Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: T-136/04
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/43/EWG, Entscheidung 2004/69/EG


Vorschriften:

Richtlinie 92/43/EWG
Entscheidung 2004/69/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

22. Juni 2006

"Richtlinie 92/43/EWG des Rates - Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen - Entscheidung 2004/69/EG der Kommission - Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung für die alpine biogeografische Region - Nichtigkeitsklage - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-136/04

Rasso Freiherr von Cramer-Klett, wohnhaft in Aschau im Chiemgau (Deutschland),

Rechtlerverband Pfronten mit Sitz in Pfronten (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Schönfeld und L. Thum,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und B. Schima als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/69/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung für die alpine biogeografische Region (ABl. 2004, L 14, S. 21),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas sowie der Richterinnen I. Labucka und V. Trstenjak,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen

1 Am 21. Mai 1992 erließ der Rat die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitat-Richtlinie).

2 Die Habitat-Richtlinie hat nach ihrem Artikel 2 Absatz 1 zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

3 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 zielen die zu ihrer Durchführung getroffenen Maßnahmen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

4 Ihrer sechsten Begründungserwägung zufolge sind zur Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete auszuweisen, um nach einem genau festgelegten Zeitplan ein zusammenhängendes europäisches ökologisches Netz zu schaffen.

5 Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie umfasst dieses Netz mit der Bezeichnung "Natura 2000" besondere Schutzgebiete und die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete.

6 In Artikel 1 Buchstabe l der Habitat-Richtlinie ist das besondere Schutzgebiet definiert als "ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden"

7 Artikel 4 der Habitat-Richtlinie sieht für die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete ein dreistufiges Verfahren vor. Nach Artikel 4 Absatz 1 legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II der Habitat-Richtlinie aufgeführt sind. Binnen drei Jahren nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie wird der Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationen über die einzelnen Gebiete zugeleitet.

8 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie erstellt die Kommission aus diesen Listen auf der Grundlage der in ihrem Anhang III aufgeführten Kriterien und im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung. Die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung wird von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Habitat-Richtlinie festgelegt. Nach Artikel 4 Absatz 3 wird diese Liste binnen sechs Jahren nach Bekanntgabe der Habitat-Richtlinie erstellt.

9 Ist ein Gebiet aufgrund des in Artikel 4 Absatz 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 4 Absatz 4 dieses Gebiet so schnell wie möglich - spätestens aber binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.

10 Sobald ein Gebiet in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen ist, unterliegt es gemäß Artikel 4 Absatz 5 den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2, 3 und 4 der Habitat-Richtlinie.

11 Artikel 6 der Habitat-Richtlinie lautet:

"(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

12 Auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Habitat-Richtlinie wurde die Entscheidung 2004/69/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung für die alpine biogeografische Region gemäß der Richtlinie 92/43 (ABl. 2004, L 14, S. 21, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erlassen. Unter den Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, die in die Liste aufgenommen wurden, finden sich folgende Gebiete:

- DE 8239304 Hochries-Laubensteingebiet und Spitzstein;

- DE 8429303 Kienberg mit Magerrasen im Tal der Steinacher Ach.

13 Der Kläger Rasso XX von Cramer-Klett ist Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung mit der Referenznummer DE 8239304. Der Kläger Rechtlerverband Pfronten ist eine privatrechtliche Vereinigung, in der sich Eigentümer von Grundstücken im Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung mit der Referenznummer DE 8429303 zusammengeschlossen haben.

Verfahren

14 Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 8. April 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15 Mit Schriftsatz, der am 2. September 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Finnland (im Folgenden: Streithelferin) beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2004 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diese Streithilfe zugelassen. Die Streithelferin hat einen auf die Zulässigkeit der Klage beschränkten Schriftsatz eingereicht. Weder die Kläger noch die Kommission haben hierzu eine Stellungnahme abgegeben.

16 Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 28. September 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Kläger haben am 17. November 2004 ihre Stellungnahme zu dieser Einrede eingereicht.

Anträge der Beteiligten

17 Die Kommission beantragt in ihrer Einrede der Unzulässigkeit,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18 Die Streithelferin beantragt in ihrem Streithilfeschriftsatz, die Klage als unzulässig abzuweisen.

19 In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragen die Kläger,

- die Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen;

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

20 Will eine Partei vorab eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit herbeiführen, so wird nach Artikel 114 der Verfahrensordnung mündlich über den Antrag verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch die Schriftsätze für ausreichend unterrichtet und beschließt, dass die mündliche Verhandlung nicht eröffnet zu werden braucht.

Vorbringen der Beteiligten

21 Die Kommission macht in erster Linie geltend, dass die Kläger kein Rechtsschutzinteresse hätten.

22 Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung nur um eine Zwischenmaßnahme im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 (IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 10). Die angefochtene Entscheidung sei kein anfechtbarer Rechtsakt, da die Festlegung der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung das Verfahren zur Errichtung des Netzes Natura 2000 nicht abschließe.

23 Die angefochtene Entscheidung wirke sich nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger aus. Allfällige Rechtswirkungen für die Kläger träten erst ein, wenn die nationalen Behörden Maßnahmen zur Umsetzung der Habitat-Richtlinie und der angefochtenen Entscheidung ergriffen.

24 Folglich habe die angefochtene Entscheidung in keiner Weise in die Rechtssphäre der Kläger eingegriffen. Sie seien daher mangels Rechtsschutzinteresses nicht befugt, gegen diese Entscheidung eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 Absatz 4 EG zu erheben.

25 Hilfsweise trägt die Kommission vor, dass die Kläger nicht unmittelbar und individuell betroffen seien.

26 Was die unmittelbare Betroffenheit der Kläger angehe, so träten die Folgen der Auflistung der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, die darin bestünden, dass die Mitgliedstaaten diese Gebiete als besondere Schutzgebiete ausweisen und Erhaltungsmaßnahmen für sie vorsehen müssten, nicht automatisch ein. Wenn auch die Gebietsliste den Gebietsumfang und die zu schützenden Lebensraumtypen und Arten verbindlich festlege, so bleibe den Mitgliedstaaten doch ein Ermessensspielraum hinsichtlich der in Artikel 6 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie näher beschriebenen Erhaltungsmaßnahmen. Erst diese Maßnahmen seien es, die sich auf die Rechtsstellung der Kläger auswirkten. Eine unmittelbare Betroffenheit der Kläger durch die angefochtene Entscheidung sei insofern nicht denkbar.

27 Auch aus Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie, wonach ein Gebiet den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 unterliege, sobald es in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen sei, ergebe sich keine unmittelbare Betroffenheit der Kläger. Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie normiere die Pflicht, Verschlechterungen und Störungen des Gebietes zu vermeiden. Artikel 6 Absätze 3 und 4 sehe ein Genehmigungsverfahren für Pläne und Projekte vor, die sich auf das Gebiet auswirken könnten. In beiden Fällen handele es sich um Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und nicht des Einzelnen.

28 Da sich die angefochtene Entscheidung daher nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger auswirke, seien diese von ihr nicht unmittelbar betroffen und somit nicht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage befugt.

29 Zur individuellen Betroffenheit führt die Kommission aus, die angefochtene Entscheidung lege weder die Rechte noch die Pflichten der Grundeigentümer, sondern lediglich eine Liste von Gebieten fest, für die in der Folge weitere Vorschriften zum Tragen kämen, die ihrerseits auch nicht an das Grundeigentum anknüpften. Ziel dieser Vorschriften sei der Schutz der Gebiete vor einer Verschlechterung des Erhaltungszustands, gleichgültig, durch wessen Verhalten eine solche Verschlechterung eintreten könnte

30 Da die angefochtene Entscheidung den Grundeigentümern keine Pflichten auferlege, könnten die Kläger nicht behaupten, dass sie deren spezifische Rechte berühre oder einen außergewöhnlichen Schaden verursacht habe, durch den sie gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern individualisiert werden könnten. Selbst wenn man unterstelle, dass die angefochtene Entscheidung den Klägern Pflichten auferlegen könnte, wäre dies die Folge eines objektiv umschriebenen Tatbestands, nämlich der geografischen Lage der im Anhang genannten Gebiete.

31 Die Kläger würden auch nicht dadurch individualisiert, dass spezifische Bestimmungen die Kommission verpflichteten, den Auswirkungen einer von ihr beabsichtigten Maßnahme auf die Lage der Kläger Rechnung zu tragen. In dem Verfahren, das zur Annahme der angefochtenen Entscheidung geführt habe, kämen ausschließlich wissenschaftliche Kriterien des Naturschutzes zur Anwendung. Im Übrigen sei die Kommission auch nach keiner gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung verpflichtet gewesen, für den Erlass der angefochtenen Entscheidung ein Verfahren anzuwenden, in dem die Kläger berechtigt gewesen wären, etwaige Ansprüche, u. a. den auf rechtliches Gehör, geltend zu machen.

32 Die Kläger seien daher nicht individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen. Nach alledem sei die Klage als unzulässig abzuweisen.

33 Die Streithelferin schließt sich den Ausführungen der Kommission an und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Klage unzulässig sei.

34 Zur unmittelbaren Betroffenheit der Kläger ergänzt sie, dass die angefochtene Entscheidung es den Mitgliedstaaten eindeutig überlasse, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen oder nicht zu ergreifen; die Wirkungen der angefochtenen Entscheidung hingen davon ab, wie die nationalen Behörden ihr Ermessen ausübten.

35 Zur individuellen Betroffenheit der Kläger führt sie aus, die streitige Entscheidung hindere die Kläger nicht an der Nutzung ihrer Ausschließlichkeitsrechte und nehme ihnen auch keines ihrer Rechte. Die Entscheidung regle nicht die Rechte und Pflichten der Kläger, sondern lege nur die Liste der geografisch definierten Gebiete fest. Die möglichen Nachteile, die in der Klageschrift geltend gemacht würden, seien nur mittelbare Folgen der angefochtenen Entscheidung.

36 Zudem betreffe die angefochtene Entscheidung die Kläger nicht als Inhaber von Ausschließlichkeitsrechten. Wenn sie die Kläger berühre, dann nur als Grundeigentümer, und zwar in der gleichen Weise, wie sie alle Eigentümer der im Anhang der Entscheidung aufgeführten Grundstücke berühre.

37 Auch wenn durch die angefochtene Entscheidung die Eigentümer der in ihrem Anhang I aufgeführten Grundstücke möglicherweise bestimmt werden könnten, bedeute dies nicht, dass die Kläger als individuell betroffen anzusehen seien, da die Entscheidung aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands tatsächlicher Art, d. h. der Naturwerte der Grundstücke, anwendbar sei (vgl. Beschluss des Gerichts vom 6. September 2004 in der Rechtssache T-213/02, SNF/Kommission, Slg. 2004, II-3047, Randnr. 59 und die zitierte Rechtsprechung).

38 Die Kläger vertreten die Auffassung, dass sie unmittelbar und individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen seien.

39 In Bezug auf die unmittelbare Betroffenheit verweisen sie auf Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie, der vorsehe, dass als Folge der angefochtenen Entscheidung die von dieser Entscheidung erfassten Gebiete dem Verschlechterungsgebot gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie und dem Genehmigungsverfahren für Pläne und Projekte im Sinne von Artikel 6 Absätze 3 und 4 unterlägen. Auch wenn diese Verpflichtungen an die Mitgliedstaaten gerichtet seien, seien die Kläger doch unmittelbar von ihnen betroffen, da Artikel 6 unmittelbare Handlungspflichten gegenüber ihnen auslöse. Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie lasse den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum.

40 Zur individuellen Betroffenheit tragen die Kläger vor, es sei ohne Frage zutreffend, dass die von ihnen erlittenen rechtlichen Nachteile nicht wesentlich anders lägen als bei anderen Grundeigentümern in den von der angefochtenen Entscheidung erfassten Gebieten. Als Vergleichsgruppe seien jedoch sämtliche Grundeigentümer in der Gemeinschaft heranzuziehen.

41 Außerdem sei Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie mit Einschränkungen in der Nutzung des Grundeigentums der Kläger verbunden. Die geografische Lage der Grundstücke sei Anknüpfungspunkt für die angefochtene Entscheidung, weil das Regelungssystem der Richtlinie allein hieran anknüpfe. Gegen diese Richtlinie stehe den Klägern mangels unmittelbarer und individueller Betroffenheit ohne Frage keine Klagemöglichkeit offen.

42 Folglich wäre das Gebot effektiven Rechtsschutzes ausgehöhlt, wenn die Eigentümer nicht als von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen angesehen würden, weil sie nur aufgrund der geografischen Lage ihrer Grundstücke erfasst würden.

Würdigung durch das Gericht

43 Gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG kann "[j]ede natürliche oder juristische Person ... gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen".

44 Da die angefochtene Entscheidung unstreitig nicht an die Kläger ergangen ist, ist zu prüfen, ob sie diese unmittelbar und individuell betrifft.

45 Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit eines Einzelnen verlangt hier, dass sich die angefochtene Maßnahme auf die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere Vorschriften angewandt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P, Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309, Randnr. 43 und die zitierte Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2000 in den Rechtssachen T-172/98, T-175/98 bis T-177/98, Salamander u. a./Parlament und Rat, Slg. 2000, II-2487, Randnr. 52)

46 Richtet demnach ein Organ einen Gemeinschaftsrechtsakt an einen Mitgliedstaat und hat die von dem Mitgliedstaat zur Umsetzung dieses Rechtsakts vorzunehmende Handlung automatischen Charakter oder stehen auf die eine oder andere Weise die Folgen dieses Rechtsakts eindeutig fest, so berührt der Rechtsakt jede Person unmittelbar, die von dieser Handlung betroffen ist. Räumt der Rechtsakt hingegen dem Mitgliedstaat die Möglichkeit ein, zu handeln oder nicht zu handeln, oder zwingt er ihn nicht, in einem festgelegten Sinn zu handeln, so ist es das Handeln oder Nichthandeln des Mitgliedstaats, das diese Person unmittelbar betrifft, und nicht der Rechtsakt selbst (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 10. September 2002 in der Rechtssache T-223/01, Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, Slg. 2002, II-3259, Randnr. 46).

47 Nach Ansicht des Gerichts wirkt sich die angefochtene Entscheidung, mit der Teile des deutschen Hoheitsgebiets, in denen die Kläger Grundstücke besitzen, als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesen werden, nicht selbst auf die Rechtsstellung der Kläger aus. Die angefochtene Entscheidung enthält keine Bestimmung über die Regelung zum Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, wie etwa Erhaltungsmaßnahmen oder Genehmigungsverfahren. Sie berührt somit weder die Rechte und Pflichten der Grundeigentümer noch die Ausübung dieser Rechte. Entgegen der Auffassung der Kläger verpflichtet die Aufnahme der betreffenden Gebiete in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung Wirtschaftsteilnehmer oder Private in keiner Weise.

48 Artikel 4 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie sieht vor, dass nach Bezeichnung eines Gebietes als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die Kommission der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet spätestens binnen sechs Jahren als "besonderes Schutzgebiet" ausweist. Hierzu heißt es in Artikel 6 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen für die besonderen Schutzgebiete festlegen, um den ökologischen Erfordernissen des natürlichen Lebensraumtyps und der Arten, die in diesen Gebieten vorkommen, zu entsprechen.

49 Außerdem unterliegt ein Gebiet, sobald es in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen ist, gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4.

50 Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

51 Gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie erfordern Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. Ist ein solches Projekt wegen überwiegenden öffentlichen Interesses durchzuführen, so hat der Mitgliedstaat gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, um die globale Kohärenz von Natura 2000 sicherzustellen.

52 Angesichts der genannten Pflichten, denen die Mitgliedstaaten nachzukommen haben, nachdem die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in der angefochtenen Entscheidung ausgewiesen worden sind, ist festzustellen, dass keine dieser Pflichten unmittelbar die Kläger trifft. Denn alle diese Pflichten erfordern eine Handlung des betreffenden Mitgliedstaats, mit der er klarstellt, wie er der jeweiligen Pflicht nachzukommen gedenkt, ob es sich nun um die nötigen Erhaltungsmaßnahmen handelt (Artikel 6 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie), um die geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung der Verschlechterung des Gebietes (Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie) oder um die erforderliche Zustimmung der zuständigen einzelstaatlichen Behörden zu einem Projekt, das ein Gebiet erheblich beeinträchtigen kann (Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitat-Richtlinie).

53 Der Habitat-Richtlinie, auf deren Grundlage die angefochtene Entscheidung ergangen ist, ist somit zu entnehmen, dass sie den Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden Zieles bindet, den einzelstaatlichen Behörden aber die Zuständigkeit belässt, was die zu treffenden Erhaltungsmaßnahmen und die einzuhaltenden Genehmigungsverfahren angeht. Dass die Mitgliedstaaten das ihnen eingeräumte Ermessen in Übereinstimmung mit den Zielen der Habitat-Richtlinie ausüben müssen, ändert hieran nichts.

54 Nach alledem sind die Kläger nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG unmittelbar von der angefochtenen Entscheidung betroffen, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist, ohne dass auf die Frage eingegangen zu werden braucht, ob die Kläger individuell von dieser Entscheidung betroffen sind.

55 Auch wenn die Kläger nicht befugt sind, eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu erheben, so können sie gleichwohl die sie berührenden Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 6 der Habitat-Richtlinie anfechten; in diesem Zusammenhang bleibt ihnen die Möglichkeit, deren Rechtswidrigkeit vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die unter Beachtung des Artikels 234 EG entscheiden (Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-70/97 P, Kruidvat/Kommission, Slg. 1998, I-7183, Randnrn. 48 und 49, und Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2000 in der Rechtssache T-45/00, Conseil national des professions de l'automobile u. a./Kommission, Slg. 2000, II-2927, Randnr. 26).

Kostenentscheidung:

Kosten

56 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

57 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher ist die Republik Finnland zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

3. Die Republik Finnland trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 22. Juni 2006

Ende der Entscheidung

Zurück