Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.02.2002
Aktenzeichen: T-170/00
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 92/12/EWG
Vorschriften:
EG Art. 288 Abs. 2 | |
Richtlinie 92/12/EWG Art. 28 |
1. Die Umsetzung von Artikel 8a EWG-Vertrag (eingefügt durch die Einheitliche Europäische Akte, später zu Artikel 7a EG-Vertrag und nach Änderung zu Artikel 14 EG geworden), nach dem der Binnenmarkt... einen Raum ohne Binnengrenzen" umfasst, durch Rechtsetzungsakte ist offenkundig eine wirtschaftspolitische Entscheidung und fällt in den weiten Entscheidungsspielraum der Gemeinschaftsorgane, so dass die Gemeinschaft insoweit nur bei einer qualifizierten, d. h. offenkundigen und erheblichen Verletzung einer höherrangigen, den Einzelnen schützenden Rechtsnorm außervertraglich haftet.
Diese Haftung kann nicht dadurch als Haftung für rechtswidriges Handeln, durch das einem Unternehmen, das einen innergemeinschaftlichen Fährverkehr mit Bordverkauf von steuerfreien" Waren betreibt, ein Schaden entstanden ist, ausgelöst werden, dass der Rat die Regelung zur Steuerbefreiung von im Rahmen des Luft- oder des Seereiseverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten abgegebenen Waren nach Artikel 28 der Richtlinie 92/12 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren abgeschafft und die Kommission ihm keine Vorschläge zur Beibehaltung einer solchen Regelung vorgelegt hat. Die Abschaffung der fraglichen Steuerbefreiung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz eines Raumes ohne Binnengrenzen kann nämlich nicht als Fehlverhalten, schon gar nicht als erhebliches und offenkundiges Fehlverhalten angesehen werden, da innerhalb des durch die Einheitliche Europäische Akte geschaffenen Raumes ohne Steuerbinnengrenzen, in dem alle Waren verbrauchsteuerpflichtig sind, der Gemeinschaftsgesetzgeber durch keine höherrangige Rechtsnorm verpflichtet ist, an die bloße Überschreitung einer nationalen Grenze mit einem Schiff eine Steuerbefreiung für die während der Überfahrt gekauften Waren zu knüpfen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit dieses Raumes ermächtigt den Gesetzgeber vielmehr, diese Beförderung steuerlich ebenso zu behandeln wie z. B. eine Beförderung innerhalb eines einzigen Staates, bei der es auch weder Binnengrenzen noch Steuerbefreiungen allein aufgrund der Beförderung gibt, oder wie eine innergemeinschaftliche Beförderung mit Bus oder Zug, für die ebenfalls keine Steuerbefreiung gilt.
( vgl. Randnrn. 46-50, 53 )
2. Eine Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln setzte, sofern der Grundsatz einer solchen Haftung im Gemeinschaftsrecht anzuerkennen sein sollte, zumindest einen außergewöhnlichen" und besonderen" Schaden entsprechend der Definition voraus, dass ein besonderer Schaden eine besondere Gruppe von Wirtschaftsbeteiligten gegenüber den anderen Wirtschaftsbeteiligten unverhältnismäßig belastet und ein außergewöhnlicher Schaden die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken überschreitet, die der Tätigkeit in dem betroffenen Sektor innewohnen, ohne dass die dem geltend gemachten Schaden zugrunde liegende Maßnahme durch ein allgemeines wirtschaftliches Interesse gerechtfertigt wäre.
Was den Umstand anbelangt, dass der Rat die Regelung zur Steuerbefreiung von im Rahmen des Luft- oder des Seereiseverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten abgegebenen Waren nach Artikel 28 der Richtlinie 92/12 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren abgeschafft und die Kommission ihm keine Vorschläge zur Beibehaltung einer solchen Regelung vorgelegt hat, so sind diese beiden Voraussetzungen im Hinblick auf ein Unternehmen, das nach der Abschaffung der fraglichen Steuerbefreiung seine Geschäftstätigkeit eines innergemeinschaftlichen Fährbetriebs mit Bordverkauf steuerfreier" Waren eingestellt hat, offenkundig nicht erfuellt, da das Unternehmen zum einen wie alle anderen Wirtschaftsbeteiligten in der Gemeinschaft, die die gleiche Tätigkeit ausüben, von der Richtlinie nur in seiner objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsbeteiligter betroffen ist, der nach dem Auslaufen der Übergangsregelung des Artikels 28 eine Geschäftstätigkeit ausüben konnte, für die die Richtlinie galt, und da zum anderen die mit der Tätigkeit verbundenen wirtschaftlichen und kaufmännischen Risiken nicht überschritten wurden, weil die auf einer Steuerbefreiung basierende Tätigkeit zwangsläufig dem Risiko etwaiger Änderungen des gemeinschaftlichen Steuerrechts ausgesetzt war.
( vgl. Randnrn. 56-59 )
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 20. Februar 2002. - Förde-Reederei GmbH gegen Rat der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Außervertragliche Haftung der Gemeinschaft - Richtlinie 92/12/EWG über das allgemeine System verbrauchsteuerpflichtiger Waren - Schaden, der durch das Auslaufen der Übergangsregelung zur Steuerbefreiung von Waren entstanden ist, die von Reisenden im Rahmen des Seeverkehrs zwischen zwei Mitgliedstaaten erworben werden. - Rechtssache T-170/00.
Parteien:
In der Rechtssache T-173/00
KWS Saat AG mit Sitz in Einbeck (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Würtenberger, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. von Mühlendahl, E. Joly, J. Miranda de Sousa und A. Di Carlo als Bevollmächtigte,
Beklagter,
wegen Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 19. April 2000 (Sache R 282/1999-2)
erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
(Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund der am 28. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 10. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,
aufgrund der am 9. Januar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,
aufgrund der am 20. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderung,
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2002,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Die Klägerin reichte am 17. März 1998 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM, im Folgenden: Amt) ein.
2 Bei dem zur Eintragung angemeldeten Zeichen handelt es sich um den Farbton "Orange" entsprechend der Eintragungsnummer HKS7.
3 Die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung des Zeichens beantragt wird, gehören zu den Klassen 7, 11, 31 und 42 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung und entsprechen folgender Beschreibung:
- Klasse 7: "Aufbereitungsanlagen für Saatgut, nämlich zur -reinigung, -beizung, -pillierung, -kalibrierung, -wirkstoffbehandlung, -qualitätsuntersuchung und -siebung";
- Klasse 11: "Aufbereitungsanlagen zum Trocknen von Saatgut";
- Klasse 31: "Land-, garten-, und forstwirtschaftliche Erzeugnisse..., soweit [in Klasse 31] enthalten";
- Klasse 42: "Technische und betriebswirtschaftliche Beratung auf dem Gebiet des Pflanzenbaus, insbesondere der Saatgutbranche".
4 Mit Entscheidung vom 25. März 1999 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Artikel 38 der Verordnung Nr. 40/94 mit der Begründung zurück, die angemeldete Marke habe keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b dieser Verordnung.
5 Am 21. Mai 1999 legte die Klägerin beim Amt gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 gegen die Entscheidung des Prüfers Beschwerde ein.
6 Mit Entscheidung vom 19. April 2000 (nachstehend: angefochtene Entscheidung), die der Klägerin am 28. Juni 2000 mitgeteilt wurde, wies die Kammer die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Ansicht, dass die angemeldete Marke nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sei.
Anträge der Parteien
7 Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- dem Amt die Kosten aufzuerlegen.
8 Das Amt beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
9 In der Verhandlung hat die Klägerin mündlich beantragt, das Verzeichnis der in der Markenanmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen einzuschränken. So solle sich die Anmeldung für die Klassen 7 und 11 auf industrielle Waren und Dienstleistungen und für die Klassen 31 und 42 auf agro-industrielle Waren und Dienstleistungen beschränken. Aufgrund dieser Beschränkung seien die tatsächlich angesprochenen Berufsgruppen klarer erkennbar.
10 Der Beklagte wendet ein, zum einen könne ein solcher Antrag nicht im laufenden Verfahren gestellt werden und zum anderen sei auch unter diesen Umständen die Farbe der bezeichneten Waren für die angesprochenen Branchen nicht unterscheidungskräftig.
11 Hierzu ist festzustellen, dass die Befugnis zur Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nur der Anmelder der Gemeinschaftsmarke hat; er kann gemäß Artikel 44 der Verordnung Nr. 40/94 und Regel 13 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) jederzeit einen entsprechenden Antrag an das Amt richten.
12 Nach diesen Bestimmungen kann das Verzeichnis der in einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen nur unter besonderen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Da der Antrag, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, diese Voraussetzungen nicht erfuellt, kann er nicht als Änderungsantrag im Sinne der genannten Vorschriften angesehen werden. Schließlich ist den Akten nicht zu entnehmen, dass die Klägerin im Laufe des Verfahrens vor der Beschwerdekammer einen Änderungsantrag gestellt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 31. Januar 2001 in der Rechtssache T-24/00, Sunrider/HABM [VITALITE], Slg. 2001, II-449).
13 Den vorliegenden Antrag zuzulassen hieße außerdem, den Streitgegenstand im laufenden Verfahren zu ändern und damit den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zu verletzen. Gemäß Artikel 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts können die Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern. Aufgabe des Gerichts in markenrechtlichen Streitigkeiten ist es nämlich, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammer zu überprüfen. Eine Einschränkung des Verzeichnisses der angegebenen Waren und Dienstleistungen und damit eine Änderung der maßgeblichen Verkehrskreise in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht würde aber erst recht zwingend den Umfang des Rechtsstreits entgegen der Verfahrensordnung ändern. Im Übrigen schließt dies eine teilweise Klagerücknahme nicht aus, die jedoch im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist.
14 Aufgrund dieser Erwägungen ist der Antrag auf Beschränkung der in der Markenanmeldung der Klägerin bezeichneten Waren und Dienstleistungen als unzulässig zurückzuweisen. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft folglich den Sachverhalt, wie er von der Beschwerdekammer geprüft wurde.
Zum Aufhebungsantrag
15 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe, zum einen einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 und zum anderen eine Verletzung der Artikel 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94.
Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94
Vorbringen der Parteien
16 Die Klägerin macht geltend, die Kunden verstuenden die Farben als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren. Das ergebe sich aus der Werbung des Unternehmens, das das Saatgut einfärben wolle, um es von dem eines Wettbewerbers zu unterscheiden. Jeder Hersteller verwende für sein Saatgut eine für ihn typische Farbe. Bestimmtes Saatgut werde im Übrigen ausschließlich in eingefärbtem Zustand verkauft.
17 Für die Einfärbung von Saatgut würden im Allgemeinen verschiedene Töne von Blau, Gelb oder Rot verwendet, nicht aber Orange, das folglich in Bezug auf die betreffenden Erzeugnisse eine fantasievolle, außergewöhnliche und eigentümliche Farbe sei. Außerdem entspreche die hier angemeldete Orangetönung HKS7 nicht der natürlichen Farbe der streitigen Waren. So sei für die angesprochenen Verkehrskreise sofort ersichtlich, dass diese Waren, wenn sie die Farbe HKS7 hätten, von einem bestimmten Anbieter stammten.
18 Ferner sei das von der Beschwerdekammer angenommene Freihaltebedürfnis für die streitige Farbe zurückzuweisen. Im Gegensatz zu anderen allgemein verwendeten Farben sei Orange in dem relevanten Waren- und Dienstleistungsbereich völlig unüblich. Folglich bestehe für die Wettbewerber kein Bedürfnis, gerade diese Farbe zu verwenden.
19 In Bezug auf die Aufbereitungsanlagen für Saatgut bemerkt die Klägerin, dass nicht Orange, sondern Rot die üblicherweise verwendete Farbe sei und dass sich die betreffenden Aufbereitungsanlagen von landwirtschaftlichen Maschinen im Allgemeinen unterschieden.
20 Zur technischen und betriebswirtschaftlichen Beratung auf dem Gebiet des Pflanzenbaus macht die Klägerin geltend, dass der alleinige und zudem erst in diesem Verfahrensstadium gemachte Hinweis des Amtes auf ein niederländisches Unternehmen, das die Farbe Orange für Dienstleistungen verwende, deren Gegenstand darin bestehe, dem landwirtschaftlichen Sektor Mittel zur Werbung und Verbreitung von Informationen zur Verfügung zu stellen, keinen Bezug zu den von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen aufweise und daher nicht genüge, um die Üblichkeit der Farbe Orange in dem betreffenden Dienstleistungsbereich zu belegen.
21 Das Amt ist der Ansicht, dass eine Farbe, um eine Marke ausmachen zu können, als solche geeignet sein müsse, die betreffenden Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden, ohne dass es zuvor einer zusätzlichen Information bedürfe, aufgrund deren die angesprochenen Verkehrskreise sie als Marke erkennen könnten. Die Farbe als solche müsse es ohne zusätzliche Elemente ermöglichen, die betriebliche Herkunft der mit ihr verbundenen Waren und Dienstleistungen zu identifizieren, ohne dass dem Verbraucher weitere Informationen übermittelt würden.
22 Zum Saatgut führt das Amt aus, einige der betreffenden Erzeugnisse seien von Natur aus orangefarben. Der Verbraucher bringe daher die Farbe mit den Erzeugnissen selbst und nicht mit ihrer Herkunft in Zusammenhang. Die Farbe habe die Funktion, dem Verbraucher besondere Eigenschaften, wie z. B. eine Behandlung des Erzeugnisses oder eine Voraussetzung für seine Benutzung, zu signalisieren, und nicht, ihn auf dessen betriebliche Herkunft hinzuweisen. Folglich könne selbst dann, wenn die Farbe auf eine solche Herkunft hinweisen solle, nur eine ständige und zielgerichtete Praxis dazu führen, dass der Verbraucher eine Farbe und einen Hersteller gedanklich miteinander in Verbindung bringe.
23 Zu den landwirtschaftlichen Maschinen bemerkt das Amt, die Farbe Orange sei in allen Schattierungen weit verbreitet. Zudem sei Orange die natürliche Farbe der Bleimennige, eines für diese Maschinen verwendeten Korrosionsschutzmittels. Folglich werde die Farbe HKS7 nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Geräte aufgefasst, sondern als dekoratives oder funktionales Element. Zudem gehörten Aufbereitungsanlagen für Saatgut angesichts ihrer Eigenschaften und ihrer Bestimmung zur allgemeinen Kategorie der landwirtschaftlichen Maschinen, für die die Verwendung verschiedener Rot- und Orangeschattierungen geläufig sei.
24 Zu den Dienstleistungen stellt das Amt fest, dass Farben in allen Wirtschaftsbereichen zu dekorativen Zwecken eingesetzt und daher vom Verbraucher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren aufgefasst würden, sondern lediglich als dekoratives Mittel einer kommerziellen Aufmachung. Im vorliegenden Fall gebe es keine Hinweise, die es dem Verbraucher erlaubten, die streitige Farbe mit der betrieblichen Herkunft der Dienstleistungen in Verbindung zu bringen. Im Übrigen verwende mindestens ein Wettbewerber der Klägerin die Farbe Orange, so dass sie nicht als völlig außergewöhnlich für diese Dienstleistungen angesehen werden könne.
Würdigung durch das Gericht
25 Zunächst ist festzustellen, dass Farben oder Farbkombinationen als solche Gemeinschaftsmarken sein können, soweit sie geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden.
26 Daraus, dass eine Kategorie von Zeichen allgemein geeignet ist, eine Marke auszumachen, folgt jedoch nicht, dass die zu dieser Kategorie gehörenden Zeichen im Hinblick auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung notwendig Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 besitzen.
27 Die von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 erfassten, nicht unterscheidungskräftigen Zeichen sind ungeeignet, die wesentliche Funktion der Marke zu erfuellen, nämlich auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, damit der Verbraucher, der die durch die Marke bezeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt oder in Anspruch nimmt, bei einem späteren Erwerb oder einer späteren Inanspruchnahme seine Entscheidung davon abhängig machen kann, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat.
28 Die Unterscheidungskraft eines Zeichens kann nur in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wurde, sowie unter Berücksichtigung des Verständnisses, das die maßgeblichen Verkehrskreise von ihm haben, beurteilt werden.
29 Sodann unterscheidet Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht zwischen verschiedenartigen Zeichen. Im Fall eines Zeichens, das aus einer Farbe oder einer Kombination von Farben als solchen gebildet wird, ist jedoch die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise nicht notwendig die gleiche wie bei einer Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Aussehen der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Während nämlich Wort- oder Bildmarken von den angesprochenen Verkehrskreisen gewöhnlich unmittelbar als Zeichen wahrgenommen werden, die auf die betriebliche Herkunft der Ware hinweisen, gilt nicht notwendig das Gleiche, wenn das Zeichen mit dem äußeren Erscheinungsbild der Ware übereinstimmt oder wenn das Zeichen lediglich aus einer oder mehreren Farben besteht, die zum Anpreisen von Dienstleistungen verwendet werden.
30 Schließlich können Farben oder Farbkombinationen mehrere Funktionen haben, insbesondere können sie technischen oder dekorativen Zwecken dienen oder auf die betriebliche Herkunft einer Ware oder Dienstleistung hinweisen. Soweit die maßgeblichen Verkehrskreise das Zeichen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung verstehen, wirkt sich die Tatsache, dass das Zeichen mehrere Funktionen gleichzeitig erfuellt, nicht auf seine Unterscheidungskraft aus.
31 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass "die [streitigen] Waren und Dienstleistungen nicht dem Bereich des täglichen Lebens zuzuordnen sind, sondern einem speziellen Bereich mit einem speziellen Kundenkreis". Bei den maßgeblichen Verkehrskreisen handelt es sich um eine besondere Zielgruppe, die über einen höheren Grad an Kenntnissen und Aufmerksamkeit verfügt als die Verbraucher im Allgemeinen. Gleichwohl bestehen die angesprochenen Verkehrskreise weder aus Spezialisten für jede einzelne Ware oder Dienstleistung, wie die Klägerin indirekt behauptet, noch aus nicht spezialisierten, allgemein interessierten Kreisen, wie sie das Amt in der mündlichen Verhandlung definiert hat.
32 Zu den zur Klasse 31 gehörenden land-, garten- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen und insbesondere zu Saatgut als von der Klägerin besonders hervorgehobenem Erzeugnis ist festzustellen, dass angesichts der Beschaffenheit von Saatgut, insbesondere seiner Größe und Form, die das Anbringen einer Wort- oder Bildmarke erschweren können, die maßgeblichen Verkehrskreise, deren Kenntnisstand es ihnen ermöglicht, den angemeldeten Farbton unmittelbar von der natürlichen Farbe dieser Erzeugnisse zu unterscheiden, erkennen können, dass es sich um eine Eigenheit des Erzeugnisses handelt, mit dem seine betriebliche Herkunft bestimmt werden kann. Da das Saatgut dazu bestimmt ist, in die Erde eingebracht und somit der visuellen Wahrnehmung entzogen zu werden, werden die angesprochenen Verkehrskreise außerdem nicht zu der Annahme verleitet, dass der Farbton eine dekorative oder ästhetische Funktion erfuelle; sie werden vielmehr davon ausgehen, dass er zur Unterscheidung der solcherart eingefärbten Erzeugnisse von den Erzeugnissen anderer betrieblicher Herkunft verwendet wurde.
33 Wie die Beschwerdekammer in Randnummer 18 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ist die Verwendung von Farben einschließlich des angemeldeten Orangetons oder ganz ähnlicher Farbtöne für diese Erzeugnisse jedoch nicht selten. Daher ermöglicht es das angemeldete Zeichen den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht, unmittelbar und mit Gewissheit die Erzeugnisse der Klägerin von den in anderen Orangetönen eingefärbten Erzeugnissen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
34 Selbst wenn diese Farbe für bestimmte Kategorien von Saatgut, wie das von Mais oder Rüben, auf das die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, nicht üblich wäre, ist im Übrigen festzustellen, dass andere Farben von manchen Unternehmen auch verwendet werden, um anzuzeigen, dass das Saatgut behandelt wurde.
35 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wie oben in Randnummer 31 ausgeführt wurde, über einen besonderen Kenntnisstand verfügen, der jedenfalls genügt, um zu wissen, dass die Farben des Saatguts u. a. als Hinweis darauf dienen können, dass das Saatgut behandelt wurde. Wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, werden die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Farbe daher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des betreffenden Saatguts auffassen.
36 Diese Folgerung wird nicht durch das Argument der Klägerin entkräftet, die angemeldete Farbe habe für ihre Erzeugnisse keine technische Funktion im Rahmen der Aufbereitung des Saatguts.
37 Angesichts der generellen Verwendung von Farben zu technischen Zwecken in dem betreffenden Sektor können die maßgeblichen Verkehrskreise nämlich nicht auf Anhieb ausschließen, dass die Orangefärbung verwendet wird, um anzuzeigen, dass das Saatgut behandelt wurde oder hierzu verwendet werden kann. Wenn die maßgeblichen Verkehrskreise nicht zuvor darauf hingewiesen wurden, können sie daher nicht folgern, dass der angemeldete Orangeton auf die betriebliche Herkunft des Saatguts hinweist.
38 Außerdem beschränkt sich die Markenanmeldung nicht auf das Saatgut von Zuckerrüben und Mais und muss demnach im Hinblick auf Saatgut im Allgemeinen beurteilt werden, eine Kategorie, die beispielhaft für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse erwähnt wird, auf die sich die Markenanmeldung bezieht, und nicht im Hinblick auf das Saatgut einer besonderen, ausdrücklich bezeichneten Sorte.
39 Was die unter die Klassen 7 und 11 fallenden Aufbereitungsanlagen für Saatgut angeht, so gehören sie zur allgemeinen Kategorie der landwirtschaftlichen Maschinen. Die Klägerin hat keine Anhaltspunkte vorgebracht, die es angesichts der Natur dieser Anlagen, ihrer Bestimmung oder der Art ihrer Vermarktung ermöglichen würden, eine besondere Kategorie von Waren zu bilden, für die die Verwendung bestimmter Farben unüblich wäre. Außerdem sind die maßgeblichen Verkehrskreise auch die Durchschnittsverbraucher, hier die Abnehmer landwirtschaftlicher Maschinen insgesamt, und nicht etwa sehr spezifische Verkehrskreise, die über die Aufmerksamkeit oder über Kenntnisse verfügen, die ihre Wahrnehmung der Farben von landwirtschaftlichen Maschinen beeinflussen können, und die speziell mit Aufbereitungsanlagen besonders vertraut wären.
40 Angesichts dieser Erwägungen hat die Beschwerdekammer in Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass Maschinen mit diesem oder einem ähnlichen Farbton nicht ungewöhnlich seien. Da die Farbe Orange üblich ist, wird sie es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht ermöglichen, unmittelbar und mit Gewissheit die Anlagen der Klägerin von Maschinen zu unterscheiden, die in ähnlichen Orangetönen gehalten sind und von anderen Herstellern stammen. Deshalb werden die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Farbe eher als ein bloßes Gestaltungsmerkmal der fraglichen Waren auffassen.
41 Zu den zur Klasse 42 gehörenden Dienstleistungen hat die Beschwerdekammer, wie aus Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, die Auffassung vertreten, der angemeldete Farbton werde ohne zusätzliche Bild- oder Wortelemente nicht als Herkunftshinweis angesehen werden.
42 Hierzu ist erstens festzustellen, dass, was Dienstleistungen angeht, eine Farbe weder der Dienstleistung selbst anhaftet, die von Natur aus farblos ist, noch ihr einen substanziellen Wert verleiht. Die maßgeblichen Verkehrskreise können daher die Verwendung einer Farbe als bloßes Dekorationselement von ihrer Verwendung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistung unterscheiden. Insbesondere beim Fehlen von Wortelementen können die maßgeblichen Verkehrskreise nämlich auf Anhieb erkennen, ob die in Verbindung mit den Dienstleistungen verwendete Farbe Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung des Unternehmens ist, das die betreffenden Dienstleistungen anbietet.
43 So wird in dem Beispiel, das das Amt angeführt hat, um die Üblichkeit der Farbe Orange für Dienstleistungen im Rahmen des Marketing zu verdeutlichen, die Farbe als Bestandteil eines Logos in Kombination mit anderen Farben und zweitrangig gegenüber einem dominanten Wortzeichen verwendet, nicht aber als solche.
44 Zweitens können sich die maßgeblichen Verkehrskreise die betreffende Farbe, mag sie auch andere, direktere Funktionen erfuellen, leicht und unmittelbar als Kennzeichen der angegebenen Dienstleistungen einprägen. Insoweit hat der geringe Mitteilungswert einer solchen Marke, der sich daraus ergibt, dass sie es mangels zusätzlicher Bildelemente nicht von sich aus ermöglicht, die Klägerin als Erbringerin der betreffenden Dienstleistungen zu identifizieren, keine Auswirkung auf ihre Unterscheidungskraft. Denn das angemeldete Zeichen braucht keine genauen Informationen zur Identität des Erbringers der Dienstleistungen zu übermitteln. Es genügt, dass es den angesprochenen Verkehrskreisen eine Unterscheidung der unter ihm erbrachten Dienstleistung von den Dienstleistungen anderer betrieblicher Herkunft ermöglicht.
45 Da die für besondere Dienstleistungen beanspruchte Farbe einem spezifischen Ton entspricht, bleiben außerdem zahlreiche Farben für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen verfügbar. Die Beschwerdekammer hat daher zu Unrecht festgestellt, dass die Eintragung des Zeichens eine ungerechtfertigte Beschränkung der Freiheit der Wettbewerber darstellen würde, Farben zur Darbietung ihrer Dienstleistung oder zur Kennzeichnung ihres Unternehmens zu verwenden.
46 Daraus folgt, dass das aus dem Orangeton als solchem bestehende Zeichen es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die betreffenden Dienstleistungen von denjenigen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden, wenn sie bei einer späteren Inanspruchnahme ihre Wahl zu treffen haben.
47 Nach alledem ist der auf einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 gestützte Klagegrund begründet, soweit es um die zur Klasse 42 gehörenden Dienstleistungen geht; er ist zurückzuweisen, soweit er die in die Klasse 31 fallenden land-, garten- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie die zu den Klassen 7 und 11 gehörenden Aufbereitungsanlagen betrifft.
Zum Klagegrund der Verletzung der Artikel 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94
Vorbringen der Parteien
48 Die Klägerin führt aus, nach Artikel 73 der Verordnung Nr. 40/94 seien die Entscheidungen des Amtes mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung solle die Verwaltung dazu zwingen, ihre Entscheidung durch sorgfältige Erforschung des Sachverhalts vorzubereiten.
49 Die Klägerin macht geltend, ihr seien die Unterlagen, auf die das Amt sich beim Erlass seiner Entscheidung gestützt habe, vorenthalten worden, was sie daran gehindert habe, die Bedeutung der von diesem unternommenen Nachforschungen zu überprüfen, die dabei angestellten Überlegungen und ihre Stichhaltigkeit nachzuvollziehen und gegebenenfalls gegen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen vorzugehen. Ihr seien daher das rechtliche Gehör und das Recht verwehrt worden, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihres Antrags einzuschränken.
50 Ferner sei jede Entscheidung nach Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 auf konkrete Tatsachen zu stützen. Im vorliegenden Fall lasse der Umstand, dass es Entscheidungen gebe, die der angefochtenen Entscheidung entsprächen, das Erfordernis einer Begründung nicht entfallen.
51 Das Amt führt aus, es sei zwischen der Begründungspflicht und einer Darlegungspflicht zu unterscheiden, die zum Ziel habe, das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Gründe unwiderlegbar vorzutragen, auf die sich die Begründung stütze.
52 Artikel 73 der Verordnung sei im Licht der Gemeinschaftsrechtsprechung auszulegen, die den Grad der erforderlichen Begründung von der Natur des in Frage stehenden Rechtsakts und dem Zusammenhang abhängig mache, in dem er erlassen worden sei.
53 Indem das Gericht der Klägerin ausnahmsweise die Möglichkeit der Erwiderung eingeräumt habe, habe es ihr die Gelegenheit geben wollen, sich zur Erheblichkeit der Darlegungen des Amtes und der zu ihrer Stützung eingereichten Beweise zu äußern.
Würdigung durch das Gericht
54 Zuerst ist festzustellen, dass die Pflicht zur Begründung der Entscheidungen des Amtes in Artikel 73 Satz 1 der Verordnung Nr. 40/94 verankert ist.
55 Diese Begründung muss im Fall der Zurückweisung einer Anmeldung die Gründe dafür erkennen lassen und die sachgerechte Anfechtung der streitigen Entscheidung ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 31. Januar 2001 in der Rechtssache T-135/99, Taurus-Film/HABM [Cine Action], Slg. 2001, II-379, Randnr. 35, und in der Rechtssache T-136/99, Taurus-Film/HABM [Cine Comedy], Slg. 2001, II-397, Randnr. 35).
56 Im vorliegenden Fall nennt die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die einzelnen Kriterien, anhand deren sie feststellt, ob eine Farbe unterscheidungskräftig ist, nämlich insbesondere die Üblichkeit dieser Farbe sowie deren Verwendung in Bezug auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zwar knapp, doch konnte ihr die Klägerin für jede der bezeichneten Waren und Dienstleistungen die Gründe für die Zurückweisung ihrer Anmeldung entnehmen. Außerdem hat sich die Beschwerdekammer unter Bezugnahme auf die herangezogenen Tatsachen ausführlicher mit der schwierigen Frage im Zusammenhang mit der Einfärbung von Saatgut auseinander gesetzt. Daher verfügte die Klägerin über die erforderlichen Angaben, um die angefochtene Entscheidung nachzuvollziehen und deren Rechtmäßigkeit vor dem Gemeinschaftsgericht in Frage zu stellen.
57 Zweitens dürfen die Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 73 der Verordnung Nr. 40/94 nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
58 Soweit die Klägerin vorträgt, ihr seien die Unterlagen, auf die das Amt sich beim Erlass der angefochtenen Entscheidung gestützt habe, vorenthalten worden und sie habe sich nicht zu ihnen äußern können, ist festzustellen, dass sie diese Unterlagen nicht zwingend benötigte, um die betreffende Entscheidung nachzuvollziehen und gegebenenfalls ihr Recht zur Einschränkung des Verzeichnisses der bezeichneten Waren und Dienstleistungen auszuüben. In der Begründung ihrer Beschwerde an die Beschwerdekammer zeigt sich nämlich, dass die Klägerin im Wesentlichen die Argumente und Tatsachen kannte, die die Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung oder Bestätigung der Entscheidung des Prüfers untersuchen würde, und dass die Klägerin somit Gelegenheit hatte, sich zu ihnen zu äußern.
59 Folglich hat die Beschwerdekammer dadurch, dass sie der Klägerin Unterlagen nicht übermittelt hat, die sie ausschließlich verwendet hat, um die angefochtene Entscheidung vorzubereiten und auf der Klägerin bereits bekannte Gründe und Erwägungen zu stützen, Artikel 73 der Verordnung Nr. 40/94 nicht verletzt.
60 Was ferner die Pflicht des Amtes aus Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 angeht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, hat die Beschwerdekammer durchaus eine Reihe einschlägiger Tatsachen geprüft und zugrunde gelegt, um die Unterscheidungskraft des Zeichens hinsichtlich der einzelnen Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, auf die sich die Markenanmeldung bezog. Vor der angefochtenen Entscheidung vom Amt getroffene entsprechende Entscheidungen oder im Internet gefundene Beispiele stellen insoweit weder einen Ersatz für die in der angefochtenen Entscheidung entwickelte Argumentation noch neue Tatsachen dar, die nicht von Amts wegen geprüft worden wären, sondern zusätzliche Umstände, die das Amt in seinen Schriftsätzen angeführt hat, um die Prüfung zu ermöglichen, ob die angefochtene Entscheidung zu Recht ergangen ist.
61 Nach alledem ist der auf die Verletzung der Artikel 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94 gestützte Klagegrund zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
62 Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall der Klage nur in Bezug auf die Kategorie der Dienstleistungen stattgegeben wird, sind der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten des Beklagten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 19. April 2000 (Sache R 282/1999-2) wird aufgehoben, soweit sie die zur Klasse 42 gehörenden Dienstleistungen betrifft.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten des Beklagten. Der Beklagte trägt ein Drittel seiner Kosten.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.