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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.07.1988
Aktenzeichen: 164/87
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Besteht ein Auswahlverfahren aus einer Reihe verschiedener Vorgänge, die zu gesondert anfechtbaren Maßnahmen führen, kann ein Bewerber nur die ihn beschwerenden Entscheidungen anfechten und nicht die Aufhebung sämtlicher Vorgänge des Auswahlverfahrens beantragen, wenn er erst in einem Endstadium von der Aufnahme in die Eignungsliste ausgeschlossen wurde.

2. Ein Beamter kann für eine Klage gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren keine Gründe geltend machen, die auf der angeblichen Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens beruhen, wenn er die Bestimmungen der Ausschreibung, die ihn seiner Meinung nach beschweren, nicht rechtzeitig angefochten hat. Andernfalls könnte eine Ausschreibung lange nach ihrer Veröffentlichung, wenn die meisten oder alle Vorgänge des Auswahlverfahrens bereits abgeschlossen sind, wieder in Frage gestellt werden, was gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung verstieße.

Anders ist es für denjenigen, der Rechtsverstösse rügt, die zwar auf den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zurückgeführt werden können, zu denen es aber erst im Laufe des Auswahlverfahrens gekommen ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 6. JULI 1988. - LUCIANO SIMONELLA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - INTERNES AUSWAHLVERFAHREN. - RECHTSSACHE 164/87.

Entscheidungsgründe:

1 Luciano Simonella, Beamter der Besoldungsgruppe B 3 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 4. Juni 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung des internen Auswahlverfahrens KOM/A/8/84 oder hilfsweise der Entscheidung des Prüfungsausschusses für dieses Auswahlverfahren, ihn nicht in die Eignungsliste aufzunehmen.

2 Das interne Auswahlverfahren KOM/A/8/84 aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen wurde von der Kommission zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsräten ( Besoldungsgruppen 7 und 6 der Laufbahngruppe A ) durchgeführt. Es stand nur Beamten offen, die seit 1980 in die Besoldungsgruppen B 3 bis B 1 eingestuft waren, und sollte den Übergang von der Laufbahngruppe B zur Laufbahngruppe A ermöglichen. 283 Bewerber wurden zu dem Auswahlverfahren zugelassen.

3 Das Auswahlverfahren gliederte sich in drei Abschnitte : einen der Vorauswahl, einen Fortbildungsabschnitt und schließlich eine mündliche Prüfung.

4 Am Ende des ersten Abschnitts bezeichnete der Prüfungsausschuß die Bewerber, deren Fähigkeiten im Hinblick auf den Zugang zum nächsten Abschnitt am besten bewertet wurden. Er stützte sich dabei auf die Personalakten der Bewerber und das Ergebnis einer schriftlichen Arbeit.

5 Die 87 Bewerber, darunter der Kläger, die zum zweiten Abschnitt des Auswahlverfahrens zugelassen wurden, nahmen an vom Prüfungsausschuß organisierten und festgelegten obligatorischen Fortbildungsmaßnahmen teil, die sich über vier Wochen erstreckten.

6 Die Bewerber, die diesen Fortbildungszyklus abgeschlossen hatten, nahmen anschließend an einer mündlichen Prüfung teil, die dem Prüfungsausschuß gemäß der Ausschreibung des Auswahlverfahrens Gelegenheit zur Befragung der Bewerber geben sollte, um den Grad ihrer Befähigung und ihre Eignung zur Wahrnehmung von Aufgaben der Laufbahngruppe A zu beurteilen. Diese Prüfung wurde mit bis zu 50 Punkten bewertet, wobei für die Aufnahme in die Eignungsliste mindestens 30 Punkte erforderlich waren. Von den 84 Bewerbern, darunter der Kläger, die an der mündlichen Prüfung teilnahmen, wurden 38 in die Eignungsliste aufgenommen.

7 Mit Schreiben vom 17. Juni 1986 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß er nicht in die Eignungsliste aufgenommen worden sei, da er nur 24,7 Punkte erreicht habe.

8 Am 10. September 1986 legte der Kläger gegen diese Entscheidung eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. Am 9. März 1987 wurde ihm die Entscheidung der Kommission mitgeteilt, mit der diese Beschwerde zurückgewiesen worden war.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

10 Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die Aufhebung des gesamten Auswahlverfahrens KOM/A/8/84 gerichtet sei.

11 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß ein Auswahlverfahren - und insbesondere auch das vorliegende - aus einer Reihe verschiedener Vorgänge besteht, die zu gesondert anfechtbaren Maßnahmen führen.

12 Da der Kläger an den ersten beiden Abschnitten des streitigen Auswahlverfahrens mit Erfolg teilgenommen hatte, was er grundsätzlich nicht bestreitet, kann ihn nicht die Gesamtheit der Vorgänge dieses Auswahlverfahrens beschweren. Der Kläger ist daher nicht berechtigt, gemäß Artikel 91 Absatz 1 des Statuts global und unbestimmt die Aufhebung sämtlicher Vorgänge des Auswahlverfahrens zu verlangen.

13 Die Klage ist daher nur insoweit zulässig, als - hilfsweise - die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses beantragt wird, den Kläger nicht in die Eignungsliste aufzunehmen.

14 Darüber hinaus macht die Kommission geltend, daß die vom Kläger gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgebrachten Rügen unzulässig, weil verspätet seien.

15 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe das Urteil vom 11. März 1986 in der Rechtssache 294/84, Adams und andere/Kommission, Slg. 1986, 977, 984 ) ein Beamter, der der Meinung ist, daß die Ausschreibung eines Auswahlverfahrens ihn wegen ihrer Rechtswidrigkeit beschwert, die Ausschreibung rechtzeitig anfechten muß. Andernfalls könnte eine Ausschreibung lange nach ihrer Veröffentlichung, wenn die meisten oder alle Vorgänge des Auswahlverfahrens bereits abgeschlossen sind, wieder in Frage gestellt werden, was gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung verstieße.

16 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe das Urteil vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 64, 71 bis 73 und 78/86, Sergio und andere/Kommission, Slg. 1988, 1399 ) ergibt sich jedoch auch, daß der Umstand, daß ein Kläger die Ausschreibung eines Auswahlverfahrens nicht fristgerecht angefochten hat, es ihm nicht verwehrt, Rechtsverstösse zu rügen, zu denen es im Laufe des Auswahlverfahrens gekommen ist, selbst wenn diese Rechtsverstösse auf den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zurückgeführt werden können.

17 Daraus folgt, daß diese Klagegründe insoweit zurückzuweisen sind, als sie die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens als solche betreffen, daß sie jedoch in der Sache zu prüfen sind, soweit sie sich auf Rechtsverstösse beziehen, die den Ablauf des Auswahlverfahrens fehlerhaft gemacht haben.

Zur Begründetheit

18 Mit einem ersten Klagegrund macht der Kläger im wesentlichen geltend, daß die Ausschreibung des Auswahlverfahrens unter Verstoß gegen Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e des Anhangs III des Statuts nicht die Bewertungen der Befähigungsnachweise und der schriftlichen Arbeiten sowie der Fortbildungszeit angegeben habe und die Entscheidung des Prüfungsausschusses daher nur auf das Ergebnis der mündlichen Prüfung gestützt sei, für die allein in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens eine Bewertung festgesetzt worden sei.

19 Aus den vorstehenden Erwägungen zur Zulässigkeit folgt, daß dieser Klagegrund zurückzuweisen ist, soweit er sich gegen die Unterlassung richtet, die Bewertung bestimmter Prüfungen in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens anzugeben, daß er jedoch insoweit zu prüfen ist, als er die Begründung der angefochtenen Entscheidung betrifft.

20 Dazu genügt der Hinweis darauf, daß das streitige Auswahlverfahren aus drei verschiedenen Abschnitten bestand, nämlich aus einem Abschnitt der Vorauswahl, um dem Prüfungsausschuß die Auswahl der Bewerber zu ermöglichen, die er für am geeignetsten hielt, an dem folgenden Abschnitt teilzunehmen, aus einem obligatorischen Fortbildungsabschnitt, bei dem die Bewerber nicht bewertet wurden, und schließlich aus einer mündlichen Prüfung, die mit bis zu 50 Punkten bewertet wurde und dem Prüfungsausschuß Gelegenheit zur Befragung der Bewerber geben sollte, um den Grad ihrer Befähigung und ihre Eignung zur Wahrnehmung von Aufgaben der Laufbahngruppe A zu beurteilen.

21 Daraus folgt, daß die Vorgänge des Auswahlverfahrens vor der mündlichen Prüfung nur dazu bestimmt waren, die Bewerber für diese Prüfung auszuwählen und vorzubereiten, und daß die Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Bewerbers in die Eignungsliste sich nur aus der Bewertung der mündlichen Prüfung ergeben konnte. Die Rüge des Klägers ist also gegenüber der angefochtenen Entscheidung offensichtlich irrelevant.

22 Mit einem zweiten Klagegrund macht der Kläger im wesentlichen geltend, daß der Prüfungsausschuß bei der Erstellung der Eignungsliste sachfremde Kriterien angewandt habe. Er weist darauf hin, daß entgegen jeder Wahrscheinlichkeitsregel das Verhältnis zwischen Bewerbern von den Dienststellen in Luxemburg ( 26 %) und denen von den Dienststellen in Brüssel ( 74 %) sowohl für die zur mündlichen Prüfung zugelassenen Bewerber als auch für die in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber genau das gleiche sei. Ausserdem sei entgegen jeder mathematischen Wahrscheinlichkeit keiner der Bewerber, die wie er dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften angehörten, in die Eignungsliste aufgenommen worden, obwohl 6 der 23 zur mündlichen Prüfung zugelassenen Bewerber aus Luxemburg diesem Amt angehört hätten. Der Kläger schließt daraus, daß der Prüfungsausschuß die bei diesem Amt beschäftigten Bewerber diskriminiert habe oder zumindest die mündliche Prüfung so ausgestaltet habe, daß die Ungleichheiten, die allein auf den verschiedenen Beschäftigungsbereichen der Bewerber beruhten, nicht beseitigt worden seien.

23 Die Kommission macht geltend, die Entscheidungen des Prüfungsausschusses seien unter Anwendung der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Auswahlkriterien in völliger Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, ohne jede geographische Erwägung oder die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Dienststelle der Kommission zu berücksichtigen, ergangen.

24 Zu der Rüge, der Prüfungsausschuß habe ein Kriterium angewandt, das auf dem Dienstort der Bewerber beruhe, ist darauf hinzuweisen, daß mangels konkreter Anhaltspunkte die Übereinstimmung der entsprechenden statistischen Daten zwischen zwei Vorgängen des Auswahlverfahrens allein nicht für den Nachweis genügt, daß der Prüfungsausschuß ein solches Kriterium angewandt hat.

25 Was die Rüge angeht, die einer bestimmten Dienststelle der Kommission angehörenden Bewerber seien diskriminiert worden, so genügt ebenfalls der Hinweis darauf, daß mangels konkreter Anhaltspunkte nicht allein aufgrund der Verteilung der berücksichtigten Bewerber auf die verschiedenen Dienststellen der Kommission auf das Vorliegen einer solchen Diskriminierung geschlossen werden kann.

26 Schließlich ist zu der Rüge, die Bewerber hätten aufgrund ihres Beschäftigungsbereichs ungleiche Chancen gehabt, darauf hinzuweisen, daß es Zweck des fraglichen Auswahlverfahrens war, eine Einstellungsreserve von Beamten der Laufbahngruppe A zu bilden, die geeignet waren, Tätigkeiten dieser Laufbahngruppe in allen Dienststellen der Kommission auszuüben.

27 Ausserdem diente nach der Ausschreibung des Auswahlververfahrens die mündliche Prüfung dazu, dem Prüfungsausschuß die Beurteilung des Grads der Befähigung und der Eignung der Bewerber zur Wahrnehmung von Aufgaben der Laufbahngruppe A zu ermöglichen.

28 Aus den Unterlagen über die Arbeiten des Prüfungsausschusses, die die Kommission auf Verlangen des Gerichtshofes vorgelegt hat, ergibt sich, daß die mündliche Prüfung vier Phasen umfasste. Der Bewerber antwortete zunächst auf eine durch Los bestimmte allgemeine Frage. Dann äusserte er sich zu seiner Ausbildung und zu seiner früheren und gegenwärtigen Tätigkeit. Er wurde danach dazu befragt, wie sich seine gegenwärtige Tätigkeit in den Rahmen einer der Gemeinschaftspolitiken einfüge. Schließlich antwortete der Bewerber auf eine Frage in bezug auf andere Gemeinschaftspolitiken als die, zu der seine gegenwärtige Tätigkeit gehörte. Es ist anzuerkennen, daß ein solches Verfahren grundsätzlich allen Bewerbern gleiche Chancen gewährleistet.

29 Dagegen kann nicht bezweifelt werden, daß die mehr oder weniger weitgehende Spezialisierung der Aufgaben, die die Bewerber auf ihren derzeitigen Dienstposten ausführten, deren Eignung zur Wahrnehmung von Aufgaben der Laufbahngruppe A beeinflussen konnte. Die nach der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Fortbildungsmaßnahmen waren jedoch geeignet, solchen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Jedenfalls oblag es dem Prüfungsausschuß nicht, solche Ungleichheiten bei der mündlichen Prüfung zu beseitigen, die gerade dazu diente, die Eignung der Bewerber zur Wahrnehmung von Aufgaben der Laufbahngruppe A zu beurteilen.

30 Daraus folgt, daß diese Rüge ebenfalls unbegründet ist und daß die Klage deshalb abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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