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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: C-456/00
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 2001/52/EG , Verordnung (EWG) Nr. 822/87, Verordnung (EG) Nr. 1493/1999


Vorschriften:

EGV Art. 230
EGV Art. 36
EGV Art. 87
EGV Art. 48 Abs. 1
Entscheidung 2001/52/EG
Verordnung (EWG) Nr. 822/87
Verordnung (EG) Nr. 1493/1999
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Beurteilung einer staatlichen Beihilfe durch die Kommission in einem Sektor, in dem eine gemeinsame Marktorganisation errichtet worden ist, setzt eine Prüfung der Auswirkungen voraus, die diese Beihilfe auf das Funktionieren der Marktorganisation haben kann, da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von ihr abweichen oder sie beeinträchtigen könnten. Die Berufung eines Mitgliedstaats auf die Artikel 87 EG bis 89 EG kann mit anderen Worten nicht Vorrang gegenüber den Bestimmungen der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation haben, zumal Artikel 36 EG den Vorrang der gemeinsamen Agrarpolitik vor den Zielen des Vertrages im Wettbewerbsbereich anerkennt.

( vgl. Randnrn. 31-33 )

2. Da Cognac ein Branntwein ist, ist er von der Kategorie der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ausgenommen und gehört somit nicht zu den Erzeugnissen, die von der gemeinsamen Marktorganisation für Wein erfasst sind. Wenn also mit der Rebsorte Ugni-blanc bepflanzte Flächen, deren Ertrag zur Herstellung eines Branntweins dient, der als industrielles Erzeugnis nicht auf dem Weinmarkt abgesetzt wird, auf Flächen zur Erzeugung von Landweinen umgestellt werden, die auf diesem Markt verkauft werden, dann erhöht sich zwangsläufig die Menge des in der betreffenden Region erzeugten Weines, was dem Ziel dieser gemeinsamen Marktorganisation - Gleichgewicht von Erzeugung und Nachfrage - zuwiderläuft. Staatliche Beihilfen zur Förderung der Rodung von Rebstöcken der Sorte Ugni-blanc und der Neuanpflanzung anderer Rebsorten zur Erzeugung von Landweinen sind daher mit den Bestimmungen dieser gemeinsamen Marktorganisation unvereinbar.

( vgl. Randnrn. 35, 37-39 )

3. Die Kommission verfügt bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind. Der Gerichtshof darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Behörde nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich darauf beschränken, zu prüfen, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist.

( vgl. Randnr. 41 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Dezember 2002. - Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Staatliche Beihilfen - Gemeinsame Marktorganisation - Wein - Maßnahmen zur Umstellung von Rebflächen in der Charente. - Rechtssache C-456/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-456/00

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und L. Bernheim als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Alves Vieira und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/52/EG der Kommission vom 20. September 2000 über die Beihilfemaßnahme, die von Frankreich im Weinsektor durchgeführt wird (ABl. 2001, L 17, S. 30),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie des Richters V. Skouris, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric und des Richters J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. Tizzano

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 18. Dezember 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 230 EG die Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/52/EG der Kommission vom 20. September 2000 über die Beihilfemaßnahme, die von Frankreich im Weinsektor durchgeführt wird (ABl. 2001, L 17, S. 30, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), beantragt.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 36 Absatz 1 EG lautet:

Das Kapitel über die Wettbewerbsregeln findet auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen nur insoweit Anwendung, als der Rat dies unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 33 im Rahmen des Artikels 37 Absätze 2 und 3 und gemäß dem dort vorgesehenen Verfahren bestimmt."

3 Artikel 87 Absatz 1 EG sieht vor:

Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen."

4 In Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG heißt es:

Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden:

...

c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft".

5 In der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 des Rates vom 16. März 1987 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl. L 84, S. 1) wurden die Vorschriften über die gemeinsame Marktorganisation für Wein kodifiziert.

6 Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 822/87 bestimmt:

Jede Neuanpflanzung von Reben ist bis zum 31. August 1990 untersagt...."

7 Artikel 14 der Verordnung Nr. 822/87 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2253/88 des Rates vom 19. Juli 1988 (ABl. L 198, S. 35, im Folgenden: Verordnung Nr. 822/87) sieht vor:

(1) Alle einzelstaatlichen Beihilfen für die Bepflanzung von in die Kategorie 3 eingestuften Flächen für die Erzeugung von Tafelwein sind untersagt.

(2) Für die Bepflanzung von anderen als in Absatz 1 genannten Weinbauflächen sind alle einzelstaatlichen Beihilfen untersagt, ausgenommen solche Beihilfen, die

- in spezifischen Gemeinschaftsbestimmungen vorgesehen sind;

- gemäß den Artikeln [87] bis [89] des Vertrages zulässig sind und Kriterien erfuellen, die es insbesondere ermöglichen sollen, eine Verringerung der Produktionsmengen oder eine qualitative Verbesserung ohne Steigerung der Produktion zu erreichen....

(3) Das Verbot nach Absatz 2 gilt ab 1. September 1988...."

8 Artikel 76 der Verordnung Nr. 822/87 lautet:

Vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung sind die Artikel [87], [88] und [89] des Vertrages auf die Erzeugung der in Artikel 1 genannten Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen anwendbar."

9 Die Verordnung Nr. 822/87 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl. L 179, S. 1) aufgehoben, die in Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 vorsieht:

Die Bepflanzung von Rebflächen mit gemäß Artikel 19 Absatz 1 als Keltertraubensorten klassifizierten Sorten ist bis zum 31. Juli 2010 untersagt..."

10 Artikel 11 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1493/1999 bestimmt:

(1) Es wird eine Regelung für die Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen eingeführt.

(2) Die Regelung dient der Anpassung der Erzeugung an die Marktnachfrage.

(3) Die Regelung umfasst eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a) die Sortenumstellung auch durch Umveredelung;

b) die Umbepflanzung von Rebflächen;

c) Verbesserungen der Rebflächenbewirtschaftungstechniken entsprechend dem Ziel der Regelung.

Von der Regelung ausgeschlossen ist die normale Erneuerung ausgedienter Altrebflächen."

11 Nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 1493/1999 können die Durchführungsvorschriften zu Kapitel III dieser Verordnung, Umstrukturierung und Umstellung", die die Artikel 11 bis 15 enthalten, insbesondere Vorkehrungen zur Verhütung eines Anstiegs des Produktionspotenzials" vorsehen.

12 Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1493/1999 lautet:

Vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung sind die Artikel 87, 88 und 89 des Vertrags auf die Erzeugung der unter diese Verordnung fallenden Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen anwendbar."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

13 Die französische Regierung meldete mit Schreiben vom 3. Februar 1999 bei der Kommission ein Beihilfevorhaben an, mit dem die Cognacerzeuger veranlasst werden sollten, auf die Erzeugung von Landwein (vin de pays") umzustellen. Diese Beihilfen sollten 1 000 Hektar in der Charente (Frankreich) betreffen und die Rodung von Rebstöcken der Sorte Ugni-blanc, deren Ertrag hauptsächlich zu Cognac verarbeitet wird, und die Neuanpflanzung anderer Rebsorten zur Erzeugung von Qualitätslandweinen fördern.

14 Die Kommission beschloss im Oktober 1999, das in Artikel 88 Absatz 2 EG vorgesehene Prüfverfahren in Bezug auf drei der vier von der französischen Regierung angemeldeten Maßnahmen einzuleiten.

15 Nach Abschluss dieses Verfahrens erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, deren verfügender Teil folgendermaßen lautet:

Artikel 1

(1) Die von Frankreich durchgeführte Beihilfemaßnahme, die eine Ergänzung der nationalen Beihilfe zur Verbesserung des Sortenbestands von Weinbaubetrieben im begrenzten Anbaugebiet ,Cognac für die Weinwirtschaftsjahre 1998/99 und 1999/2000 darstellt, ist eine rechtswidrig gewährte und mit den Artikeln 87 bis 89 EG-Vertrag unvereinbare Beihilfe, die nicht für eine Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag in Betracht kommt.

(2) Die flankierende Maßnahme ,Technische Hilfe für Erzeuger ist unvereinbar mit den Artikeln 87 bis 89 EG-Vertrag und kommt nicht für eine Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag in Betracht.

Artikel 2

Frankreich wird aufgefordert, die in Artikel 1 genannte Beihilfemaßnahme aufzuheben.

Artikel 3

Frankreich ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Beihilfemaßnahmen gezahlten Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern.

Artikel 4

Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 5

Diese Entscheidung ist an die Französische Republik gerichtet."

16 Inzwischen hatte die französische Regierung, ohne den Abschluss des Prüfverfahrens abzuwarten, zwei Verordnungen über die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe zur Verbesserung des Sortenbestands der Weinbaubetriebe im begrenzten Anbaugebiet Cognac" erlassen, von denen die eine, vom 12. März 1999 (JORF vom 11. April 1999, S. 5387), das Wirtschaftsjahr 1998/99 und die andere, vom 6. April 2000 (JORF vom 23. April 2000, S. 6260), das Wirtschaftsjahr 1999/2000 betraf.

Vorbringen der Parteien

17 Die französische Regierung stützt ihre Nichtigkeitsklage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Rechtsfehler der Kommission bei der Auslegung der Verordnungen Nrn. 822/87 und 1493/1999 geltend macht.

18 Sie trägt zunächst vor, die fraglichen Beihilfen entsprächen dem in Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 822/87 festgelegten Ziel der Verringerung der Produktionsmengen oder qualitativen Verbesserung ohne Steigerung der Produktion. Dieses Ziel sei auch in der Verordnung Nr. 1493/1999 genannt.

19 Die Umstellung der mit der Rebsorte Ugni-blanc bepflanzten Flächen, deren durchschnittlicher Ertrag 150 hl/ha betrage, auf Rebflächen zur Herstellung von Landwein der Charente, deren Ertrag auf 80 hl/ha begrenzt werde, gehe nämlich mit einer Verringerung der erzeugten Weinmengen einher.

20 Die französische Regierung weist die Schlussfolgerung der Kommission zurück, dass die Beihilfen zur Umstellung der mit der Rebsorte Ugni-blanc bepflanzten Rebflächen auf Rebflächen, die ausschließlich zur Erzeugung von Landwein dienten, mit der Finanzierung der zusätzlichen Anpflanzung von Reben gleichzusetzen seien, die seit 1988 verboten sei. Eine Sortenumstellung sei ohne die Anpflanzung neuer, weniger ertragreicher Reben anstelle der alten Reben nicht durchführbar. Im Übrigen könne man nicht von zusätzlichen Anpflanzungen sprechen, wenn lediglich die gerodeten Reben durch neue Reben ersetzt würden.

21 Die Kommission gehe zu Unrecht davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Umstellung von Reben, die zur Herstellung von Branntwein dienten, auf Reben zur Erzeugung von normalem Wein" handele, die eine Steigerung der Produktion dieses Weines zur Folge habe. Der Begriff normaler Wein" sei im Hinblick auf die gemeinsame Marktorganisation für Wein, die nicht zwischen Weinen, die zur Herstellung von Cognac bestimmt seien, und anderen Weinen unterscheide, bedeutungslos. Es bestehe außerdem keine Verpflichtung, Cognac aus Wein der Rebsorte Ugni-blanc herzustellen.

22 Die Verordnung Nr. 1493/1999 stelle keinerlei Zusammenhang zwischen der Umstellung einer Fläche und einer eventuellen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Verminderung der Erträge aus anderen, nicht von der Umstellung betroffenen Flächen her. Artikel 11 der Verordnung sehe auch nicht vor, dass die Umstellung einer bestimmten Fläche mit der Rodung von Rebstöcken auf einer ebenso großen Fläche einhergehen müsse. Die Kommission könne aber keine Bedingungen aufstellen, die in der Verordnung nicht festgelegt seien.

23 Ferner könne die Entwicklung des Weinmarktes nur langfristig beurteilt werden. Die kontinuierliche Steigerung des weltweiten Absatzes französischer Landweine, die im Zeitraum von 1994 bis 1998 festgestellt worden sei, stelle eine allgemeine Tendenz dar, die durch einen leichten Rückgang in den Jahren 1998 und 1999 nicht in Frage gestellt werden könne.

24 Da sie den Weinmarkt nicht angemessen analysiert habe, bleibe die Kommission vage, wenn sie zu belegen versuche, dass die fraglichen Beihilfen Wettbewerbsverzerrungen verursachten.

25 Die Kommission trägt vor, aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass im Zusammenhang mit einer staatlichen Beihilfe im Bereich der Landwirtschaft die Bezugnahme auf die Artikel 87 EG bis 89 EG durch einen Mitgliedstaat nicht den Vorschriften der betreffenden gemeinsamen Marktorganisation vorgehen könne (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Juni 1979 in der Rechtssache 177/78, Pigs and Bacon Commission, Slg. 1979, 2161).

26 Zur Verringerung der Erträge und der Anbauflächen macht die Kommission unter Hinweis auf die Einordnung von Cognac als Branntwein geltend, dass es im vorliegenden Fall weniger um eine Umstellung von ertragsstarken Reben zur Erzeugung von Wein als vielmehr um eine Umstellung von für die Erzeugung von Wein zur Herstellung von Cognac bestimmten Reben auf Reben zur Erzeugung von normalem Wein" gehe.

27 Die fragliche Beihilferegelung finanziere zusätzliche Rebanpflanzungen und führe zu einem Anstieg der Erzeugung von normalem Wein", der durch die gemeinsame Marktorganisation für Wein verboten sei.

28 Es gehe nicht darum, Voraussetzungen für die Genehmigung der fraglichen Beihilfen aufzustellen, sondern lediglich darum, die negativen Auswirkungen dieser Beihilfen auf den Wettbewerb zu bewerten. Darum habe die Kommission geprüft, ob die französischen Behörden tatsächlich Maßnahmen getroffen hätten, die die Auswirkungen der Beihilfen auf den Markt durch eine Verringerung der Erträge, insbesondere von Reben der Sorte Ugni-blanc, sowie eine Verkleinerung der Produktionsflächen der Region, wie sie die französische Regierung vorgeschlagen habe, vermindert hätten. Da sie festgestellt habe, dass es den nationalen Behörden nicht gelungen sei, diese Ziele zu konkretisieren, d. h., dass diese keine Maßnahmen ergriffen hätten, um die Auswirkungen der Beihilfen zu minimieren, sei sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Beihilfen mit den neuen gemeinschaftlichen Anforderungen im Weinsektor nicht vereinbar seien.

29 Zur Anpassung der Erzeugung an die Nachfrage und zu den Wettbewerbsverzerrungen trägt die Kommission vor, die Angaben der französischen Regierung zum Wachstum des Marktes würden von den Daten des Office national interprofessionnel des vins, was den Rückgang der Preise für Landweine angehe, nicht bestätigt. Diese Daten zeigten, dass sich der Landweinmarkt in einer schwierigen Lage befinde.

Würdigung durch den Gerichtshof

Vorbemerkungen

30 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das in den Artikeln 87 EG und 88 EG vorgesehene Verfahren der Kommission und unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Rat zwar einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilferegelung mit den Anforderungen des Gemeinsamen Marktes belässt, dass sich aber aus der allgemeinen Systematik des Vertrages ergibt, dass dieses Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Vorschriften des Vertrages im Widerspruch steht (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 41).

31 Außerdem ist festzustellen, dass bei Vorhandensein einer Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für einen bestimmten Sektor die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Verordnung abweichen oder sie beeinträchtigen könnten (vgl. Urteile vom 19. März 1998 in der Rechtssache C-1/96, Compassion in World Farming, Slg. 1998, I-1251, Randnr. 41, und vom 8. Januar 2002 in der Rechtssache C-507/99, Denkavit, Slg. 2002, I-169, Randnr. 32).

32 Die Beurteilung einer staatlichen Beihilfe durch die Kommission in einem Sektor, in dem eine gemeinsame Marktorganisation errichtet worden ist, setzt somit eine Prüfung der Auswirkungen voraus, die diese Beihilfe auf das Funktionieren der Marktorganisation haben kann. Die Berufung eines Mitgliedstaats auf die Artikel 87 EG bis 89 EG kann also mit anderen Worten nicht Vorrang gegenüber den Bestimmungen der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation haben (vgl. Urteil Pigs and Bacon Commission, Randnr. 11).

33 Wie sich ferner aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, erkennt Artikel 36 EG den Vorrang der gemeinsamen Agrarpolitik vor den Zielen des Vertrages im Wettbewerbsbereich an (Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 61).

34 Da die fraglichen Beihilfen in der angefochtenen Entscheidung deshalb als rechtswidrig angesehen wurden, weil sie den Anforderungen der gemeinsamen Marktorganisation für Wein nicht genügten, ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall die Bestimmungen dieser Marktorganisation zutreffend ausgelegt hat.

Zur Begründetheit

35 Das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Nachfrage auf dem Weinmarkt ist eines der Ziele der gemeinsamen Marktorganisation für Wein.

36 Um dieses Ziel zu erreichen, sehen die Bestimmungen über diese gemeinsame Marktorganisation seit langem ein Verbot sowohl der Neuanpflanzung von Reben (Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 822/87, in Kraft zur Zeit der Anmeldung der fraglichen Beihilfen bei der Kommission, und Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1493/1999, in Kraft seit dem 21. Juli 1999) als auch der staatlichen Beihilfen für Bepflanzungen vor, die keine Verringerung der Produktionsmengen ermöglichen (Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 822/87). Vorkehrungen zur Verhütung eines Anstiegs des Produktionspotenzials sind auch im Rahmen der Verordnung Nr. 1493/1999 vorgesehen (Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe c dieser Verordnung).

37 Da im Übrigen Cognac ein Branntwein ist, ist er von der Kategorie der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ausgenommen (Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, Clair, Slg. 1985, 391, Randnr. 15) und gehört somit nicht zu den Erzeugnissen, die von der gemeinsamen Marktorganisation für Wein erfasst sind.

38 Wenn in diesem Kontext mit der Rebsorte Ugni-blanc bepflanzte Flächen, deren Ertrag zur Herstellung eines Branntweins dient, der als industrielles Erzeugnis nicht auf dem Weinmarkt abgesetzt wird, auf Flächen zur Erzeugung von Landweinen umgestellt werden, die auf diesem Markt verkauft werden, erhöht sich zwangsläufig die Menge des in der betreffenden Region erzeugten Weines.

39 Wie in Randnummer 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verstößt eine Steigerung der Weinproduktion gegen eines der Ziele der gemeinsamen Marktorganisation für Wein. Die Kommission hat daher in der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten, dass die fraglichen Beihilfen mit den Bestimmungen einer gemeinsamen Marktorganisation unvereinbar seien.

40 Die Kommission hat gleichwohl in den Begründungserwägungen 37 bis 49 der angefochtenen Entscheidung geprüft, ob die französische Regierung Maßnahmen ergriffen hatte, die die negativen Auswirkungen der fraglichen Beihilfen auf den Markt gemäß der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG abschwächen konnten.

41 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG über ein weites Ermessen verfügt, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind (u. a. Urteile vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 67, und vom 7. März 2002 in der Rechtssache C-310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289, Randnr. 45), und zum anderen ist festzustellen, dass der Gerichtshof bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Behörde nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf, sondern sich darauf beschränken muss, zu prüfen, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist (vgl. Urteile vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-288/96, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-8237, Randnr. 26, und Italien/Kommission, Randnr. 46).

42 Im Licht dieser Grundsätze kann dem Argument der französischen Regierung nicht gefolgt werden, dass die Kommission dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass sie nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 1493/1999 Bedingungen bezüglich der Verringerung der Erträge und der Flächen aufgestellt habe, die in dieser Vorschrift nicht vorgesehen seien.

43 Eine Prüfung der angefochtenen Entscheidung ergibt nämlich, dass die Kommission zu keinem Zeitpunkt solche auf Artikel 11 der Verordnung Nr. 1493/1999 gestützten Bedingungen aufgestellt hat. Wie der Generalanwalt im Übrigen in Nummer 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt dieser Artikel keine Regeln für die Vergabe von nationalen Beihilfen für die Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen auf, sondern enthält eine gemeinschaftliche Unterstützungsregelung, an deren Finanzierung sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht beteiligen können.

44 Im Rahmen des Ermessensspielraums, über den sie in diesem Bereich verfügt, hat die Kommission lediglich geprüft, ob die von den französischen Behörden selbst angekündigten Maßnahmen zur Verringerung der Erträge und des Produktionspotenzials ausreichten, um die Auswirkungen der fraglichen Beihilfen auf den Markt abzuschwächen. Am Ende ihrer Prüfung ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Maßnahmen nicht ausreichten.

45 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftlichen Wertungen, die die Kommission hinsichtlich der Anpassung der Produktion an die Nachfrage und der Wettbewerbsverzerrungen vornimmt, ebenfalls unter die Ausübung ihres Ermessens fallen.

46 Mit Recht hat die Kommission unter Berücksichtigung der Informationen des Office national interprofessionnel des vins über den Rückgang des Durchschnittspreises für Landweine im Wirtschaftsjahr 1999/2000, der auf einen auch von der französischen Regierung anerkannten Rückgang der Nachfrage zurückzuführen war, und des mit der gemeinsamen Marktorganisation für Wein verfolgten Zieles der Aufrechterhaltung des Marktgleichgewichts die Auffassung vertreten, dass eine Steigerung der Landweinerzeugung in Frankreich Wettbewerbsverzerrungen auf einem Weinmarkt erzeugen kann, dessen Wachstum zweifelhaft erscheint.

47 Darüber hinaus ist zu bemerken, dass die französische Regierung nichts vorgetragen hat, was den Schluss zuließe, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens überschritten hätte, als sie annahm, dass die fraglichen Beihilfen nicht die Voraussetzungen erfuellten, um unter die Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG zu fallen.

48 Die französische Regierung hat nämlich lediglich geltend gemacht, dass die Entwicklung des Weinmarktes nur langfristig beurteilt werden könne und dass die Kommission vage geblieben sei, als sie zu belegen versucht habe, dass die fraglichen Beihilfen Wettbewerbsverzerrungen verursachten.

49 Unter diesen Umständen genügt die Begründung der angefochtenen Entscheidung auch in Anbetracht der Tatsache, dass sie die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle ausüben kann, den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes gestellten Anforderungen (u. a. Urteile vom 22. März 2001 in der Rechtssache C-17/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2001, I-2481, Randnr. 35, und Italien/Kommission, Randnr. 48).

50 Nach alledem ist der Klagegrund eines Rechtsfehlers der Kommission zurückzuweisen.

51 Die Klage ist folglich abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik in die Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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