlung der Drittländer ist, mit denen diese Marktbeteiligten Handelsbeziehungen angeknüpft haben, nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden kann.
77 Die Beschränkung der Einfuhrmöglichkeiten von Marktbeteiligten der Gruppen A und C, zu der die Errichtung von Länderkontingenten führen kann, ist mithin die zwangsläufige Folge der unterschiedlichen Behandlung von Drittländern nach Maßgabe dessen, ob diese Vertragsparteien des Rahmenabkommens sind, und nach Maßgabe des Umfangs des ihnen in diesem Abkommen eingeräumten Kontingents.
78 Die Ungleichbehandlung, die die Befreiung von Marktbeteiligten der Gruppe B vom Ausfuhrlizenzsystem darstellt, ist hingegen keine zwangsläufige Folge einer Ungleichbehandlung bestimmter Drittländer gegenüber anderen.
79 Diese Ungleichbehandlung geht nämlich nicht darauf zurück, daß das Ausfuhrlizenzsystem, wie es im Rahmenabkommen vorgesehen und mit der Verordnung Nr. 478/95 durchgeführt worden ist, auf die Einfuhren aus bestimmten Drittländern anwendbar ist, gleichviel, ob diese Vertragsparteien des Rahmenabkommens sind oder nicht. Sie geht vielmehr darauf zurück, daß nur ein Teil der Marktbeteiligten der Gemeinschaft, die Handelsbeziehungen mit diesen Drittländern, für deren Ausfuhren das Ausfuhrlizenzsystem gilt, angeknüpft haben, mit seinen Einfuhren aus diesen Ländern ausfuhrlizenzpflichtig ist.
80 Diese Ungleichbehandlung der Marktbeteiligten der Gruppen A und C gegenüber solchen der Gruppe B ist offenkundig, da der Preis, den die ersteren, die dem Ausfuhrlizenzsystem unterliegen, für die betroffenen Drittlandbananen zu entrichten haben, nach dem unwidersprochenen Vortrag der deutschen Regierung um 33 % über dem Preis liegt, den die letzteren zu entrichten haben.
81 Zu erörtern ist somit, ob diese Ungleichbehandlung gegen das Verbot des Artikels 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag verstösst, das nur spezifischer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist, der zu den elementaren Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört (siehe insbesondere die Urteile vom 19. Oktober 1977 in den Rechtssachen 117/76 und 16/77, Ruckdeschel und Ströh, Slg. 1977, 1753, Randnr. 7; in den Rechtssachen 124/76 und 20/77, Moulins et Huileries de Pont-à-Mousson und Providence agricole de la Champagne, Slg. 1977, 1795, Randnr. 16; vom 25. Oktober 1978 in der Rechtssache 125/77, Koninklijke Scholten-Honig und De Bijenkorf, Slg. 1978, 1991, Randnr. 26; und 103/77 und 145/77, Royal Scholten-Honig und Tunnel Refineries, Slg. 1978, 2037, Randnr. 26), oder ob sie entsprechend dem Vorbringen der französischen und der spanischen Regierung sowie von Rat und Kommission objektiv durch das Erfordernis gerechtfertigt ist, das Wettbewerbsgleichgewicht zwischen diesen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern wiederherzustellen.
82 Wie der Gerichtshof im Urteil Deutschland/Rat ausgeführt hat, unterwirft die gemeinsame Marktorganisation für Bananen, wie sie mit der Verordnung Nr. 404/93, namentlich der Regelung über die Aufteilung des Zollkontingents, geschaffen wurde, die Marktbeteiligten der Gruppen A und C bestimmten Beschränkungen oder Ungleichbehandlungen. Ihre Möglichkeiten zur Einfuhr von Drittlandbananen werden beschränkt, während die Marktbeteiligten der Gruppe B, die bisher im wesentlichen zum Handel mit Gemeinschafts- und AKP-Bananen verpflichtet waren, die Möglichkeit erhalten, bestimmte Mengen Drittlandbananen einzuführen.
83 Nach dem Urteil des Gerichtshofes verstösst eine derartige unterschiedliche Behandlung jedoch nicht gegen das Diskriminierungsverbot, soweit sie in Anbetracht der unterschiedlichen Lage, in der sich die verschiedenen Gruppen von Marktbeteiligten vor der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation befanden, naturgemäß mit dem Ziel einer Integration bisher abgeschotteter Märkte verbunden ist. Das Ziel der Marktorganisation, den Absatz der Gemeinschaftserzeugung und der traditionellen AKP-Erzeugung zu sichern, macht die Herstellung eines gewissen Gleichgewichts zwischen den betroffenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern erforderlich (Randnr. 74).
84 Wird das von der Verordnung Nr. 404/93 geschaffene Gleichgewicht dadurch gestört, daß eine oder mehrere dazu notwendige Grössen - etwa das Zollkontingent oder die Einfuhrzölle - geändert werden, und sei es aus Gründen, die mit der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen nichts zu tun haben, kann es sich daher als erforderlich erweisen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Zu prüfen bleibt jedoch, ob diese Wiederherstellung zum Nachteil der Marktbeteiligten der Gruppen A und C durch eine Maßnahme wie die Befreiung der Marktbeteiligten der Gruppe B vom Ausfuhrlizenzsystem erfolgen durfte, wie sie sich aus Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 478/95 ergibt.
85 Die Aufteilung des Zollkontingents nach der Verordnung Nr. 404/93, die den Marktbeteiligten der Gruppe B 30 % des Kontingents vorbehält, gilt auch für dessen im Rahmenabkommen vereinbarte Erhöhung.
86 Somit ziehen die Marktbeteiligten der Gruppe B zum einen aus der Erhöhung des Kontingents und der entsprechenden Kürzung der Zölle, die nach dem Vortrag der französischen und der spanischen Regierung sowie des Rates und der Kommission zur Störung des Gleichgewichts zwischen den Gruppen von Marktbeteiligten geführt haben sollen, denselben Nutzen wie die Marktbeteiligten der Gruppen A und C. Zum anderen bestehen die Beschränkungen und Ungleichbehandlungen zum Nachteil der Marktbeteiligten der Gruppen A und C, die die Einfuhrregelung für Bananen nach der Verordnung Nr. 404/93 vorsieht, auch bei dem Teil des Kontingents, der dieser Erhöhung entspricht.
87 Damit wäre eine Maßnahme, wie sie sich aus Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 478/95 ergibt, nur zulässig, wenn das Gleichgewicht, das durch die Erhöhung des Zollkontingents und die entsprechende Kürzung der Zölle, die auch den Marktbeteiligten der Gruppe B zugute kommen, gestört worden ist, nur dadurch hätten wiederhergestellt werden können, daß diesen Marktbeteiligten ein wesentlicher Vorteil gewährt und damit eine neue Ungleichbehandlung zu Lasten der anderen Gruppen von Marktbeteiligten geschaffen worden wäre, die bereits bei der Einführung des Zollkontingents und von dessen Aufteilung ähnlichen Beschränkungen und Ungleichbehandlungen unterworfen worden waren.
88 Nach dem heutigen Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Rat, ist das nicht der Fall.
89 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, daß die Verordnung Nr. 478/95 insoweit ungültig ist, als nach ihrem Artikel 3 Absatz 2 nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C verpflichtet sind, sich für die Einfuhr von Bananen mit Ursprung in Kolumbien, Costa Rica und Nicaragua Ausfuhrlizenzen zu beschaffen.
Kostenentscheidung:
Kosten
90 Die Auslagen der deutschen, der spanischen, der französischen und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem vor dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschlüssen vom 22. und 27. September 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag findet keine Anwendung, wenn es um die Einfuhr von Bananen aus einem Drittland geht, das nicht Partei einer von Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkunft ist.
2. Die Verordnung (EG) Nr. 478/95 der Kommission vom 1. März 1995 mit ergänzenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates betreffend die Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 ist insoweit ungültig, als nach ihrem Artikel 3 Absatz 2 nur die Marktbeteiligten der Gruppen A und C verpflichtet sind, sich für die Einfuhr von Bananen mit Ursprung in Kolumbien, Costa Rica und Nicaragua Ausfuhrlizenzen zu beschaffen.
Ende der Entscheidung
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