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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.03.1989
Aktenzeichen: 133/88
Rechtsgebiete: VerfO Gerichtshof
Vorschriften:
VerfO Gerichtshof Art. 38 |
Nach dem System des Statuts soll das Vorverfahren, das durch Einlegung einer vorherigen Verwaltungsbeschwerde eingeleitet wird, eine einverständliche Beilegung des zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften und der Verwaltung entstandenen Streits ermöglichen. Dieses Verfahren kann seinen Zweck nur erfuellen, wenn die Anstellungsbehörde von den Rügen der Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen kann.
Im Verfahren vor dem Gerichtshof müssen die Anträge denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und die Rügen müssen auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen. Letztere können vor dem Gerichtshof auf Argumente gestützt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen. Im übrigen darf die Verwaltung in der Phase des Vorverfahrens Beschwerden nicht eng auslegen; diese müssen vielmehr aufgeschlossen geprüft werden.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 14. MAERZ 1989. - CASTO DEL AMO MARTINEZ GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - NICHTUEBEREINSTIMMUNG VON BESCHWERDE UND KLAGE. - RECHTSSACHE 133/88.
Entscheidungsgründe:
1 Der Kläger, ein Beamter des Europäischen Parlaments in der Besoldungsgruppe LA 7, hat mit Klageschrift, die am 10. Mai 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren LA/104, ihn nicht in das nach Abschluß der Prüfungen dieses Auswahlverfahrens aufgestellte Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufzunehmen.
2 Das Auswahlverfahren LA/104 war ein internes Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen und diente der Einstellung von Hauptübersetzern spanischer Sprache und Hauptübersetzern portugiesischer Sprache.
3 Nach der Stellenausschreibung sollte dieses Verfahren zwei Phasen durchlaufen. In der ersten Phase sollte der Prüfungsausschuß die Befähigungsnachweise der Bewerber bewerten und benoten. Um zu den Prüfungen zugelassen zu werden mussten die Bewerber mindestens 6 Zehntel der für die Befähigungsnachweise vergebenen Hoechstpunktzahl erreichen. In einer zweiten Phase mussten die Bewerber vier schriftliche Prüfungen ablegen. Die im Rahmen dieser Prüfungen vergebenen Noten entschieden für sich betrachtet nicht über das Ausscheiden aus dem Verfahren. Nach der Stellenausschreibung mussten die Bewerber jedoch mindestens 6 Zehntel der für die Befähigungsnachweise und die Prüfungen vergebenen Gesamtpunktzahl erreichen, um in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgenommen zu werden.
4 Der Kläger erfuellte die Anforderungen an die Befähigungsnachweise und wurde deshalb zu den schriftlichen Prüfungen zugelassen. Da er nicht das Minimum von 6 Zehnteln der für die Befähigungsnachweise und für die Prüfungen vergebenen Gesamtpunktzahl erreichte, nahm ihn der Prüfungsausschuß nicht in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf.
5 Mit seiner Beschwerde vom 27. Oktober 1987 beanstandete der Kläger die Entscheidung des Prüfungsausschusses unter drei Gesichtspunkten. Zunächst seien die Prüfungsarbeiten von nicht hinreichend qualifizierten Mitgliedern des Prüfungsausschusses durchgesehen worden; sodann seien seine Prüfungsarbeiten im Verhältnis zu denen der anderen Bewerber nicht zutreffend bewertet worden; schließlich habe der Prüfungsausschuß die Vorschriften über die Geheimhaltung der Arbeiten des Ausschusses verletzt. Der Kläger schloß seine Beschwerde mit dem allgemeinen Antrag an die Anstellungsbeörde, die Arbeiten des Prüfungsausschusses aufzuheben, soweit dieser die Statutsbestimmungen über die Durchführung von Auswahlverfahren verletzt hat, und zu prüfen, "ob der Prüfungsausschuß, in (( seinem )) konkreten Fall ordnungsgemäß gehandelt hat ". Diese Beschwerde wurde am 11. Februar 1988 zurückgewiesen. Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Zu ihrer Begründung führt er einen einzigen Klagegrund an, nämlich die unrichtige Bewertung seiner Befähigungsnachweise durch den Prüfungsausschuß.
6 Das Europäische Parlament macht geltend, die Klage sei unzulässig, weil der vom Kläger angeführte Klagegrund vorprozessual nicht geltend gemacht worden sei.
7 Am 15. Dezember 1988 hat der Gerichtshof beschlossen, die Parteien nur zur Zulässigkeit und nicht auch zur Begründetheit zu hören.
8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
9 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Vorverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes eine einverständliche Beilegung des zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten und der Verwaltung entstandenen Streits ermöglichen soll. Dieses Verfahren kann seinen Zweck nur erfuellen, wenn die Anstellungsbehörde von den Rügen der Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen kann ( Urteil des Gerichtshofes, Erste Kammer, vom 1. Juli 1976 in der Rechtssache 58/76, Sergy/Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1976, 1139 ).
10 Sodann ist festzustellen, daß ein Beamter vor dem Gerichtshof nur Anträge stellen kann, die denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und daß er nur solche Rügen erheben kann, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen. Diese Rügen können vor dem Gerichtshof auf Argumente gestützt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen ( siehe zuletzt das Urteil des Gerichtshofes, Dritte Kammer, vom 26. Januar 1989 in der Rechtssache 224/87, Koutchoumoff/Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1989, 99 ).
11 Schließlich darf die Verwaltung, da das Vorverfahren informeller Natur ist und die Betroffenen in dieser Phase im allgemeinen ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts handeln, Beschwerden nicht eng auslegen, sondern muß sie aufgeschlossen prüfen.
12 Anhand dieser Grundsätze ist die Zulässigkeit der vorliegenden Klage zu prüfen.
13 Im vorliegenden Fall fehlt es in der vorprozessualen Beschwerde des Klägers nicht nur an einem Hinweis darauf, daß seine Befähigungsnachweise unrichtig bewertet worden sein sollen, sondern es wird darin auch nichts vorgetragen, woraus das beklagte Organ - selbst in dem Bestreben, die Beschwerde aufgeschlossen auszulegen - hätte entnehmen können, daß der Kläger eine unrichtige Bewertung seiner Befähigungsnachweise geltend machen wollte.
14 Unter diesen Umständen ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
15 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )
für Recht erkannt und entschieden :
1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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