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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: T-47/02
Rechtsgebiete: Richtlinien 68/151/EWG, Richtlinien 78/660/EWG


Vorschriften:

Richtlinien 68/151/EWG Art. 2 Abs. 1 Buchst. f
Richtlinien 78/660/EWG Art. 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

21. Juni 2006

"Gesellschaftsrecht - Richtlinien 68/151/EWG und 78/660/EWG - Offenlegung der Jahresabschlüsse - Schutz von Geschäftsgeheimnissen - Verletzung von Grundrechten - Rechtsgrundlage - Schadensersatzklage - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-47/02

Manfred Danzer, wohnhaft in Linz (Österreich), und

Hannelore Danzer, wohnhaft in Linz,

Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte J. Hintermayr, M. Krüger, F. Haunschmidt, G. Minichmayr und P. Burgstaller, dann Rechtsanwälte J. Hintermayr, F. Haunschmidt, G. Minichmayr, P. Burgstaller, G. Tusek, T. Riedler und C. Hadeyer,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Giorgi Fort und M. Bauer als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend zum einen einen Antrag nach Artikel 288 EG auf Ersatz des Schadens, den die Kläger angeblich aufgrund der Verpflichtung zur Offenlegung bestimmter Angaben aus den Jahresabschlüssen der Gesellschaften, deren Geschäftsführer sie sind, erlitten haben, die sich aus Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des EWG-Vertrags (später Artikel 58 Absatz 2 des EG-Vertrags, jetzt Artikel 48 Absatz 2 EG) im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8), und aus Artikel 47 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des EWG-Vertrags (später Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des EG-Vertrags, nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11) ergibt, und betreffend zum anderen einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der genannten Bestimmungen

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt

1 Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des EWG-Vertrags (später Artikel 58 Absatz 2 des EG-Vertrags, jetzt Artikel 48 Absatz 2 EG) im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Gesellschaftsrichtlinie), bestimmt in ihrer zu dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Urkunden und Angaben erstreckt:

...

f) die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr. ..."

2 Artikel 6 der Richtlinie sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten drohen geeignete Maßregeln für den Fall an,

- dass die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f) vorgeschriebene Offenlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unterbleibt".

3 Artikel 47 Absatz 1 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des EWG-Vertrags (später Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des EG-Vertrags, nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11, im Folgenden: Vierte Gesellschaftsrichtlinie) in der durch die Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 (ABl. L 193, S. 1) geänderten Fassung lautet:

"(1) Der ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluss und der Lagebericht sowie der Bericht der mit der Abschlussprüfung beauftragten Person sind nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der [Ersten Gesellschaftsrichtlinie] vorgesehenen Verfahren offen zu legen.

Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates können jedoch den Lagebericht von der genannten Offenlegung freistellen. In diesem Fall ist der Lagebericht am Sitz der Gesellschaft in dem betreffenden Mitgliedstaat zur Einsichtnahme für jedermann bereitzuhalten. Eine vollständige oder teilweise Ausfertigung dieses Berichts muss auf bloßen Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen."

4 Die Artikel 9, 10 und 22 bis 27 dieser Richtlinie beschreiben die Schemata, die die Mitgliedstaaten für die Gliederung der Bilanz und die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung festzulegen haben. Die Artikel 43 bis 45 beschreiben den Inhalt des Anhangs und Artikel 46 den des Lageberichts.

5 Diese Bestimmungen wurden durch das Rechnungslegungsgesetz (BGBl 1990/475) und durch das EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (BGBl 1996/304), die einige Paragrafen des Handelsgesetzbuchs (im Folgenden: HGB) änderten, in das österreichische Recht umgesetzt. Entsprechend der Vierten Gesellschaftsrichtlinie sieht das HGB ein nach der Größe der Gesellschaften differenziertes Offenlegungssystem vor.

6 Manfred Danzer ist geschäftsführender Gesellschafter der Dan-Küchen Möbelfabrik M. Danzer Gesellschaft mbH und Geschäftsführer der Danzer Holding Gesellschaft mbH und Hannelore Danzer (im Folgenden zusammen mit Ersterem: Kläger) Geschäftsführerin der beiden Gesellschaften (im Folgenden: Gesellschaften).

7 Da sich die Kläger wiederholt geweigert hatten, die den Gesellschaften obliegende Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlüsse entsprechend den Anforderungen des HGB zu erfüllen, wurden gegen sie von den zuständigen österreichischen Behörden Zwangsstrafen verhängt. Im maßgebenden Zeitraum sollen die Kläger 334 940 österreichische Schilling, d. h. 24 341,04 Euro, gezahlt haben, während sich weitere Zwangsstrafen in Höhe von 20 800 Euro angeblich noch abzeichneten.

8 Die Kläger fochten einige dieser Zwangsstrafen vor den zuständigen österreichischen Gerichten an. Ihre Klagen wurden u. a. vom Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 20. Juni 2002 und vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 31. Jänner 2002 abgewiesen. Dabei ging der Oberste Gerichtshof u. a. davon aus, dass die fragliche österreichische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht und den Grundrechten sowie mit dem Sachlichkeitsgebot und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar sei. Er war außerdem der Auffassung, dass die Anregung der Kläger auf Einholung einer Vorabentscheidung nicht aufzugreifen sei.

Verfahren und Anträge der Parteien

9 Mit am 27. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

10 Mit Beschluss der Präsidentin der Vierten Kammer des Gerichts vom 8. Juli 2003 ist das vorliegende Verfahren nach Artikel 77 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts wegen der Ähnlichkeit der aufgeworfenen Fragen bis zur abschließenden Entscheidung des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 (Axel Springer AG gegen Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG und Hans-Jürgen Weske) ausgesetzt worden.

11 Mit Entscheidung vom 13. September 2004 über die Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Dritten Kammer zugeteilt worden, an die daher die vorliegende Rechtssache verwiesen worden ist.

12 Am 23. September 2004 hat der Gerichtshof durch Beschluss über die genannten Rechtssachen entschieden (Beschluss des Gerichtshofes vom 23. September 2004 in den Rechtssachen C-435/02 und C-103/03, Springer, Slg. 2004, I-8663, im Folgenden: Beschluss Springer).

13 Das vorliegende Verfahren ist im Anschluss an den Erlass des Beschlusses Springer fortgesetzt worden. Das Gericht (Dritte Kammer) hat die Parteien aufgefordert, sich zum Fortgang des Verfahrens zu äußern. Sie haben ihre Stellungnahmen am 22. und 26. November 2004 eingereicht.

14 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Kläger im Wege prozessleitender Maßnahmen gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte schriftliche Fragen zu beantworten. Die Kläger sind dieser Aufforderung nachgekommen.

15 Die Parteien haben in der Sitzung vom 16. November 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

16 Das Gericht hat dabei zu Protokoll genommen, dass die Kläger ihren ursprünglichen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitigen Bestimmungen zurückgenommen haben.

17 Die Kläger beantragen, das Gericht möge

- den Rat zum Ersatz von 24 341,04 Euro binnen 14 Tagen, vorbehaltlich einer späteren Erhöhung, verpflichten;

- dem Rat die Kosten auferlegen.

18 Der Rat beantragt, das Gericht möge

- die Klage als unzulässig abweisen;

- hilfsweise, sie als unbegründet abweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens auferlegen.

Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

19 Ohne formell eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, bestreitet der Rat die Zulässigkeit der Klage, weil sie eigentlich auf die Nichtigerklärung des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe f der Ersten Gesellschaftsrichtlinie und des Artikels 47 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie (im Folgenden: streitige Bestimmungen) gerichtet sei und weil die Kläger vor der Befassung des Gerichts das Ergebnis der Klage hätten abwarten müssen, die sie beim Obersten Gerichtshof gegen die vom Landesgericht Linz verhängten Zwangsstrafen erhoben hätten. Es folge nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass ein Einzelner, falls er sich durch einen gemeinschaftlichen Rechtsetzungsakt verletzt glaube, weil dieser rechtswidrig sei, dessen Gültigkeit, wenn seine Durchführung innerstaatlichen Behörden obliege, anlässlich dieser Durchführung vor einem innerstaatlichen Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die innerstaatliche Behörde bestreiten könne. Dieses Gericht könne oder müsse sogar dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 des EG-Vertrags (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage zur Gültigkeit des fraglichen Gemeinschaftsrechtsakts vorlegen. Diese Klagemöglichkeit sei jedoch nur geeignet, den Schutz der Einzelnen wirksam sicherzustellen, wenn sie zum Ersatz des geltend gemachten Schadens führen könne (Urteil des Gerichtshofes vom 12. April 1984 in der Rechtssache 281/82, Unifrex/Kommission und Rat, Slg. 1984, 1969, Randnr. 11).

20 Würde der Gerichtshof im vorliegenden Fall vom Obersten Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht und würde er die streitigen Bestimmungen für rechtswidrig erklären, müsste der Oberste Gerichtshof die streitigen Zwangsstrafen aufheben, so dass die vorliegende Klage gegenstandslos würde.

21 In der mündlichen Verhandlung hat der Rat allerdings anerkannt, dass der Rechtsweg für die Kläger in Österreich erschöpft sei, da der Oberste Gerichtshof ihren Antrag auf Nichtigerklärung einiger Zwangsstrafen mit Beschluss vom 31. Januar 2002 abgelehnt und hierbei erklärt habe, dass er ihrem Antrag auf Vorlage zur Vorabentscheidung über die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen nicht stattgeben werde.

22 Der Rat hat jedoch seine Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bekräftigt, da sie eigentlich auf die allgemeine Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitigen Bestimmungen durch das Gericht abziele, die die österreichischen Behörden und der Gemeinschaftsgesetzgeber berücksichtigen müssten. Dies könne aber nicht Gegenstand einer Schadensersatzklage sein.

23 Die Kläger machen geltend, dass die vom Landesgericht Linz verhängten, im Rahmen der vorliegenden Klage angeführten Zwangsstrafen vom Obersten Gerichtshof bestätigt und demzufolge auch bereits eingezogen worden seien. Außerdem habe für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der unbedingt formulierten Bestimmungen der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie kein Gestaltungsspielraum bestanden, so dass die die Kläger belastende Offenlegungspflicht der Gemeinschaft zuzurechnen sei, obwohl die fraglichen Zwangsstrafen auf Basis der einschlägigen österreichischen Bestimmungen erlassen worden seien.

24 Da die zuständigen österreichischen Gerichte sich geweigert hätten, dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit vorzulegen, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen seien und gegen die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen massive Bedenken bestünden, könnten ihre Rechte nur durch die Erhebung der vorliegenden Klage wirksam geschützt werden. Der Hinweis des Oberlandesgerichts Linz und des Obersten Gerichtshofs in den klageabweisenden Beschlüssen auf das Urteil des Gerichtshofes vom 4. Dezember 1997 in der Rechtssache C-97/96 (Daihatsu Deutschland, Slg. 1997, I-6843) gehe im vorliegenden Fall fehl. Die Kläger folgern aus alledem, dass die vorliegende Klage, obwohl die Schadensersatzklage vor dem Gemeinschaftsrichter gegenüber innerstaatlichen Rechtsbehelfen nur subsidiär sei, als zulässig anzusehen sei, zumal diese Rechtsbehelfe nicht geeignet seien, ihre Rechte im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes wirksam zu schützen (Urteile des Gerichtshofes vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753, und vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 20/88, S.A. Roquette frères/Kommission, Slg. 1989, 1553).

Würdigung durch das Gericht

25 Der Rat hat ursprünglich im Wesentlichen zwei Gründe für eine Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit geltend gemacht, nämlich einerseits, dass der innerstaatliche Rechtsweg für die Kläger nicht erschöpft sei, und andererseits, dass die vorliegende Klage eigentlich auf die Nichtigerklärung der streitigen Bestimmungen gerichtet sei.

26 Hinsichtlich des ersten Gesichtspunkts hat der Rat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es hierfür keine Grundlage mehr gebe, weil der Oberste Gerichtshof die von den Klägern erhobene Klage gegen die fraglichen Zwangsstrafen abgewiesen hat, wie sich auch aus den Anlagen zur Erwiderung ergibt. Dem Vorbringen des Rates in der Klagebeantwortung, das auf die Abweisung der Klage aufgrund der fehlenden Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs gerichtet ist, ist daher nicht zu folgen.

27 Hinsichtlich des zweiten vom Rat geltend gemachten Gesichtspunkts weist das Gericht jedoch darauf hin, dass es sich bei der Schadensersatzklage nach Artikel 288 Absatz 2 EG nach ständiger Rechtsprechung um einen selbständigen Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten handelt, der von Voraussetzungen abhängig ist, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind. Sie unterscheidet sich dadurch von der Nichtigkeitsklage, dass sie nicht die Beseitigung einer bestimmten Maßnahme zum Ziel hat, sondern den Ersatz des Schadens, den ein Gemeinschaftsorgan verursacht (Urteile des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975, Randnr. 3, Krohn/Kommission, oben Randnr. 24, Randnrn. 26 und 32, und vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-87/89, Sonito u. a./Kommission, Slg. 1990, I-1981, Randnr. 14). Der Grundsatz der Selbständigkeit der Schadensersatzklage findet seine Rechtfertigung somit darin, dass sich der Zweck dieser Klage von dem der Nichtigkeitsklage unterscheidet (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 2000 in der Rechtssache T-178/98, Fresh Marine/Kommission, Slg. 2000, II-3331, Randnr. 45).

28 Auf dieser Grundlage ist entschieden worden, dass eine Schadensersatzklage ausnahmsweise für unzulässig erklärt werden muss, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Rücknahme eines unanfechtbar gewordenen Rechtsakts begehrt wird und sie, wenn sie Erfolg hätte, zur Nichtigkeit der Rechtswirkungen dieses Rechtsakts führen würde (Urteil Krohn/Kommission, oben Randnr. 24, Randnr. 30; Urteile des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnr. 59, und Fresh Marine/Kommission, oben Randnr. 27, Randnr. 50). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schadensersatzklage auf Zahlung eines Betrages gerichtet ist, der genau dem der Abgaben entspricht, die der Kläger gezahlt hat, um dem unanfechtbar gewordenen Rechtsakt nachzukommen (Urteil Krohn/Kommission, oben Randnr. 24, Randnr. 33).

29 Im vorliegenden Fall ist die von den Klägern erhobene Klage auf Ersatz des Schadens gerichtet, den sie nach ihrem Vorbringen durch die Zwangsstrafen erlitten haben, die die zuständigen österreichischen Behörden auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts, das zur Durchführung der streitigen Bestimmungen der Ersten und Vierten Gesellschaftsrichtlinie erlassen wurde, gegen sie verhängt haben. Die Kläger beziffern ihren Schaden daher genau auf den von ihnen gezahlten Betrag der Zwangsstrafen, nämlich 24 341,04 Euro, was sie in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis darauf, dass ihre Klage auf Ersatz dieses Betrages gerichtet sei, bestätigt haben. Es ist festzustellen, dass die Kläger im Übrigen keinen Schaden geltend machen, der sich von den bloßen Wirkungen, die sich unmittelbar und ausschließlich aus der Durchführung dieser Entscheidungen ergeben, unterschiede.

30 Demnach wollen die Kläger mit Hilfe der vorliegenden Schadensersatzklage die Wirkungen erreichen, die eine Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Zwangsstrafen durch die dazu ermächtigten innerstaatlichen Stellen hätte, wofür das Gericht nicht zuständig ist. Gemäß der oben in Randnummer 28 angeführten Rechtsprechung ist daher zu folgern, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist.

31 Selbst unter der Annahme, dass die streitigen Bestimmungen als die unmittelbare Grundlage dieser innerstaatlichen Entscheidungen über die Zwangsstrafen angesehen werden können, obwohl Artikel 6 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie nur bestimmt, dass die Mitgliedstaaten "geeignete Maßregeln" für den Fall vorsehen müssen, dass die betreffenden Gesellschaften die Pflicht zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse verletzen, die die Erste und die Vierte Gesellschaftsrichtlinie ihnen auferlegen, und dass die Kläger somit ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser streitigen Bestimmungen haben, ist im Übrigen festzustellen, dass die vorliegende Schadensersatzklage hierfür nicht den passenden Rahmen bildet.

32 Nach der Rechtsprechung kann nämlich eine Privatperson, die glaubt, durch die Anwendung eines gemeinschaftlichen Rechtsetzungsakts, den sie für rechtswidrig hält, geschädigt worden zu sein, falls mit der Durchführung des Aktes innerstaatliche Behörden betraut werden, die Ungültigkeit dieses Aktes anlässlich dieser Durchführung im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die innerstaatliche Behörde vor einem innerstaatlichen Gericht geltend machen. Dieses Gericht kann oder muss dem Gerichtshof unter den Voraussetzungen des Artikels 234 EG eine Frage nach der Gültigkeit des fraglichen Gemeinschaftsrechtsakts vorlegen (Urteile des Gerichtshofes Unifrex/Kommission und Rat, oben Randnr. 19, Randnr. 11, und vom 29. September 1987 in der Rechtssache 81/86, De Boer Buizen/Rat und Kommission, Slg. 1987, 3677, Randnr. 9, Urteil des Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-167/94, Nölle/Rat und Kommission, Slg. 1995, II-2589, Randnr. 35).

33 Angesichts der Tatsache, dass die Kläger letztlich die Nichtigerklärung der innerstaatlichen Entscheidungen begehren, weil sie auf den Bestimmungen des österreichischen Rechts beruhen, die zur Durchführung der angeblich rechtswidrigen Bestimmungen der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie erlassen wurden, bei denen es sich um Gemeinschaftsrechtsakte von allgemeiner Geltung handelt, ist im vorliegenden Fall anzunehmen, dass im Rechtsschutzsystem des EG-Vertrags der geeignete Rechtsbehelf darin besteht, bei dem mit der Klage gegen diese Entscheidungen befassten innerstaatlichen Gericht zu beantragen, den Gerichtshof, der allein befugt ist, die eventuelle Ungültigkeit der streitigen Bestimmungen festzustellen, um Vorabentscheidung über deren Gültigkeit zu ersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 2000 in der Rechtssache C-6/99, Greenpeace France, Slg. 2000, I-1651, Randnr. 54).

34 Der von den Klägern geltend gemachte bloße Umstand, dass sowohl das Oberlandesgericht Linz als auch der Oberste Gerichtshof ihre darauf gerichteten Anträge abgewiesen haben, kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

35 Im Gegenteil ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass es im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den innerstaatlichen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten innerstaatlichen Gerichts ist, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu tragen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofes vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38, vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00, Adolf Truley, Slg. 2003, I-1931, Randnr. 21, und vom 12. April 2005 in der Rechtssache C-145/03, Keller, Slg. 2005, I-2529, Randnr. 33).

36 Wird vor einem innerstaatlichen Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufgeworfen, so ist dieses Gericht zwar grundsätzlich nach Artikel 234 Absatz 3 EG verpflichtet, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Jedoch kann dieses Gericht unbeschadet der sich aus dem Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-224/01 (Köbler, Slg. 2003, I-10239) ergebenden Lehren davon absehen, dem Gerichtshof eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzulegen, wenn dessen Anwendung derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (Urteil des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, Randnr. 21), in Ausübung eines Ermessens, das ganz allein ihm zusteht (Urteil vom 15. September 2005 in der Rechtssache C-495/03, Intermodal Transports, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 37).

37 Erst recht ist dieses Gericht nicht gezwungen, jedem bei ihm gestellten Antrag auf Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts stattzugeben. Denn es muss nicht allein deshalb, weil eine Partei geltend macht, der Rechtsstreit werfe eine Frage nach der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht auf, davon ausgehen, dass eine Frage im Sinne von Artikel 234 EG gestellt wird (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Januar 2006 in der Rechtssache C-344/04, International Air Transport Association u. a., Slg. 2006, I-0000, Randnr. 28). Insbesondere ist es berechtigt, anzunehmen, dass die Gültigkeit des beanstandeten Gemeinschaftsrechtsakts völlig unzweifelhaft ist und daher der Gerichtshof hierzu nicht angerufen zu werden braucht. So ist entschieden worden, dass das betreffende Gericht die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts prüfen und, wenn es die von den Parteien vor ihm geltend gemachten Ungültigkeitsgründe für nicht zutreffend hält, diese Gründe mit der Feststellung zurückweisen kann, dass der Rechtsakt in vollem Umfang gültig ist. Denn wenn ein Gericht so vorgeht, stellt es die Existenz des Gemeinschaftsrechtsakts nicht in Frage (Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 14).

38 In Ausübung der ausschließlichen Zuständigkeit, die sie auf diesem Gebiet besitzen, haben die österreichischen Gerichte im vorliegenden Fall angenommen, dass die Klagegründe der Kläger, die auf die Beanstandung der Gültigkeit der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie gerichtet sind, es nicht rechtfertigten, dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen dieser Richtlinie vorzulegen.

39 Es ist nicht Sache des Gerichts, im Rahmen einer Schadensersatzklage die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen. Die Zulässigkeit der vorliegenden Klage gäbe den Klägern zudem die Möglichkeit, sowohl die Zurückweisung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung der innerstaatlichen Entscheidungen über die Zwangsstrafen durch die hierfür allein zuständigen innerstaatlichen Gerichte als auch die Weigerung dieser Gerichte, die Rechtssache dem Gerichtshof vorzulegen, zu umgehen, was gegen den Grundsatz der Zusammenarbeit der Gerichte verstoßen würde, der dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegt. Die Kläger haben in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass sie ihre Klage als einziges ihnen noch zur Verfügung stehendes Mittel ansähen, sich direkt an den Gemeinschaftsrichter zu wenden, um die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen durch ihn überprüfen zu lassen, was einen Missbrauch des eigentlichen Zwecks der Schadensersatzklage darstellt.

40 Nebenbei stellt das Gericht im Übrigen der Klarheit halber fest, dass die österreichischen Gerichte zu Recht angenommen haben, dass an der Gültigkeit der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie keine Zweifel bestehen.

41 Denn es ist daran zu erinnern, dass das Vorbringen der Kläger erstens auf dem angeblichen Verstoß gegen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen das Eigentumsrecht und damit gegen den "Grundsatz der Privatautonomie" beruht, wobei das Gericht in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommen hat, dass die auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der Niederlassungsfreiheit und der freien wirtschaftlichen Betätigung gestützten Rügen zurückgenommen worden sind. Zweitens machen die Kläger einen Verstoß gegen den Schutz persönlicher Daten und das Steuergeheimnis geltend. Drittens tragen sie vor, dass die streitigen Bestimmungen gegen das Recht verstoßen, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen. Viertens schließlich machen sie geltend, dass es an einer Rechtsgrundlage für die streitigen Bestimmungen fehle und ein Verstoß gegen Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe g EG vorliege.

42 Was erstens die auf einen Verstoß gegen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen das Eigentumsrecht gestützten Rügen betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Beschluss Springer im Wesentlichen über die Gültigkeit der Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660 und 83/349 über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (ABl. L 317, S. 60), die die Offenlegungspflicht aus der Vierten Gesellschaftsrichtlinie auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften erstreckt, in Verbindung mit Artikel 47 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie entschieden hat. Die Gedankenführung des Gerichtshofes in diesem Zusammenhang ist, wie der Rat geltend macht, im Wesentlichen auch auf Aktiengesellschaften und auf die vorliegenden Rügen der Kläger anzuwenden.

43 Auf dieser Grundlage ist daher davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die fraglichen Offenlegungspflichten eine hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkung auf die Ausübung der von den Klägern geltend gemachten Rechte haben sollten, die Beschränkung, zu der sie führen, insbesondere die Beschränkung des Rechts eines Unternehmens, bestimmte potenziell sensible Daten geheim zu halten, auf jeden Fall eindeutig gerechtfertigt erscheint. Denn zum einen verfolgen die mit der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen das zweifache, dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse dienende Ziel des Artikels 44 Absatz 2 Buchstabe g EG, Dritte vor den finanziellen Risiken zu schützen, die mit Gesellschaftsformen verbunden sind, die ihnen nur das Gesellschaftsvermögen als Sicherheit bieten, und hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen. Zum anderen erscheint der Schaden, zu dem die durch diese Offenlegungsvorschriften auferlegten Verpflichtungen führen könnten, begrenzt, da es zweifelhaft erscheint, ob diese Vorschriften geeignet sind, die Wettbewerbsstellung der betreffenden Gesellschaften zu ändern. Schließlich sehen die Bestimmungen der Vierten Gesellschaftsrichtlinie, insbesondere die Artikel 11, 27 und 44 bis 47, selbst die Möglichkeit vor, die Informationen, die im Jahresabschluss und im Lagebericht von Gesellschaften, die die Grenzen bestimmter Größenmerkmale nicht überschreiten, enthalten sein müssen, sowie die Offenlegung der Abschlüsse dieser Gesellschaften zu beschränken, während Artikel 45 dieser Richtlinie insbesondere verhindern soll, dass den betreffenden Unternehmen durch die Offenlegung bestimmter Daten ein schwerer Schaden zugefügt wird. Ferner können nach Artikel 46 der Richtlinie die Angaben, die im Lagebericht enthalten sein müssen, allgemein gehalten sein (vgl. in diesem Sinne Beschluss Springer, Randnrn. 49 bis 55).

44 Daraus folgt, dass die Verpflichtungen, die die streitigen Bestimmungen den Gesellschaften auferlegen, selbst wenn man annehmen können sollte, dass diese Bestimmungen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, den Grundsatz des freien Wettbewerbs und das Eigentumsrecht in gewissem Maße beeinträchtigen könnten, keinen unverhältnismäßigen, untragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet, und daher nicht als unverhältnismäßig hinsichtlich des dem Gemeinwohl dienenden Ziels des Artikels 44 Absatz 2 Buchstabe g EG angesehen werden können. Dies gilt auch für die angebliche Verletzung des Rechts auf den Schutz persönlicher Daten, der die Wahrung des Steuergeheimnisses umfasst, ohne dass es erforderlich wäre, zu prüfen, ob für juristische Personen ein Grundrecht auf den Schutz persönlicher Daten existiert.

45 Soweit die Kläger zweitens einen Verstoß gegen den Schutz persönlicher Daten hinsichtlich ihres Einkommens geltend machen, ist festzustellen, dass zwar die Daten der Gewinn- und Verlustrechnung, deren Offenlegung in der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie vorgeschrieben ist, tatsächlich den Personalaufwand (u. a. Löhne und Gehälter sowie soziale Aufwendungen gemäß den Artikeln 23 Nummer 6 Buchstaben a und b und 24 Nummer 3 Buchstaben a und b der Vierten Gesellschaftsrichtlinie) und die den Mitgliedern der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane für ihre Tätigkeit gewährten Bezüge (Artikel 43 Absatz 1 Nummer 12 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie) umfassen, diese Richtlinien aber keineswegs die namentliche Benennung der Empfänger dieser Einkünfte verlangen und diese Personen grundsätzlich auch nicht identifizierbar machen. Insbesondere sieht Artikel 43 Absatz 1 Nummer 12 ausdrücklich vor, dass die Bezüge zusammengefasst für jede der betreffenden Personengruppen anzugeben sind. Die Kläger haben diese Umstände in der mündlichen Verhandlung anerkannt, aber geltend gemacht, dass in ihrem Fall der Aufsichtsrat der fraglichen Gesellschaften aus einem einzigen Mitglied, Herrn Danzer, bestehe und zudem diese Gesellschaften nur zwei Geschäftsführer, nämlich Herrn und Frau Danzer, hätten. Da das Firmenbuch (ein von den zuständigen Gerichten in Österreich geführtes Gesellschaftsregister) die Gesellschafter und die Geschäftsführer der Gesellschaften namentlich aufführe, seien die Einkünfte der Kläger indirekt identifizierbar.

46 Selbst unter der Annahme, dass diese Umstände bewiesen wären, genügt es darauf hinzuweisen, dass es nicht Artikel 43 Absatz 1 Nummer 12 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie wäre, der für sich zur Verbreitung der Informationen über die Bezüge der Kläger führte und so die behaupteten Grundrechte verletzte, sondern die Tatsache, dass die Identität der Gesellschafter und der Geschäftsführer im Firmenbuch veröffentlicht wird und außerdem Herr Danzer das einzige Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaften ist und Herr und Frau Danzer deren einzige Geschäftsführer sind. Daher wäre es die Kombination dieser unterschiedlichen Elemente, die nichts mit den Erfordernissen der streitigen Bestimmungen zu tun haben, die geeignet wäre, die Verbreitung der Informationen über die Bezüge der Kläger zu ermöglichen. Daraus folgt, dass ein eventueller Schaden, der den Klägern aus der von den streitigen Bestimmungen geforderten Offenlegung entstünde, nicht direkt auf diese Bestimmungen zurückgeführt werden könnte.

47 Was drittens die in der Erwiderung behauptete Verletzung des Rechts aus Artikel 6 Absatz 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen, angeht, so ist, ohne dass auf die Zulässigkeit dieses Vorbringens eingegangen werden muss, weil es eine enge Verbindung mit einer der Rügen aus der Klageschrift aufweist, nur darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn ein solcher Grundsatz zugunsten juristischer Personen bestehen sollte, seine Anwendbarkeit eine strafrechtliche Anklage im weitesten Sinne voraussetzen würde, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte definiert wird als die amtliche, von der zuständigen Behörde ausgehende Bekanntgabe des Vorwurfs, eine Straftat begangen zu haben, wobei die Bekanntgabe in bestimmten Fällen die Form anderer Maßnahmen annehmen kann, die einen derartigen Vorwurf enthalten und die auf die Lage des Verdächtigen schwerwiegende Auswirkungen haben (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21. Februar 1984, Öztürk gegen Deutschland, Serie A, Nr. 73, § 55).

48 Die den Gesellschaften in den streitigen Bestimmungen in allgemeiner Weise auferlegte Pflicht, ihre Jahresabschlüsse offen zu legen, hat aber nichts mit einer Anklage gegen die Kläger zu tun und stellt für sich genommen keinen Vorwurf gegen sie dar. Unter diesen Umständen können die Kläger für sich nicht den Status eines Angeklagten oder Verdächtigen im Sinne der soeben angeführten Rechtsprechung in Anspruch nehmen. Daraus folgt, dass sie sich nicht zu ihren Gunsten auf das Recht, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen, berufen können.

49 Schließlich ist viertens hinsichtlich des angeblichen Fehlens einer Rechtsgrundlage für die streitigen Bestimmungen und hinsichtlich des Verstoßes gegen Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG festzustellen, dass diese Rügen selbst dann, wenn sie sich auf eine Rechtsnorm beziehen sollten, die Einzelnen Rechte verleiht, auf der falschen Prämisse beruhen, dass eine Koordinierungsrichtlinie keine neuen Bestimmungen schaffen könne, die in den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zuvor nicht existierten. Denn das Ziel der Koordinierung der Rechtsvorschriften besteht bei den auf Artikel 44 EG gestützten Richtlinien darin, die sich aus der Heterogenität der Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten ergebenden Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit abzubauen, indem insbesondere was das Ziel des Artikels 44 Absatz 2 Buchstabe g EG betrifft, hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften hergestellt werden. Die Verfolgung dieses Zieles kann für die Mitgliedstaaten sowohl die Aufhebung bestimmter innerstaatlicher Vorschriften als auch den Erlass neuer Vorschriften in Übereinstimmung mit den Zielen der Richtlinie bedeuten, damit gleichwertige rechtliche und administrative Bedingungen im gesamten Gebiet der Gemeinschaft geschaffen werden.

50 Was das Vorbringen der Kläger angeht, dass allein eine Verordnung - im Gegensatz zur Richtlinie - es der Gemeinschaft erlaube, Vorschriften zu erlassen, die es zuvor in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nicht gab, so ist festzustellen, dass es sich dabei um eine reine Behauptung ohne rechtliche Grundlage handelt. Denn nach Artikel 249 Absätze 2 und 3 EG besteht der Unterschied zwischen einer Verordnung und einer Richtlinie darin, dass die Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, während die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, in allen ihren Teilen hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, den innerstaatlichen Stellen jedoch die Wahl der Form und der Mittel überlässt. Die von den Klägern vorgenommene Unterscheidung nach der Existenz oder dem Fehlen vorheriger innerstaatlicher Vorschriften geht daher offenkundig fehl.

51 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rügen der Kläger nicht geeignet sind, die Rechtmäßigkeit der streitigen Bestimmungen in Frage zu stellen, und dass die österreichischen Gerichte daher zu Recht angenommen haben, dass die Beanstandung der Gültigkeit dieser Bestimmungen vor ihnen allein es nicht rechtfertigt, dem Gerichtshof eine Frage zu Vorabentscheidung vorzulegen.

52 Aus den oben in den Randnummern 41 bis 50 angeführten Gründen ist die vorliegende Schadensersatzklage im Übrigen jedenfalls auch als unbegründet abzuweisen. Da die Kläger nicht die Rechtswidrigkeit der streitigen Bestimmungen beweisen konnten, kann der Erlass dieser Bestimmungen durch den Rat nämlich kein fehlerhaftes Verhalten des Rates darstellen, das geeignet ist, die Haftung der Gemeinschaft zu begründen. Dies gilt umso mehr, als, wie der Gerichtshof und das Gericht bezüglich der Haftung der Gemeinschaft für Rechtsetzungsakte entschieden haben, deren Erlass wirtschaftspolitische Entscheidungen voraussetzt und bei deren Gestaltung die Gemeinschaftsorgane ebenfalls über ein weites Ermessen verfügen (Urteil Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, oben Randnr. 27, Randnr. 11; Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 81, vom 15. April 1997 in der Rechtssache T-390/94, Schröder u. a./Kommission, Slg. 1997, II-501, Randnrn. 62 und 63, und vom 20. Februar 2002 in der Rechtssache T-170/00, Förde-Reederei/Rat und Kommission, Slg. 2002, II-515, Randnr. 46), die Rechtswidrigkeit einer Koordinierungsrichtlinie für sich allein nicht genügt, um die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft zu begründen, weil diese Haftung nur ausgelöst werden kann, wenn eine hinreichend schwerwiegende Verletzung einer den Einzelnen Rechte verleihenden Rechtsnorm vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 18. April 1991 in der Rechtssache C-63/89, Assurances du crédit/Rat und Kommission, Slg. 1991, I-1799, Randnr. 12, und vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I-5291, Randnr. 42).

53 Nach alledem ist die Klage als unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet abzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, dem Antrag der Kläger auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stattzugeben.

Kostenentscheidung:

Kosten

54 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Juni 2006.



Ende der Entscheidung

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