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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 11.07.1988
Aktenzeichen: 176/88 R
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Im Verfahren über einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs hat der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Dringlichkeitsvoraussetzung die Frage zu prüfen, ob die sofortige Durchführung der angefochtenen Handlung geeignet ist, dem Antragsteller irreversible Schäden, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn diese Handlung aufgehoben würde, oder aber solche Schäden zu verursachen, die trotz ihres vorläufigen Charakters ausser Verhältnis zum Interesse des betreffenden Organs daran stuenden, daß seine Entscheidungen gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag durchgeführt werden, auch wenn sie Gegenstand einer Klage sind.
BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DER DRITTEN KAMMER VOM 11. JULI 1988. - JACK HANNING GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - EINSTWEILIGE ANORDNUNGEN. - RECHTSSACHE 176/88 R.
Entscheidungsgründe:
1 Jack Hanning hat mit Klageschrift, die am 29. Juni 1988 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, gemäß Artikel 91 des Beamtenstatuts und Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben a ) auf Aufhebung der ihm am 6. April 1988 mitgeteilten Entscheidung, mit der der Präsident des Europäischen Parlaments das Verfahren zur Einstellung eines Abteilungsleiters im Informationsbüro London ( Auswahlverfahren PE/41/A ) wegen Unregelmässigkeiten beendet und beschlossen hat, ein weiteres Verfahren zu diesem Zweck zu eröffnen, b ) auf Anerkennung des Anspruchs des Klägers, aufgrund des Auswahlverfahrens PE/41/A ernannt zu werden, und, hilfsweise, c ) auf Ersatz des immateriellen Schadens sowie auf Erstattung der durch die Teilnahme an diesem Auswahlverfahren verursachten Reisekosten.
2 Mit am selben Tag eingereichtem besonderem Schriftsatz hat der Antragsteller gemäß Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, den Vollzug der streitigen Entscheidung auszusetzen, soweit durch sie ein neues Einstellungsverfahren für die betreffende Planstelle eröffnet wird.
3 Das Europäische Parlament veranstaltete gemäß der im Amtsblatt vom 5. Dezember 1986 ( ABl. C 311, S. 7 ) veröffentlichten Ausschreibung ein allgemeines Auswahlverfahren zur Besetzung der Planstelle eines Abteilungsleiters englischer Sprache ( Laufbahn A 3 ) im Informationsbüro London.
4 Nachdem der Antragsteller einen Bewerbungsfragebogen eingereicht hatte, wurde er zu den am 6. Oktober 1987 stattfindenden Prüfungen geladen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1987 teilte ihm der Leiter des Dienstes "Einstellung" mit, daß er nach den Entscheidungen des Prüfungsausschusses das Auswahlverfahren mit Erfolg absolviert habe und in ein Verzeichnis von vier Bewerbern aufgenommen worden sei, die als für die fragliche Stelle geeignet angesehen worden seien.
5 Gemäß den ihm am 23. November 1987 vom Leiter des Dienstes "Einstellung" erteilten Weisungen unterzog sich der Antragsteller am 30. November 1987 in Luxemburg einer ärztlichen Untersuchung.
6 Der Antragsteller macht geltend, ohne daß ihm das Europäische Parlament widersprochen hätte, nach den Informationen, die ihm der Leiter des Dienstes "Einstellung" erteilt habe, habe diese Untersuchung keinen Grund für eine mangelnde Eignung des Antragstellers zur Wahrnehmung der fraglichen Aufgaben ergeben und die Einstellungsurkunde habe ihm innerhalb der ersten fünfzehn Tage des Januar 1988 zur Unterzeichnung übersandt werden sollen.
7 Mit Schreiben vom 6. April 1988 unterrichtete der Leiter der Personalabteilung den Antragsteller über die Entscheidung des Präsidenten, das Einstellungsverfahren PE/41/A wegen Unregelmässigkeiten aufzuheben und ein neues Verfahren zu eröffnen, dessen Ausschreibung im ABl. C 82 vom 30. 3. 1988 veröffentlicht worden sei.
8 Nach ständiger Rechtsprechung werden Anträge auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen der Organe und auf sonstige einstweilige Anordnungen nur berücksichtigt, wenn die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wird. Darüber hinaus müssen sie dringlich sein in dem Sinne, daß die Anordnung noch vor der Entscheidung des Richters der Hauptsache erlassen und wirksam werden muß, um zu verhindern, daß der Partei, die sie beantragt, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Schließlich muß die Anordnung einstweilig sein in dem Sinne, daß sie der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgreift.
9 In Anbetracht des Vorbringens der Parteien zur Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung hat der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung seine Prüfung auf die Umstände zu beschränken, anhand deren festgestellt werden kann, ob eine Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung dringlich ist, und die Frage zu beurteilen, ob ihre sofortige Durchführung, d. h. bevor eine Entscheidung zur Hauptsache ergeht, geeignet ist, dem Antragsteller irreversible Schäden, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn die angefochtene Entscheidung aufgehoben würde, oder aber solche Schäden zu verursachen, die trotz ihres vorläufigen Charakters ausser Verhältnis zum Interesse des Europäischen Parlaments daran stuenden, daß seine Entscheidungen gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag durchgeführt werden, auch wenn sie Gegenstand einer Klage sind.
10 Der Antragsteller hat lediglich geltend gemacht, er würde, wenn das laufende Auswahlverfahren nicht ausgesetzt würde, einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden, weil dann die Gefahr bestuende, daß seine Bewerbung am Ende dieses Verfahrens abgelehnt würde, während seine Ernennung bei Abschluß des ersten Auswahlverfahrens - PE/41/A - so gut wie festgestanden habe.
11 Das Parlament trägt vor, der Antragsteller würde keinen nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden, wenn das neue Einstellungsverfahren nicht ausgesetzt würde. Er habe nämlich noch die Möglichkeit, seine Befähigungsnachweise und Fähigkeiten später zur Geltung zu bringen und die gewünschte Ernennung zu erreichen. Das Europäische Parlament würde dagegen einen solchen Schaden erleiden, wenn das neue Einstellungsverfahren ausgesetzt würde, weil sich dann die Besetzung eines wichtigen Dienstpostens verzögern würde und der Ablauf der Tätigkeiten des Organs gestört wäre.
12 Hierzu ist festzustellen, daß der Antragsteller mit seiner Klage a ) die Aufhebung der streitigen Entscheidung, mit der das Auswahlverfahren PE/41/A aufgehoben und die Eröffnung eines neuen Einstellungsverfahrens angeordnet worden ist, und b ) die Anerkennung seines Anspruchs auf Ernennung aufgrund des vorgenannten Auswahlverfahrens begehrt.
13 Daraus folgt, daß, selbst wenn der Antragsteller nur hinsichtlich des ersten Antrags obsiegen sollte, die etwaige Ernennung eines anderen Bewerbers bei Abschluß des laufenden Verfahrens nichtig wäre und das erste Einstellungsverfahren wieder seinen normalen Verlauf nähme, als wäre die streitige Entscheidung nicht ergangen. Unter diesen Umständen kann sich kein nicht wiedergutzumachender Schaden daraus ergeben, daß der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt wird.
14 Daher ist mit dem Europäischen Parlament davon auszugehen, daß vielmehr diesem Organ ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden wegen der Verzögerung des Einstellungsverfahrens entstehen würde, wenn der Vollzug der streitigen Entscheidung ausgesetzt und die Klage dann abgewiesen würde.
15 Nach alledem hat der Antragsteller nicht den Beweis für einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erbracht; der Antrag auf einstweilige Anordnung ist daher zurückzuweisen, ohne daß der "fumus boni juris" zu prüfen wäre.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER PRÄSIDENT DER DRITTEN KAMMER
im Verfahren der einstweiligen Anordnung
nach Anhörung des Generalanwalts
beschlossen :
1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.
2 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 11. Juli 1988.
Ende der Entscheidung
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