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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 06.12.1989
Aktenzeichen: 147/86 (1)
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der EWG


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 52
EWG-Vertrag Art. 59
EWG-Vertrag Art. 48
Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der EWG Art. 39
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Natürliche Personen oder andere juristische Personen als Mitgliedstaaten und Organe der Gemeinschaft sind nicht berechtigt, eine Drittwiderspruchsklage gegen ein Urteil des Gerichtshofes zu erheben, das über eine Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung entscheidet.

Zum einen erfuellen diese Personen nämlich nicht die Voraussetzung des Artikels 39 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG, der den Drittwiderspruch den Personen vorbehält, die sich, wie in Artikel 97 der Verfahrensordnung klargestellt wird, an dem Verfahren hätten beteiligen können, da sie durch Artikel 37 des Protokolls von dem Verfahren auf Feststellung einer Vertragsverletzung ausgeschlossen sind, und zum anderen wäre es im Hinblick auf den Gegenstand des Drittwiderspruchs und dessen Rolle im Streitverfahren widersinnig, wenn Personen, denen Artikel 37 untersagt, einem Rechtsstreit beizutreten, das in diesem Rechtsstreit ergangene Urteil mit dieser Klageart wieder in Frage stellen könnten.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 6. DEZEMBER 1989. - PANELLINIA OMOSPONDIA IDIOKTITON FRONTISTIRION XENON GLOSSON UND ANDERE GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND UND KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - VERTRAGSVERLETZUNG - DRITTWIDERSPRUCHSKLAGE. - RECHTSSACHE 147/86, DRITTWIDERSPRUCHSKLAGE 1.

Entscheidungsgründe:

1 Der Berufsverband der zweiten Stufe Panhellinia Omospondia Idioktiton Frontistirion Xenon Glosson - POIFXG ( griechischer Verband der Inhaber von privaten Fremdsprachenschulen ) sowie Vassilios Evangelos tou Georgiou, Maria Ioannou Georgouli, Vassiliki Spanouli-Brachou, Ioannis Lambogiannis tou Anastassiou und Georgios Englezos tou Stamatiou haben mit Klageschrift, die am 13. Mai 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 39 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG und Artikel 97 § 1 der Verfahrensordnung Drittwiderspruchsklage gegen das Urteil vom 15. März 1988 in der Rechtssache 147/86 ( Kommission/Griechische Republik, Slg. 1988, 1637 ) erhoben.

2 In dem angefochtenen Urteil wurde für Recht erkannt und entschieden, daß die Griechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 52 und 59 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie es den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten untersagt hat, "frontistiria" genannte private Unterrichtsanstalten und private Musik - und Tanzschulen zu gründen sowie als Hauslehrer zu unterrichten, und daß die Griechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie es den bereits in Griechenland beschäftigten Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten und deren Familienmitgliedern untersagt oder erschwert hat, an "frontistiria" und an privaten Musik - und Tanzschulen als Direktor oder Lehrer tätig zu sein.

3 Mit der Drittwiderspruchsklage werden die in dem genannten Urteil festgestellten Vertragsverletzungen bestritten. Entgegen dem Vorbringen der Kommission wird, wie sich aus dem Wortlaut der Klageschrift ergibt, mit dem Drittwiderspruch das Urteil insoweit beanstandet, als es sämtliche "frontistiria" und den Hausunterricht und nicht nur die Fremdsprachen-"frontistiria" betreffe.

4 Die Kommission macht zwei Unzulässigkeitsgründe geltend, wobei sie gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung eine Vorabentscheidung beantragt. Sie trägt erstens vor, daß nur die Mitgliedstaaten und die Organe der Gemeinschaft, nicht aber sonstige Personen befugt seien, Drittwiderspruchsklage gegen ein Urteil des Gerichtshofes zu erheben, mit dem dieser über eine Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung entscheide. Zweitens beeinträchtige das angefochtene Urteil nicht die Rechte der Drittwiderspruchskläger.

5 Für den ersten Unzulässigkeitsgrund macht die Kommission geltend, die Beteiligung natürlicher Personen oder anderer juristischer Personen als Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorgane sei in dem Klageverfahren auf Feststellung einer Vertragsverletzung ausgeschlossen. Denn diese könnten die Kommission nicht dazu zwingen, eine solche Klage zu erheben. Ausserdem räume ihnen Artikel 37 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes nicht das Recht ein, in einem solchen Rechtsstreit den Beitritt als Streithelfer zu beantragen. Die Unmöglichkeit eines Beitritts impliziere die einer Drittwiderspruchsklage.

6 Die Drittwiderspruchskläger beantragen die Zurückweisung dieses Unzulässigkeitsgrundes, indem sie insbesondere vortragen, die Argumentation der Kommission beruhe auf einer Vermengung des Beitrittsverfahrens mit dem Drittwiderspruchsverfahren. Nur das letztere könne den gerichtlichen Schutz Dritter, die in ihren Rechten beeinträchtigt seien, gewährleisten, und zwar unabhängig von der Art des Rechtsstreits.

7 Gemäß Artikel 91 § 3 der Verfahrensordnung wird über einen Antrag nach § 1 dieses Artikels mündlich verhandelt, sofern der Gerichtshof nichts anderes bestimmt. Der Gerichtshof ist im vorliegenden Fall der Ansicht, daß er über den Akteninhalt ausreichend unterrichtet ist. Über die Zulässigkeit der Klage ist daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß zu entscheiden.

8 Artikel 39 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG lautet : "Mitgliedstaaten, Organe der Gemeinschaft und alle sonstigen natürlichen und juristischen Personen können nach Maßgabe der Verfahrensordnung in den dort genannten Fällen Drittwiderspruch gegen ein Urteil erheben, wenn dieses Urteil ihre Rechte beeinträchtigt und in einem Rechtsstreit erlassen worden ist, an dem sie nicht teilgenommen haben."

9 Nach Artikel 97 der Verfahrensordnung, der zur Durchführung dieser Vorschrift erlassen wurde, muß der Dritte in seiner Klageschrift angeben, in welchen Punkten das strittige Urteil seine Rechte beeinträchtigt und aus welchen Gründen er nicht in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen.

10 Artikel 37 des genannten Protokolls bestimmt : "Die Mitgliedstaaten und die Organe der Gemeinschaft können einem bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit beitreten. Dasselbe gilt für alle anderen Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen; ausgenommen davon sind Rechtsstreitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Organen der Gemeinschaft oder zwischen Mitgliedstaaten und Organen der Gemeinschaft."

11 Aus dieser Vorschrift folgt, daß natürliche Personen oder andere juristische Personen als Mitgliedstaaten und Organe der Gemeinschaft nicht berechtigt sind, den Rechtsstreitigkeiten nach den Artikeln 169 und 170 EWG-Vertrag beizutreten, in denen ein Mitgliedstaat oder die Kommission beantragt, den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen seine Gemeinschaftsverpflichtungen festzustellen.

12 Da diese Vorschrift den genannten Personen nicht gestattet, sich an solchen Rechtsstreitigkeiten zu beteiligen, nimmt sie sie folglich auch vom Anwendungsbereich des erwähnten Artikels 39 aus. Denn sie erfuellen nicht die Voraussetzung dieses Artikels, der den Drittwiderspruch den Personen vorbehält, die sich, wie in Artikel 97 der Verfahrensordnung klargestellt wird, an dem Verfahren hätten beteiligen können, da sie durch Artikel 37 des Protokolls von dem Verfahren auf Feststellung einer Vertragsverletzung ausgeschlossen sind.

13 Für diese Auslegung des Artikels 37 in Verbindung mit Artikel 39 des Protokolls spricht auch der Gegenstand des Drittwiderspruchs und dessen Rolle im Streitverfahren.

14 Der Drittwiderspruch soll Personen, die sich am Rechtsstreit hätten beteiligen sollen oder können, ermöglichen, ihre Rechte anerkennen zu lassen.

15 Ausserdem muß, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, im Interesse einer geordneten Rechtspflege und der Rechtssicherheit nach Möglichkeit vermieden werden, daß die am Ausgang eines vor dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits interessierten Personen ihr Interesse erst geltend machen, nachdem der Gerichtshof sein Urteil gefällt und damit die Streitfrage entschieden hat ( Urteil vom 12. Juli 1962 in den Rechtssachen 9 und 12/60 TO, Regierung des Königreichs Belgien/Société commerciale Antoine Vlöberghs AG und Hohe Behörde der EGKS, Slg. 1962, 347 ).

16 Auch wenn dieses Erfordernis in einem Urteil des Gerichtshofes zum EGKS-Vertrag aufgestellt wurde, so besitzt es doch für die Anwendung des EWG-Vertrags nicht weniger Gültigkeit.

17 Unter diesen Umständen wäre es widersinnig, wenn Personen, denen Artikel 37 untersagt, einem Rechtsstreit beizutreten, das in diesem Rechtsstreit ergangene Urteil im Wege des Drittwiderspruchs wieder in Frage stellen könnten.

18 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß natürliche Personen oder andere juristische Personen als Mitgliedstaaten und Organe der Gemeinschaft nicht berechtigt sind, eine Drittwiderspruchsklage gegen ein Urteil des Gerichtshofes zu erheben, das über eine Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung entscheidet.

19 Die vorliegende Drittwiderspruchsklage, die von natürlichen Personen und einem Berufsverband gegen das Urteil des Gerichtshofes vom 15. März 1988 erhoben worden ist, ist somit offensichtlich unzulässig und daher abzuweisen, ohne daß über den von der Kommission geltend gemachten zweiten Unzulässigkeitsgrund entschieden werden müsste.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen :

1 ) Die Drittwiderspruchsklage wird als unzulässig abgewiesen.

2)Die Drittwiderspruchskläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 6. Dezember 1989.

Ende der Entscheidung

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