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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 17.05.1989
Aktenzeichen: 151/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 1491/85, VO Nr. 2329/85


Vorschriften:

EWGV Art. 173
VO Nr. 1491/85 Art. 2
VO Nr. 2329/85 Art. 11
VO Nr. 2329/85 Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Für die Feststellung, ob mit der Nichtigkeitsklage angefochtene Maßnahmen Handlungen im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag darstellen, ist auf ihr Wesen abzustellen.

Nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, sind Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist.

Für eine Stellungnahme der Kommission zur Auslegung von Rechtsvorschriften über eine Beihilferegelung für ein landwirtschaftliches Erzeugnis im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation trifft dies nicht zu, da die Durchführung der Gemeinschaftsbestimmungen auf diesem Gebiet in den Zuständigkeitsbereich der hierfür bestellten innerstaatlichen Stellen fällt und da auf diesem Gebiet keine Bestimmung der fraglichen Verordnung die Kommission ermächtigt, Entscheidungen über ihre Auslegung zu treffen, so daß die Kommission nur - wie stets - die Möglichkeit hat, ihre Meinung zu äussern, die die nationalen Behörden in keinem Fall bindet.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 17. MAI 1989. - ITALIENISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE 151/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 26. Mai 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung "der Entscheidung der Kommission, die im Fernschreiben Nr. 110836/2/UI/DAN enthalten ist, das die Kommission an die AIMA - Azienda di Stato per gli interventi nel mercato agricolo - übermittelte...".

2 In diesem Fernschreiben hatte die Kommission der Italienischen Republik ihre Auffassung zur Anwendung der Verordnungen der Gemeinschaft über die Beihilfe für die Erzeugung von Sojabohnen unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung Nr. 2290/87 der Kommission vom 30. Juli 1987 ( ABl. L 209, S. 37 ) mitgeteilt, wonach Beihilfeanträge bei der zuständigen Stelle nicht vor Beginn des Vermarktungsjahres eingereicht werden können, für das die Verträge zwischen den Erzeugern und den Käufern abgeschlossen werden.

3 Das System der Beihilfen für die Erzeugung von Sojabohnen wurde durch die Verordnung Nr. 1491/85 des Rates vom 23. Mai 1985 über Sondermaßnahmen für Sojabohnen ( ABl. L 151, S. 15 ) neu gefasst. Nach dieser Verordnung wird die Beihilfe von dem Mitgliedstaat gezahlt, auf dessen Gebiet die Sojabohnen geerntet wurden; die den Mitgliedstaaten aufgrund der Verpflichtungen aus der Anwendung dieser Verordnung entstehenden Ausgaben werden von der Gemeinschaft getragen.

4 Nach Artikel 2 Absatz 2 dieser Verordnung wird die Beihilfe "allen natürlichen oder juristischen Personen gewährt, die mit einzelnen oder zusammengeschlossenen Erzeugern von Sojabohnen einen Vertrag geschlossen haben, der die Zahlung eines Preises, der mindestens ebenso hoch ist wie der in Absatz 3 genannte Mindestpreis, an den Erzeuger vorsieht ".

5 Der Mindestpreis, zu dem zu kaufen sich die Händler verpflichten müssen, wird nach Artikel 2 Absatz 3 auf einen Betrag festgesetzt, der möglichst nahe bei dem "Zielpreis" nach Artikel 1 der Verordnung liegt, der seinerseits alle Jahre für das kommende Vermarktungsjahr "nach Maßgabe des Versorgungsbedarfs der Gemeinschaft auf einer für die Erzeuger angemessenen Höhe" festgesetzt wird. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 entspricht der Beihilfebetrag dem Unterschied zwischen dem Zielpreis und dem Weltmarktpreis. Der Weltmarktpreis und folglich der Beihilfebetrag werden nach Artikel 1 und 11 der Verordnung Nr. 2329/85 der Kommission vom 12. August 1985 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen ( ABl. L 218, S. 16 ) zweimal monatlich festgesetzt.

6 Gemäß Artikel 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2194/85 des Rates vom 25. Juli 1985 ( ABl. L 204, S. 1 ) in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2329/85 der Kommission sind die zwischen den Käufern und den Erzeugern geschlossenen Verträge vor Beginn eines jeden Vermarktungsjahres, das gemäß Artikel 1 Absatz 2 der erwähnten Verordnung Nr. 1491/85 vom 1. September bis zum 31. August des folgenden Jahres dauert, einzureichen.

7 Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2194/85 des Rates ist "der Beihilfebetrag... derjenige, der an dem Tag gilt, an dem der Betreffende bei der zuständigen Stelle des Erzeugermitgliedstaats einen Beihilfeantrag einreicht ".

8 Mit Verordnung Nr. 1921/87 vom 2. Juli 1987 ( ABl. L 183, S. 19 ) setzte der Rat, um "eine gemässigtere und regelmässigere Entwicklung der Erzeugung" zu erreichen, ab dem Vermarktungsjahr 1987/88 eine Garantiehöchstmenge fest, deren Überschreitung zu einer Kürzung der Beihilfe führt.

9 Aufgrund dieser letzteren Maßnahme und eines Sinkens des Zielpreises in Ecu für das Wirtschaftsjahr 1987/88 ergab sich die Gefahr, daß Beihilfeanträge vor dem Beginn des Wirtschaftsjahres, also vor dem 1. September 1987, eingereicht werden würden. Die Wirtschaftsbeteiligten hätten so einen höheren Beihilfebetrag erhalten als den, der sich für das kommende Wirtschaftsjahr aus diesen Änderungen der Stützungspolitik für die Sojabohnenerzeugung ergeben hätte.

10 Die Kommission ergänzte aus diesem Grund mit Verordnung Nr. 2290/87 vom 30. Juli 1987 den Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a die Verordnung Nr. 2329/85 dahin, daß künftig Beihilfeanträge nicht vor Beginn des Vermarktungsjahres eingereicht werden könnten.

11 Artikel 2 der Verordnung Nr. 2290/87 sah jedoch Übergangsmaßnahmen vor, die diesem Rechtsstreit zwischen der Italienischen Republik und der Kommission zugrunde liegen. Artikel 2 der Verordnung Nr. 2290/87, die am 31. Juli 1987 in Kraft getreten ist, bestimmt : "Die Beihilfeanträge gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung ( EWG ) Nr. 2329/85 im Zusammenhang mit den Verträgen über im Vermarktungsjahr 1987/88 geerntete Sojabohnen, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingereicht werden, gelten als am 1. September 1987 eingereicht oder werden auf Antrag des Antragstellers annulliert, ausser, die fraglichen Verträge legen einen Preis fest, der mindestens dem im Vermarktungsjahr 1986/87 gültigen Mindestpreis entspricht ".

12 Im Laufe des Mai und des Juni 1987 wurden in Italien Kaufverträge für Soja für das Wirtschaftsjahr 1987/88 geschlossen. Diese Verträge sehen vor, daß "der Preis, auf den sich die Parteien geeinigt haben, der Mindestpreis ist, der durch die Verordnung ( EWG ) festgelegt wird", wobei sie "nur als Hinweis" anmerken, "daß dieser Preis für das Wirtschaftsjahr 1986/87 78 000 LIT pro Doppelzentner betragen hat ". Auf der Grundlage dieser Verträge wurden entsprechende Beihilfeanträge vor Ende Juli 1987 eingereicht.

13 Im Juli 1987, also vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2290/87, vereinbarten die Vertretungsorganisationen der Erzeuger und der Käufer, den Erzeugern einen Preis von 78 158 LIT pro Doppelzentner, also einen höheren Preis als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr, zuzuerkennen. Dieser Standpunkt wurde durch Erklärungen der Käufer gegenüber der AIMA bestätigt; am 4. August 1987, also nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2290/87, wurde eine Branchenvereinbarung geschlossen, die die Zahlungsweise für den derart festgelegten Preis regelt.

14 Die Einzelverträge zwischen den einzelnen Erzeugern und Käufern wurden hingegen nicht geändert.

15 Der italienische Landwirtschaftsminister wies durch Schreiben vom 6. August 1987 an die AIMA, und die AIMA wies ihrerseits durch Schreiben an die beteiligten Berufsverbände darauf hin, daß Artikel 2 der Verordnung Nr. 2290/87 den Wirtschaftsbeteiligten die Wahl einräume, entweder die Annullation der Anträge auf Vorausfestsetzung oder im Gegenteil ihre Aufrechterhaltung zum ursprünglich vorgesehenen Betrag zu beantragen, letzteres unter der Bedingung, daß sie sich verpflichteten, den Erzeugern den Mindestpreis des Wirtschaftsjahres 1986/87 zu zahlen.

16 Die Kommission war der Auffassung, daß die in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2290/87 vorgesehene Ausnahme ausschließlich den Wirtschaftsbeteiligten zugute kommen konnte, deren Verträge schon vor dem 31. Juli 1987 fest einen Preis vorsahen, der mindestens dem des Wirtschaftsjahres 1986/87 entsprach, und daß die Verhandlungen und Vereinbarungen vom Juli und August 1987 eine Änderung der bereits geschlossenen Verträge nicht in diesem Sinne vor dem 31. Juli 1987 bewirken konnten; sie teilte daher der italienischen Regierung im Anschluß an eine Überprüfung bei der AIMA im Oktober 1987 mit, daß "ihres Erachtens die fraglichen Verträge für Sojabohnen, die in Italien für das Wirtschaftsjahr 1987/88 abgeschlossen worden sind, in den Anwendungsbereich der in Artikel 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2290/87 festgelegten Grundregel fallen, so daß Beihilfeanträge als am 1. September 1987 eingereicht gelten oder auf Antrag des Antragstellers annulliert werden. Folglich ist mit Ausnahme der Fälle, in denen der Antrag annulliert worden ist, die Beihilfe zu leisten, die am Anfang des Wirtschaftsjahres 1987/88 galt ".

17 Die italienische Regierung meint dagegen, daß die fraglichen Verträge "einen Preis vorsehen, der wenigstens dem Mindestpreis für das Vermarktungsjahr 1986/87 entspricht", und daß sie folglich unter die Ausnahme in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2290/87 fallen und einen Anspruch auf Beihilfe in Höhe des Betrags eröffnen, der dem Mindestpreis entspricht, der im Zeitpunkt der Einreichung der Beihilfeanträge galt.

18 Demgemäß hat die Italienische Republik die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

19 Die Kommission hat gegen die Klage der Italienischen Republik eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben, die sie damit begründet, daß die angefochtene Handlung nur eine Stellungnahme sei und demnach nicht den Charakter einer beschwerenden Verfügung habe. Da sich der Gerichtshof ausreichend unterrichtet sieht, hat er beschlossen, sofort über die Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden, ohne die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

20 Der Einrede der Kommission, die Klage sei unzulässig, weil das beanstandete Fernschreiben nur eine einfache Stellungnahme zur Auslegung der Verordnung Nr. 2290/87 enthalte und demnach keine beschwerende Verfügung darstelle, ist stattzugeben.

21 Ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes für die Feststellung, ob angefochtene Maßnahmen Handlungen im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag darstellen, auf ihr Wesen abzustellen, dann sind nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Anfechtungsklage gegeben ist ( Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639 ).

22 Die Stellungnahme der Kommission in dem streitigen Fernschreiben ist, wie übrigens die Italienische Republik einräumt, nicht geeignet, Rechtswirkungen zu erzeugen, da die Durchführung der Gemeinschaftsbestimmungen auf dem Gebiet der Beihilfe für die Erzeugung von Sojabohnen in den Zuständigkeitsbereich der hierfür bestellten innerstaatlichen Stellen fällt und da auf diesem Gebiet keine der zitierten Verordnungen die Kommission ermächtigt, Entscheidungen über ihre Auslegung zu treffen, so daß die Kommission nur - wie stets - die Möglichkeit hat, ihre Meinung zu äussern, die die nationalen Behörden in keinem Fall bindet ( Urteil vom 10. März 1978 in der Rechtssache 132/77, Société pour l' exportation des sucres SA/Kommission, Slg. 1978, 1061; Urteil vom 27. März 1980 in der Rechtssache 133/79, Sucrimex SA und Westzucker GmbH/Kommission, Slg. 1980, 1299; Urteil vom 10. Juni 1982 in der Rechtssache 217/81, Compagnie Interagra SA/Kommission, Slg. 1982, 2233 ).

23 Darüber hinaus geht weder aus dem Wortlaut noch aus dem Inhalt des beanstandeten Fernschreibens hervor, daß es irgendwelche Rechtswirkungen entfalten soll, da die Kommission es ausdrücklich als Stellungnahme bezeichnete.

24 Das streitige Fernschreiben gehört daher in den Rahmen der internen Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den innerstaatlichen Stellen, die mit der Anwendung der Gemeinschaftsregelung auf dem Gebiet der Beihilfe zur Sojabohnenerzeugung betraut sind.

25 Dies ist nur anders, wenn die Gemeinschaftsregelung den Behörden der Gemeinschaft eine Entscheidungsbefugnis überträgt, die die zuständigen innerstaatlichen Stellen bei ihrer Durchführung bindet ( Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn & Co. Import-Export/Kommission, Slg. 1986, 753 ), was hier nicht der Fall ist.

26 Die Klage der Italienischen Republik ist daher als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen :

1)Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2)Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 17. Mai 1989.

Ende der Entscheidung

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