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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.1988
Aktenzeichen: 111/88 R
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTSHOFES VOM 6. MAI 1988. - REPUBLIK GRIECHENLAND GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WIRTSCHAFTSPOLITIK - ZAHLUNGSBILANZ - SCHUTZMASSNAHMEN. - RECHTSSACHE 111/88 R.

Entscheidungsgründe:

1 Die Griechische Republik hat mit Schriftsatz, der am 7. April 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung E/88/200 der Kommission vom 4. Februar 1988 zur Änderung der Entscheidung 86/614/EWG der Kommission vom 16. Dezember l986 zur Änderung der Entscheidung 85/594/EWG der Kommission zur Ermächtigung Griechenlands, bestimmte Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 108 Absatz 3 des EWG-Vertrags zu treffen ( ABl. L 357, S. 28 ).

2 Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Antragstellerin nach den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag sowie nach Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, den Vollzug der vorerwähnten Entscheidung der Kommission vom 4. Februar 1988 im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum dreissigsten Tag nach Zustellung des Urteils des Gerichtshofes in der Hauptsache auszusetzen.

3 Die Antragsgegnerin hat ihre schriftliche Stellungnahme am 29. April 1988 eingereicht. Die Parteien haben am 2. Mai 1988 mündlich verhandelt.

4 Vor der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung erscheint es zweckmässig, den tatsächlichen und rechtlichen Kontext dieser Rechtssache kurz darzustellen.

5 Auf Kreta wächst die Citrus Medica, eine Baumart, deren Frucht die Zitronatzitrone ist; deren Schale wird zur Herstellung von Marmelade verwendet. Im Jahre 1983 begannen die im Verband der kretischen Zitrusfrüchteerzeuger zusammengeschlossenen kretischen Erzeuger dieser Früchte damit, diese vor allem nach Deutschland auszuführen.

6 Im März 1983 beschwerte sich ein niederländischer Hersteller desselben Produkts bei der Kommission darüber, daß er unlauterem Wettbewerb von seiten der griechischen Unternehmen ausgesetzt sei, da diese Ausfuhrbeihilfen in Höhe von 32 % des fob-Preises erhielten.

7 Am 29. April 1987 beantragten dieser Hersteller sowie der niederländische Verband der Obst - und Gemüseverarbeitungsindustrie bei der Kommission die Anwendung von Artikel 3 der Entscheidung 86/614/EWG der Kommission vom 16. Dezember 1986 ( ABl. L 357, S. 28 ) im Hinblick auf die Streichung aller griechischen Ausfuhrbeihilfen in diesem Sektor.

8 Durch ihre Entscheidung 86/614/EWG hatte die Kommission ihre Entscheidung 85/594/EWG vom 22. November 1985 zur Ermächtigung Griechenlands, gemäß Artikel 108 Absatz 3 des EWG-Vertrags gewisse Schutzmaßnahmen zu treffen ( ABl. L 373, S. 9 ), geändert, durch die Griechenland unter anderem ermächtigt wurde, bis zum 31. Dezember 1986 Ausfuhrbeihilfen zu gewähren, deren Betrag 26,4 % des fob-Preises nicht überschreiten durfte.

9 Nach der Entscheidung 86/614/EWG hat Griechenland die Ausfuhrbeihilfe grundsätzlich stufenweise nach Maßgabe des Artikels 1 in vier gleichen Stufen ab 1. Januar 1987, 1. Januar 1988, 1. Januar 1989 und 1. Januar 1990 abzuschaffen. Artikel 3 der Entscheidung enthält jedoch den folgenden Vorbehalt :

" Sollten der Kommission Beweismittel vorgelegt werden, mit denen nach Prüfung und nach Konsultierung der interessierten Parteien der Nachweis erbracht wird, daß die Gewährung der Ausfuhrbeihilfe an einen bestimmten Sektor erhebliche Änderungen in den herkömmlichen Handelsströmen verursacht oder zu verursachen droht und daß diese Änderungen bedeutende Schädigungen einem bestimmten Industriezweig in anderen Mitgliedstaaten in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Masse zufügen oder zuzufügen drohen, wird die Kommission diese Entscheidung ändern, um die Beihilfen an den betreffenden Wirtschaftszweig einzuschränken oder zu streichen."

10 Da die Kommission die Voraussetzungen des Artikels 3 der Entscheidung 86/614/EWG für erfuellt hielt, beschloß sie, ihre Entscheidung vom 4. Februar 1988 zu erlassen, deren Vollzug ausgesetzt werden soll. In dieser Entscheidung wird der griechischen Regierung vom 4. Februar 1988 an die Gewährung von Beihilfen bei der Ausfuhr von Zitronat ( Nimexe-Kennziffer 20.04-30 ) untersagt.

11 Gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag haben Klagen bei dem Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

12 Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung wie der beantragten setzt nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung voraus, daß in dem entsprechenden Antrag die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wird und die Umstände angeführt werden, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt.

13 Es ist zunächst zu prüfen, welche Umstände die Antragstellerin anführt, um die Dringlichkeit darzutun, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes voraussetzt, daß der Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens unmittelbar bevorsteht.

14 Hierzu führt die Antragstellerin zunächst aus, den 2 000 kretischen Zitronatherstellern, die im Verband der kretischen Zitrusfrüchteerzeuger zusammengeschlossen seien, entstehe aus der Anwendung der streitigen Entscheidung vom 4. Februar 1988, die die Planung ihrer Produktion und den Absatz ihrer Produkte unmöglich mache, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden. Die Verträge über den Verkauf dieser Produkte hätten nämlich eine Laufzeit von einem Jahr und würden im ersten Quartal geschlossen, so daß dieser Verband, wenn er die mit seinen Mitgliedern eingegangenen Verträge erfuellen wolle, den Betrag der abgeschafften Beihilfen aufzubringen habe. Sie macht sodann geltend, die Aufhebung dieser Beihilfen beeinträchtige nachhaltig die Stabilität der Zahlungsbilanz der Griechischen Republik, da sie dazu beitrage, die Inflationstendenzen noch zu verstärken. Schließlich trägt sie vor, wenn ihrer Klage in zwei Jahren stattgegeben werde, sei die ihr in der Entscheidung 86/614/EWG für die Beihilfegewährung bis zum 1. Januar 1990 eingeräumte Übergangsfrist abgelaufen; dadurch entstehe ihr und den Zitronatherstellern ein nicht wiedergutzumachender Schaden.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Frage der Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung im Sinne von Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, daß dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Die Partei, die die Aussetzung des Vollzugs begehrt, hat deshalb den Nachweis dafür zu erbringen, daß sie den Ausgang des Hauptverfahrens nicht abwarten kann, ohne selbst einen Schaden zu erleiden, der schwere und nicht wiedergutzumachende Folgen für sie hätte ( so insbesondere der Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. Juni 1987 in der Rechtssache 142/87 R, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1987, 2589 ).

16 Im Hinblick auf dieses Erfordernis ist festzustellen, daß nur der zweite Antragsgrund, mit dem die Gefährdung des Zahlungsbilanzgleichgewichts geltend gemacht wird, als geeignet erscheint, gegebenenfalls einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden der Griechischen Republik darzutun. Folglich ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein auf dieses Argument einzugehen.

17 Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Wert der Ausfuhren von Zitronat nach den Eurostat-Statistiken für 1986 nur 0,0245 % des Wertes der griechischen Gesamtausfuhren ausmache.

18 Dazu ist festzustellen, daß - wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat - ein so geringer Prozentsatz, der unter 1 % des Gesamtwertes der griechischen Ausfuhren liegt, nicht als geeignet angesehen werden kann, unter dem Gesichtspunkt der Stabilität der Zahlungsbilanz der Griechischen Republik einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen ( vgl. in diesem Sinne den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 24. September 1986 in der Rechtssache 214/86 R, Republik Griechenland/Kommission, Slg. 1986, 2631 ).

19 Die Antragtellerin hat sonach nicht dargetan, daß ihr durch die Entscheidung der Kommission vom 4. Februar 1988 ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde. Es ist ihr mithin nicht gelungen, die eine Dringlichkeit begründenden Umstände nachzuweisen, was eine unerläßliche Voraussetzung für die Aussetzung des Vollzugs darstellt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen :

1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 6. Mai 1988.

Ende der Entscheidung

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