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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.1988
Aktenzeichen: 127/87
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Macht ein Mitgliedstaat die Einfuhr eines bestimmten Erzeugnisses aus anderen Mitgliedstaaten von der Einhaltung von Hoechstpreisen und von der systematischen Kontrolle dieser Voraussetzung abhängig, stellt dies eine nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen dar, soweit vergleichbare Hoechstpreise für die inländische Produktion nicht gelten. Da die Ausübung der den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Währungspolitik ihnen nicht erlaubt, einseitig Maßnahmen zu ergreifen, die der Vertrag untersagt, lässt sich die beanstandete Maßnahme nicht mit ihrer währungspolitischen Zielsetzung rechtfertigen.

2. In den Bereichen, die einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegen, und erst recht, wenn diese Organisation auf einem gemeinsamen Preissystem fusst, sind die Mitgliedstaaten nicht mehr befugt, durch einseitig erlassene innerstaatliche Rechtsvorschriften in den Mechanismus der Bildung derjenigen Preise einzugreifen, die in der gemeinsamen Marktorganisation auf der gleichen Produktions - oder Handelsstufe geregelt sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 21. JUNI 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - HOECHSTPREISE FUER SCHAF- UND ZIEGENFLEISCHIMPORTE. - RECHTSSACHE 127/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 15. April 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß die Griechische Republik durch ihre innerstaatlichen Vorschriften und ihre Praxis bei der Einfuhr von Schaf - und Ziegenfleisch sowie von lebenden Schafen und Ziegen, insbesondere indem sie diese Einfuhr von der Einhaltung von Hoechstpreisen und von der systematischen Kontrolle dieser Voraussetzung abhängig gemacht hat, gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 113 EWG-Vertrag sowie aus der Verordnung Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf - und Ziegenfleisch ( ABl. L 183, S. 1 ), den Verordnungen Nr. 19/82 und Nr. 20/82 der Kommission vom 6. Januar 1982, erstere mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 2641/80 hinsichtlich der Einfuhren von Erzeugnissen des Schaf - und Ziegenfleischsektors mit Ursprung in bestimmten Drittländern, letztere mit besonderen Durchführungsvorschriften für die Einfuhr - und Ausfuhrlizenzen für Schaf - und Ziegenfleisch ( ABl. L 3, S. 18 bzw. 26 ), und den Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bestimmten Drittländern über den Handel mit Schafen und Ziegen verstossen hat.

2 Aus den Akten ergibt sich, daß der griechische Handelsminister mit Entscheidung E6/1484/3/84 vom 19. März 1984 Hoechstpreise für die Einfuhr von Schaf - und Ziegenfleisch sowie von lebenden Schafen und Ziegen in die Griechische Republik bekanntgegeben hat. Nach dieser Entscheidung müssen die Einfuhrrechnungen einem Ausschuß für die Kontrolle der Einfuhrdevisen zwecks vorbeugender Preiskontrolle vorgelegt werden, und bereits erteilte Einfuhrgenehmigungen für Einfuhren, für die in der Rechnung ein höherer Preis aufgeführt ist, müssen widerrufen werden, wenn der Preis für die Waren noch nicht bezahlt worden ist.

3 Wegen des vorprozessualen Verfahrens und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

4 Die griechische Regierung vertritt die Ansicht, daß die mit der streitigen Entscheidung festgesetzten Preise nur Richtpreise seien. Sie sollten die Arbeit der für den Devisenverkehr zuständigen Behörden erleichtern, indem sie es ihnen ermöglichten, die rechtswidrige Devisenflucht zu verhindern. Als Nebenwirkung ergebe sich der Schutz eines gesunden Wettbewerbs und die Verhinderung eines unrealistischen und künstlichen Preisanstiegs. Die Bekanntgabe dieser Preise könne weder als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Artikels 30 EWG-Vertrag noch als eine Maßnahme der Handelspolitik im Sinne des Artikels 113 EWG-Vertrag angesehen werden.

5 Zum Charakter dieser Preise ist zu bemerken, daß sie bereits nach dem Wortlaut der streitigen Entscheidung offenbar verbindlich sind. In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der griechischen Regierung ausgeführt, daß die Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich in Kenntnis der Risiken einer Sanktion die festgesetzten Preise akzeptierten und es in der Praxis keine Einfuhren zu höheren Preisen gebe. Somit ist festzustellen, daß es sich um Hoechstpreise handelt, deren Einhaltung Voraussetzung für jede Einfuhr ist. Darüber hinaus ist unstreitig, daß diese Hoechstpreise und die Maßnahmen der vorherigen Preiskontrolle nicht für die inländische Produktion, sondern nur für die Einfuhren aus den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und aus Drittländern gelten.

6 Eine solche Regelung ist ohne jeden Zweifel geeignet, die Einfuhren mindestens potentiell zu behindern. Wenn sie auf Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten angewendet wird, stellt sie daher nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe erstmals das Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837 ) eine nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen dar, wie sie im übrigen aufgeführt ist in Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 70/50 der Kommission vom 22. Dezember 1969, gestützt auf die Vorschriften des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere aufgrund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen ( ABl. 1970, L 13, S. 29 ).

7 Die beanstandete Maßnahme lässt sich nicht mit ihrer währungspolitischen Zielsetzung rechtfertigen. Wie sich nämlich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt ( siehe zuletzt das Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86, Griechische Republik/Kommission, Slg. 1988,...), kann die Ausübung der den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Währungspolitik es ihnen nicht erlauben, einseitig Maßnahmen zu ergreifen, die der Vertrag untersagt.

8 Darüber hinaus ist das Verbot, einseitig innerstaatliche Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen zu ergreifen, durch Artikel 20 Absatz 2 der erwähnten Verordnung Nr. 1837/80, der Grundverordnung für die gemeinsame Marktorganisation für Schaf - und Ziegenfleisch, auf den Handel mit Drittländern ausgedehnt worden. Mit dieser Verordnung ist ausserdem eine Preisregelung eingeführt worden, die unter anderem einen Grundpreis und einen Interventionspreis vorsieht, und nach ständiger Rechtsprechung ( siehe erstmals das Urteil vom 6. November 1979 in der Rechtssache 10/79, Toffoli, Slg. 1979, 3301 ) sind in den Bereichen, die einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegen, und erst recht, wenn diese Organisation auf einem gemeinsamen Preissystem fusst, die Mitgliedstaaten nicht mehr befugt, durch einseitig erlassene innerstaatliche Rechtsvorschriften in den Mechanismus der Bildung derjenigen Preise einzugreifen, die in der gemeinsamen Marktorganisation auf der gleichen Produktions - oder Handelsstufe geregelt sind. Somit verstösst die beanstandete griechische Maßnahme auch gegen die Verordnung Nr. 1837/80.

9 Bezueglich der Einfuhren aus Drittländern fällt die streitige Maßnahme unter die gemeinsame Handelspolitik, für die nach Artikel 113 EWG-Vertrag ausschließlich die Gemeinschaft zuständig ist. Dies wird durch den Abschluß von Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Drittländern, insbesondere Staatshandelsländern, gerade im Schaf - und Ziegenfleischsektor deutlich. Diese Abkommen verbieten jede Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung, wenn der Handel bestimmte Mengen nicht überschreitet, und sie bestimmen, daß die Einfuhrlizenzen von den Mitgliedstaaten auf Vorlage der Ausfuhrlizenzen automatisch erteilt werden. Die beiden erwähnten Verordnungen Nr. 19/82 und Nr. 20/82 der Kommission betreffen die Erfuellung dieser Verpflichtungen in den Mitgliedstaaten. Somit ist festzustellen, daß die beanstandete griechische Maßnahme auch gegen die genannten Bestimmungen verstösst.

10 Nach alledem hat die Griechische Republik dadurch, daß sie die Einfuhren von Schaf - und Ziegenfleisch sowie von lebenden Schafen und Ziegen von der Einhaltung von Hoechstpreisen und von der systematischen Kontrolle dieser Voraussetzung abhängig gemacht hat, gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 113 EWG-Vertrag sowie aus der Verordnung Nr. 1837/80 des Rates, den Verordnungen Nr. 19/82 und Nr. 20/82 der Kommission und den Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bestimmten Drittländern über den Handel mit Schafen und Ziegen verstossen.

Kostenentscheidung:

Kosten

11 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Griechische Republik hat dadurch, daß sie die Einfuhren von Schaf - und Ziegenfleisch sowie von lebenden Schafen und Ziegen von der Einhaltung von Hoechstpreisen und von der systematischen Kontrolle dieser Voraussetzung abhängig gemacht hat, gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 113 EWG-Vertrag sowie aus der Verordnung Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf - und Ziegenfleisch, den Verordnungen Nr. 19/82 und Nr. 20/82 der Kommission vom 6. Januar 1982, erstere mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 2641/80 hinsichtlich der Einfuhren von Erzeugnissen des Schaf - und Ziegenfleischsektors mit Ursprung in bestimmten Drittländern, letztere mit besonderen Durchführungsvorschriften für die Einfuhr - und Ausfuhrlizenzen für Schaf - und Ziegenfleisch, und den Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bestimmten Drittländern über den Handel mit Schafen und Ziegen verstossen.

2 ) Die Griechische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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