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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 06.02.1995
Aktenzeichen: T-66/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 86
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE ERWEITERTE KAMMER) VOM 6. FEBRUAR 1995. - AUDITEL SRL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STREITHILFE - VERTRAULICHKEIT - SPRACHENREGELUNG. - RECHTSSACHE T-66/94.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Schriftsatz, der am 13. Juni 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die D & B Marketing Information Services SpA (nachstehend: Antragstellerin), eine Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Corsico (Italien), vertreten durch Brian Hartnett, zugelassen in Irland, und Rechtsanwalt Egidio Rinaldi, Mailand, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rü Mathias Hardt, Luxemburg, beantragt, in der Rechtssache T-66/94 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden. Die Antragstellerin hat ausserdem beantragt, sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Verfahren die englische Sprache verwenden zu dürfen.

2 Der Streithilfeantrag wird gemäß Artikel 37 Absatz 2 EG-Satzung des Gerichtshofes gestellt, der nach Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, und ist gemäß Artikel 115 der Verfahrensordnung des Gerichts eingereicht worden.

3 Die Anträge sind den Parteien mit Schreiben des Kanzlers vom 13. Juni 1994 gemäß Artikel 116 der Verfahrensordnung zugestellt worden. Am 19. Juli 1994 haben die Parteien ihre Stellungnahmen zu diesen Anträgen eingereicht, wobei die Klägerin ausserdem beantragt hat, einige Unterlagen aus ihrer Akte im Fall der Zulassung der Streithilfe vertraulich zu behandeln. Mit Schreiben vom 5. September 1994 hat die Beklagte mitgeteilt, daß sie sich nicht gegen den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung wende.

4 Der Präsident hat die Entscheidung über den Streithilfeantrag gemäß Artikel 116 § 1 der Verfahrensordnung dem Gericht (Vierte erweiterte Kammer) übertragen.

Sachverhalt

5 Die Klägerin, die Auditel Srl (nachstehend: Auditel), ist eine Gesellschaft italienischen Rechts, an der alle öffentlichen und privaten Fernsehsender Italiens sowie die Verbände der Auftraggeber von Werbung und die Werbeagenturen beteiligt sind und deren Gesellschaftsgegenstand die objektive und neutrale Messung der Zuschaueranteile und die systematische Verbreitung der erhobenen Daten ist.

6 Gleichzeitig mit der Gründung der Auditel schlossen die Gesellschafter ein Übereinkommen, dessen Artikel 11 vorsah, daß "die Partner der Auditel... sich bei allem, was für die Werbung und Vermarktung von Bedeutung sein kann, [verpflichten,] ausschließlich die Leistungen der Auditel in Anspruch zu nehmen und nur diejenigen Daten als gültig anzuerkennen, die sich aufgrund der Messungen und Untersuchungen der Auditel ergeben". Nach Ansicht der Auditel sollte durch Artikel 11 ein Quotenkrieg zwischen den Fernsehsendern vermieden werden.

7 Schließlich schloß die Auditel mit der AGB Italia SpA (nachstehend: AGB) einen Vertrag, der die Errichtung und Verwaltung des gesamten Systems zur Messung von Einschaltquoten durch die AGB für die Auditel betraf.

8 Diese drei Verträge meldete die Auditel im September 1986 bei der Kommission an.

9 Artikel 11 des Übereinkommens zwischen den Gesellschaftern der Auditel wurde im Laufe des Verwaltungsverfahrens zweimal geändert, um seinen Anwendungsbereich einzuschränken; schließlich wurde er am 24. Juli 1993 gestrichen.

10 Im Juni 1987 reichte die AC Nielsen Italia SpA (nachstehend: Nielsen), eine auf Marktforschung spezialisierte Firma, eine Beschwerde bei der Kommission ein, mit der sie insbesondere geltend machte, daß die Ausschließlichkeit des Vertrages zwischen AGB und Auditel und die den Gesellschaftern der Auditel durch Artikel 11 des Übereinkommenes auferlegte Verpflichtung gegen Artikel 85 EWG-Vertrag (später EG-Vertrag; nachstehend: Vertrag) verstießen. Ausserdem trug sie vor, daß Artikel 11 des Übereinkommens der Auditel eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Einschaltquoten-Basisdaten verschaffe, die sie mißbrauche.

11 Am 24. November 1993 erließ die Kommission die Entscheidung 93/688/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/32.031 - Auditel) (ABl. L 306, S. 50), in der sie feststellte,

- daß Artikel 11 des Übereinkommens zwischen den Gesellschaftern der Auditel bis zu seiner formellen Streichung am 24. Juli 1993 einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellte (Artikel 1 der Entscheidung),

- daß der Antrag auf eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages hinsichtlich Artikel 11 des Übereinkommens abgewiesen wird (Artikel 2 der Entscheidung),

- daß kein Grund zu einem Einschreiten nach den Artikeln 85 und 86 des Vertrages gegen den Gesellschaftsvertrag und die Satzung der Auditel, die Verträge zwischen Auditel und AGB, die noch in Kraft befindlichen Artikel des Übereinkommens und das Verhalten der Auditel auf dem Markt besteht (Artikel 3 der Entscheidung).

12 Die Auditel hat gegen die Artikel 1 und 2 der Entscheidung eine Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssache T-66/94).

Zum Streithilfeantrag

Vorbringen der Parteien

13 Die Antragstellerin beruft sich im wesentlichen auf drei Gründe, durch die ihrer Ansicht nach ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft gemacht wird.

14 Zunächst führt sie aus, sie sei Rechtsnachfolgerin der Nielsen, die in dem Verfahren, das zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geführt habe, eine Beschwerde gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) eingereicht habe. Sie führt weiter aus, daß sie zur Teilnahme an der Anhörung vor der Kommission geladen worden sei und den Nachweis für die wettbewerbswidrigen Wirkungen des Übereinkommens zwischen den Gesellschaftern der Auditel erbracht habe. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223) ergebe sich, daß der Beschwerdeführer Rechtsstreitigkeiten beitreten könne, in denen seiner Beschwerde, wie im vorliegenden Fall, mit der angefochtenen Entscheidung stattgegeben worden sei.

15 Zweitens macht die Antragstellerin geltend, daß die streitigen Vereinbarungen sich unmittelbar auf ihre Stellung im Wettbewerb auswirkten. Da sie Marktforschung betreibe und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verkaufsförderung und der Werbung erbringe, sei sie eine unmittelbare Konkurrentin der AGB, die von der Auditel beauftragt worden sei, das Auditel-System zur Meßsung der Einschaltquoten zu organisieren und zu verwalten und die erhobenen Daten für die Auditel und ihre Gesellschafter zu analysieren und zu verarbeiten. Artikel 11 des Übereinkommens, der bestimme, daß "die Partner der Auditel... sich bei allem, was für die Werbung und Vermarktung von Bedeutung sein kann, [verpflichten,] ausschließlich die Leistungen der Auditel in Anspruch zu nehmen und nur diejenigen Daten als gültig anzuerkennen, die sich aufgrund der Messungen und Untersuchungen der Auditel ergeben", habe sie daran gehindert, den Gesellschaftern der Auditel, die etwa 95 % des Marktes für ihre Dienstleistungen ausmachten, eine damit konkurrierende Dienstleistung und eine Reihe zusätzlicher, damit zusammenhängender Dienstleistungen anzubieten.

16 Schließlich begründet die Antragstellerin ihr Interesse am Ausgang des Rechtsstreits mit dem Umstand, daß die angefochtene Entscheidung ihr in dem Verfahren, das die Auditel vor dem Tribunale Mailand gegen sie angestrengt habe, als Stütze und als Beweismittel zur Untermauerung ihrer Widerklage diene (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322).

17 In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeantrag vertritt die Beklagte in Anbetracht der von der Antragstellerin angeführten Gründe den Standpunkt, daß diese als Nachfolgerin von Nielsen ein unmittelbares und echtes Interesse an dem Urteil über die angefochtene Entscheidung habe, da eine Aufhebung dieser Entscheidung ihr schaden würde (Beschlüsse des Gerichts vom 13. Juni 1994 in der Rechtssache T-542/93, Reti Televisive Italiane/Kommission, und des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1978 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, nicht in der Sammlung veröffentlicht).

18 Dagegen ist die Klägerin der Auffassung, daß sich aus den Argumenten, auf die sich die Antragstellerin berufe, nicht ergebe, daß diese ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe.

19 Sie macht zunächst geltend, daß die Antragstellerin nicht als Konkurrentin der Auditel auftrete - was sie auch nicht sei -, sondern als Konkurrentin der AGB, die mit diesem Verfahren nichts zu tun habe, da der zwischen Auditel und AGB geschlossene Vertrag in Artikel 3 der Entscheidung für mit den Wettbewerbsregeln vereinbar erklärt und dieser Artikel vor dem Gericht nicht angefochten worden sei. Artikel 11 des Übereinkommens, um den es in der Klage allein gehe, betreffe ausschließlich die nur innerhalb der Auditel geltende und in ihrer Bedeutung sehr begrenzte Verpflichtung, für bestimmte Zwecke nur die von Auditel gelieferten Rohdaten zu verwenden. Die Antragstellerin habe die in diesem Artikel 11 enthaltene Verpflichtung nie beanstandet. Auch sei unverständlich, warum dieser Artikel, der im übrigen inzwischen gestrichen worden sei, für die Antragstellerin grundlegende Bedeutung haben solle. Die Antragstellerin, die gegen Artikel 3 der Entscheidung keine Klage erhoben habe, wolle sich in Wirklichkeit mit der Streithilfe einen Rechtsbehelf schaffen, der ihr den Rückgriff auf Argumente ermögliche, die sie wegen des Fristablaufs für eine Klage gegen Artikel 3 der Entscheidung nicht mehr geltend machen könne.

20 Die Klägerin ist ferner der Ansicht, daß Artikel 11 habe sich des Übereinkommens die Antragstellerin nicht daran habe hindern können, den Mitgliedern der Auditel eine konkurrierende Dienstleistung oder damit zusammenhängende Dienstleistungen anzubieten. Artikel 11 habe sich immer nur auf die Verwendung der Rohdaten bezogen, und auch das nur in eng begrenzten Bereichen, so daß die Antragstellerin in der Lage gewesen wäre, den Gesellschaftern der Auditel zum einen ihre eigenen Erhebungen von Rohdaten für alle nicht von Artikel 11 erfassten Verwendungszwecke und zum anderen "komplexe" Daten jeder Art zu liefern. Aus dem Umstand, daß die Rohdaten überhaupt keine kommerzielle Bedeutung hätten, solange sie nicht verarbeitet würden, und dem Umstand, daß sie zu Spottpreisen geliefert würden, sei zu schließen, daß Artikel 11 keinen Einfluß auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern gehabt haben könne.

21 Zum angeblichen Zusammenhang zwischen der vorliegenden Klage und bei dem nationalen Gericht anhängigen Verfahren macht die Klägerin geltend, daß es in diesem nationalen Verfahren, das sie selbst eingeleitet habe, nicht speziell um Artikel 11 des Übereinkommens gehe, sondern um die Gesamtheit ihrer Verträge, und daß sich folglich der Gegenstand der vorliegenden Klage nicht mit der "Grundlage der Klage" in dem beim Tribunale Mailand anhängigen Verfahren decke. Auch habe die Kommission selbst dieses nationale Verfahren als gesondertes Verfahren bezeichnet, das von dem Gemeinschaftsverfahren unabhängig sei und nur teilweise die gleichen Fragen wie dieses betreffe.

22 Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, daß die Eigenschaft der Antragstellerin als Beschwerdeführerin gegenüber der Kommission zum Nachweis ihres Interesses an der Streithilfe nicht ausreiche. Sie führt dazu näher aus, daß die angefochtene Entscheidung nicht durch die Beschwerde, sondern durch die Anmeldung der Verträge, die sie selbst vorgenommen habe, herbeigeführt worden sei. Die Antragstellerin habe ausserdem niemals Einwände gegen die ihren Gesellschaftern auferlegte Verpflichtung, nur von einer Quelle stammende Rohdaten zu verwenden, oder gegen den Inhalt des Artikels 11 erhoben.

Würdigung durch das Gericht

23 Zunächst ist festzustellen, daß die Antragstellerin, oder zumindest die Firma Nielsen, deren Nachfolgerin sie ist, unstreitig nicht nur einen Antrag gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 gestellt, sondern sich auch aktiv an dem Verwaltungsverfahren vor der Kommission beteiligt hat.

24 Das Gericht stellt ferner fest, daß die Behauptung der Klägerin, die Antragstellerin habe niemals Einwände gegen den Inhalt von Artikel 11 des Übereinkommens erhoben, dessen Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsregeln des Vertrages Gegenstand der vorliegenden Klage ist, offensichtlich nicht zutrifft. In Punkt 9 der Entscheidung heisst es, daß Nielsen in ihrer Beschwerde u. a. die Meinung vertreten habe, daß "Abnahmeverpflichtungen für Auditel-Gesellschafter in Artikel 11 des Übereinkommens" gegen Artikel 85 verstießen. Dazu hat sich auch der Beistand der Antragstellerin in der Anhörung vor der Kommission ausführlich geäussert: "Article 11, which is the object of the Statement of Objections, is clearly one unjustifiable restriction of competition and one which both Nielsen and MTVS have been contesting since 1986" ("Artikel 11, der Gegenstand der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist, stellt offensichtlich eine ungerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkung dar, die Nielsen und MTVS seit 1986 beanstanden"; Protokoll der Anhörung, S. 11).

25 Ausserdem ist festzustellen, daß die Klägerin, wie sie selbst in ihrer Klageschrift vorgetragen hat, beim Tribunale Mailand gegen Nielsen Klage auf Feststellung der Rechtmässigkeit der streitigen Verträge unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts erhoben hat (Klageschrift, S. 7), und daß dieses Gericht das Verfahren mehrmals ausgesetzt hat, um die Ergebnisse der von der Kommission durchgeführten Untersuchung abzuwarten (Anlage 12 der Klageschrift).

26 Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, daß die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, daß sie ein ausreichendes Interesse im Sinne von Artikel 37 der EG-Satzung des Gerichtshofes daran hat, die Position der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit zu unterstützen.

27 Das Gericht hält ferner die von der Klägerin geäusserte Befürchtung, die Antragstellerin könnte mit der Streithilfe versuchen, die Begründetheit der in Artikel 3 der Entscheidung enthaltenen Feststellung, die nicht Gegenstand der vorliegenden Klage ist, in Zweifel zu ziehen, für unbegründet, weil die Anträge des Streithelfers nur der Unterstützung oder Bekämpfung der Anträge einer der Parteien des Rechtsstreits dienen dürfen und es dem Streithelfer also nicht möglich ist, den Streitgegenstand in irgendeiner Weise zu verändern.

28 Unter diesen Umständen ist die Antragstellerin in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zuzulassen.

Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter Unterlagen

29 Mit Schreiben vom 19. Juli 1994 hat die Klägerin beantragt, die Anlagen 1 (Formblatt A/B mit den dazugehörigen Anlagen) und 20 (Vertrag zwischen Auditel und AGB) ihrer Klageschrift der Antragstellerin im Fall ihrer Zulassung als Streithelferin nicht zu übermitteln. Dazu macht sie geltend, daß es sich dabei um Verträge handele, die zwischen Privatpersonen geschlossen und der Streithelferin im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht vollständig übermittelt worden seien und deren Übermittlung ihr in Anbetracht des unmittelbaren Wettbewerbsverhältnisses, das zwischen der Antragstellerin und der AGB bestehe, schaden könne.

30 Mit Schreiben vom 5. September 1994 hat die Beklagte bestätigt, daß die Verträge, auf die sich die Klägerin beziehe, ihrer Meinung nach insoweit vertraulich seien, als darin das gesamte System der AGB zur Messung der Einschaltquoten sehr detailliert beschrieben werde.

31 Das Gericht stellt fest, daß zur Beurteilung der Voraussetzungen, unter denen die vertrauliche Behandlung bestimmter Unterlagen bewilligt werden kann, das berechtigte Bestreben der Klägerin, zu verhindern, daß ihre geschäftlichen Interessen wesentlich beeinträchtigt werden, und das ° ebenso berechtigte ° Bestreben der Streithelferin, über die notwendigen Informationen zu verfügen, um voll in der Lage zu sein, vor dem Gemeinschaftsrichter ihre Rechte geltend zu machen und ihre Auffassung zu vertreten, gegeneinander abzuwägen sind (Beschluß des Gerichts vom 4. April 1990 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1990, II-163, Randnummer 11).

32 Die Prüfung von Anlage 20 der Klageschrift durch das Gericht im Lichte dieser Erwägungen zeigt, daß dieses Schriftstück tatsächlich als "geheime oder vertrauliche Unterlage" im Sinne des Artikels 116 § 2 der Verfahrensordnung zu betrachten ist.

33 Soweit es um Anlage 1 der Klageschrift geht, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Klägerin ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung damit begründet hat, daß es sich dabei um Verträge zwischen Privatpersonen handele. Das Gericht stellt ferner fest, daß diese Anlage 1 zum einen aus der eigentlichen Anmeldung (Formblatt A/B mit der dazugehörigen Anlage) und zum anderen aus sechs Anlagen zu dieser Anmeldung besteht. Abgesehen von einigen wenigen Zahlen, die als Geschäftsgeheimnisse angesehen werden und daher in den Genuß einer vertraulichen Behandlung kommen können, enthält die eigentliche Anmeldung nach Auffassung des Gerichts im übrigen nur eine ziemlich kurze allgemeine Beschreibung der Verträge und deren Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Artikels 85, Absätze 1 und 3, deren Offenlegung gegenüber der Streithelferin nicht geeignet ist, die geschäftlichen Interessen der Klägerin wesentlich zu beeinträchtigen, zumal diese Angaben grösstenteils auch in der veröffentlichten Entscheidung und in den Schriftsätzen der Parteien stehen. Was die Anlagen zur Anmeldung angeht, so ist das Gericht der Auffassung, daß nur die Anlagen 1 (Protokoll einer Sitzung des Verwaltungsrats der Auditel), 2 (Gründungsvertrag der Auditel), 4 (Vertrag zwischen den Gesellschaftern der Auditel) und 5 (Vertrag zwischen Auditel und AGB) als vertraulich angesehen werden können. Die Anlagen 3 (Satzung der Auditel) und 6 (Presseausschnitte) sind dagegen Unterlagen, deren öffentlicher Charakter die Bewilligung einer vertraulichen Behandlung schon begrifflich ausschließt.

Zum Antrag auf Abweichung von der Sprachenregelung

34 Die Antragstellerin hat ferner beantragt, sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Verfahren, zumindest aber im mündlichen Verfahren, die englische Sprache verwenden zu dürfen. Hierzu macht sie geltend, daß sie als Tochtergesellschaft einer amerikanischen Gesellschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit die englische Sprache verwende, daß ihre Beschwerde an die Kommission auf englisch abgefasst sei und daß während des ganzen Verfahrens vor der Kommission, einschließlich der Anhörung, das Englische verwendet worden sei. Sie fügt hinzu, daß sie auf die Dienste eines ihrer Prozeßbevollmächtigten, der sie im gesamten Verfahren vor der Kommission vertreten habe, verzichten müsste, wenn ihr die Abweichung von der Verfahrenssprache nicht gestattet werden sollte.

35 Die Klägerin hat diesem Antrag widersprochen.

36 Es ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 35 § 3 Absatz 4 der Verfahrensordnung nur den Mitgliedstaaten, die einen Rechtsstreit als Streithelfer beitreten, eine Abweichung von dem Grundsatz erlaubt, daß die Streithelfer die von den Parteien bestimmte Verfahrenssprache zu verwenden haben. Artikel 35 § 2 Buchstabe b der Verfahrensordnung ermöglicht es dem Gericht jedoch, eine andere der in Artikel 35 § 1 genannten Sprachen ganz oder teilweise als die Verfahrenssprache zuzulassen (Beschlüsse des Gerichts vom 1. Juli 1993 in der Rechtssache T-3/93, Air France/Kommission, und vom 15. Juli 1993 in der Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission, nicht in der Sammlung der Rechtssprechung veröffentlicht).

37 Nach Ansicht des Gerichts lassen die von der Antragstellerin vorgebrachten Argumente nicht den Schluß zu, daß ohne eine solche Abweichung ihre Rechte im schriftlichen Verfahren beeinträchtigt würden, denn die Antragstellerin kann sich mit eigenen Mitteln Übersetzungen der Schriftsätze und anderen Schriftstücke ins Englische besorgen und ihren Schriftsatz ins Italienische übersetzen lassen, zumal einer ihrer Prozeßbevollmächtigten Italiener ist. Ihr Antrag ist daher zurückzuweisen, soweit er das schriftliche Verfahren betrifft.

38 Was dagegen das mündliche Verfahren angeht, so ist das Gericht der Auffassung, daß dem Antrag der Streithelferin auf Verwendung der englischen Sprache stattzugeben ist, da sie ein offensichtliches Interesse daran hat, sich weiterhin des Prozeßbevollmächtigten ihrer Wahl bedienen zu können, und diese Abweichung ausserdem die Verfahrensrechte der Parteien des Rechtsstreits nicht beeinträchtigt und insbesondere keine Verzögerung im Verfahrensablauf mit sich bringt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

beschlossen:

1) Die D & B Marketing Information Services SpA wird als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.

2) Dem Antrag auf vertrauliche Behandlung gegenüber der Streithelferin wird bezueglich der gesamten Anlage 20 der Klageschrift und hinsichtlich der Anlage 1 der Klageschrift im folgenden Umfang stattgegeben:

- Die Anmeldung (das Formulblatt A/B und die dazugehörige Anlage) wird der Streithelferin mit Ausnahme der Angaben übermittelt, die in der diesem Beschluß beigefügten Fassung dieses Schriftstücks unleserlich gemacht sind.

- Die Anlagen 1, 2, 4 und 5 der Anmeldung werden der Streithelferin nicht übermittelt.

- Im übrigen, also hinsichtlich der Anlagen 3 und 6 der Anmeldung, wird der Antrag auf vertrauliche Behandlung zurückgewiesen.

3) Der Kanzler stellt der Streithelferin eine nichtvertrauliche Fassung der Schriftstücke zu.

4) Der Streithelferin wird eine Frist zur schriftlichen Begründung ihrer Anträge gesetzt werden.

5) Der Antrag der D & B auf Abweichung von der Sprachenregelung wird bezueglich des schriftlichen Verfahrens zurückgewiesen.

6) Dem Antrag der D & B, im mündlichen Verfahren die englische Sprache verwenden zu dürfen, wird stattgegeben.

7) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 6. Februar 1995

Ende der Entscheidung

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