Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: T-270/99
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 173 Abs. 4
EGV Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Kläger, die lediglich geltend machen, dass sie in einer landwirtschaftlichen Region eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Berufsausbildung ausüben und so zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung dieser Region beitragen, können nicht behaupten, dass sie individuell von einem an einen Mitgliedstaat gerichteten Beschluss des Rates betroffen sind, mit dem festgestellt wird, dass Beihilfen, die darin bestehen, dass dieser Staat gegenüber einer Bank im betreffenden Staat Schulden bestimmter landwirtschaftlicher Kooperativen und sonstiger landwirtschaftlicher Unternehmen übernimmt, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, wenn sie aufgrund ihrer Tätigkeit bei dieser Bank einen Kredit aufgenommen haben, der nicht zurückgezahlt werden konnte. Diese Umstände reichen für sich allein nicht aus, die Kläger von anderen zahlungsunfähigen Schuldnern dieser Bank zu unterscheiden, die eine wirtschaftliche Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Gebiet dieses Staates ausüben und nicht auf der Liste der für die fraglichen Beihilfen in Betracht kommenden Begünstigten stehen.

( vgl. Randnrn. 27-28 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 11. September 2001. - Polyxeni Tessa und Andreas Tessas gegen Rat der Europäischen Union. - Nichtigkeitsklage - Natürliche oder juristische Personen - Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen - Entscheidung des Rates gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 3 EG) - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-270/99.

Parteien:

In der Rechtssache T-270/99

Polyxeni Tessa und Andreas Tessas, wohnhaft in Larissa (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Tessas, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Carbery und D. Zachariou als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Hellenische Republik, vertreten durch I. Chalkias und P. Mylonopoulos als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates vom 15. Dezember 1998 bezüglich der Übernahme von Verbindlichkeiten bestimmter Landwirtschaftsgenossenschaften und anderer landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber der Landwirtschaftsbank von Griechenland durch die Hellenische Republik

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin V. Tiili und der Richter R. M. Moura Ramos und J. D. Cooke,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Herr Tessas ist Rechtsanwalt und seine Ehefrau Inhaberin einer Genehmigung für den Betrieb eines privaten Berufsbildungsinstituts in der Gemeinde Nikaia (Griechenland).

2 1994 schlossen sie mit der Landwirtschaftsbank von Griechenland (im Folgenden: LBG) einen mittelfristigen Darlehensvertrag zur Finanzierung der Ausstattung des genannten Instituts.

3 Da das Berufsbildungsinstitut mangels bestimmter verwaltungsrechtlicher Genehmigungen seine Arbeit nicht aufnehmen konnte, waren die Kläger nicht in der Lage, ihre Verpflichtungen gegenüber der LBG zu erfuellen.

4 Am 27. November 1997 verabschiedete das griechische Parlament das Gesetz Nr. 2538/97. Dieses Gesetz, das vor allem pflanzensanitäre und tierärztliche Produkte betrifft, enthält außerdem zahlreiche Bestimmungen zur Unterstützung der Landwirtschaft und der Fischerei in Griechenland. Diese Bestimmungen sehen insbesondere vor, dass die gegenüber der LBG eingegangenen Verbindlichkeiten einer großen Zahl von Genossenschaften und anderen landwirtschaftlichen Unternehmen sowie von im Rahmen von landwirtschaftlichen Infrastrukturmaßnahmen tätigen Wirtschaftsteilnehmern, die in 26 Listen im Anhang des Gesetzes Nr. 2538/97 namentlich angeführt sind, durch den griechischen Staat beglichen und abgeändert werden.

5 Mit im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Dezember 1998 (ABl. C 376, S. 2) veröffentlichtem Schreiben teilte die Kommission der griechischen Regierung mit, dass sie beschlossen habe, bezüglich der im Gesetz Nr. 2538/97 vorgesehenen Beihilfen ein förmliches Prüfungsverfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG) einzuleiten.

6 Mit Schreiben vom 5. Oktober 1998 stellte die Hellenische Republik beim Rat gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 3 EG-Vertrag einen Antrag auf Entscheidung, dass die im Gesetz Nr. 2538/97 vorgesehenen Beihilfen in Abweichung von Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten.

7 Der Rat gab mit einer an die Hellenische Republik gerichteten Entscheidung vom 15. Dezember 1998 diesem Antrag statt. Artikel 1 des verfügenden Teils dieser Entscheidung lautet:

Als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gelten die in den Artikeln 14 bis 19 und 21 des griechischen Gesetzes Nr. 2538/1997 vorgesehenen Beihilfen bis zu einem auf 158 762 000 000 Drachmen geschätzten Hoechstbetrag, wovon 10 435 000 000 Drachmen für die Regelung derjenigen Verbindlichkeiten der Landwirtschaftsgenossenschaften, die aufgrund von Schadensfällen oder unvorhersehbaren Ereignissen im landwirtschaftlichen Bereich entstanden sind, 115 448 000 000 Drachmen der Regelung von Verbindlichkeiten der Landwirtschaftsgenossenschaften und 32 879 000 000 Drachmen der Regelung von Verbindlichkeiten bestimmter Landwirtschaftsgenossenschaften und anderer Marktbeteiligter vorbehalten sind, die im Rahmen landwirtschaftlicher Infrastrukturmaßnahmen zur Sanierung der Produktionseinheiten und der Ausbesserung der Schäden tätig werden, deren Fortbestand ein zunehmendes Hindernis für die Anwendung des Programms zur Entwicklung und Anpassung der Landwirtschaft an die neuen europäischen und weltweiten Gegebenheiten darstellen könnte."

8 Die Kläger stellten mit Schreiben vom 24. Juni und 13. Oktober 1999 beim griechischen Landwirtschaftsminister und bei der LBG Anträge, um einige Informationen und Dokumente bezüglich der durch das Gesetz Nr. 2538/97 vorgesehenen Beihilfen zu erhalten.

9 Mit am 15. Juni 1999 beim Generalsekretariat des Rates in das Register eingetragenem Schreiben beantragten die Kläger Zugang zu bestimmten Dokumenten, insbesondere zum Text der Entscheidung des Rates vom 15. Dezember 1998 und zum Schriftwechsel zwischen dem Rat und den griechischen Behörden.

10 Das Generalsekretariat des Rates gab diesem Antrag mit Schreiben vom 12. Juli 1999 statt.

11 Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 3. November 1999 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, die vorliegende Klage erhoben.

12 Der Rat hat mit besonderem Schriftsatz, der am 27. Januar 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Kläger haben ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 10. März 2000 eingereicht.

13 Mit Antragsschrift, die am 20. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Hellenische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 12. Mai 2000 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts dem Antrag stattgegeben.

Anträge der Parteien

14 In ihrer Klageschrift beantragen die Kläger,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15 In seiner Einrede der Unzulässigkeit beantragt der Beklagte,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragen die Kläger,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 In ihrem Streithilfeschriftsatz beantragt die Hellenische Republik, die Klage als unzulässig abzuweisen.

Zur Zulässigkeit

18 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung wird das Verfahren über die Einrede der Unzulässigkeit mündlich fortgesetzt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Da das Gericht im vorliegenden Fall die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend hielt, hat es keinen Anlass gesehen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

19 Der Beklagte beruft sich auf drei Unzulässigkeitsgründe. Erstens genüge die Klage nicht den Anforderungen des Artikels 17 Unterabsatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 dieser Satzung auf Verfahren vor dem Gericht anwendbar sei. Zweitens sei sie verspätet, da sie nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des Artikels 173 Absatz 5 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 5 EG) eingereicht worden sei. Drittens seien die Kläger weder unmittelbar noch individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen.

20 Zunächst ist der dritte Unzulässigkeitsgrund zu prüfen

Vorbringen der Parteien

21 Nach Ansicht des Beklagten, der von der griechischen Regierung unterstützt wird, sind die Kläger nicht unmittelbar und individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen. In der Klage weise nichts darauf hin, dass sich Herr Tessas, Rechtsanwalt, und seine Ehefrau, Inhaberin einer Genehmigung für den Betrieb eines privatwirtschaftlichen Berufsbildungsinstituts, mit der Landwirtschaft befassten oder Mitglied einer Landwirtschaftsgenossenschaft seien. Die Entscheidung des Rates, die bestimmten Landwirtschaftsgenossenschaften und anderen landwirtschaftlichen Betrieben durch die Hellenische Republik gewährten Beihilfen als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu betrachten, betreffe die Kläger genauso wie alle anderen griechischen Staatsangehörigen nur in ihrer Eigenschaft als griechische Staatsangehörige.

22 Außerdem könnten die Kläger selbst dann nicht als von der angefochtenen Entscheidung individuell und unmittelbar betroffen angesehen werden, wenn sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit einigen angeblich durch die streitigen Beihilfen begünstigten Wirtschaftsteilnehmern ausübten. Nach Ansicht der griechischen Regierung entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Tatsache allein, dass eine Maßnahme geeignet sei, die auf dem betroffenen Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, nicht genüge, um jeden Marktbeteiligen, der in irgendeiner Wettbewerbsbeziehung zum Adressaten der Maßnahme stehe, als von dieser unmittelbar und individuell betroffen anzusehen (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 10/68 und 18/68, Eridania u. a./Kommission, Slg. 1969, 459, Randnr. 7).

23 Die Kläger tragen vor, die angefochtene Entscheidung sei eine individuelle und keine generelle Maßnahme. Sie führen dazu aus, dass die Empfänger der Beihilfen, die die angefochtene Entscheidung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erkläre, nicht generell und abstrakt definiert seien und es sich nicht bei allen um Landwirte oder um Landwirtschaftsgenossenschaften handele. Im Gegenteil seien die 180 Beihilfeberechtigten, die in 26 dem Gesetz Nr. 2538/97 beigefügten Listen namentlich genannt seien, von der griechischen Regierung nach rein politischen Kriterien ausgewählt worden und übten ganz verschiedene berufliche Tätigkeiten aus.

24 Wegen ihrer subjektiven Natur betreffe die angefochtene Entscheidung unmittelbar und individuell die Kläger. Sie bestimme genauso wie das Gesetz Nr. 2538/97 selektiv eine begrenzte Anzahl von Empfängern der fraglichen Beihilfen und schließe dabei jedes andere Unternehmen oder jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer des landwirtschaftlichen Sektors wie auch die Kläger aus, die sich in der gleichen Situation befänden, da sie einen Darlehensvertrag mit der LBG geschlossen hätten und aufgrund höherer Gewalt ihre Verpflichtungen nicht hätten erfuellen können.

Würdigung durch das Gericht

25 Es ist daran zu erinnern, dass die angefochtene Entscheidung an die Hellenische Republik gerichtet ist und dass nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag eine natürliche oder juristische Person eine Klage gegen eine Entscheidung, die an eine andere Person gerichtet ist, nur dann erheben kann, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft.

26 Bezüglich des Erfordernisses der individuellen Betroffenheit folgt aus ständiger Rechtsprechung, dass andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann behaupten können, individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 199, 223, vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 22, und Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1999 in den Rechtssachen T-132/96 und T-143/96, Freistaat Sachsen u. a./Kommission, Slg. 1999, II-3663, Randnr. 83).

27 Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht erfuellt. Die Kläger machen für die Zulässigkeit ihrer Klage lediglich geltend, sie übten eine berufsbildende Tätigkeit in einer landwirtschaftlichen Region aus, wodurch sie einen Beitrag zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung dieser Region leisteten, und sie hätten wegen dieser Tätigkeit mit der LBG einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens geschlossen, das sie nicht hätten zurückzahlen können. Diese Umstände genügen für sich allein offensichtlich nicht, um die Kläger aus dem Kreis aller übrigen zahlungsunfähigen Schuldner der LBG herauszuheben, die eine wirtschaftliche Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Gebiet Griechenlands ausüben und nicht in der Liste der Empfänger der streitigen Beihilfe aufgeführt sind.

28 Daraus folgt, dass die Kläger nicht behaupten können, von der Entscheidung des Rates, mit der diese Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, individuell betroffen zu sein.

29 Infolgedessen ist die Klage als unzulässig abzuweisen, ohne dass über die anderen vom Beklagten vorgebrachten Unzulässigkeitsgründe zu entscheiden wäre.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

31 Da die Kläger unterlegen sind, haben sie ihre eigenen Kosten und gemäß dem Antrag des Beklagten dessen Kosten zu tragen.

32 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Hellenische Republik als Streithelferin zur Unterstützung des Beklagten ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten des Beklagten.

3. Die Hellenische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück