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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.02.1988
Aktenzeichen: 162/86
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Der Wortlaut des Artikels 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf - und Ziegenfleisch in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 kann nicht dahin ausgelegt werden, daß er der Kommission ein Ermessen einräumt, das es ihr erlaubt, für Tiere und Erzeugnisse, für die keine variable Schlachtprämie gezahlt wurde, beim Verlassen des Gebiets 5 ( Großbritannien ) die Erhebung eines aufgrund dieser Prämie berechneten Betrags (" claw-back ") vorzuschreiben. Die Verordnungen Nrn. 3451/85 und 9/86 der Kommission sind daher insoweit ungültig, als sie die Erhebung eines aufgrund der variablen Schlachtprämie berechneten Betrags bei der Ausfuhr von Tieren und Erzeugnissen, für die diese Prämie nicht gewährt werden kann, in einen anderen Mitgliedstaat vorsehen.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 2. FEBRUAR 1988. - LIVESTOCK SALES TRANSPORT LTD. UND P M JOHNSON ESQ. GEGEN INTERVENTION BOARD FOR AGRICULTURAL PRODUCE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION FUER SCHAF- UND ZIEGENFLEISCH - " CLAWBACK ". - RECHTSSACHE 162/86.
Entscheidungsgründe:
1 Der High Court of Justice of England and Wales, London, hat mit Beschluß vom 22. Mai 1986, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juli 1986, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnungen Nr. 3451/85 der Kommission vom 6. Dezember 1985 ( ABl. L 328, S. 23 ) und Nr. 9/86 der Kommission vom 3. Januar 1986 ( ABl. L 2, S. 14 ), jeweils zur Änderung der Verordnung Nr. 1633/84 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe, zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen den Firmen Livestock Sales Transport Ltd ( im folgenden : LST ) und P. M. Johnson & Son ( im folgenden : Johnson ) einerseits und dem Intervention Board for Agricultural Produce ( im folgenden : IBAP ) andererseits.
3 Die Firma LST ist eine Gesellschaft aus Kent, die Fleisch und Vieh aus dem Vereinigten Königreich ins Ausland exportiert. Erzeugerin des Schaffleischs, um das es hier geht, ist die Firma Johnson. Das IBAP ist im Vereinigten Königreich für die Erhebung des claw-back zuständig, das die Exporteure bei der Ausfuhr von Schaffleisch zu zahlen haben.
4 Im Februar 1986 verkaufte die Firma Johnson an die Firma LST Schaffleischerzeugnisse zur Ausfuhr, für die eine variable Schlachtprämie nicht gewährt werden durfte; dieses Fleisch wurde auch tatsächlich ausgeführt. Mit Rechnungen vom 12. März 1986 forderte das IBAP von der Firma LST einen Betrag in Höhe der variablen Schlachtprämie zurück, der auf die ausgeführten Sendungen zu zahlen sei.
5 Die Firma LST, die von der Firma Johnson unterstützt wird, beantragte beim High Court of Justice of England and Wales, Queen' s Bench Division, Feststellung, daß sie nicht zur Zahlung eines claw-back auf die ausgeführten Sendungen verpflichtet sei, da die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, auf die sich das IBAP stütze, ungültig seien. Die Antragstellerinnen des Ausgangsverfahrens machten im wesentlichen geltend, die Verordnungen Nrn. 3451/85 und 9/86 der Kommission seien
a ) mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 4O Absatz 3 EWG-Vertrag unvereinbar,
b ) mit dem freien Warenverkehr unvereinbar,
c ) von der Kommission erlassen worden, ohne daß diese dazu gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 n. F. befugt gewesen sei,
d ) entgegen Artikel 190 EWG-Vertrag nicht hinreichend begründet.
6 Nach Auffassung des High Court of Justice geht es in dem Rechtsstreit um die Gültigkeit von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften; er hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt :
" Sind die Verordnungen ( EWG ) Nr. 3451/85 der Kommission vom 6. März 1985 und Nr. 9/86 der Kommission vom 3. Januar 1986, jeweils zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 1633/84 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe, insoweit gültig, als sie die Rückforderung eines Betrags in Höhe der variablen Schlachtprämie ( claw-back ) nach Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1837/80 des Rates für Erzeugnisse vorschreiben, für die eine variable Schlachtprämie nicht gewährt werden darf?"
7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und der gemäß Artikel 2O des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen.
8 Um die Gültigkeit der angefochtenen Vorschriften der Verordnungen Nr. 3451/85 und Nr. 9/86 festzustellen, muß geprüft werden, ob sie im Rahmen der Befugnis erlassen wurden, die der Kommission durch Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf - und Ziegenfleisch ( ABl. L 183, S. 1 ) in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 vom 31. März 1984 ( ABl. L 90, S. 35 ) verliehen wurde.
9 Wie der Gerichtshof in seinem heutigen Urteil in der Rechtssache 61/86 ( Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 0000, 0000 ) entschieden hat, kann Artikel 9 Absatz 3 nicht dahin ausgelegt werden, daß er der Kommission ein Ermessen einräumt, das es ihr erlaubt, für Tiere und Erzeugnisse, für die keine variable Schlachtprämie gezahlt wurde, beim Verlassen des Gebiets 5 die Erhebung eines aufgrund dieser Prämie berechneten Betrags vorzuschreiben. Da die Erhebung eines Betrags bei der Ausfuhr in einen anderen Mitgliedstaat grundsätzlich eine Einschränkung des freien Verkehrs der Erzeugnisse darstellt, hat Artikel 9 Absatz 3 nämlich den Charakter einer Ausnahme von den Grundprinzipien jeder gemeinsamen Marktorganisation, die eng auszulegen ist.
10 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, daß die Verordnungen Nrn. 3451/85 und 9/86 insoweit ungültig sind, als sie die Erhebung eines aufgrund der variablen Schlachtprämie berechneten Betrags bei der Ausfuhr von Tieren und Erzeugnissen, für die diese Prämie nicht gewährt werden kann, in einen anderen Mitgliedstaat vorsehen.
Kostenentscheidung:
Kosten
11 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des vor dem nationalen Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom High Court of Justice of England and Wales, London, mit Beschluß vom 22. Mai 1986 vorgelegte Frage für Recht erkannt :
Die Verordnungen Nr. 3451/85 der Kommission vom 6. Dezember 1985 und Nr. 9/86 der Kommission vom 3. Januar 1986, jeweils zur Änderung der Verordnung Nr. 1633/84 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe, sind insoweit ungültig, als sie die Erhebung eines aufgrund der variablen Schlachtprämie berechneten Betrags bei der Ausfuhr von Tieren und Erzeugnissen, für die diese Prämie nicht gewährt werden darf, in einen anderen Mitgliedstaat erheben.
Ende der Entscheidung
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