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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.06.1988
Aktenzeichen: 148/88 R
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 83
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTSHOFES VOM 21. JUNI 1988. - ALESSANDRO ALBANI UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTER - AUSWAHLVERFAHREN - EINSTWEILIGE ANORDNUNGEN. - RECHTSSACHE 148/88 R.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 25. Mai 1988 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, haben Alessandro Albani, Alberto Caferri und Claudio Caruso, Beamte der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, sowie Bruno Buffaria Klage erhoben auf Aufhebung des Verfahrens der Korrektur der schriftlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens KOM/A/482 oder, hilfsweise, der Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Antragsteller nicht zu den mündlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen.

2 Mit am selben Tag eingereichtem besonderem Schriftsatz haben die Antragsteller gemäß Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung die Aussetzung der weiteren Vorgänge des Auswahlverfahrens KOM/A/482, insbesondere die Aussetzung der Erstellung oder der Bekanntgabe der aus diesem Auswahlverfahren resultierenden Eignungsliste, anzuordnen.

3 Die Kommission hat am 6. Juni 1988 schriftlich Stellung genommen. Die Parteien haben am 13. Juni 1988 mündlich verhandelt.

4 Der Gewerkschaftsbund und der Verband der internationalen und europäischen Beamten haben mit am 12. Juni 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenen Schriftsätzen beantragt, zur Unterstützung der Anträge der Antragsteller sowohl im Verfahren zur Hauptsache als auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelfer zugelassen zu werden.

5 Durch Beschluß vom 13. Juni 1988 hat der Präsident der Zweiten Kammer den Gewerkschaftsbund und den Verband der internationalen und europäischen Beamten als Streithelfer im Verfahren der einstweiligen Anordnung zugelassen. Die Streithelfer haben in der Sitzung vom 13. Juni 1988 mündliche Ausführungen gemacht.

6 Aus der Akte ergibt sich, daß es sich bei dem Auswahlverfahren KOM/A/482 um ein von der Kommission durchgeführtes allgemeines Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsräten ( Laufbahn A 7/A 6 ) in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei oder Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern handelt. Trotz seines allgemeinen Charakters waren für das Auswahlverfahren gemäß dessen Bekanntgabe im Amtsblatt ( ABl. C 34 vom 12. 2. 1987 ) besondere Zulassungsbedingungen für in die Laufbahngruppe B eingestufte Beamte und sonstige Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere hinsichtlich der Altersgrenze und der Befähigungsnachweise, vorgesehen.

7 Die schriftlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens umfassten gemäß der Bekanntgabe eine Prüfung, bestehend aus einer Reihe von Fragen mit mehreren Antwortvorgaben ( Multiple-choice-Verfahren ) zur Beurteilung der Kenntnisse des Bewerbers auf den Sachgebieten, auf die sich das Auswahlverfahren bezog, und eine praktische Prüfung anhand eines Vorgangs, dessen Zweck es war, die analytischen Fähigkeiten des Bewerbers und seine Erfahrung bei der Bearbeitung eines Vorgangs zu beurteilen.

8 Die schriftlichen Prüfungen fanden am 20. November 1987 an rund zwanzig verschiedenen Prüfungsorten in Europa, Südamerika, Afrika und Australien statt.

9 Die erste schriftliche Prüfung hatte der Bekanntgabe zufolge den Charakter einer Vorausscheidung, während bei der zweiten Prüfung nur die Prüfungsarbeiten der Bewerber korrigiert wurden, die die für die erste Prüfung festgesetzte Mindestpunktzahl erzielt hatten.

10 Zur mündlichen Prüfung des Auswahlverfahrens wurden die Bewerber zugelassen, die bei der zweiten schriftlichen Prüfung eine festgesetzte Mindestpunktzahl und bei beiden schriftlichen Prüfungen insgesamt mindestens 60 % der möglichen Punktzahl erzielt hatten.

11 Mit Schreiben vom 21. März 1988 wurde den Antragstellern mitgeteilt, daß der Prüfungsausschuß sie nicht zur mündlichen Prüfung habe zulassen können.

12 Aus den Angaben der Kommission in der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Anordnung geht hervor, daß zu diesem Auswahlverfahren 2 105 Bewerbungen eingingen. 877 Bewerber wurden zum Verfahren zugelassen und nahmen an den schriftlichen Prüfungen teil. 369 Bewerber, darunter die Antragsteller, erzielten bei der ersten schriftlichen Prüfung die Mindestpunktzahl, doch nur 172 Bewerber wurden zur mündlichen Prüfung zugelassen. 67 Bewerber wurden in die am 26. Mai 1988 erstellte Eignungsliste aufgenommen.

13 Es ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung die Antragsteller unter anderem die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft machen müssen.

14 In dieser Beziehung machen die Antragsteller geltend, daß Unregelmässigkeiten die Durchführung der schriftlichen Prüfungen und die Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfung fehlerhaft gemacht hätten.

15 Was zunächst die Durchführung der schriftlichen Prüfungen angeht, rügen die Antragsteller, daß der Prüfungsausschuß die schriftlichen Prüfungen so organisiert habe, daß die zweite schriftliche Prüfung in Canberra, Australien, wegen der Zeitverschiebung zwei Stunden vor dem Beginn der ersten schriftlichen Prüfung in Brüssel beendet gewesen sei. Die Antragsteller äussern den Verdacht, daß Bewerber in Brüssel vor dem Beginn der zweiten schriftlichen Prüfung von den Unterlagen zu dem Thema dieser Prüfung Kenntnis erhalten hätten. Hartnäckigen Gerüchten zufolge, von denen die Streithelfer erfahren hätten, hätten diese Bewerber vor dem Beginn der Prüfungen oder während der für die Einnahme des Mittagessens vorgesehenen Pause zwischen den beiden schriftlichen Prüfungen Informationen aus Canberra erhalten.

16 Die Antragsteller tragen vor, der Gewerkschaftsbund habe die Kommission bereits am 3. Dezember 1987 um Auskunft darüber gebeten, welche Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung etwaiger Indiskretionen aufgrund der Zeitverschiebungen getroffen worden seien. In ihrem Antwortschreiben vom 2. Februar 1988 habe die Kommission lediglich behauptet, daß Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden seien und daß die Texte der schriftlichen Prüfungen so geartet gewesen seien, daß es nicht möglich gewesen sei, aus ihrer vorzeitigen Kenntnis merkliche Vorteile zu ziehen.

17 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Anordnung darauf hingewiesen, daß die Vorsichtsmaßnahmen, die zur Vermeidung der von den Antragstellern genannten Risiken in bezug auf Indiskretionen getroffen worden seien, zum einen im Einsammeln der verteilten Unterlagen bei Abschluß der Prüfungen in Canberra und zum anderen in einem Cocktailempfang bestanden hätten, der vom Delegierten der Kommission in Australien nach der letzten schriftlichen Prüfung für die in Canberra anwesenden Bewerber veranstaltet worden sei und diese bis zum Beginn der Prüfungen in Brüssel in Anspruch genommen habe. Da die zweite schriftliche Prüfung von den Bewerbern eine Arbeit verlangt habe, bei der sie eigenständig hätten zusammenfassen und überlegen müssen, habe die Kommission weitere Vorsichtsmaßnahmen für diese Prüfung nicht für notwendig gehalten. Im übrigen habe sie, nachdem ihr die von den Antragstellern erwähnten Gerüchte mitgeteilt worden seien, Nachforschungen angestellt und insbesondere festgestellt, daß in den Stunden, in denen eine Indiskretion möglich gewesen sei, von der Delegation in Canberra aus kein Telefongespräch mit Brüssel geführt worden sei.

18 Zu dieser Rüge genügt die Feststellung, daß in Ermangelung konkreter Umstände, die - auch nur mittelbar - das Vorliegen einer Indiskretion beweisen können, die Gerüchte über eine Indiskretion und deren theoretische Möglichkeit, auf die sich die Antragsteller berufen, nicht den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung rechtfertigen können.

19 Was sodann die Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfungsarbeit angeht, so werfen die Antragsteller dem Prüfungsausschuß vor, er habe Kriterien angewandt, die von den Anweisungen abgewichen seien, die den Bewerbern für die Anfertigung dieser Prüfungsarbeit erteilt worden seien. Den Bewerbern sei zwingend vorgeschrieben worden, bei dieser Arbeit insgesamt 800 Wörter nicht zu überschreiten, wobei darauf hingewiesen worden sei, daß die Prüfungsarbeiten, die über diese Hoechstzahl hinausgingen, nicht korrigiert würden. Nach diesen Anweisungen seien die Bewerber, um jede Beschwerde zu verhindern, aufgefordert worden, selbst die Zahl der verwendeten Wörter anzugeben. Dagegen habe der Prüfungsausschuß in seinen Anweisungen an die Korrektoren von diesen lediglich verlangt, zu prüfen, ob die Zahl der verwendeten Wörter weit über 800 hinausgegangen sei, und die offensichtlich zu langen Manuskripte, das heisst die mit mehr als 1 200 Wörtern, nicht zu korrigieren. Hierin liege ein klarer Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Bewerber.

20 Die Antragsteller führen aus, der Gewerkschaftsbund habe in einem Vermerk vom 9. Februar 1988 die Kommission auf die in diesem Punkt bestehende Inkohärenz zwischen den Anweisungen an die Bewerber und den Anweisungen an die Korrektoren hingewiesen, worauf die Kommission in einem Vermerk vom 9. März 1988 geantwortet habe, daß sie nach eingehender Prüfung der fraglichen Anweisungen der Auffassung sei, daß der Prüfungsausschuß eine Entscheidung zugunsten aller Bewerber getroffen habe, ohne dem qualitativen Ergebnis der einzelnen Korrekturen vorzugreifen.

21 Ausserdem habe die Kommission auf Anfrage des Antragstellers Albani mitgeteilt, daß die Hoechstzahl von 800 Wörtern vorgeschrieben worden sei, um vergleichbare Leistungen zu erhalten, daß der Prüfungsausschuß jedoch bei der Korrektur beschlossen habe, nicht die Bewerber zu bestrafen, deren Antworten diese Grenze geringfügig überschritten hätten, da eine rechnerische Anwendung einer solchen Hoechstzahl unter Berücksichtigung der sprachlichen Unterschiede nicht möglich sei.

22 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Anordnung vorgetragen, der Prüfungsausschuß habe bereits am 8. Januar 1988 die von den Antragstellern genannte Anweisung an die Korrektoren festgelegt, und zwar in Unkenntnis der Zahl der Bewerber, deren zweite Prüfungsarbeit korrigiert werden würde und die die Hoechstzahl von 800 Wörtern überschritten hätten; denn die Korrektur der ersten schriftlichen Prüfungsarbeiten, mit der eine Vorausscheidung habe getroffen werden sollen, sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Mit dieser Anweisung habe sich der Prüfungsausschuß die Entscheidung für den Fall einer Überschreitung der Wortzahl vorbehalten und den Korrektoren nur die Freiheit lassen wollen, die offensichtlichen Überschreitungen auszuschließen.

23 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Anordnung ausserdem dargelegt, daß nur 5 der 172 Bewerber, die die schriftliche Prüfung nach Ansicht der Korrektoren bestanden hätten, die Hoechstzahl von 800 Wörtern überschritten hätten. Dabei gehe es um einen Bewerber mit 810 Wörtern, zwei Bewerber mit 820 bis 830 Wörtern, einen Bewerber mit 847 Wörtern und einen mit 850 Wörtern. Diese Bewerber seien nicht wegen der festgestellten Überschreitungen ausgeschieden. Keiner von ihnen habe die mündliche Prüfung bestanden, und sie seien nicht in die Eignungsliste aufgenommen worden.

24 Auch wenn es bedauerlich ist, daß diese präzisen und ganz anonymen Informationen von der Kommission weder auf die Auskunftsersuchen der Streithelfer und der Antragsteller noch in den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen mitgeteilt wurden, so sind sie doch in diesem Verfahrensabschnitt als Grundlage für die Entscheidung des Gerichtshofes heranzuziehen. Nach diesen Informationen erscheint die angebliche Fehlerhaftigkeit der Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfungsarbeit nicht dazu angetan, das Endergebnis des Auswahlverfahrens spürbar zu verfälschen, und kann daher nicht den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung rechtfertigen.

25 Da die erste Voraussetzung für den Erlaß der einstweiligen Anordnung nicht erfuellt ist, brauchen die weiteren in Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung genannten Voraussetzungen nicht geprüft zu werden. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist daher zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DER ZWEITEN KAMMER

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen :

1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 21. Juni 1988.

Ende der Entscheidung

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