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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.1988
Aktenzeichen: 135/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beamtenstatut


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 176
Beamtenstatut Art. 29
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Es ist Sache der Anstellungsbehörde, in der Reihenfolge des Artikels 29 Beamtenstatut die angemessenste Art der Besetzung einer freien Stelle zu wählen. Sie verfügt dazu bei der Suche nach den Bewerbern, die in bezug auf Befähigung, Integrität und Leistung die besten sind, über einen weiten Ermessensspielraum.

Wenn sich aus einem Urteil des Gerichtshofes die Ungültigkeit der nach einem internen Auswahlverfahren aufgestellten Eignungsliste ergibt, hat die Anstellungsbehörde, die nicht verpflichtet ist, ein einmal eingeleitetes Einstellungsverfahren mit der Besetzung des

freigewordenen Dienstpostens abzuschließen, das Recht, sich eines anderen Verfahrens, etwa des interinstitutionellen Auswahlverfahrens, zu bedienen, anstatt das ursprünglich gewählte Verfahren zu wiederholen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 8. JUNI 1988. - ANDRONIKI VLACHOU GEGEN RECHNUNGSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - AUSWAHLVERFAHREN - DURCHFUEHRUNG EINES URTEILS DES GERICHTSHOFES. - RECHTSSACHE 135/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Klägerin, Übersetzerin am Rechnungshof, hat mit Klageschrift, die am 30. April 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, Klage erhoben auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zum einen der Entscheidung, mit der der Rechnungshof es abgelehnt hat, die Klägerin auf die Planstelle eines Überprüfers/Hauptübersetzers zu ernennen, zum anderen der Entscheidung, mit der der Rechnungshof ein interinstitutionelles Auswahlverfahren zur Besetzung von zwei Dienstposten eines Überprüfers/Hauptübersetzers eröffnet hat.

2 Die Klägerin hatte an dem internen Auswahlverfahren CC/LA/20/82 teilgenommen, das der Besetzung der Planstelle eines Überprüfers/Hauptübersetzers in der griechischen Abteilung des Sprachendienstes des Rechnungshofes diente. Aufgrund des Auswahlverfahrens ernannte der Präsident des Rechnungshofes in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde auf die fragliche Planstelle mit Entscheidung vom 25. November 1983 Herrn Klapanaris, der auf der vom Prüfungsausschuß aufgestellten Eignungsliste an erster Stelle stand.

3 Gegen diese Entscheidung hatte die Klägerin, die auf derselben Eignungsliste an zweiter Stelle stand, Klage erhoben, mit der sie geltend gemacht hatte, das obengenannte Auswahlverfahren sei in mehrfacher Weise rechtswidrig gewesen.

4 Mit Urteil vom 6. Februar 1986 in der Rechtssache 143/84 ( Vlachou/Rechnungshof, Slg. 1986, 459 ) hat der Gerichtshof über diese Klage entschieden :

"Es ist deshalb festzustellen, daß der Prüfungsausschuß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung der Teilnehmer an einem Auswahlverfahren verstossen hat, indem er nach Kenntnisnahme von den Befähigungsnachweisen der Bewerber ein System der Verteilung der für die Berufserfahrung zu vergebenden Punkte festgelegt hat, das geeignet war, objektiv zu einer Unterbewertung bestimmter, von einem der Bewerber vorgelegter Befähigungsnachweise zu führen ( Randnr. 19 ).

Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Festlegung der Kriterien für die Bewertung der Befähigungsnachweise über die Berufserfahrung der Bewerber wirkt sich auf die Entscheidung aus, mit der der Prüfungsausschuß eine Eignungsliste mit einer Einstufung der Bewerber aufstellte, an die sich die Anstellungsbehörde für die Ernennungsentscheidung gehalten hat ( Randnr. 20 ).

Wegen der rechtswidrigen Durchführung des Auswahlverfahrens CC/LA/20/82 ist deshalb die Entscheidung vom 25. November 1983 aufzuheben, durch die der Präsident des Rechnungshofes Herrn K. für die Stelle eines Überprüfers/Hauptübersetzers im Sprachendienst des Rechnungshofes ernannt hat ( Randnr. 21 )."

5 Aufgrund dieses Urteils, mit dem die Ernennung des Herrn Klapanaris aufgehoben wurde, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21. März 1986 bei der Anstellungsbehörde des Rechnungshofes, auf die fragliche Planstelle eines Überprüfers/Hauptübersetzers ernannt zu werden.

6 Mit Entscheidung vom 15. Juli 1986 lehnte die Anstellungsbehörde diesen Antrag als unbegründet ab. Dann eröffnete sie mit Entscheidung vom 26. August 1986 ein interinstitutionelles Auswahlverfahren ( CC/LA/10/86 ) zur Besetzung der zwei Planstellen eines Überprüfers/Hauptübersetzers, die in der griechischen Abteilung des Sprachendienstes des Rechnungshofes noch frei waren.

7 Die Beschwerde der Klägerin gegen die genannten Entscheidungen vom 15. Juli und 26. August 1986 wurde mit Entscheidung vom 29. Januar 1987 zurückgewiesen. Sie hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben.

8 Durch Beschluß vom 24. September 1987 hat der Gerichtshof ( Erste Kammer ) Herrn Klapanaris als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen. In seinen Erklärungen, die er dem Gerichtshof überreicht hat, hat er sich den vom Rechnungshof vorgetragenen Argumenten vollständig angeschlossen.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

10 Der Rechnungshof macht geltend, die Klage sei unzulässig, da sie sowohl ihrem Gegenstand als auch den vorgetragenen Gründen nach nur die Auslegung des obengenannten Urteils des Gerichtshofes vom 6. Februar 1986 betreffe. Daher habe die Klägerin keine Anfechtungsklage erheben dürfen, sondern einen Antrag auf Auslegung nach Artikel 40 der Satzung des Gerichtshofes stellen müssen. Eine Umdeutung der vorliegenden Klage in einen Antrag auf Auslegung sei jedoch ausgeschlossen, weil die Klage nicht gegen sämtliche Parteien des Rechtsstreits, in dem das

Urteil vom 6. Februar 1986 ergangen sei, gerichtet worden sei, wie es Artikel 102 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vorschreibe.

11 Es ist zu prüfen, ob Gegenstand der vorliegenden Klage allein die Auslegung des Urteils des Gerichtshofs vom 6. Februar 1986 ist.

12 Aus den Klageanträgen ergibt sich, daß die Klage im wesentlichen auf die Aufhebung der zwei Entscheidungen des Rechnungshofes zielt, nämlich jene vom 15. Juli 1986, die den Antrag der Klägerin auf Ernennung auf die fragliche Planstelle zurückweist, und jene vom 26. August 1986 über die Eröffnung des interinstitutionellen Auswahlverfahrens CC/LA/10/86.

13 Auch wenn die Auslegung des Urteils des Gerichtshofes vom 6. Februar 1986 für den vorliegenden Rechtsstreit erheblich ist, so doch nur im Rahmen der Prüfung, ob einer der von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe, die Verletzung des Artikels 176 EWG-Vertrag, begründet ist.

14 Daher ist die Klage kein einfacher Antrag auf Auslegung gemäß Artikel 40 der Satzung des Gerichtshofes der EWG, sondern eine Anfechtungsklage, die sich gegen die streitigen Entscheidungen richtet.

15 Die Klage ist also zulässig.

Zur Begründetheit

16 Die Klägerin stützt ihre Anfechtungsklage auf drei Klagegründe, nämlich einen Verstoß gegen Artikel 176 EWG-Vertrag, einen Verstoß gegen Artikel 29 Beamtenstatut und Ermessensmißbrauch.

17 Zum ersten Klagegrund trägt die Klägerin vor, zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs vom 6. Februar 1986, das Herrn Klapanaris' Ernennung aufhebt, habe die Anstellungsbehörde die Klägerin, als einzigen anderen Bewerber auf der Eignungsliste des Auswahlverfahrens CC/LA/20/82, auf die fragliche Planstelle eines Überprüfers/Hauptübersetzers ernennen müssen.

18 Nach Artikel 176 Absatz 1 EWG-Vertrag hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

19 Im vorliegenden Fall ist der Begründung des genannten Urteils, vor allem seiner Randnummer 20, zu entnehmen, daß sich die Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens CC/LA/20/82 auf die Gültigkeit der Entscheidung des Prüfungsausschusses, mit der eine Eignungsliste aufgestellt wurde, auswirkte.

20.Diese Liste konnte daher keine gültige Grundlage für eine Ernennungsentscheidung darstellen. Daraus folgt, daß die Anstellungsbehörde zur Durchführung des betreffenden Urteils den Antrag der Klägerin, der auf ihre Ernennung auf die

Planstelle des Überprüfers/Hauptübersetzers gemäß ihrer Einstufung in der genannten Eignungsliste abzielte, ablehnen musste.

21 Daher kann dem ersten Klagegrund nicht stattgegeben werden.

22 Für ihren zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde habe Artikel 29 Beamtenstatut durch ihre Entscheidung verletzt, das interinstitutionelle Auswahlverfahren CC/LA/10/86 zu eröffnen, statt das interne Auswahlverfahren CC/LA/20/82 zu wiederholen. Allerdings trägt sie hierzu nichts vor.

23 Diesem Klagegrund kann nicht stattgegeben werden. Es ist Sache der Anstellungsbehörde, in der Reihenfolge des Artikels 29 Beamtenstatut, die angemessenste Art der Besetzung einer freien Stelle zu wählen. Dazu verfügt die Anstellungsbehörde, wie der Gerichtshof schon mehrfach hervorgehoben hat ( siehe Urteil vom 25. November 1976 in der Rechtssache 123/75, Küster/Parlament, Slg. 1976, 1701, und Urteil vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 10/82, Mogensen/Kommission, Slg. 1983, 2397 ), bei der Suche nach den Bewerbern, die in bezug auf Befähigung, Integrität und Leistung die besten sind, über einen weiten Ermessenspielraum.

24 Die Tatsache allein, daß die Anstellungsbehörde ein interinstitutionelles Auswahlverfahren durchgeführt hat, statt das interne Auswahlverfahren, deren Rechtswidrigkeit der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. Februar 1986 festgestellt hatte, zu wiederholen, lässt nicht auf einen Verstoß gegen Artikel 29 Beamtenstatut schließen. Der Gerichtshof hat nämlich schon in seinem Urteil vom 24. Juni 1969 in der Rechtssache 26/68 ( Fuchs/Kommission, Slg. 1969,

klargestellt, daß dieser Bestimmung des Statuts nicht zu entnehmen ist, daß die Anstellungsbehörde verpflichtet wäre, ein einmal eingeleitetes Einstellungsverfahren mit der Besetzung des frei gewordenen Dienstpostens abzuschließen.

25 Daher hat die Anstellungsbehörde mit ihrer Entscheidung, das interinstitutionelle Auswahlverfahren CC/LA/10/86 zu eröffnen, statt das interne Auswahlverfahren CC/LA/20/82 zu wiederholen, nicht gegen die ihr in Artikel 29 Beamtenstatut auferlegten Pflichten verstossen.

26 Zum Ermessensmißbrauch als drittem Klagegrund hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, mit den streitigen Entscheidungen habe die Anstellungsbehörde nur das Ziel verfolgt, die Ernennung der Klägerin auf die fragliche Planstelle zu vermeiden.

27 Wie der Gerichtshof jedoch schon festgestellt hat ( siehe Urteil vom 25. November 1976 in der Rechtssache 123/75, Küster/Parlament, Slg. 1976, 1701 ), kann von einem Ermessensmißbrauch nur dann ausgegangen werden, wenn rechtlich hinreichend nachgewiesen ist, daß die Anstellungsbehörde mit dem Erlaß der streitigen Verfügung einen anderen Zweck als den der betreffenden Regelung verfolgt hat. Im vorliegenden Fall erlaubt die durch keinen Beweis gestützte Behauptung der Klägerin keine rechtlich hinreichend gesicherte Feststellung eines Ermessensmißbrauchs, zumal sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, daß die angegriffenen Entscheidungen von der Anstellungsbehörde im Rahmen ihres Ermessens und in Durchführung eines früheren Urteils des Gerichtshofes getroffen worden waren.

28 Auch dem dritten Klagegrund kann daher nicht stattgegeben werden.

29 Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe bei Klagen der Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst, unbeschadet des Artikels 69 § 3 Absatz 2 über die Kosten, die der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht worden sind.

31 Im vorliegenden Fall haben der Beklagte und der Streithelfer beim Gerichtshof beantragt, der Klägerin wegen des böswilligen Charakters ihrer Klage die gesamten Kosten aufzuerlegen.

32 Die vorliegende Klage kann jedoch nicht als böswillig angesehen werden, da der Gerichtshof mit ihr aufgefordert wurde, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu überprüfen, mit der der Rechnungshof die Durchführung des interinstitutionellen Auswahlverfahrens CC/LA/10/86 eröffnete. Deshalb kommen der Klägerin die Bestimmungen des Artikels 70 der Verfahrensordnung zugute. Sie trägt aber die Kosten des Streithelfers.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Streithelfers.

3 ) Der Rechnungshof trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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