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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2009
Aktenzeichen: C-372/05 (1)
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89, Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000


Vorschriften:

Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 2
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 9
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 10
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 11
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 2
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 9
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 10
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

15. Dezember 2009

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgütern unter Zollbefreiung"

Parteien:

In der Rechtssache C-372/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 7. Oktober 2005,

Europäische Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, G. Wilms, D. Triantafyllou und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten im Beistand von C. von Donat, Rechtsanwalt,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch J. Bering Liisberg als Bevollmächtigten,

Hellenische Republik, vertreten durch E.-M. Mamouna, A. Samoni-Rantou und K. Boskovits als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Republik Finnland, vertreten durch E. Bygglin und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und E. Levits, der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ile¨ic, J. Malenovský und U. Lõhmus,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Februar 2009

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Weigerung, Eigenmittel zu berechnen und zu überweisen, die im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 wegen der Einfuhr von militärischem Gerät unter im gemeinschaftlichen Zollrecht nicht vorgesehener Abgabenbefreiung nicht erhoben worden sind, und durch ihre Weigerung, Verzugszinsen im Zusammenhang mit der unterbliebenen Bereitstellung dieser Eigenmittel an die Kommission zu zahlen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1) in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 (ABl. L 175, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1552/89) und aus den gleichen Artikeln der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 130, S. 1) verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Art. 2 Abs. 1 der Beschlüsse 88/376/EWG, Euratom des Rates vom 24. Juni 1988 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 185, S. 24) und 94/728/EG, Euratom des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 293, S. 9) sieht jeweils vor:

"Folgende Einnahmen stellen in den Haushalt der Gemeinschaften einzusetzende Eigenmittel dar:

...

b) Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten, die von den Gemeinschaftsorganen eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden, sowie Zölle auf die unter den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl fallenden Erzeugnisse;

..."

3 Art. 20 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bestimmt:

"(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

...

(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:

a) die Kombinierte Nomenklatur;

...

c) die Regelzollsätze und die anderen Abgaben, die für die in der Kombinierten Nomenklatur erfassten Waren gelten, und zwar:

- die Zölle ...

...

d) die Zollpräferenzmaßnahmen aufgrund von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Ländern oder Ländergruppen, in denen eine Zollpräferenzbehandlung vorgesehen ist;

e) die Zollpräferenzmaßnahmen, die von der Gemeinschaft einseitig zugunsten bestimmter Länder, Ländergruppen oder Gebiete erlassen worden sind;

f) die autonomen Aussetzungsmaßnahmen, mit denen die bei der Einfuhr bestimmter Waren geltenden Zollsätze herabgesetzt oder ausgesetzt werden;

g) die sonstigen in anderen Gemeinschaftsregelungen vorgesehenen zolltariflichen Maßnahmen.

..."

4 Art. 217 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften bestimmt:

"Jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag - nachstehend 'Abgabenbetrag' genannt - muss unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige statt dessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).

..."

5 Im Rahmen der Bereitstellung der Eigenmittel der Gemeinschaften an die Kommission erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung Nr. 1552/89, die in dem in der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen Zeitraum bis zum 30. Mai 2000 anwendbar war. Diese Verordnung wurde mit Wirkung vom 31. Mai 2000 durch die Verordnung Nr. 1150/2000 ersetzt, mit der sie ohne inhaltliche Änderung kodifiziert wurde.

6 Art. 2 der Verordnung Nr. 1552/89 sieht vor:

"(1) Für diese Verordnung gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf die Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a) und b) des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.

(1a) Der Zeitpunkt der Feststellung im Sinne von Absatz 1 ist der Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung im Sinne der Zollvorschriften.

..."

7 Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1552/89 bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde.

Das Konto wird unentgeltlich geführt."

8 Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung schreibt vor:

"Nach Abzug von 10 v. H. für Erhebungskosten gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom erfolgt die Gutschrift der Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a) und b) des genannten Beschlusses spätestens am ersten Werktag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch nach Artikel 2 festgestellt wurde.

..."

9 Art. 11 der Verordnung Nr. 1552/89 bestimmt:

"Bei verspäteter Gutschrift auf dem in Artikel 9 Absatz 1 genannten Konto hat der betreffende Mitgliedstaat Zinsen zu zahlen, deren Satz dem am Fälligkeitstag auf dem Geldmarkt des betreffenden Mitgliedstaats für kurzfristige Finanzierung geltenden Zinssatz - erhöht um 2 Prozentpunkte - entspricht. Dieser Satz erhöht sich um 0,25 Prozentpunkte für jeden Verzugsmonat. Der erhöhte Satz findet auf die gesamte Dauer des Verzugs Anwendung."

10 Art. 22 der Verordnung Nr. 1150/2000 lautet:

"Die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 wird aufgehoben.

Bezugnahmen auf die genannte Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle im Anhang Teil A zu lesen."

11 Demgemäß sind die Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnungen Nrn. 1552/89 und 1150/2000 abgesehen davon, dass diese beiden Verordnungen namentlich auf den Beschluss 88/376 bzw. den Beschluss 94/728 verweisen, im Wesentlichen gleichlautend.

12 Der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 genannte Satz von 10 v. H. wurde durch den Beschluss 2000/597/EG, Euratom des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 42) auf 25 v. H. heraufgesetzt.

13 Der erste Erwägungsgrund des Beschlusses 2000/597 lautet:

"Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 24. und 25. März 1999 in Berlin unter anderem festgehalten, dass das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften gerecht, transparent, kostenwirksam, einfach und auf Kriterien gestützt sein sollte, die der Beitragskapazität der einzelnen Mitgliedstaaten bestmöglich Rechnung tragen."

14 Der 5. Erwägungsgrund der aufgrund von Art. 26 EG erlassenen Verordnung (EG) Nr. 150/2003 des Rates vom 21. Januar 2003 zur Aussetzung der Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter (ABl. L 25, S. 1) lautet:

"Um dem Schutz der militärischen Geheimhaltung in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, ist es notwendig, besondere Verwaltungsverfahren für die Gewährung der Zollaussetzung festzulegen. Eine - auch als Zollanmeldung im Sinne des Zollkodex verwendbare - Erklärung der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats, für dessen Streitkräfte die Waffen und militärischen Ausrüstungsgüter bestimmt sind, wäre eine geeignete Garantie dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Erklärung sollte in Form einer Bescheinigung abgegeben werden. Es ist angezeigt, die Form solcher Bescheinigungen zu regeln und auch den Einsatz von Mitteln der Datenverarbeitung für die Abgabe der Erklärung zu gestatten."

15 Art. 1 dieser Verordnung sieht vor:

"Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen die Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter autonom ausgesetzt werden, die von den für die militärische Verteidigung der Mitgliedstaaten zuständigen Stellen oder in deren Auftrag aus Drittländern eingeführt werden."

16 Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 150/2003 bestimmt:

"Ungeachtet der Bestimmungen des Absatzes 1 können aus Gründen der militärischen Geheimhaltung die Bescheinigung und die eingeführten Waren anderen, vom Einfuhrmitgliedstaat bezeichneten Stellen vorgelegt bzw. vorgeführt werden. In solchen Fällen übermittelt die die Bescheinigung ausstellende zuständige Stelle bis zum 31. Januar und bis zum 31. Juli jeden Jahres den Zollbehörden ihres Mitgliedstaats einen summarischen Bericht über derartige Einfuhren. Der Bericht erfasst die dem Übermittlungsmonat unmittelbar vorausgehenden sechs Monate. Er enthält Angaben über die Anzahl der Bescheinigungen und deren jeweiliges Ausstellungsdatum, das Datum der Einfuhr sowie den Gesamtwert und das Bruttogewicht der mit diesen Bescheinigungen eingeführten Produkte."

17 Nach ihrem Art. 8 gilt die Verordnung Nr. 150/2003 ab 1. Januar 2003.

Vorverfahren

18 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass die seit 1998 angewandte Zollbefreiung der Einfuhr militärischer Ausrüstungsgüter einen Verlust an Eigenmitteln für die Gemeinschaft verursacht habe. Sie forderte diesen Mitgliedstaat auf, die für die Haushaltsjahre ab 1998 nicht erhobenen Beträge zu berechnen und ihr bis zum 31. März 2002 zur Verfügung zu stellen. Die Kommission wies die deutschen Stellen außerdem darauf hin, dass gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 ab diesem Tag Verzugszinsen fällig würden.

19 In ihren Antwortschreiben vom 13. März und 6. Mai 2002 vertrat die Bundesrepublik Deutschland die Auffassung, sie sei nach Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG zur Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen berechtigt, von der Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs abzusehen, wenn die Einfuhr ausschließlich für militärische Zwecke bestimmte Ausrüstungsgüter betreffe.

20 Mit Schreiben vom 24. März 2003 wiederholte die Kommission ihre ursprüngliche Aufforderung betreffend die vor dem 1. Januar 2003 getätigten Einfuhren; die Zeit danach werde von der Verordnung Nr. 150/2003 erfasst.

21 In ihrer Antwort vom 12. Mai 2003 erhielt die Bundesrepublik Deutschland ihre Position zur Frage der Bereitstellung der fraglichen Eigenmittelbeträge aufrecht.

22 Am 17. Oktober 2003 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland.

23 In ihrer Antwort vom 19. Januar 2004 erhielt die Bundesrepublik Deutschland ihren Standpunkt aufrecht.

24 Nach Eingang der Antwort der Bundesrepublik Deutschland richtete die Kommission am 18. Oktober 2004 an diese eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie sie aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Die Bundesrepublik Deutschland antwortete mit Schreiben vom 16. Dezember 2004, dass sie ihren Standpunkt aufrechterhalte.

25 Nachdem die Bundesrepublik Deutschland im weiteren Verlauf eine Zahlung von 10 803 000 Euro unter Vorbehalt und ohne Aufschlüsselung dieses Betrags nach den Einfuhren und den jeweiligen Zeiträumen geleistet hatte, forderte die Kommission sie mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 auf, diese Aufschlüsselung für die Zwecke der Berechnung der Verzugszinsen vorzunehmen, da sie selbst insoweit nicht über ausreichende Angaben verfüge. In ihrer Antwort vom 22. Februar 2005 lehnte die Bundesrepublik Deutschland die Übermittlung entsprechender Informationen unter Hinweis darauf ab, dass diese geheimhaltungsbedürftig seien.

26 In Anbetracht dieser Angaben der Bundesrepublik Deutschland hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben, da ihrer Ansicht nach dieser Mitgliedstaat der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nachgekommen war.

27 Mit Beschlüssen vom 23. Februar und 4. Mai 2006 hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Hellenische Republik und die Republik Finnland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen.

Zur Klage

Zur Zulässigkeit

28 Die Bundesrepublik Deutschland erhebt als Erstes eine Einrede der Unzulässigkeit wegen eines Formfehlers, mit dem die Klage behaftet sei, nämlich der Wahl einer falschen Klageart. Sie führt aus, da sie sich für die Nichtabführung des auf die fraglichen Einfuhren militärischen Geräts entfallenden Zolls auf Art. 296 EG berufen habe, könne die Kommission die vorliegende Klage nicht auf der Grundlage von Art. 226 EG erheben, sondern müsse das besondere Verfahren des Art. 298 Abs. 2 EG anwenden.

29 Dazu ist festzustellen, dass das von der Kommission mit der vorliegenden Klage verfolgte Ziel die Feststellung eines Verstoßes gegen die Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnungen Nrn. 1552/89 und 1150/2000 ist. Art. 298 EG wäre nur dann anwendbar, wenn die Kommission einen Missbrauch der in den Art. 296 EG und 297 EG genannten Befugnisse geltend gemacht hätte.

30 Die erste Einrede der Unzulässigkeit ist somit zurückzuweisen.

31 Als Zweites trägt die Bundesrepublik Deutschland vor, die vorliegende Klage sei unzulässig, weil die Kommission schon aufgrund der gewählten Klageart keinen Verstoß gegen den EG-Vertrag habe dartun können. Da sie nämlich nicht verpflichtet sei, die von der Kommission angeforderten Informationen zur Verfügung zu stellen, verfüge diese nicht über ausreichende Angaben zu den fraglichen Einfuhren, die es ihr ermöglichen würden, eine Verletzung des Vertrags darzutun.

32 Als Drittes macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass sie berechtigt gewesen sei, die von der Kommission angeforderten Informationen nicht zu übermitteln, und dass die u. a. auf diese unterbliebene Übermittlung gestützte Klage somit aus dem gleichen Grund unzulässig sei.

33 Zur zweiten und zur dritten Unzulässigkeitseinrede der Bundesrepublik Deutschland ist festzustellen, dass sie sich zum einen auf die der Kommission obliegende Beweislast und zum anderen auf die Anwendbarkeit und die Tragweite von Art. 296 EG beziehen. Sie betreffen daher sehr viel stärker die Begründetheit der Klage der Kommission als ihre Form oder Ordnungsgemäßheit.

34 Folglich sind die zweite und die dritte Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

35 Die Klage der Kommission ist mithin für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit

Vorbringen der Parteien

36 Die Kommission macht geltend, die Bundesrepublik Deutschland berufe sich zu Unrecht auf Art. 296 EG, um die Abführung der Zölle zu verweigern, da durch deren Erhebung die wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Mitgliedstaats nicht gefährdet würden.

37 Die Kommission hält das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass der Kommission keine Informationen über Einfuhren militärischer Ausrüstungsgüter und damit betreffend die Sicherheit dieses Mitgliedstaats übermittelt werden könnten und dieser daher die fraglichen Zölle nicht an sie abführen müsse, für irrig.

38 Ihrer Ansicht nach sind Regelungen, mit denen Abweichungen oder Ausnahmen eingeführt werden, darunter Art. 296 EG, eng auszulegen. So müsse der betreffende Mitgliedstaat, der sich auf die Anwendung dieses Artikels berufe, nachweisen, dass er alle in diesem aufgestellten Voraussetzungen erfülle, wenn er von Art. 20 des Zollkodex der Gemeinschaften abweichen wolle, der den in Art. 26 EG niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Erhebung der Zölle enthalte.

39 Außerdem genüge der Umstand allein, dass Waren in der mit der Entscheidung 255/58 des Rates vom 15. April 1958 aufgestellten Liste der Produkte, auf die Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG angewandt werden könne, aufgeführt seien, noch nicht für eine Anwendung dieser Bestimmung, die verlange, dass alle in ihr aufgeführten Voraussetzungen erfüllt seien.

40 Es sei daher Sache der Bundesrepublik Deutschland, konkret und substantiiert nachzuweisen, dass durch die Erhebung der in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Einfuhrzölle ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen gefährdet würden.

41 Die allgemeinen Erklärungen dieses Mitgliedstaats, wonach die Verteidigungsfähigkeit ein wesentliches Element seiner Sicherheitspolitik bilde und die internationale Zusammenarbeit, die für seine Verteidigungspolitik unerlässlich sei, durch die Verpflichtung zur Erhebung von Zöllen auf die fraglichen Güter erheblich behindert würde, stellten keinen solchen Nachweis dar. Gleiches gelte für die Berufung auf Geheimhaltungsklauseln in internationalen Übereinkommen und auf die militärische Geheimhaltung, die angeblich der Anwendung der Zollregelung der Gemeinschaft entgegenstünden. Die Tatsache schließlich, dass andere Mitgliedstaaten Einfuhrzölle auf militärisches Gerät erhöben und abführten, bestätige, dass dies bei dieser Art Güter durchaus möglich sei.

42 Nach Ansicht der Kommission gewährleistet die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Zollregelung die Geheimhaltung der verarbeiteten Informationen. Da diese Regelung zudem von nationalen Bediensteten durchgeführt werde, sei die Bundesrepublik Deutschland in der Lage, für eine Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen zu sorgen.

43 Für ihr Vorbringen, die Verteuerung der Einfuhren von Rüstungsgütern könne ihre Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigen, habe die Bundesrepublik Deutschland keine konkreten Daten zum Nachweis einer solchen Beeinträchtigung übermittelt. Vielmehr seien die Verteidigungsanstrengungen Deutschlands durch die im Jahr 2004 geleistete Einmalzahlung von für fünf Jahre geschuldetem Zoll offenbar nicht gemindert worden.

44 Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Mitgliedstaat Einfuhren von Rüstungsgütern vom Zoll befreie, um die Kosten für Kriegsmaterial zu senken, da dieser Mitgliedstaat damit seine Verpflichtungen zur solidarischen Mitfinanzierung des Gemeinschaftshaushalts verletze.

45 Dazu betont die Kommission, durch die Nichterhebung der fraglichen Zölle durch die Bundesrepublik Deutschland würden die Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre jeweiligen Beiträge zum Gemeinschaftshaushalt ungleich behandelt. Denn diese Nichterhebung bewirke eine Minderung der traditionellen Eigenmittel der Gemeinschaft, die nur durch eine Erhöhung der sogenannten BNE- Mittel (Mittel aus Bruttonationaleinkommen) ausgeglichen werden könnte, die auf alle Mitgliedstaaten aufgeteilt werde.

46 Die Bedenken der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich einer Offenlegung von in der Zollanmeldung mitgeteilten Informationen und hinsichtlich von Kontrollverfahren, die die Gemeinschaftsorgane zu einer Gefährdung der militärischen Geheimhaltung veranlassen könnten, gingen ins Leere.

47 Die Verordnung Nr. 150/2003 sehe vor, dass die Mitgliedstaaten die Kommission über das Volumen der Aufträge für Rüstungsgüter in Kenntnis setzten. Es sei daher verwunderlich, dass sich die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den Eigenmitteln der Gemeinschaften auf überwiegende Sicherheitsinteressen berufe, die angeblich der Übermittlung der für die Erhebung dieser Mittel notwendigen Informationen entgegenstünden.

48 Außerdem sei diese Auffassung kaum damit vereinbar, dass jedermann über das Internet Zugang zu den Informationen z. B. über die Höhe der in diesem Bereich getätigten Beschaffungen habe. Diese frei abrufbaren Informationen seien weitaus detaillierter als die, die für eine Einreihung in den Gemeinsamen Zolltarif und eine Abführung der Eigenmittel erforderlich seien.

49 Die Kommission hält das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland für unbegründet, die Verhandlungen, die zum Erlass der Verordnung Nr. 150/2003 geführt hätten, sowie die Aussetzung des gegen sie eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 1984 hätten bei ihr ein berechtigtes Vertrauen darauf entstehen lassen, dass sie bereits während der Jahre der Vorbereitung dieser Verordnung bestimmte militärische Ausrüstungsgüter steuerfrei habe einführen können.

50 Die Verordnung Nr. 150/2003 gelte nämlich ab 1. Januar 2003, und die Kommission habe im Rahmen der Diskussionen anlässlich des Erlasses dieser Verordnung erklärt, dass sie gehalten sei, die fraglichen Zölle für die Vergangenheit einzufordern, so dass aus diesem Erlass kein Vertrauensschutz hergeleitet werden könne. Zudem sei diese Verordnung auf Art. 26 EG und nicht auf Art. 296 EG gestützt.

51 Ebenso wenig könne ein Vertrauensschutz aus der Aussetzung eines bestimmten Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 1984 hergeleitet werden, da die Kommission im Rahmen des Art. 226 EG über ein weites Ermessen verfüge, anhand dessen sie insbesondere entscheiden könne, ob die Einleitung oder Weiterverfolgung eines Vertragsverletzungsverfahrens zweckmäßig sei.

52 Die Bundesrepublik Deutschland entgegnet, im vorliegenden Fall seien die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG erfüllt. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folge, dass der EG-Vertrag den Mitgliedstaaten ein beträchtliches Ermessen hinsichtlich ihrer Maßnahmen zur Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen im Zusammenhang mit den Waren, auf die die Bestimmung anwendbar sei, habe einräumen wollen. So ermögliche Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG den Mitgliedstaaten, bei Einfuhren von ausschließlich für militärische Zwecke bestimmten Ausrüstungsgütern, mit denen die wesentlichen Sicherheitsinteressen des oder der betroffenen Mitgliedstaaten geschützt werden sollten, von Art. 26 EG und dem Zollkodex der Gemeinschaften abzuweichen.

53 Die Bundesrepublik Deutschland sei auch nicht verpflichtet, auf sämtliches militärisches Gerät Einfuhrzoll zu erheben, so dass ein Verstoß gegen die Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung Nr. 1552/89 oder der Verordnung Nr. 1150/2000 nicht vorliegen könne. Eine solche Verpflichtung bestehe nicht, da zum einen das Gemeinschaftsrecht keine uneingeschränkte Pflicht zur Erhebung von Zoll auf militärische Ausrüstungsgüter vorsehe und zum anderen die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland der Erhebung von Einfuhrzoll auf diese Ausrüstungsgüter entgegenstünden.

54 Im Übrigen habe die Kommission das Recht, eine Vertragsverletzung auf dem Gebiet der Zollfreiheit der Einfuhr militärischer Ausrüstungsgüter feststellen zu lassen, verwirkt, denn sie habe zunächst den Eindruck erweckt, dass sie das insoweit eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren im Jahr 1984 eingestellt habe; später habe sie jedoch trotz unveränderter Sachlage das Verfahren in Anbetracht der Vorarbeiten zur Verordnung Nr. 150/2003 wieder aufgenommen, um ein Verhalten zu ahnden, das bis dahin zulässig gewesen oder geduldet worden sei. Im Gemeinschaftsrecht gebe es kein Verfahren der "vorläufigen" Einstellung von Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission müsse das gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Verfahren entweder durchführen oder einstellen und könne es nicht für 17 Jahre unterbrechen.

55 Vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 150/2003 habe es keine besondere Verfahrensvorschrift gegeben, die die Erhebung von Zöllen auf die Einfuhr von Rüstungsgütern und die Überprüfung dieser Erhebung vorgesehen hätte, was belege, dass eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Erhebung der fraglichen Zölle nicht bestanden habe.

56 Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland hat die Erhebung oder Nichterhebung von Zöllen auf die Einfuhr von Rüstungsgütern Auswirkungen auf den Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial. Während die Erhebung dieser Zölle den Handel beschränke und damit das operationelle Potenzial der Streitkräfte mindere und die Handlungsfreiheit dieses Mitgliedstaats im Bereich der Beschaffung von Verteidigungsgut einschränke, erlaube es eine Nichterhebung dieser Zölle, den Handel auszubauen und die Rüstungskooperationen im Sinne von Art. 17 EU zu stärken.

57 Die Bundesrepublik Deutschland macht weiter geltend, die Auslegung des Maßstabs der "Erforderlichkeit" in Art. 296 EG durch die Kommission sei überzogen. Dieses Kriterium bedeute nicht, dass nachgewiesen werden müsste, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der wesentlichen Sicherheitsinteressen eintreten würde, wenn die Schutzmaßnahme nicht ergriffen würde. Es genüge vielmehr, dass die Maßnahme die Sicherheitslage verbessere und schlicht aus Gründen der Landesverteidigung erforderlich sei.

58 Zudem sei die Bundesrepublik Deutschland an der Übermittlung von Informationen an die Kommission durch die Pflicht zur Geheimhaltung gehindert, deren Verletzung die Geheimschutzinteressen Deutschlands gefährden könnte. Auch erfordere das Treuegebot des Art. 10 EG keine unverhältnismäßigen Maßnahmen wie die Einführung eines spezifischen Zollverfahrens.

59 Die offene Behandlung der in einer Zollanmeldung enthaltenen Informationen könnte nämlich die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten in schwerwiegender Weise beeinträchtigen. Die im Zollkodex der Gemeinschaften vorgesehenen Geheimhaltungsmaßnahmen genügten nicht, um den Sicherheits- und Geheimhaltungserfordernissen gerecht zu werden, zu deren Aufstellung die Mitgliedstaaten berechtigt seien, wenn es um Informationen gehe, die ihre Sicherheit berührten.

60 Dass ein Mitgliedstaat militärisches Gerät unter Hinweis auf Art. 296 EG von Einfuhrzöllen befreit habe, verstoße nicht notwendig gegen den Grundsatz der Gemeinschaftssolidarität. Es wäre mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, wenn Mitgliedstaaten, die in diesem Bereich höhere Lasten trügen, stärker zur Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts herangezogen würden.

61 Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland bestätigt der Erlass der Verordnung Nr. 150/2003, dass die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten und ihr Recht, sich erforderlichenfalls auf die Geheimhaltung zu berufen, zu beachten seien.

62 Nach der Verordnung Nr. 150/2003 sei die Erhebung von Zöllen auf die Einfuhr bestimmter Waffen und militärischer Ausrüstungsgüter aus Drittstaaten auch mit Wirkung vom 1. Januar 2003, dem Tag, ab dem diese Verordnung für anwendbar erklärt worden sei, ausgeschlossen. Von diesem Tag an seien nämlich die Interessen der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Einfuhr von Rüstungsgütern durch diese Verordnung geschützt. Die Nichterhebung von Zöllen auf solche Einfuhren sei zum Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten sowohl vor als auch nach diesem Stichtag erforderlich gewesen. Darüber hinaus belege der Umstand, dass die Kommission schon 1988 den Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung der Eingangsabgaben für bestimmte Rüstungsgüter (ABl. C 265, S. 9) vorgelegt habe, dass sie sich bewusst gewesen sei, dass die Nichterhebung von Zöllen auf die genannten Einfuhren zum Schutz der bezeichneten Interessen geboten sei.

63 Die Bundesrepublik Deutschland gelangt zu dem Ergebnis, dass die Mitgliedstaaten seit der Vorlage dieses Vorschlags, auch wenn er erst 2003 in Form der Verordnung Nr. 150/2003 umgesetzt worden sei, zu der Annahme berechtigt gewesen seien, dass auf die Einfuhr von "ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmten Gütern", die in der mit der Entscheidung 255/58 aufgestellten Liste enthalten seien, keine Zölle erhoben zu werden brauchten.

Würdigung durch den Gerichtshof

64 Der Zollkodex der Gemeinschaften sieht die Erhebung von Zöllen auf die Einfuhr von für den militärischen Gebrauch bestimmten Gütern wie den hier fraglichen aus Drittstaaten vor. Keine Bestimmung der gemeinschaftlichen Zollregelung sah für den Zeitraum der fraglichen Einfuhren, d. h. die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002, eine spezifische Zollbefreiung für die Einfuhr derartiger Güter vor. Infolgedessen lag für diesen Zeitraum auch keine ausdrückliche Befreiung von der Verpflichtung vor, die geschuldeten Zölle, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, an die zuständigen Behörden abzuführen.

65 Des Weiteren lässt sich aus dem Erlass der Verordnung Nr. 150/2003, die mit Wirkung vom 1. Januar 2003 die Aussetzung der Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter vorsieht, schließen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber von der Annahme ausging, dass vor diesem Zeitpunkt eine Verpflichtung zur Abführung dieser Zölle bestand.

66 Die Bundesrepublik Deutschland hat außerdem nie bestritten, dass die streitigen Einfuhren in dem in Betracht gezogenen Zeitraum getätigt wurden. Im Laufe des Vorverfahrens hat sie im Übrigen 10 803 000 Euro als Eigenmittel im Zusammenhang mit den fraglichen Einfuhren überwiesen, ohne diesen Betrag nach Einfuhren und jeweiligen Zeiträumen aufzuschlüsseln.

67 Die Bundesrepublik Deutschland hat lediglich den Anspruch der Gemeinschaft auf die fraglichen Eigenmittel unter Hinweis darauf in Abrede gestellt, dass die Verpflichtung, Zölle auf aus Drittstaaten eingeführte Rüstungsgüter abzuführen, im Sinne von Art. 296 EG ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.

68 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es zwar Sache der Mitgliedstaaten, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen, doch bedeutet dies nicht, dass solche Maßnahmen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts völlig entzogen wären (vgl. Urteile vom 26. Oktober 1999, Sirdar, C-273/97, Slg. 1999, I-7403, Randnr. 15, und vom 11. Januar 2000, Kreil, C-285/98, Slg. 2000, I-69, Randnr. 15). Der Vertrag sieht nämlich, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ausdrückliche Abweichungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nur in den Art. 30 EG, 39 EG, 46 EG, 58 EG, 64 EG, 296 EG und 297 EG vor, die ganz bestimmte außergewöhnliche Fälle betreffen. Aus ihnen lässt sich kein allgemeiner, dem Vertrag immanenter Vorbehalt ableiten, der jede Maßnahme, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit getroffen wird, vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausnähme. Würde ein solcher Vorbehalt unabhängig von den besonderen Tatbestandsmerkmalen der Bestimmungen des Vertrags anerkannt, so könnte das die Verbindlichkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 11. März 2003, Dory, C-186/01, Slg. 2003, I-2479, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69 Überdies sind die Abweichungen nach den Art. 296 EG und 297 EG, wie es nach ständiger Rechtsprechung bei den Abweichungen von den Grundfreiheiten (vgl. u. a. Urteile vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-503/03, Slg. 2006, I-1097, Randnr. 45, vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland, C-490/04, Slg. 2007, I-6095, Randnr. 86, und vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, Slg. 2008, I-6935, Randnr. 50) der Fall ist, eng auszulegen.

70 Speziell zu Art. 296 EG ist zu bemerken, dass dieser Artikel zwar von Maßnahmen spricht, die ein Mitgliedstaat als für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ansieht, und von Auskünften, deren Preisgabe nach Ansicht des Mitgliedstaats diesen Interessen widerspricht, dass er jedoch nicht als eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten dazu ausgelegt werden kann, durch bloße Berufung auf diese Interessen von den Bestimmungen des Vertrags abzuweichen.

71 Im Übrigen hat der Gerichtshof auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer im Urteil vom 16. September 1999, Kommission/Spanien (C-414/97, Slg. 1999, I-5585), die dort fragliche Vertragsverletzung deshalb bejaht, weil das Königreich Spanien nicht nachgewiesen hatte, dass die im spanischen Recht vorgesehene Befreiung der Einfuhr und des Erwerbs von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät von der Mehrwertsteuer gemäß Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG durch die Notwendigkeit einer Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen gerechtfertigt war.

72 Es ist daher Sache des Mitgliedstaats, der sich auf Art. 296 EG beruft, nachzuweisen, dass eine Inanspruchnahme der in diesem Artikel geregelten Abweichung erforderlich ist, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren.

73 In Anbetracht dieser Erwägungen kann nicht hingenommen werden, dass ein Mitgliedstaat die Verteuerung von militärischem Gerät, die sich aus der Erhebung der Zölle auf die Einfuhren solchen Geräts aus Drittstaaten ergebe, anführt, um sich zum Nachteil der übrigen Mitgliedstaaten, die die auf diese Einfuhren entfallenden Zölle tatsächlich erheben und abführen, den Verpflichtungen zu entziehen, die ihm aus der finanziellen Solidarität in Bezug auf den Gemeinschaftshaushalt erwachsen.

74 Was das Vorbringen angeht, die gemeinschaftlichen Zollverfahren seien nicht geeignet, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Geheimhaltungserfordernisse zu gewährleisten, die in den mit den Ausfuhrstaaten geschlossenen Übereinkünften enthalten seien, so ist darauf hinzuweisen, dass zur Anwendung der gemeinschaftlichen Zollregelung, wie die Kommission zutreffend festgestellt hat, Gemeinschafts- und nationale Bedienstete tätig werden, die gegebenenfalls - im Fall der Behandlung sensibler Daten - einer Pflicht zur Geheimhaltung unterliegen, die geeignet ist, die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten zu wahren.

75 Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass die Erklärungen, die die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Zeitabständen zu vervollständigen und der Kommission zuzuleiten haben, einen solchen Grad an Genauigkeit erreichen werden, dass es zu einer Verletzung sowohl der Sicherheits- als auch der Geheimhaltungsinteressen dieser Mitgliedstaaten kommt.

76 Unter diesen Umständen und nach Art. 10 EG, der die Verpflichtung der Mitgliedstaaten betrifft, der Kommission die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, für die Beachtung des Vertrags zu sorgen, haben die Mitgliedstaaten der Kommission alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um zu überprüfen, ob die Eigenmittel der Gemeinschaft ordnungsgemäß überwiesen wurden. Eine solche Verpflichtung schließt jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 168 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, nicht aus, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Art. 296 EG die Übermittlung der Informationen im Einzelfall ausnahmsweise auf bestimmte Teile eines Schriftstücks beschränken oder ganz ablehnen können.

77 Die Bundesrepublik Deutschland hat somit nicht nachgewiesen, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 296 EG erfüllt sind.

78 Zum Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland schließlich, mit dem sie dartun will, dass sie wegen der längeren Untätigkeit der Kommission und des Erlasses der Verordnung Nr. 150/2003 davon habe ausgehen dürfen, dass die Kommission keine Klage erheben werde, da sie stillschweigend das Bestehen einer entsprechenden Ausnahme akzeptiert habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in keinem Stadium des Verfahrens von ihrer grundsätzlichen Auffassung abgerückt ist.

79 Die Kommission hat nämlich in ihrer im Rahmen der Verhandlungen zur Verordnung Nr. 150/2003 abgegebenen Erklärung ihren festen Willen zum Ausdruck gebracht, nicht auf die für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung angefallenen Zölle zu verzichten, und hat sich hierzu die geeigneten Maßnahmen vorbehalten.

80 Nach alledem hat die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Weigerung, die auf die Einfuhr von militärischem Gerät im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 entfallenden Eigenmittel zu berechnen, festzustellen und der Kommission zur Verfügung zu stellen, und durch ihre Weigerung, die aufgrund der unterbliebenen Bereitstellung dieser Eigenmittel an die Kommission geschuldeten Verzugszinsen zu zahlen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung Nr. 1552/89 und aus den gleichen Artikeln der Verordnung Nr. 1150/2000 verstoßen.

Kostenentscheidung:

Kosten

81 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

82 Gemäß Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Dänemark, die Hellenische Republik und die Republik Finnland, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch ihre Weigerung, die auf die Einfuhr von militärischem Gerät im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002 entfallenden Eigenmittel zu berechnen, festzustellen und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Verfügung zu stellen, und durch ihre Weigerung, die aufgrund der unterbliebenen Bereitstellung dieser Eigenmittel an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geschuldeten Verzugszinsen zu zahlen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 geänderten Fassung und aus den gleichen Artikeln der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften verstoßen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

3. Das Königreich Dänemark, die Hellenische Republik und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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