Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1988
Aktenzeichen: 187/85
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Auch wenn die Verordnung Nr. 2176/84 der Kommission im Hinblick auf den Erlaß von Schutzmaßnahmen gegen Subventionspraktiken von Drittländern ein Ermessen einräumt, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die Kommission die den Antragstellern durch die fraglichen Gemeinschaftsvorschriften eingeräumten Verfahrensgarantien beachtet hat, ob sie offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen oder es unterlassen hat, wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, aufgrund deren vom Vorliegen einer Subventionswirkung auszugehen wäre, oder ob sie in ihre Begründung ermessensmißbräuchliche Überlegungen hat einfließen lassen.

2. Der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 genannte Begriff der Subvention wird weder in dieser Verordnung noch in anderen Rechtsakten der Gemeinschaft ausdrücklich definiert. Der Anhang dieser Verordnung enthält jedoch eine "Beispielliste" von Ausfuhrsubventionen, auf die Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung verweist. Im letzten Absatz dieser Liste wird "jede andere Inanspruchnahme öffentlicher Gelder" als Ausfuhrsubvention im Sinne von Artikel XVI des GATT bezeichnet. Sowohl aus der Formulierung dieser allgemeinen Bestimmung als auch aus den anderen in der Liste genannten Beispielen geht hervor, daß der Begriff der Ausfuhrsubvention vom Gemeinschaftsgesetzgeber so verstanden worden ist, daß er notwendigerweise eine finanzielle Belastung einschließt, die unmittelbar oder mittelbar von der öffentlichen Hand getragen wird. Ausserdem ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 3 dieser Verordnung, der die Befreiung der Waren von bestimmten Abgaben und Steuern bei ihrer Ausfuhr ausdrücklich vom Subventionsbegriff ausnimmt, daß das Konzept der Belastung nicht nur den Fall einschließt, in dem der Staat Mittel zuwendet, sondern auch den, in dem er auf die Erhebung von Abgabenforderungen verzichtet und damit eine Ausnahme von einer allgemein anwendbaren Besteuerungsregel einführt.

Der Subventionsbegriff, der so verstanden wird, daß er die Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils zu Lasten des Staatshaushalts voraussetzt, steht nicht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der Gemeinschaft, die sich aus dem internationalen Recht, insbesondere dem GATT und den in seinem Rahmen geschlossenen Übereinkommen, ergeben.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. JULI 1988. - FEDERATION DE L'INDUSTRIE DE L'HUILERIE DE LA CEE (FEDIOL) GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ANTISUBVENTIONSVERFAHREN - VERORDNUNG NR. 2176/84. - RECHTSSACHE 187/85.

Entscheidungsgründe:

1 Die Vereinigung der Ölmühlenindustrie der EWG ( im folgenden : Fediol ) hat mit Klageschrift, die am 18. Juni 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung des Beschlusses 85/239 der Kommission vom 18. April 1985, mit dem diese das auf Antrag von Fediol eingeleitete Antisubventionsverfahren betreffend die während des Zeitraums vom 1. Oktober 1982 bis zum 30. September 1983 erfolgten Einfuhren von Sojaölkuchen mit Ursprung in Argentinien eingestellt hat ( ABl. L 108, S. 28 ).

2 Der Antrag von Fediol, der mit Schreiben vom 9. August 1983 gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 2176/84 des Rates vom 23. Juli 1984 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern ( ABl. L 201, S. 1 ) gestellt worden war, bezog sich auf folgende vier Praktiken : a ) Gewährung von Finanzierungsvorteilen bei den Ausfuhren von Sojaölkuchen; b ) Erstattungen von Abgaben und direkten und indirekten Steuern; c ) unterschiedliche Besteuerung von Sojärzeugnissen bei der Ausfuhr und d ) Hemmnisse bei der Ausfuhr von Sojabohnen.

3 In ihrem genannten Beschluß vom 18. April 1985 stellte die Kommission fest, daß die ersten beiden Praktiken während des Untersuchungszeitraums nicht stattgefunden hätten. In bezug auf die letzten beiden Praktiken war die Kommission der Ansicht, sie stellten keine Subventionen im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 dar.

4 Mit der Klage wird dieser Beschluß der Kommission insoweit angegriffen, als das Antisubventionsverfahren hinsichtlich dieser letzten beiden Praktiken, nämlich der unterschiedlichen Steuern und Abgaben bei der Ausfuhr von Sojärzeugnissen und der Hemmnisse bei der Ausfuhr von Sojabohnen, eingestellt worden ist.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle

6 In Anbetracht der Erklärungen der Kommission und der Streithelferin über die etwaigen Grenzen einer gerichtlichen Kontrolle des Beschlusses ist festzustellen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe insbesondere Urteil vom 4. Oktober 1983 in der Rechtssache 191/82, Fediol/Kommission, Slg. 1983, 2913 ) der Gerichtshof auch angesichts eines Ermessensspielraums der Kommission auf dem betreffenden Gebiet zu prüfen hat, ob die Kommission die den Antragstellern durch die fraglichen Gemeinschaftsvorschriften eingeräumten Verfahrensgarantien beachtet hat, ob sie offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen oder es unterlassen hat, wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, aufgrund deren vom Vorliegen einer Subventionswirkung auszugehen wäre, oder ob sie in ihre Begründung ermessensmißbräuchliche Überlegungen hat einfließen lassen. In diesem Rahmen ist das Vorbringen von Fediol zu prüfen, wonach die Kommission es unterlassen hat, wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, aufgrund deren vom Vorliegen einer Subvention im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 auszugehen wäre.

Zur unterschiedlichen Besteuerung von Sojärzeugnissen bei der Ausfuhr

7 In dem angefochtenen Rechtsakt ( Punkt 7 ) berichtet die Kommission, Fediol trage vor, nach der Entschließung Nr. 8 des argentinischen Wirtschaftsministeriums vom 5. Juli 1982 würden Sojabohnen bei der Ausfuhr mit einer Steuer in Höhe von 25 % und die Verarbeitungserzeugnisse, unter anderem Sojaölkuchen, mit einer Steuer in Höhe von 10 % belegt; diese unterschiedliche Besteuerung führe zu einer Beschränkung der Ausfuhr von Sojabohnen und garantiere auf diese Weise der argentinischen Industrie eine Versorgung mit billigen Grundstoffen. Dieser Vorteil bei den Gestehungskosten stelle einen Vorteil bei der Ausfuhr von Sojaölkuchen nach der Gemeinschaft dar, zu dem der Vorteil bei der Ausfuhr hinzukomme, der sich aus der niedrigeren Besteuerung der Sojaölkuchen gegenüber den Sojabohnen ergebe.

8 Die Kommission stellt in dem angefochtenen Rechtsakt fest, die genannte Entschließung Nr. 8 sei im Laufe des Untersuchungszeitraums tatsächlich angewandt worden und ihre Bestimmungen entsprächen den Sachangaben im Antrag von Fediol. Sie räumt ein, daß derartige Bestimmungen zu einer Wettbewerbs - oder Handelsverzerrung führen könnten, und präzisiert in diesem Zusammenhang, sie sei sich dessen bewusst, "daß die Belastung oder Entlastung des Aussenhandels durch den Staat - insbesondere durch Steuern oder Beschränkungen bei der Ausfuhr - zu einer Wettbewerbs - oder Handelsverzerrung für das betreffende Erzeugnis oder für die vor - oder nachgelagerte Produktion führen" könne.

9 In der Begründung des angefochtenen Rechtsakts zu diesem Punkt heisst es jedoch : "In aussenhandelspolitischer Sicht wird die Subvention... durch eine finanzielle Zuwendung der öffentlichen Hand gekennzeichnet... eine Belastung für den Staatshaushalt (( stellt )) eine unabdingbare Voraussetzung für das Vorhandensein jeder Subvention dar... (( und )) das Konzept der Belastung (( schließt )) den Verzicht der öffentlichen Hand auf Steuern oder andere von einem Steuerpflichtigen geschuldete Abgaben ein..." Im vorliegenden Fall liege eine solche Belastung aber nicht vor; insbesondere gebe es keinen Verzicht der argentinischen öffentlichen Hand auf fällige Abgabenforderungen.

10 Fediol ist der Auffassung, der Begriff der Subvention im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 setze nicht notwendigerweise eine Belastung für den Staatshaushalt voraus, sondern sei weit auszulegen : Eine Subvention liege dann vor, wenn die ergriffenen Maßnahmen insgesamt dazu führten, daß den Empfängern ein Vorteil verschafft werde.

11 Zunächst ist festzustellen, daß der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 genannte Begriff der Subvention weder in dieser Verordnung noch in anderen Rechtsakten der Gemeinschaft ausdrücklich definiert wird. Der Anhang dieser Verordnung enthält jedoch eine "Beispielliste" von Ausfuhrsubventionen, auf die Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung verweist. Im letzten Absatz dieser Liste wird "jede andere Inanspruchnahme öffentlicher Gelder" als Ausfuhrsubvention im Sinne von Artikel XVI des GATT bezeichnet. Sowohl aus der Formulierung dieser allgemeinen Bestimmung als auch aus den anderen in der Liste genannten Beispielen geht hervor, daß der Begriff der Ausfuhrsubvention vom Gemeinschaftsgesetzgeber so verstanden worden ist, daß er notwendigerweise eine finanzielle Belastung einschließt, die unmittelbar oder mittelbar von der öffentlichen Hand getragen wird. Ausserdem ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 3 dieser Verordnung, der die Befreiung der Waren von bestimmten Abgaben und Steuern bei ihrer Ausfuhr ausdrücklich vom Subventionsbegriff ausnimmt, daß das Konzept der Belastung nicht nur den Fall einschließt, in dem der Staat Mittel zuwendet, sondern auch den, in dem er auf die Erhebung von Abgabenforderungen verzichtet und damit eine Ausnahme von einer allgemein anwendbaren Besteuerungsregel einführt.

12 Der so verstandene Subventionsbegriff steht nicht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der Gemeinschaft, die sich aus dem internationalen Recht, insbesondere dem GATT und den in seinem Rahmen geschlossenen Übereinkommen, ergeben. Dazu ist festzustellen, daß bis jetzt weder das GATT noch das Übereinkommen zur Auslegung und Anwendung der Artikel VI, XVI und XXIII des GATT eine ausdrückliche Definition des Begriffes "Subvention" enthalten und daß die erwähnte Liste eine wörtliche Wiedergabe der dem letztgenannten Übereinkommen als Anhang beigefügten "Beispielliste" darstellt.

13 Aus alledem ergibt sich, daß sich die Kommission nicht fehlerhaft oder willkürlich verhalten hat, als sie zu dem Schluß kam, daß der Subventionsbegriff im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 die Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils mittels einer Belastung für den Staatshaushalt voraussetzt.

14 Fediol trägt sodann vor, auch wenn das argentinische System der differenzierten Abgaben keine Ausfuhrsubvention darstelle, so könne es doch als eine interne Subvention zugunsten der Sojaölkuchen angesehen werden. Das System lasse dadurch, daß es eine Senkung der Produktionskosten der Ölkuchen ermögliche, eine Senkung ihres Verkaufspreises zu und stelle damit eine interne Subvention dar. Eine interne Subvention sei aber als Herstellungssubvention im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 2176/84 anzusehen, die einer Ausfuhrsubvention gleichkomme, wenn der eingeräumte wirtschaftliche Vorteil schädigende Auswirkungen auf den normalen Wettbewerb habe, weil er zugunsten eines Unternehmens oder - sektoriell - zugunsten einer Gruppe von Unternehmen gewährt werde. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfuellt, weil die Ausfuhr von Ölkuchen nach der Gemeinschaft zu niedrigeren Preisen letztlich durch das System der differenzierten Ausfuhrabgaben gefördert werde.

15 Die Kommission und die Streithelferin machen geltend, jedenfalls fehle im vorliegenden Fall das Merkmal des finanziellen Beitrags des Staates. Darüber hinaus sei auch das Merkmal der Sektorspezifität, das jeder internen Subvention innewohne, im wesentlichen deshalb nicht gegeben, weil das Abgabensystem noch für zahlreiche andere Erzeugnisse gelte, die unter mehrere verschiedene Kapitel des Zolltarifs fielen.

16 Der Argumentation der Kommission und der Streithelferin ist zu folgen, da Fediol nicht nachgewiesen hat, daß dem argentinischen Staat, um Sojaölkuchen spezifisch zu begünstigen, eine Einnahme entzogen worden ist, die er normalerweise nach dem allgemeinen Abgabensystem erzielt hätte.

17 Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

Zu den Hemmnissen bei der Ausfuhr von Sojabohnen

18 In dem angefochtenen Rechtsakt ( Punkt 8 ) wird ausgeführt, daß eine etwaige Beschränkung der Ausfuhr von Sojabohnen keine Subvention für Ölkuchen darstelle, weil keine Belastung für den Staatshaushalt vorliege.

19 Fediol trägt vor, die Ausfuhren von Sojabohnen würden behindert, weil für sie in Argentinien ein Lizenz - und Registrierungssystem im Rahmen einer Quoten - und Kautionsverfallregelung gelte. Diese Praxis habe die gleichen, konvergenten Wirkungen wie die der unterschiedlichen Besteuerung.

20 Dazu genügt die Feststellung, daß Fediol bei diesem Vorbringen von der Auffassung ausgeht, eine Subvention könne auch dann vorliegen, wenn keine Belastung für den Staatshaushalt bestehe. Da diese Auffassung oben widerlegt worden ist, ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

21 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

22 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Ende der Entscheidung

Zurück