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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 19.08.1988
Aktenzeichen: 191/88 R
Rechtsgebiete: EWGV, VerfOEuGH


Vorschriften:

EWGV Art. 173 Abs. 2
EWGV Art. 115
EWGV Art. 185
EWGV Art. 186
EWGV Art. 37
VerfOEuGH Art. 83
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTSHOFES VOM 19. AUGUST 1988. - CO-FRUTTA SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - SCHUTZMASSNAHMEN - ERMAECHTIGUNG EINES MITGLIEDSTAATS, ERZEUGNISSE, DIE SICH IN ANDEREN MITGLIEDSTAATEN IM FREIEN VERKEHR BEFINDEN, VON DER GEMEINSCHAFTSBEHANDLUNG AUZUSCHLIESSEN. - RECHTSSACHE 191/88 R.

Entscheidungsgründe:

1 Die Firma Co-Frutta hat mit Klageschrift, die am 14. Juli 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der nach Artikel 115 EWG-Vertrag erlassenen Entscheidung KOM(88 ) 1311 der Kommission vom 30. Juni 1988 zur Ermächtigung der Italienischen Republik, frische Bananen, Unterposition ex 0803 00 10 der Kombinierten Nomenklatur, mit Ursprung in bestimmten Ländern der sogenannten Dollarzone, die sich in einem anderen Mitgliedstaat im freien Verkehr befinden, von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen.

2 Mit Antragsschrift, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Firma Co-Frutta gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, in erster Linie, den Vollzug der genannten Entscheidung der Kommission vom 30. Juni 1988 auszusetzen, und, hilfsweise, einstweilig anzuordnen, daß diese Entscheidung der von der Firma Co-Frutta am 1. Juli 1988 beantragten Erteilung der Einfuhrlizenz für 2 000 Tonnen Bananen mit Ursprung in Kolumbien, die sich in den Beneluxländern im freien Verkehr befinden, nicht entgegensteht.

3 Die Antragsgegnerin hat ihre schriftlichen Erklärungen am 5. August 1988 eingereicht. Da die schriftlichen Stellungnahmen der Parteien alle zur Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung notwendigen Informationen enthalten, erschien eine mündliche Anhörung der Parteien nicht geboten.

4 Bevor die Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung geprüft wird, soll kurz auf den Kontext und den rechtlichen Rahmen dieser Rechtssache eingegangen werden.

5 Nach der Verordnung Nr. 288/82 des Rates vom 5. Februar 1982 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung ( ABl. L 35, S. 1 ) unterliegen Bananen auf Gemeinschaftsebene noch nationalen mengenmässigen Beschränkungen, wenn sie in Frankreich, Griechenland, Italien und im Vereinigten Königreich in den freien Verkehr gebracht werden.

6 Das staatliche Monopol für den Bananenhandel in Italien ist seit dem 1. Januar 1965 gemäß Artikel 37 EWG-Vertrag aufgehoben. Dennoch unterliegt die Einfuhr von Bananen in Italien weiterhin bestimmten mengenmässigen Beschränkungen. Nach dem gegenwärtig geltenden System gibt es nur noch Beschränkungen bei der Einfuhr von Bananen mit Ursprung in den sogenannten Ländern der Dollarzone.

7 Die Kommission erließ seit 1985 auf Antrag der Italienischen Republik mehrere Entscheidungen, die diese ermächtigten, in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindliche und aus Kolumbien und anderen Ländern Mittelamerikas stammende Bananen von der Gemeinschaftsbehandlung auszuschließen. Diese Ermächtigungen beziehen sich jedoch nicht auf einen bestimmten Anteil - gegenwärtig 10 % - der gesamten von Italien zugelassenen Einfuhrmöglichkeiten für die fraglichen Waren mit Ursprung in anderen Ländern als den AKP-Staaten und den Überseeischen Ländern und Gebieten. Diese Menge wird von den italienischen Behörden auf einer monatlichen Grundlage verteilt, wobei den Importeuren mindestens 50 % für den freien Verkehr zugewiesen werden.

8 Aus der streitigen Entscheidung folgt ausserdem, daß jeder Importeur monatlich nur einen Antrag auf Einfuhr stellen darf und daß dieser Antrag innerhalb der ersten fünf Werktage des Monats gestellt werden muß. Schließlich setzt die Zulässigkeit der Anträge voraus, daß jeder Antrag nicht mehr als 20 % der während des Monats der Antragstellung zu verteilenden Monatsquote betrifft und daß eine Kaution von 500 LIT/kg gestellt wird.

9 Die Antragstellerin, eine Genossenschaft, in der etwa 15 Bananenhändler zusammengeschlossen sind, macht in ihrer Klage geltend, daß die Importeure wegen der Anzahl von Einfuhranträgen, die das verfügbare Kontingent bei weitem überschreite, in der Praxis gezwungen seien, die Bananen schon am Tag der Eröffnung des Kontingents zur Abfertigung zu gestellen, da das Kontingent sonst bereits von den anderen Antragstellern ausgeschöpft sei. Jeder Importeur habe übrigens kürzlich nicht mehr als etwa 30 bis 40 % der angemeldeten Mengen verzollen können.

10 Die Antragstellerin weist darüber hinaus darauf hin, daß ihr wegen Havarien an Bord von zwei Schiffen in Kolumbien gekaufte Bananen erst nach Ausschöpfung der Direkteinfuhrkontingente für Juni und Juli 1988 geliefert worden seien. Um ihre Mitglieder beliefern zu können, habe sie daher am 1. Juli 1988 einen Antrag auf Genehmigung der Einfuhr von 2 000 Tonnen aus Kolumbien stammende und in den Beneluxländern im freien Verkehr befindliche Bananen nach Italien eingereicht.

11 Die zuständigen italienischen Behörden hätten die Erteilung der Lizenz unter Hinweis auf die nach Artikel 115 EWG-Vertrag erlassene Entscheidung der Kommission vom 30. Juni 1988 abgelehnt. Nach Angaben der Kommission haben die italienischen Behörden der Antragstellerin eine Lizenz erteilt, jedoch nur für 161 Tonnen aus der Dollarzone stammende und in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindliche Bananen.

12 Gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag haben Klagen bei dem Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

13 Damit eine einstweilige Anordnung wie die beantragte erlassen werden kann, müssen nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung die entsprechenden Anträge die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, und es muß die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht werden.

14 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung im Sinne von Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, daß der Partei, die die Anordnung beantragt, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht.

15 Um die Dringlichkeit ihres Antrags auf einstweilige Anordnung darzutun, macht die Antragstellerin geltend, sie habe einen absoluten Versorgungsbedarf, da es ihr wegen der Havarien ihrer Schiffe zweimal nicht möglich gewesen sei, die Bananen direkt aus den Drittländern einzuführen.

16 Diese Versorgung sei für die Händler, Mitglieder der Genossenschaft Co-Frutta, unerläßlich, um durch den Betrieb ihrer Kühlanlagen ihre Tätigkeit aufrechtzuerhalten und die Beschäftigung ihres Personals zu gewährleisten. Mangels einer solchen Versorgung bestehe für die Unternehmen die Gefahr einer endgültigen Schließung.

17 Die Kommission macht geltend, aus dem von der Antragstellerin in ihrer Klageschrift selbst dargelegten Sachverhalt gehe hervor, daß sich die Verluste, die sie angeblich erlitten habe, hauptsächlich aus den Lieferfristen ihrer beiden Schiffe ergäben. Es sei daher nicht die angefochtene Entscheidung, die zu dem der Antragstellerin entstandenen Schaden geführt oder beigetragen habe. Bei dem Versuch, ihre Verluste durch die Einfuhr einer bereits in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindlichen Menge Bananen auszugleichen, sei die Antragstellerin auf die in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte Voraussetzung gestossen, daß ein Lizenzantrag nicht mehr als 20 % der Monatsquote betreffen dürfe.

18 Im übrigen sei der Umstand, daß nur über einen begrenzten Teil des Einfuhrkontingents verfügt werden könne, von der Antragstellerin in der Vergangenheit nie als ein nicht wiedergutzumachender Schaden angesehen worden, obwohl die Voraussetzungen, die sie an der Einfuhr der im freien Verkehr befindlichen Bananen gehindert hätten, seit 1985 in den einschlägigen Kommissionsentscheidungen enthalten seien. Die geltend gemachte Dringlichkeit ergebe sich daher aus den normalen Risiken des internationalen Handels.

19 Hinsichtlich der Dringlichkeit ergibt sich eindeutig aus den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung, daß deren Hauptzweck darin besteht, zu verhindern, daß unbegrenzte Einfuhren von Bananen, die aus den sogenannten Ländern der Dollarzone stammen und sich in den übrigen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, die traditionellen Vorteile gefährden, die AKP-Staaten, insbesondere Somalia, auf dem italienischen Markt genießen. Die Voraussetzungen, die in Artikel 1 dieser Entscheidung aufgestellt wurden, sind eingeführt und aufrechterhalten worden, um den Importeuren eine bessere Versorgung für den freien Verkehr zu gewährleisten, damit dieser Handel neuen und kleinen Wirtschaftsteilnehmern eröffnet wird.

20 Im Lichte dieser Erwägungen ist festzustellen, daß die Antragstellerin nicht dargetan hat, daß die Verluste, die sie im Juni und Juli angeblich erlitten hat, durch die streitige Entscheidung verursacht oder vergrössert worden sind.

21 Im übrigen hat die Antragstellerin keine objektiven Angaben über die jüngste Entwicklung des Bananenmarktes in Italien, über den Umfang der Lagerbestände der betreffenden Händler oder über ihre finanzielle Situation gemacht, die darauf hindeuten, daß ihre Verluste sich in Zukunft wiederholen können, oder die zeigen, daß der durch den Erlaß oder die Anwendung der Entscheidung der Kommission entstandene Schaden nicht wiedergutzumachen ist.

22 Die Antragstellerin hat daher nicht nachgewiesen, daß sie durch den Erlaß oder die Anwendung der Entscheidung KOM(88 ) 1311 der Kommission vom 30. Juni 1988 einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet. Es ist ihr somit nicht gelungen, Umstände anzuführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt und die die Notwendigkeit einer Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung glaubhaft machen.

23 Darüber hinaus bestehen ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der Klage gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag. Denn die angefochtene Entscheidung ist gemäß ihrem Artikel 4 an die Italienische Republik gerichtet, und die Akten lassen auf den ersten Blick nicht erkennen, daß die Antragstellerin aufgrund bestimmter Eigenschaften oder aufgrund von Umständen, die nur sie betreffen und die sie von jedem anderen unterscheiden, unmittelbar und individuell durch diese Entscheidung betroffen ist.

24 Was schließlich den Hilfsantrag angeht, so genügt, da der Vollzug der Entscheidung nicht ausgesetzt wird, die Feststellung, daß mit dem Erlaß einer solchen Maßnahme in die Handelspolitik der Gemeinschaft in einer Weise eingegriffen würde, die die Befugnisse des Richters im Verfahren der einstweiligen Anordnung bei weitem überschritte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

Der Präsident

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen :

1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 19. August 1988.

Ende der Entscheidung

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