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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.1989
Aktenzeichen: 196/88
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 857/84, EWG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 804/68
Vorschriften:
VO (EWG) Nr. 857/84 Art. 3 | |
EWG-Vertrag Art. 40 Abs. 3 | |
VO (EWG) Nr. 804/68 Art. 5c |
1. Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84, der es ermöglicht, Erzeugern, die sich zur Durchführung eines Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung verpflichtet haben, eine der zusätzlichen Abgabe für Milch nicht unterliegende spezifische Referenzmenge zuzuteilen, steht einer nationalen Regelung entgegen, die diese Bestimmung in der Weise durchführt, daß alle darin genannten Erzeuger unabhängig von dem in ihrem jeweiligen Plan festgelegten Produktionsziel eine einmalige pauschale Menge zugewiesen erhalten.
Diese Bestimmung steht jedoch einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der nur die Erzeuger, deren Milchlieferungen eine bestimmte Hoechstmenge nicht überschreiten, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten können.
2. Die Verordnung Nr. 857/84 über die zusätzliche Abgabe für Milch, ausgelegt unter Berücksichtigung des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbots, steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es den Käufern im Rahmen der Formel B gestattet, bestimmten Erzeugern, die ihnen angeschlossen sind, vorläufig ganz oder teilweise die von anderen Erzeugern freigesetzten individuellen Referenzmengen neu zuzuteilen, sofern diese Neuzuteilungen gegebenenfalls nachträglich so angepasst werden, daß etwaige Unterschiede in der Behandlung von Erzeugern, die verschiedenen Käufern angeschlossen sind, ausgeglichen werden.
3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch in der Weise durchführt, daß die Erzeuger mit einem Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung, der vor Inkrafttreten der Abgabenregelung genehmigt wurde, für das zweite Anwendungsjahr der Regelung Referenzmengen zugeteilt erhalten, die in einer niedrigeren Höhe festgesetzt werden als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr, es sei denn, daß sich diese Herabsetzungen speziell auf die Referenzmengen der Erzeuger mit einem solchen Plan beziehen.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 11. JULI 1989. - DANIEL CORNEE UND JEAN-CLAUDE OLLIVIER UND JEAN-FRANCOIS SEGER UND ANDERE GEGEN COOPERATIVE AGRICOLE LAITIERE DE LOUDEAC (COPALL) UND LAITERIE COOPERATIVE DU TRIEUX. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE RENNES - FRANKREICH. - LANDWIRTSCHAFT - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 196/88, 197/88 UND 198/88.
Entscheidungsgründe:
1 Die Cour d' appel Rennes hat mit Urteilen vom 29. Juni 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei in den drei verbundenen Rechtssachen identische Fragen nach der Auslegung von Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag und Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5 c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 90, S. 13 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen 15 Milcherzeugern des Departements Côtes du Nord und der Coopérative agricole laitière de Loudéac "Copall" ( Rechtssache 196/88 ) bzw. der Laiterie coopérative du Trieux ( Rechtssachen 197 und 198/88 ) über die Abgaben, die letztere im Rahmen der Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch auf die genannten Erzeuger angewandt haben.
3 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Rat mit der Verordnung Nr. 856/84 vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 90, S. 10 ) eine zusätzliche Abgabe eingeführt hat, die auf die gelieferten Milchmengen erhoben wird, die eine zu bestimmende Referenzmenge überschreiten; sie wird entweder von den Milcherzeugern ( Formel A ) oder von den Käufern von Milch oder anderen Milcherzeugnissen gezahlt, die sie auf die Erzeuger, die ihre Lieferungen erhöht haben, im Verhältnis zu ihrem Beitrag an der Überschreitung der Referenzmenge des Käufers abwälzen ( Formel B ).
4 Die Einzelheiten der Berechnung der Referenzmenge, d. h. der von der zusätzlichen Abgabe befreiten Mengen, sind in der vorgenannten Verordnung Nr. 857/84 des Rates festgelegt worden. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung entspricht die Referenzmenge der Milch - oder Milchäquivalenzmenge, die im Kalenderjahr 1981 geliefert oder gekauft wurde, zuzueglich 1 %. Die Mitgliedstaaten können jedoch gemäß Absatz 2 dieses Artikels vorsehen, daß die Referenzmenge auf ihrem Gebiet der im Kalenderjahr 1982 oder 1983 gelieferten oder gekauften Milch - oder Milchäquivalenzmenge unter Anwendung eines Zinssatzes entspricht, der so festgesetzt wird, daß die Garantiemenge für den betreffenden Mitgliedstaat nicht überschritten wird.
5 Ausnahmen von diesen Regeln sind für bestimmte besondere Situationen in den Artikeln 3, 4 und 4 a dieser Verordnung vorgesehen. Insbesondere können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 857/84 unter den darin festgelegten Bedingungen den Erzeugern, die sich zur Durchführung eines Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung nach der Richtlinie 72/159 des Rates vom 17. April 1972 über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe ( ABl. L 96, S. 1 ) verpflichtet haben, eine spezifische Referenzmenge gewähren.
6 Die Französische Republik hat die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch in der Weise durchgeführt, daß sie sich für das Jahr 1983 im Rahmen der Formel B ( Käuferformel ) entschieden hat. Die Referenzmenge der im französischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Käufer entsprach für das erste Anwendungsjahr der Regelung ( 2. April 1984 bis 31. März 1985 ) der im Jahr 1983 von dem betreffenden Käufer gesammelten Milchmenge, abzueglich 2 % ( in Berggebieten 1 %); für das zweite Anwendungsjahr der Regelung ( 1. April 1985 bis 31. März 1986 ) wurde diese Menge ( ausser in Berggebieten ) um 1 % vermindert. Hinsichtlich der Erzeuger, die sich zur Durchführung eines Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung verpflichtet haben, sieht die französische Regelung im wesentlichen vor, daß die Käufer, denen diese Erzeuger angeschlossen sind, diesen im Rahmen ihrer eigenen Referenzmenge eine pauschale Menge von 9 500 l zuteilen, jedoch unter dem Vorbehalt, daß von dieser Vergünstigung diejenigen Erzeuger ausgenommen sind, deren Milchlieferungen im Jahr 1983 mehr als 200 000 l betrugen.
7 Die Milcherzeuger, die Kläger der Ausgangsverfahren, führten Entwicklungspläne im Bereich der Milcherzeugung nach der vorgenannten Richtlinie 72/159/EWG durch. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die auf sie angewandten Abgaben mit der Begründung, daß bei der Bestimmung ihrer individuellen Referenzmengen nicht ihren Entwicklungsplänen Rechnung getragen worden sei. Sie machen in diesem Zusammenhang geltend, daß die vorgenannte französische Regelung unter Verstoß sowohl gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der zusätzlichen Abgabe für Milch als auch gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes erlassen worden sei.
8 Um dieses Vorbringen beurteilen zu können, hat die Cour d' appel Rennes das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt :
"1 ) Erlaubt es Artikel 3 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates, daß ein Mitgliedstaat allen Erzeugern mit einem in Durchführung befindlichen Entwicklungsplan ungeachtet der Ziele des einzelnen Plans eine pauschale Zuteilung gewährt und das Jahr 1983 als einziges Referenzjahr wählt, ohne eine Ausnahme für die Erzeuger vorzusehen, für die ein in den Jahren 1981 und 1982 abgeschlossener Entwicklungsplan galt?
2 ) Steht es im Widerspruch zu Artikel 40 Absatz 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, daß die Verordnungen vom 22. November 1984 und 10. Juli 1985 eine Prioritätsordnung für die Zuteilungen zusätzlicher Referenzmengen je nach den innerhalb des einzelnen Betriebs freigesetzten Mengen festlegen, so daß die Zuteilung von den zur Verfügung stehenden Mengen des Käufers abhängt?
3 ) Hat die nationale Behörde, als sie insbesondere die Ministerialverordnung vom 10. Juli 1985 erließ, die die Wachstumsmöglichkeit für das Wirtschaftsjahr 1985/86 auf 1 % des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs beschränkt, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstossen, da die Erzeuger mit einem Plan auf den Bestand der Verpflichtungen vertrauen durften, die vorher eingegangen waren, um ihnen eine Steigerung der Produktivität ihres Betriebs zu ermöglichen?"
9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts der Ausgangsverfahren, der fraglichen Bestimmungen des Gemeinschafts - und des nationalen Rechts sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof abgegebenen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
Zur ersten Frage
10 Die erste Frage besteht aus zwei Teilen.
11 Unter Berücksichtigung des Sachverhalts der Ausgangsverfahren ist der erste Teil der Frage so zu verstehen, daß er dahin geht, ob Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der vorgenannten Verordnung Nr. 857/84 einer nationalen Regelung entgegensteht, die diese Bestimmung in der Weise durchführt, daß von den darin genannten Erzeugern nur diejenigen eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten können, deren Milchlieferungen eine bestimmte Hoechstgrenze nicht überschreiten, und daß alle diese Erzeuger eine einmalige pauschale Menge zugewiesen erhalten.
12 Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 lautet wie folgt : "Erzeuger, die sich zur Durchführung eines vor dem 1. März 1984 eingereichten Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung gemäß der Richtlinie 72/159/EWG verpflichtet haben, können entsprechend der Entscheidung des Mitgliedstaats,... wenn der Entwicklungsplan in Durchführung befindlich ist, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten, die den im Entwicklungsplan vorgesehenen Milch - und Milcherzeugnismengen Rechnung trägt." Diese Bestimmung ermöglicht es, daß die Erzeuger mit einem nach Maßgabe der Richtlinie 72/159/EWG genehmigten Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung die Früchte der Investitionen, die sie im Rahmen der Durchführung eines solchen Plans getätigt haben, genießen können.
13 Aus dem Wortlaut der vorgenannten Bestimmung geht hervor, daß sie den Mitgliedstaaten ein Ermessen in der Frage einräumt, ob sie die Zuteilung spezifischer Referenzmengen an die darin genannten Erzeuger vorsehen und wie sie gegebenenfalls den Umfang dieser Zuteilungen festsetzen.
14 Diese Bestimmung schreibt jedoch vor, daß, wenn ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit Gebrauch macht, in dieser Weise spezifische Referenzmengen zu gewähren, die Zuteilungen dem in dem fraglichen Entwicklungsplan vorgesehenen Produktionsziel "Rechnung tragen" müssen, d. h., daß die betreffende spezifische Referenzmenge zu diesem Produktionsziel in Beziehung stehen muß. Diese Auslegung entspricht der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei der Durchführung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte das in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern innerhalb der Gemeinschaft zu beachten.
15 Daraus folgt, daß eine nationale Regelung, die Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 in der Weise durchführt, daß sie die Zuteilung eines einmaligen pauschalen Zuschlags an alle in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallenden Erzeuger unabhängig vom Ziel ihres Entwicklungsplans vorsieht, mit dieser Bestimmung unvereinbar ist.
16 Anders verhält es sich bei einer nationalen Regelung, die diejenigen Erzeuger von der Zuteilung spezifischer Referenzmengen ausnimmt, deren Milchlieferungen im maßgeblichen Referenzjahr eine bestimmte Hoechstmenge überschritten haben. Das Erfordernis, dem Ziel des Entwicklungsplans "Rechnung zu tragen", verlangt nämlich nicht, daß eine strikte Proportionalität zwischen diesem Ziel und den zuzuteilenden spezifischen Referenzmengen gewahrt wird. Die Mitgliedstaaten können daher, auch wenn sie das Ziel des Entwicklungsplans als Hauptanknüpfungspunkt heranziehen, auch andere objektive Kriterien, namentlich sozialer Art, beispielsweise um den kleinen Erzeugern einen gewissen Vorrang zu sichern, berücksichtigen. Eine nationale Regelung, die, um den kleinen Erzeugern höhere Zuschläge zuteilen zu können, vorsieht, daß nur die Erzeuger eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten können, deren Milchlieferungen eine bestimmte Hoechstmenge nicht überschreiten, entspricht diesen objektiven Kriterien. Infolgedessen geht eine solche Regelung nicht über die Grenzen des Ermessens hinaus, das den Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung des Artikels 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 zusteht.
17 Daher ist auf den ersten Teil der ersten Frage zu antworten, daß Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 einer nationalen Regelung entgegensteht, die diese Bestimmung in der Weise durchführt, daß alle darin genannten Erzeuger eine einmalige pauschale Menge zugewiesen erhalten. Diese Bestimmung steht jedoch einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der nur die Erzeuger, deren Milchlieferungen eine bestimmte Hoechstmenge nicht überschreiten, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten können.
18 Der zweite Teil der ersten Frage geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 3 Nr. 1 zweiter Gedankenstrich der vorgenannten Verordnung Nr. 857/84 die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Jahr des Abschlusses des Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung als Referenzjahr für die Festlegung der spezifischen Referenzmengen der in dieser Bestimmung genannten Erzeuger heranzuziehen, auch wenn dieses Jahr vor dem Referenzjahr liegt, das der betreffende Mitgliedstaat als allgemein gültig gewählt hat.
19 Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß keiner der Erzeuger, der Kläger der Ausgangsverfahren, seinen Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung in einem Jahr vor 1983, dem Jahr, das die Französische Republik als allgemein gültiges Referenzjahr wählte, abgeschlossen hat. Unter diesen Umständen braucht der zweite Teil der ersten Frage nicht beantwortet zu werden.
Zur zweiten Frage
20 Die zweite Frage geht im wesentlichen dahin, ob die vorgenannte Verordnung Nr. 857/84, wenn sie unter Berücksichtigung des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbots ausgelegt wird, einer nationalen Regelung entgegensteht, die es den Käufern im Rahmen der Formel B gestattet, gemäß Artikel 3 Nr. 1 dieser Verordnung die von Erzeugern, die ihnen angeschlossen sind, freigesetzten individuellen Referenzmengen anderen, demselben Käufer angeschlossenen Erzeugern neu zuzuteilen.
21 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Urteil vom 25. November 1986 in den verbundenen Rechtssachen 201 und 202/85 ( Klensch u. a., Slg. 1986, 3477, 3503 ) entschieden hat, daß das in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern innerhalb der Gemeinschaft eine Auslegung der Verordnung Nr. 857/84 dahin verlangt, daß ein Mitgliedstaat, der die Formel B gewählt hat, nach dieser Verordnung nicht beschließen darf, die individuelle Referenzmenge eines Erzeugers, der seine Tätigkeit eingestellt hat, der Referenzmenge des Käufers, den dieser Erzeuger zum Zeitpunkt der Einstellung mit Milch beliefert hat, zuzuschlagen, anstatt diese Menge der nationalen Reserve hinzuzufügen. Der Gerichtshof hat dabei insbesondere klargestellt, daß die gegenteilige Auslegung dazu führen würde, daß der Käufer diese Menge den ihm angeschlossenen Erzeugern wieder zuteilen könnte, was diese gegenüber den Erzeugern, die anderen Käufern angeschlossen sind, in ungerechtfertigter Weise begünstigen würde.
22 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß eine nationale Regelung, die die Zuteilung spezifischer Referenzmengen an die in Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 857/84 genannten Erzeuger vom Umfang der von anderen Erzeugern, die demselben Käufer angeschlossen sind, freigesetzten individuellen Referenzmengen abhängig macht, mit dieser Verordnung, wie sie unter Berücksichtigung des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbots ausgelegt wird, grundsätzlich unvereinbar ist.
23 Es ist jedoch klarzustellen, daß man es den Mitgliedstaaten, die für die Durchführung der Gemeinschaftsregelung auf Verwaltungsebene zu sorgen haben, nicht verbieten kann, eine auf der Zusammenarbeit der Käufer beruhende dezentralisierte Verwaltung der Abgabe vorzusehen. Es lässt sich daher nicht als einen Verstoß gegen die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts ansehen, wenn eine nationale Regelung so angelegt ist, daß die Käufer im Rahmen der Formel B die von Erzeugern, die ihnen angeschlossen sind, freigesetzten individuellen Referenzmengen vorläufig ganz oder teilweise behalten, um sie anderen, demselben Käufer angeschlossenen Erzeugern neu zuzuteilen, sofern diese Neuzuteilungen gegebenenfalls nachträglich angepasst werden, um sicherzustellen, daß etwaige Unterschiede in der Behandlung von Erzeugern, die verschiedenen Käufern angeschlossen sind, ausgeglichen werden.
24 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß die Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984, wenn sie unter Berücksichtigung des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbots ausgelegt wird, einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es den Käufern im Rahmen der Formel B gestattet, gemäß Artikel 3 Nr. 1 dieser Verordnung die von Erzeugern, die ihnen angeschlossen sind, freigesetzten individuellen Referenzmengen vorläufig ganz oder teilweise anderen, denselben Käufern angeschlossenen Erzeugern neu zuzuteilen, sofern diese Neuzuteilungen gegebenenfalls nachträglich so angepasst werden, daß etwaige Unterschiede in der Behandlung von Erzeugern, die verschiedenen Käufern angeschlossen sind, ausgeglichen werden.
Zur dritten Frage
25 Die dritte Frage geht im wesentlichen dahin, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch in der Weise durchführt, daß die Erzeuger mit einem Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung, der vor Inkrafttreten der Abgabenregelung genehmigt wurde, für das Wirtschaftsjahr 1985/86 Referenzmengen zugeteilt erhalten, die in einer niedrigeren Höhe festgesetzt werden als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr.
26 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Durchführung eines von den zuständigen nationalen Behörden genehmigten Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung dem betreffenden Erzeuger nicht das Recht verleiht, die dem Ziel dieses Plans entsprechende Milchmenge zu erzeugen, ohne etwaigen Beschränkungen aufgrund von Gemeinschaftsvorschriften unterworfen zu werden, die nach der Genehmigung dieses Plans insbesondere im Rahmen der Markt - oder Strukturpolitik erlassen werden, es sei denn, daß diese Beschränkungen die Erzeuger mit einem solchen Plan in spezifischer Weise, gerade wegen der Durchführung ihres Plans, betreffen.
27 Sieht also eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte im Hinblick auf den Abbau struktureller Überschüsse auf dem fraglichen Markt die Erhebung einer Abgabe auf die Lieferungen von Erzeugnissen vor, die bestimmte Referenzmengen überschreiten, so können sich die Erzeuger mit einem - auch vor dem Inkrafttreten der Regelung genehmigten - Entwicklungsplan nicht auf irgendein auf die Durchführung ihres Plans gestütztes berechtigtes Vertrauen berufen, um sich etwaigen Herabsetzungen dieser Referenzmengen zu widersetzen, wenn die Herabsetzungen von der einschlägigen Gemeinschaftsregelung zugelassen werden und sich nicht speziell auf die Referenzmengen dieser Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern beziehen.
28 Wie aus den Begründungserwägungen der vorgenannten Verordnung Nr. 856/84 hervorgeht, ist die für die Gemeinschaft garantierte Gesamtmenge Milch und Milchäquivalent entsprechend der vom Rat im Jahr 1983 festgelegten Garantieschwelle auf 97,2 Mio t festgesetzt worden. Diese Menge ist jedoch für das erste Anwendungsjahr der Regelung auf 98,2 Mio t angehoben worden, um eine gewisse Übergangszeit einzuräumen. Da gemäß Artikel 5 c Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 856/84 die Summe der Referenzmengen diese Gesamtmenge nicht überschreiten darf, folgt implizit aus diesen Bestimmungen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber über die Herabsetzung der Gesamtmenge eine entsprechende Herabsetzung der Referenzmengen der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zulassen wollte.
29 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 2 Absatz 3 der vorgenannten Verordnung Nr. 857/84 die Mitgliedstaaten die Prozentsätze, die zur Berechnung der Referenzmengen auf die Milchmengen angewandt werden, anpassen können, um die Anwendung der Artikel 3 und 4 sicherzustellen. Liest man diese Bestimmung in Verbindung mit Artikel 5 der Verordnung, wonach für die Anwendung der Artikel 3 und 4 zusätzliche Referenzmengen nur im Rahmen der für den betreffenden Staat garantierten Gesamtmenge gewährt werden können, so ergibt sich, daß, soweit bestimmten Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern derartige zusätzliche Mengen gewährt werden, die Referenzmengen der übrigen Wirtschaftsteilnehmer gegebenenfalls herabgesetzt werden müssen, um zu verhindern, daß die genannte Gesamtmenge überschritten wird.
30 Daher kann es nicht als unvereinbar mit den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts angesehen werden, wenn eine zur Durchführung der Gemeinschaftsregelung erlassene nationale Regelung wie die französische bestimmt, daß alle im Inland niedergelassenen Erzeuger einschließlich derjenigen, die sich zur Durchführung eines vor Inkrafttreten der Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch genehmigten Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung verpflichtet haben, nicht jedoch eine bestimmte Gruppe von Erzeugern, die aufgrund ihrer geographischen Lage benachteiligt sind, für das zweite Anwendungsjahr der Regelung niedrigere Referenzmengen zugewiesen erhalten als die entsprechenden Referenzmengen, die sie für das Vorjahr erhalten haben.
31 Aus diesen Gründen ist auf die dritte Frage zu antworten, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch in der Weise durchführt, daß die Erzeuger mit einem Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung, der vor Inkrafttreten der Abgabenregelung genehmigt wurde, für das Wirtschaftsjahr 1985/86 Referenzmengen zugeteilt erhalten, die in einer niedrigeren Höhe festgesetzt werden als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr, es sei denn, daß sich diese Herabsetzungen speziell auf die Referenzmengen der Erzeuger mit einem solchen Plan beziehen.
Kostenentscheidung:
Kosten
32 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem innerstaatlichen Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )
auf die ihm von der Cour d' appel Rennes mit Urteilen vom 29. Juni 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :
1)Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 steht einer nationalen Regelung entgegen, die diese Bestimmung in der Weise durchführt, daß alle darin genannten Erzeuger eine einmalige pauschale Menge zugewiesen erhalten. Diese Bestimmung steht jedoch einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der nur die Erzeuger, deren Milchlieferungen eine bestimmte Hoechstmenge nicht überschreiten, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten können.
2 ) Die Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984, ausgelegt unter Berücksichtigung des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Diskriminierungsverbots, steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es den Käufern im Rahmen der Formel B gestattet, gemäß Artikel 3 Nr. 1 dieser Verordnung die von Erzeugern, die ihnen angeschlossen sind, freigesetzten individuellen Referenzmengen vorläufig ganz oder teilweise anderen, denselben Käufern angeschlossenen Erzeugern neu zuzuteilen, sofern diese Neuzuteilungen gegebenenfalls nachträglich so angepasst werden, daß etwaige Unterschiede in der Behandlung von Erzeugern, die verschiedenen Käufern angeschlossen sind, ausgeglichen werden.
3)Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch in der Weise durchführt, daß die Erzeuger mit einem Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung, der vor Inkrafttreten der Abgabenregelung genehmigt wurde, für das Wirtschaftsjahr 1985/86 Referenzmengen zugeteilt erhalten, die in einer niedrigeren Höhe festgesetzt werden als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr, es sei denn, daß sich diese Herabsetzungen speziell auf die Referenzmengen der Erzeuger mit einem solchen Plan beziehen.
Ende der Entscheidung
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