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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: C-382/06 P
Rechtsgebiete: Entscheidung 2003/245/EG


Vorschriften:

Entscheidung 2003/245/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. April 2008

"Rechtsmittel - Maßnahmen zur Erhaltung der Bestände - Umstrukturierung des Fischereisektors - Anträge auf Erhöhung der Tonnageziele des mehrjährigen Ausrichtungsprogramms 'MAP IV' - Abweisung des Antrags"

Parteien:

in den verbundenen Rechtssachen C-373/06 P, C-379/06 P und C-382/06 P

betreffend Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingereicht am 5. September 2006,

Thomas Flaherty (C-373/06 P), wohnhaft in Mainster (Irland),

Larry Murphy (C-379/06 P), wohnhaft in Brandyhill (Irland),

Ocean Trawlers Ltd (C-382/06 P) mit Sitz in Killybegs (Irland),

Prozessbevollmächtigte: D. Barry, Solicitor, und A. Collins, SC, (C-373/06 P, C-379/06 P und C-382/06 P) und zusätzlich P. Callagher, SC, (C-379/06 P),

Kläger,

andere Verfahrensbeteiligte:

Irland,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty und M. van Heezik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ile¨ic und E. Levits,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Dezember 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Herr Flaherty und Herr Murphy sowie die Ocean Trawlers Ltd beantragen mit ihren Rechtsmitteln die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 2006, Boyle u. a./Kommission (T-218/03 bis T-240/03, Slg. 2006, II-1699, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/245/EG der Kommission vom 4. April 2003 über die bei der Kommission eingegangenen Anträge auf Erhöhung der MAP-IV-Ziele zur Berücksichtigung von Verbesserungen der Sicherheit, der Navigation auf See, der Hygiene, der Produktqualität und der Arbeitsbedingungen auf Schiffen mit einer Länge über alles von mehr als 12 m (ABl. L 90, S. 48, im Folgenden: streitige Entscheidung) als unzulässig abgewiesen und sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt worden sind.

2 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. März 2007 sind die Rechtssachen C-373/06 P, C-379/06 P und C-382/06 P zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Rechtlicher Rahmen

3 Am 26. Juni 1997 erließ der Rat der Europäischen Union die Entscheidung 97/413/EG bezüglich der Ziele und Einzelheiten für die Umstrukturierung des Fischereisektors der Gemeinschaft während des Zeitraums vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 zur Herstellung eines dauerhaften Gleichgewichts zwischen den Beständen und ihrer Nutzung (ABl. L 175, S. 27)

4 Art. 4 Abs. 2 dieser Entscheidung bestimmt:

"Im Rahmen der mehrjährigen Ausrichtungsprogramme für die Mitgliedstaaten rechtfertigen Kapazitätserhöhungen, die ausschließlich auf Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zurückgehen, von Fall zu Fall eine entsprechende Erhöhung der Ziele für Flottensegmente, sofern der Fischereiaufwand der betreffenden Fischereifahrzeuge durch diese Maßnahmen nicht erhöht wird."

5 Punkt 3.3 Abs. 1 des Anhangs der Entscheidung 98/125/EG der Kommission vom 16. Dezember 1997 zur Genehmigung des mehrjährigen Ausrichtungsprogramms für die Fischereiflotte Irlands für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2001 (ABl. 1998, L 39, S. 41, im Folgenden: MAP IV) lautet:

"Die Mitgliedstaaten können der Kommission jederzeit ein Programm zur Verbesserung der Sicherheit vorlegen. Die Kommission befindet in Übereinstimmung mit den Artikeln 3 und 4 der Entscheidung 97/413/EG darüber, ob etwaige Kapazitätserhöhungen im Rahmen eines solchen Programms eine entsprechende Anhebung der MAP-IV-Ziele rechtfertigen."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6 Die Vorgeschichte des dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreits, wie sie dort geschildert wird, kann wie folgt zusammengefasst werden.

7 Zwischen 1999 und 2001 fand zwischen dem irischen Ministerium für Marine und natürliche Ressourcen (im Folgenden: Ministerium) und der Kommission ein Schriftwechsel zu Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 97/413 statt.

8 In dieser Zeit beantragten alle 23 Kläger des ersten Rechtszugs beim Ministerium eine Kapazitätserhöhung aufgrund von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit nach Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 97/413 und Punkt 3.3 des Anhangs der Entscheidung 98/125.

9 Mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 beantragte das Ministerium bei der Kommission nach Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 97/413 eine Erhöhung um eine Bruttoraumzahl (BRZ) von 1 304 BRZ für das Mehrzwecksegment und um 5 335 BRZ für das pelagische Segment der irischen Flotte. Das Schreiben ergänzte einen früheren Antrag des Ministeriums für zwei Schiffe, der der Kommission als "Mustersache" übersandt worden war.

10 Im Schreiben des Ministeriums wurde darauf hingewiesen, dass ihm Anträge von 38 Schiffseigentümern zugrunde lägen, die ihr Schiff verändert oder ersetzt hätten oder die beabsichtigten, dies zu tun. Dem Schreiben lag eine detaillierte Dokumentation zu den betroffenen 38 Schiffen bei. Aus einer beigefügten Tabelle ergibt sich, dass unter diesen 38 Eigentümern 18 Kläger des ersten Rechtszugs waren.

11 Der verfügende Teil der streitgen Entscheidung lautet:

"Artikel 1

Zulässigkeit der Anträge

Die Anträge auf Erhöhung der MAP-IV-Tonnageziele werden unter folgenden Voraussetzungen als zulässig eingestuft:

1. Die Anträge wurden vom Mitgliedstaat vor dem 31. Dezember 2001 einzeln weitergeleitet.

2. Das betreffende Schiff ist ordnungsgemäß in der Flottenkartei der Gemeinschaft registriert.

3. Das betreffende Schiff hat eine Gesamtlänge über alles von 15 m oder mehr.

4. Die Steigerung der Tonnage ist das Ergebnis von Modernisierungsarbeiten über dem Hauptdeck, die auf einem registrierten Schiff, das bei Beginn der Arbeiten mindestens fünf Jahre alt ist, durchgeführt werden oder durchgeführt werden sollen. Bei Untergang eines Schiffes ist die Steigerung der Tonnage dadurch bedingt, dass das Ersatzschiff größere Räume über dem Hauptdeck aufweist als das untergegangene Schiff.

5. Grund für die Steigerung der Tonnage sind Verbesserungen der Sicherheit, der Navigation auf See, der Hygiene, der Produktqualität und der Arbeitsbedingungen.

6. Die Größe der Räume unter dem Hauptdeck des umgebauten Schiffes oder des Ersatzschiffes ändert sich nicht.

Alle Anträge auf Erhöhung der MAP-IV-Maschinenleistungsziele sind unzulässig.

Artikel 2

Die Anträge, denen nach den Kriterien des Artikels 1 stattgegeben wird, sind in Anhang I aufgeführt.

Die Anträge, die nach den Kriterien des Artikels 1 abgelehnt werden, sind in Anhang II aufgeführt.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an das Königreich Belgien, Irland, das Königreich der Niederlande, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland gerichtet."

12 In der Liste der "abgelehnten Anträge" in Anhang II der streitigen Entscheidung sind auch die Anträge der Rechtsmittelführer für die neuen Schiffe aufgeführt, die die nicht untergegangenen Schiffe Westward Isle (Flaherty), Menhaden (Murphy) und Golden Rose (Ocean Trawlers Ltd) ersetzen sollen.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

13 23 Kläger beantragten beim Gericht die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit damit ihre Anträge auf Kapazitätserhöhung ihrer Schiffe abgelehnt worden waren. Alle diese Anträge betrafen den Bau neuer Schiffe als Ersatz für vorhandene Schiffe, die nicht untergegangen waren. Zur Begründung ihrer Anträge rügten die Kläger die fehlende Zuständigkeit der Kommission, die Verletzung der Pflicht zur Begründung der streitigen Entscheidung und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

14 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht erstens die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit geprüft, die auf die Feststellung gerichtet war, dass die Kläger von der streitigen Entscheidung nicht unmittelbar und individuell betroffen im Sinne von Art. 230 EG seien. Es hat diese Einrede im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die betreffende Entscheidung als ein Bündel individueller Entscheidungen anzusehen sei, von denen jede einzelne die Rechtsstellung der Eigentümer der in den Anhängen dieser Entscheidung aufgeführten Schiffe einschließlich der Schiffe der Kläger berühre, die im Verhältnis zu allen anderen Personen in ähnlicher Weise individualisiert gewesen seien wie ein Adressat, und dass sich die streitige Entscheidung unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirke und ihren Adressaten im Hinblick auf ihre Pflicht, sie durchzuführen, keinerlei Ermessensspielraum lasse.

15 Das Gericht hat gleichwohl die Klagen von vier Klägern, von denen drei die vorliegenden Rechtsmittel eingereicht haben, als unzulässig abgewiesen. Hierzu hat es in den Randnrn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils ausgeführt:

"61 In Anbetracht der Antworten Irlands auf die im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gestellten Fragen hat das Gericht jedoch von Amts wegen geprüft, ob vier Kläger im vorliegenden Fall ein Rechtsschutzinteresse haben ... Es handelt sich um Thomas Flaherty (T-224/03), die Ocean Trawlers Ltd (T-226/03), Larry Murphy (T-236/03) und die O'Neill Fishing Co. Ltd (T-239/03).

62 Aus diesen Antworten ergibt sich, dass die Anträge dieser vier Kläger auf deren damaliger Absicht beruhten, Schiffe bauen zu lassen und ihnen die in Anhang II der [streitigen] Entscheidung aufgenommenen Namen zu geben. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Kläger den Bau der Schiffe nicht veranlasst haben, so dass sie im Zeitpunkt des Erlasses der [streitigen] Entscheidung in Wirklichkeit nicht Eigentümer der fraglichen Schiffe waren. Folglich haben diese Kläger kein Rechtsschutzinteresse. Jedenfalls sind sie von der [streitigen] Entscheidung nicht individuell betroffen, da die fraglichen Schiffe fiktiv sind."

16 Zweitens hat das Gericht die streitige Entscheidung im Hinblick auf die Schiffe der 19 anderen Kläger wie folgt geprüft:

"105 Es ist festzustellen, dass Artikel 4 Absatz 2 der Entscheidung 97/413 ... keine Begrenzung in Bezug auf das Alter der Schiffe vorschreibt, denen eine Kapazitätserhöhung im Sicherheitsbereich gewährt werden kann. Der Wortlaut dieser Bestimmung erlaubt auf den ersten Blick jede Kapazitätserhöhung, die auf Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zurückgeht, sofern der Fischereiaufwand durch diese Maßnahmen nicht erhöht wird. Hätte der Rat neue Schiffe ausschließen wollen, so hätte er dies wahrscheinlich klargestellt ...

...

108 Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist der Begriff der Maßnahmen zur Verbesserung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Entscheidung 97/413 nicht so zu verstehen, dass er sich auf Verbesserungen bei einem speziellen Schiff bezieht, sondern so, dass er die nationale Flotte betrifft. Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass sich Abschnitt II Punkt 3.3 des Anhangs der Entscheidung 98/125 auf ein 'Programm zur Verbesserung der Sicherheit' der nationalen Flotte im Allgemeinen bezieht.

109 Außerdem sind die Ziele der Entscheidung 97/413 zu berücksichtigen. Diese bezweckt nämlich die Erhaltung der Fischbestände in den Gemeinschaftsgewässern. Der Rat hat jedoch dem Umstand Rechnung getragen, dass 'für die Fischereiflotte der Gemeinschaft höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten sind' (zwölfte Begründungserwägung). Daher hat er Artikel 3 (für Fischereifahrzeuge von weniger als 12 m Länge über alles mit Ausnahme von Trawlern) und Artikel 4 Absatz 2 in diese Entscheidung aufgenommen.

110 Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist es zur Erreichung dieses mit der Entscheidung 97/413 verfolgten Zweckes nicht erforderlich, dass neue Schiffe von der Regelung nach Artikel 4 Absatz 2 der Entscheidung ausgeschlossen sind. Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass diese Bestimmung mit dem genannten Zweck in Einklang steht, da sie jede Erhöhung des Fischereiaufwands verbietet. Die Kommission, die ganz erhebliche, nicht auf Sicherheitsgründen beruhende Vergrößerungen anführt, hätte die Schiffe von Fall zu Fall prüfen können, um festzustellen, ob eine Erhöhung des Fischereiaufwands vorlag. Sie gibt nämlich selbst an, dass das Verbot einer Erhöhung des Fischereiaufwands der Erfüllung des allgemeinen Zweckes der Entscheidung 97/413 diene, der darin besteht, die Menge der in der Gemeinschaft gefangenen Fische zu reduzieren ...

...

134 Nach alledem ist zu entscheiden, dass die Kommission dadurch, dass sie in der [streitigen] Entscheidung Kriterien zugrunde gelegt hat, die in der einschlägigen Regelung nicht vorgesehen sind, ihre Befugnisse überschritten hat. Daher greift der erste Klagegrund durch, und die [streitige] Entscheidung ist für nichtig zu erklären, ohne dass die weiteren Klagegründe geprüft werden müssten."

Die Rechtsmittel

17 In ihren Rechtsmittelschriften tragen die Rechtsmittelführer vor, die Würdigung des Gerichts zur Zulässigkeit ihrer Klagen sei rechtsfehlerhaft. Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht ihre Klagen abgewiesen und sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug verurteilt habe. Sie beantragen ferner, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und der Kommission diese Kosten wie auch die Kosten im vorliegenden Rechtszug aufzuerlegen.

18 Die Kommission beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

19 Die Rechtsmittelführer führen aus, das Gericht sei zu dem fehlerhaften Ergebnis gelangt, dass sie kein Rechtsschutzinteresse hätten und von der streitigen Entscheidung nicht individuell betroffen seien, weil die Schiffe, für die Anträge auf Kapazitätserhöhung eingereicht worden seien, fiktiv seien.

20 Erstens machen die Rechtsmittelführer geltend, die Zulässigkeit ihrer Klagen müsse im Hinblick auf ihr Rechtsschutzinteresse zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Kapazitätserhöhung beurteilt werden und nicht in Abhängigkeit von einem künftigen und hypothetischen Ereignis. Indem das Gericht das Rechtsschutzinteresse zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung beurteilt habe, habe es somit ein falsches rechtliches Kriterium angewandt.

21 Zweitens gehe aus den Unterlagen, die dem Gericht vorgelegt worden seien, eindeutig hervor, dass sie sowohl zum Zeitpunkt der Einreichung ihrer Klagen beim Gericht als auch bei Erlass der streitigen Entscheidung, falls dieser Zeitpunkt als maßgeblich angesehen werden könne, tatsächlich Eigentümer der Schiffe gewesen seien, für die die Kommission die Anträge auf Kapazitätserhöhung erhalten und abgelehnt habe. Folglich habe das Gericht bei der Würdigung der im ersten Rechtszug eingereichten Unterlagen einen sachlichen Fehler begangen, der nach ständiger Rechtsprechung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsse.

22 Drittens habe das Gericht im angefochtenen Urteil festgestellt, dass alle Anträge auf Kapazitätserhöhung neue Schiffe beträfen, wobei viele von ihnen für Schiffe eingereicht worden seien, deren Bau in Planung gewesen sei. Dies gehe eindeutig aus den Anträgen hervor, die in ihrem Namen bei der Kommission gestellt worden seien. Außerdem habe das Gericht nicht geprüft, ob jedes Schiff, für das ein Antrag eingereicht worden sei, zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung oder zum Zeitpunkt der Einreichung der Nichtigkeitsklagen gebaut gewesen sei, da dieser Umstand keine Bedeutung gehabt habe. Ferner hätte das Gericht, soweit es festgestellt habe, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, die Anträge auf den Bau neuer Schiffe zu prüfen, nach dem anwendbaren Recht über diese Anträge entscheiden müssen. Dementsprechend habe die Schlussfolgerung, dass die Rechtsmittelführer nicht individuell betroffen seien, weil die fraglichen Schiffe fiktiv seien, keine rechtliche Grundlage und stehe im Widerspruch zu der Begründung, auf die das Gericht das angefochtene Urteil gestützt habe.

23 Die Kommission macht geltend, dass die Zulässigkeit der Klagen nicht auf der Grundlage eines künftigen und hypothetischen Ereignisses festgestellt werden könne. Das Gericht habe jedoch kein solches Ereignis angeführt. Vielmehr habe es die unbestrittene Tatsache berücksichtigt, dass die Rechtsmittelführer die in Anhang II der streitigen Entscheidung aufgenommenen Schiffe niemals gebaut hätten. Es sei daher unmöglich, die Eigentümer dieser Schiffe in Erfahrung zu bringen.

Würdigung durch den Gerichtshof

24 Ob das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es die von den Rechtsmittelführern bei ihm erhobenen Klagen für unzulässig erklärt hat, ist auf der Grundlage der Beurteilung ihres Rechtsschutzinteresses durch das Gericht und der Frage zu prüfen, ob sie individuell betroffen waren oder nicht.

Zum Rechtsschutzinteresse

25 Nach ständiger Rechtsprechung muss das Klageinteresse des Klägers im Hinblick auf den Klagegegenstand bei Klageerhebung gegeben sein; andernfalls wäre die Klage unzulässig. Ebenso wie das Klageinteresse muss auch der Streitgegenstand bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen - andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt -, was voraussetzt, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, Slg. 1986, 1965, Randnr. 21, sowie entsprechend Urteile vom 19. Oktober 1995, Rendo u. a./Kommission, C-19/93 P, Slg. 1995, I-3319, Randnr. 13, vom 13. Juli 2000, Parlament/Richard, C-174/99 P, Slg. 2000, I-6189, Randnr. 33, und vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C-362/05 P, Slg. 2007, I-4333, Randnr. 42).

26 Den Randnrn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils in Verbindung mit dessen Randnr. 17 ist zu entnehmen, dass das Gericht die Stellung als Eigentümer der in Anhang II dieser Entscheidung aufgeführten Schiffe zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung als entscheidend für die Feststellung des Rechtsschutzinteresses der Rechtsmittelführer betrachtet hat.

27 So ist das Gericht davon ausgegangen, dass 19 Kläger, für die es implizit festgestellt hat, dass sie die fraglichen Schiffe bereits gebaut oder mit ihrem Bau begonnen hätten, zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung als Eigentümer dieser Schiffe angesehen werden könnten und daher ein Interesse an der Nichtigerklärung der betreffenden Entscheidung hätten, während dies bei den anderen vier Klägern nicht der Fall sei. In Bezug auf diese vier Kläger hat das Gericht festgestellt, dass sie zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung noch nicht den Bau der in Anhang II der Entscheidung genannten Schiffe veranlasst hätten, so dass sie nicht deren Eigentümer gewesen seien. Daraus hat das Gericht gefolgert, dass sie kein Rechtsschutzinteresse hätten.

28 Insoweit ist daran zu erinnern, dass es in den vorliegenden Rechtssachen um ein Genehmigungsverfahren geht. Für die Fischereiflotten der einzelnen Mitgliedstaaten ist jeweils eine bestimmte Tonnage zugelassen, und durch Entscheidung der Kommission können konkrete Steigerungen dieser Tonnage genehmigt werden, wenn die einschlägigen Kriterien erfüllt sind. Nach diesen Kriterien darf u. a. die Erhöhung der Kapazität hinsichtlich der Tonnage nur auf Modernisierungsarbeiten zur Verbesserung der Sicherheit der betreffenden Schiffe zurückgehen.

29 Vor dem Gericht ist auch nicht vorgetragen worden, dass dieses Verfahren erfordere, dass die notwendigen Arbeiten vor der Erteilung der betreffenden Genehmigung durchgeführt oder zumindest begonnen sein müssten. Wie aus Randnr. 61 des angefochtenen Urteils in Verbindung mit dessen Randnr. 17 hervorgeht, hat das Gericht selbst diese Frage von Amts wegen aufgeworfen.

30 Im Rahmen seiner Prüfung dieser Frage hat das Gericht jedoch auf keine Bestimmung in der anwendbaren Gemeinschaftsregelung verwiesen, aus der sich ein solches Erfordernis ergäbe.

31 Das Gericht hat zudem in den Randnrn. 100 bis 134 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich - wie im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel nicht bestritten wird - Verbesserungen der Sicherheit, die eine Kapazitätserhöhung hinsichtlich der Tonnage rechtfertigten, aus dem Bau eines Ersatzschiffs ergeben könnten.

32 Das Gericht hat somit verkannt, dass jeder, der unter Einhaltung der hierfür geltenden Regeln eine Kapazitätserhöhung aufgrund von Verbesserungen der Sicherheit, die sich aus dem Bau eines Ersatzschiffs ergeben, beantragt hat, offenkundig ein Interesse daran hat, die Nichtigerklärung einer Entscheidung zu beantragen, mit der die Genehmigung versagt wird. Zwar ist das Interesse derjenigen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits Mittel für den Bau eines Schiffes aufgewandt haben, dringender, doch haben auch diejenigen ein solches Interesse, die noch nicht mit dem Bau begonnen haben.

33 Die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission, mit der die beantragte Genehmigung versagt wird, hat nämlich für all diejenigen, deren Anträge abgelehnt worden sind, zur Folge, dass die Erteilung einer Genehmigung nach Abschluss der erneuten Prüfung der Anträge, zu der die Kommission verpflichtet ist, wieder möglich wird. Wird die Genehmigung erteilt, können alle Schritte, die noch erforderlich sind, um die beantragte Kapazitätserhöhung zu verwirklichen oder zu nutzen, unter Beachtung der gegebenenfalls geltenden Bedingungen und Fristen unternommen werden.

34 Daher hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Rechtsmittelführer kein Rechtsschutzinteresse hätten, weil sie zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung nicht den Bau der in Anhang II dieser Entscheidung aufgeführten Schiffe veranlasst hätten, so dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht deren Eigentümer gewesen seien.

35 Folglich hatten alle Kläger des ersten Rechtszugs ein Interesse daran, die streitige Entscheidung anzufechten.

Zur Frage, ob die Rechtsmittelführer individuell betroffen waren

36 Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine andere Person als der Adressat einer Entscheidung nur dann geltend machen kann, individuell betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer derartigen Entscheidung (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, 11/82, Slg. 1985, 207, Randnr. 11, und vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C-260/05 P, Slg. 2007, II-0000, Randnr. 53).

37 Das Gericht hat die Klagen von vier Klägern, darunter den Rechtsmittelführern, auch deshalb für unzulässig erklärt, weil sie nicht im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG individuell betroffen seien. Es hat zwar angenommen, dass alle Kläger des ersten Rechtszugs von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen seien und der Umstand, dass sie Eigentümer der in deren Anhängen aufgeführten Schiffe seien, für die Feststellung ihrer individuellen Betroffenheit ausreiche, hat aber gleichwohl eine Unterscheidung in Bezug auf die Rechtsmittelführer allein deswegen vorgenommen, weil ihre Schiffe "fiktiv" seien.

38 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 31 und 32 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Begriff "fiktiv" zwei mögliche Bedeutungen. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird damit etwas bezeichnet, was nicht real ist oder dessen Existenz vorgetäuscht ist und was daher nur in der Phantasie existiert. Auf den vorliegenden Fall übertragen würde das implizieren, dass die Rechtsmittelführer ihre vorhandenen Schiffe nicht wirklich durch andere Schiffe mit größerer Sicherheitskapazität ersetzen wollten oder dass es sich nur um vage Ideen oder Pläne handelte, die in keiner konkreten Form verwirklicht wurden.

39 Aus Randnr. 62 des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass das Gericht einen solchen "fiktiven" Charakter der Schiffe der Rechtsmittelführer daraus geschlossen hat, dass die Schiffe zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung noch nicht gebaut worden waren.

40 Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist die Frage, ob ein bestimmtes Schiff gebaut worden ist, eine Tatsachenfrage, die nicht Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens sein kann, es sei denn, es zeigt sich, dass das Gericht die Tatsachen insoweit verfälscht hat. Ob aus der Tatsache, dass ein geplantes Schiff noch nicht gebaut worden ist, zu folgern ist, dass ein Kläger nicht individuell betroffen ist, ist jedoch eine Rechtsfrage, die Gegenstand eines Rechtsmittels sein kann.

41 Aus denselben Gründen wie den in den Randnrn. 25 bis 32 des vorliegenden Urteils in Bezug auf das Rechtsschutzinteresse dargelegten ist festzustellen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Rechtsmittelführer nicht individuell betroffen seien, weil sie zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung nicht den Bau der in Anhang II dieser Entscheidung aufgeführten Schiffe veranlasst hätten, so dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht deren Eigentümer gewesen seien. Da sie nämlich individuelle Anträge auf Erhöhung der Sicherheitstonnage für in diesem Anhang genannte Schiffe eingereicht hatten, genügt die Feststellung, dass es sich hierbei um einen Umstand handelte, der nach der in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geeignet war, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herauszuheben und sie in ähnlicher Weise zu individualisieren wie die Adressaten dieser Entscheidung.

42 Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit ihm die von den Rechtsmittelführern beim Gericht erhobenen Klagen für unzulässig erklärt worden sind.

43 Ist das Rechtsmittel begründet, hebt der Gerichtshof nach Art. 61 seiner Satzung die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

44 Da im vorliegenden Fall der Rechtsstreit entscheidungsreif ist, hat der Gerichtshof endgültig über die Anträge der Rechtsmittelführer auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu befinden.

45 Die Prüfung der beim Gericht vorgelegten Verfahrensunterlagen ergibt, dass bei Bejahung der Zulässigkeit der von den Rechtsmittelführern beim Gericht erhobenen Klagen nichts diese Rechtsmittelführer von den 19 anderen Klägern unterscheidet, deren Klagen für zulässig erklärt erworden sind. Denn alle Klagen betrafen denselben Gegenstand, und alle Kläger - vertreten durch dieselben Rechtsanwälte - habe dieselben Klagegründe geltend gemacht.

46 Soweit die Rechtsmittelführer vor dem Gericht als Klagegrund angeführt haben, die Kommission sei nicht zuständig gewesen, weil sie in Art. 1 Abs. 2 der streitigen Entscheidung ein in den anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nicht vorgesehenes Kriterium verwendet habe, ist aus denselben Gründen wie denen, die in den Randnrn. 100 bis 134 des angefochtenen Urteils, insbesondere in dessen Randnrn. 105 und 108 bis 110, dargelegt worden sind, festzustellen, dass Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 97/413 keine Begrenzung in Bezug auf das Alter der Schiffe vorschreibt, für die eine Kapazitätserhöhung im Sicherheitsbereich gewährt werden kann, und dass sich der Begriff der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung nicht auf Verbesserungen bei einem speziellen Schiff, sondern bei der nationalen Flotte bezieht. Zur Erreichung des mit dieser Entscheidung verfolgten Zwecks, die Fischbestände in den Gemeinschaftsgewässern zu erhalten, ist es somit nicht erforderlich, dass neue Schiffe von der in ihrem Art. 4 Abs. 2 vorgesehenen Regelung ausgeschlossen sind.

47 Daher ist festzustellen, dass die Kommission, indem sie in der streitigen Entscheidung Kriterien zugrunde gelegt hat, die in der im vorliegenden Fall anwendbaren Regelung nicht vorgesehen sind, ihre Befugnisse überschritten hat. Deshalb greift dieser Rechtsmittelgrund durch, und die streitige Entscheidung ist, ohne dass die anderen Rechtsmittelgründe geprüft zu werden brauchten, für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die Schiffe der Rechtsmittelführer bezieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführer beantragt haben, die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die den Rechtsmittelführern sowohl im ersten Rechtszug als auch anlässlich der vorliegenden Rechtsmittel entstanden sind, und die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die genannten Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 2006, Boyle u. a./Kommission (T-218/03 bis T-240/03), wird aufgehoben, soweit mit ihm die Klagen von Herrn Flaherty und Herrn Murphy sowie der Ocean Trawlers Ltd auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/245/EG der Kommission vom 4. April 2003 über die bei der Kommission eingegangenen Anträge auf Erhöhung der MAP-IV-Ziele zur Berücksichtigung von Verbesserungen der Sicherheit, der Navigation auf See, der Hygiene, der Produktqualität und der Arbeitsbedingungen auf Schiffen mit einer Länge über alles von mehr als 12 m als unzulässig abgewiesen und die Rechtsmittelführer zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt worden sind.

2. Die Entscheidung 2003/245 wird für nichtig erklärt, soweit sie auf die Schiffe von Herrn Flaherty und Herrn Murphy sowie der Ocean Trawlers Ltd Anwendung findet.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten, die Herrn Flaherty und Herrn Murphy sowie der Ocean Trawlers Ltd sowohl im ersten Rechtszug als auch anlässlich der vorliegenden Rechtsmittel entstanden sind.



Ende der Entscheidung

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