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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1988
Aktenzeichen: 148/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1430/79 vom 02.06.1979


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
Verordnung Nr. 1430/79 vom 02.06.1979 Art. 13
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Fordert die Kommission auf den Antrag eines Mitgliedstaats, festzustellen, daß eine Erstattung von Eingangsabgaben gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 gerechtfertigt ist, diesen Mitgliedstaat auf, den ursprünglichen Antrag zurückzunehmen und einige Zeit später einen neuen Antrag zu stellen, um zu vermeiden, daß die nationalen Behörden dem Antrag des Antragstellers gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 1575/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 945/83 deswegen stattgeben, weil sie nicht innerhalb der in Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung festgesetzten Viermonatsfrist eine Entscheidung erlassen hat, stellt dies einen Verfahrensmißbrauch dar. Folglich ist die Entscheidung der Kommission, die nicht innerhalb der Frist von vier Monaten nach Stellung des ursprünglichen Antrags erlassen wurde, aufzuheben, da sie das Ergebnis eines in allen Einzelheiten fehlerhaften Verfahrens ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 22. SEPTEMBER 1988. - TH. FRYDENDAHL PEDERSEN A/S GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - FISCHERNETZE - ERSTATTUNG VON EINGANGSABGABEN. - RECHTSSACHE 148/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Th. Frydendahl Pedersen A/S mit Sitz in Hvide Sande, Dänemark, hat mit Klageschrift, die am 12. Mai 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 26. Februar 1987, mit der festgestellt wird, daß die von Dänemark am 28. Oktober 1986 beantragte Erstattung der von der Klägerin gezahlten Eingangsabgaben in Höhe von 1 756 932 DKR nicht gerechtfertigt ist.

2 Die Klägerin ist eine dänische Gesellschaft, deren Tätigkeit in der Lieferung von Netzen für Fischereifahrzeuge besteht. Am 28. September 1984 beantragte sie bei der Zollstelle Holstebro die Erstattung der im Zeitraum vom 8. Oktober 1980 bis zum 14. Juni 1984 gezahlten Eingangsabgaben für Fischernetze nebst Zinsen. Sie begründete ihren Antrag damit, daß diese Zollstelle die einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen während dieser vier Jahre unrichtig ausgelegt habe.

3 Die dänischen Behörden beantragten am 11. Juni 1986 bei der Kommission, Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs - oder Ausfuhrabgaben ( ABl. L 175, S. 1 ) anzuwenden. Nach dieser Vorschrift können Eingangsabgaben bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden, sofern der Beteiligte nicht fahrlässig oder in betrügerischer Absicht gehandelt hat.

4 Mit an die dänischen Behörden gerichteter Entscheidung vom 26. Februar 1987 stellte die Kommission fest, daß der Erstattungsantrag der Firma nicht gerechtfertigt sei.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die streitige Entscheidung sei rechtswidrig. Dies folge hauptsächlich aus der Rechtswidrigkeit ihrer Rechtsgrundlage, der Verordnung Nr. 3799/86 der Kommission vom 12. Dezember 1986 zur Durchführung der Artikel 4 a, 6 a, 11 a und 13 der Verordnung Nr. 1430/79 des Rates ( ABl. L 352, S. 19 ), hilfsweise aus der Fehlerhaftigkeit ihrer Rechtsgrundlage, der Verordnung Nr. 3069/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 zur Änderung der Verordnung Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs - oder Ausfuhrabgaben ( ABl. L 286, S. 1 ), die auf Erstattungsanträge, die wie im vorliegenden Fall vor dem 1. Januar 1987 gestellt worden seien, unanwendbar sei, ferner hilfsweise daraus, daß die streitige Entscheidung ausserhalb der durch die Verordnung Nr. 1575/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 zur Durchführung von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 des Rates über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs - oder Ausfuhrabgaben ( ABl. L 161, S. 13 ) in der Fassung der Verordnung Nr. 945/83 der Kommission vom 21. April 1983 zur zweiten Änderung der Verordnung Nr. 1575/80 ( ABl. L 104, S. 14 ) vorgeschriebenen Fristen ergangen sei, und schließlich äusserst hilfsweise daraus, daß die Voraussetzungen für die Erstattung im vorliegenden Fall erfuellt seien.

7 Zuerst ist das Vorbringen zu prüfen, die streitige Entscheidung sei wegen Überschreitung der vorgeschriebenen Fristen rechtswidrig.

8 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe im vorliegenden Fall die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1575/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 945/83 vorgesehene Viermonatsfrist überschritten. Die dänischen Behörden hätten der Kommission den Erstattungsantrag am 11. Juni 1986 übersandt. Da die Kommission der Auffassung gewesen sei, daß die Prüfung des Antrags zusätzliche Auskünfte erforderlich mache, habe sie die dänischen Behörden aufgefordert, den ursprünglichen Antrag zurückzunehmen und einige Zeit später einen neuen Antrag zu stellen. Die dänische Verwaltung habe dieser Aufforderung folgend ihren ursprünglichen Antrag zurückgenommen und am 28. Oktober 1986 einen neuen Antrag gestellt. Somit sei die Entscheidung der Kommission, die am 26. Februar 1987 erlassen und der Klägerin am 13. März 1987 durch den dänischen Minister für Steuern und Abgaben zugestellt worden sei, nach Ablauf der vorgeschriebenen Viermonatsfrist ergangen und deshalb rechtswidrig.

9 Die Kommission bestreitet nicht die von der Klägerin dargelegten Tatsachen, macht jedoch zur Rechtfertigung ihres Standpunkts geltend, die genaue Beachtung der in der vorgenannten Vorschrift festgesetzten Viermonatsfrist führe zu einem wenig befriedigenden Rechtszustand, da diese Frist sich in bestimmten Fällen für eine vollständige Untersuchung der Angelegenheit als unzureichend erweise und da die ( nationale ) Entscheidungsbehörde nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 1575/80 dem Antrag des Beteiligten stattgebe, wenn die Kommission innerhalb dieser Frist keine Entscheidung getroffen habe. Um dieser Situation abzuhelfen, habe sich die Praxis ergeben, die nationalen Behörden zu ersuchen, ihren ursprünglichen Antrag zurückzunehmen und einige Zeit später einen neuen Antrag zu stellen. Obwohl dieses Verfahren in der einschlägigen Verordnung nicht vorgesehen sei, widerspreche es weder dem Buchstaben noch dem Geist der Verordnung, denn ein Mitgliedstaat sei jederzeit berechtigt, seinen Antrag zurückzunehmen. Darüber hinaus sei die Kommission verpflichtet, den Antrag abzulehnen, wenn sie nicht über ausreichende Auskünfte verfüge. Im vorliegenden Fall habe ihr Ersuchen um zusätzliche Auskünfte gerade bezweckt, eine ablehnende Entscheidung zu vermeiden, die unter Umständen zu einer sofortigen Klage vor dem Gerichtshof geführt hätte.

10 Somit ist vorab zu prüfen, ob die Praxis der Kommission im vorliegenden Fall, den betroffenen Mitgliedstaat "aufzufordern", den zuvor gestellten Antrag zurückzunehmen und später einen neuen Antrag zu stellen, um es ihr zu ermöglichen, zusätzliche Auskünfte einzuholen, nicht einen Verfahrensmißbrauch darstellt.

11 Dazu ist zu bemerken, daß die Kommission in ihrer Klagebeantwortung selbst eingeräumt hat, daß sie, um dem erwähnten "wenig befriedigenden" Rechtszustand abzuhelfen, gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1430/79 des Rates mit ihrer Verordnung Nr. 3799/86, die am 1. Januar 1987 in Kraft trat, eine neue Regelung erlassen hatte, durch die die zuvor auf vier Monate festgesetzte Frist auf sechs Monate verlängert wurde. Diese Neuregelung sieht im übrigen eine zusätzliche Verlängerung dieser Frist vor, wenn "sich die Kommission... veranlasst (( sieht )), bei dem Mitgliedstaat zusätzliche Auskünfte anzufordern ".

12 Es ist festzustellen, daß die Kommission dagegen im vorliegenden Fall, anstatt rechtzeitig zusätzliche Auskünfte anzufordern und die Entscheidung innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu erlassen, die dänische Verwaltung mit Fernschreiben vom 7. Oktober 1986 aufforderte, ihren Antrag zurückzunehmen und einige Zeit später einen neuen Antrag zu stellen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß der wirkliche Zweck der beanstandeten Praxis darin besteht, die Konsequenzen zu vermeiden, die in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1575/80 für den Fall, daß innerhalb der vorgeschriebenen Frist keine Entscheidung ergeht, vorgesehen sind. Hierdurch hat die Kommission einen Verfahrensmißbrauch begangen.

13 Unter diesen Umständen ist, ohne daß die übrigen Klagegründe geprüft werden müssten, festzustellen, daß die streitige Entscheidung der Kommission vom 26. Februar 1987, die nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von vier Monaten nach der Antragstellung durch die dänischen Behörden am 11. Juni 1986 erlassen wurde, aufzuheben ist, da sie das Ergebnis eines in allen Einzelheiten fehlerhaften Verfahrens ist. Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf Erstattung der Eingangsabgaben, die Gegenstand des genannten Antrags war.

Kostenentscheidung:

Kosten

14 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1)Die Entscheidung der Kommission vom 26. Februar 1987 ( REM : 29/86 ) wird aufgehoben.

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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