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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.1988
Aktenzeichen: 197/86
Rechtsgebiete: Verordung Nr. 1612/68/EWG vom 15.10.1968, EWGV


Vorschriften:

Verordung Nr. 1612/68/EWG vom 15.10.1968
EWGV Art. 7
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Universitätsstudien, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereiten oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleihen, gehören zur Berufsausbildung. Die Universitäten sind aber nicht als "Berufsschulen" im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft anzusehen. Der Begriff der Berufsschule im Sinne dieser Bestimmung umfasst nämlich nicht jede Bildungseinrichtung, in der eine gewisse berufliche Ausbildung vermittelt wird. Er bezieht sich ausschließlich auf Einrichtungen, die nur eine Ausbildung vermitteln, die entweder in eine Berufstätigkeit eingebettet oder mit einer solchen, insbesondere während einer Lehre, eng verbunden ist. Das ist bei Universitäten nicht der Fall.

2. Zwar fallen die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung einschließlich der Universitätsstudien im allgemeinen in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags im Sinne von dessen Artikel 7, doch liegt beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts eine Förderung, die ein Mitgliedstaat seinen Staatsangehörigen bei der Aufnahme solcher Studien gewährt, ausserhalb dieses Anwendungsbereichs, es sei denn, daß eine solche Förderung der Deckung von Einschreibegebühren oder anderen Gebühren, insbesondere von Studiengebühren dient, die für den Zugang zum Unterricht verlangt werden.

3. Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Artikels 48 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt sich nach Gemeinschaftsrecht. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten ausser Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Das Gemeinschaftsrecht stellt für die Qualifikation einer Person als Arbeitnehmer keine zusätzlichen Voraussetzungen auf. Daher dürfen die Mitgliedstaaten die Gewährung der in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgesehenen sozialen Vergünstigungen nicht einseitig von einer Berufstätigkeit von bestimmter Dauer abhängig machen.

Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingeht, um dort anschließend ein Universitätsstudium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, ist als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen.

4. Eine Förderung, die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Durchführung eines Hochschulstudiums gewährt wird, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt, stellt eine soziale Vergünstigung dar, die nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 in Anspruch nehmen kann, wer als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats im Aufnahmestaat nach Ausübung einer Berufstätigkeit ein Studium aufnimmt, das fachlich mit der früheren Berufstätigkeit im Zusammenhang steht.

Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, daß ein Angehöriger eines Mitgliedstaats aufgrund seiner Arbeitnehmereigenschaft Anspruch auf ein Stipendium hätte, wenn feststeht, daß er diese Eigenschaft nur infolge seiner Zulassung zur Universität zur Aufnahme des betreffenden Studiums erworben hat. In diesem Fall ist nämlich das Arbeitsverhältnis, das allein Grundlage der Rechte aus der Verordnung Nr. 1612/68 ist, im Verhältnis zum Studium, das durch das Stipendium finanziert werden soll, nur von untergeordneter Bedeutung.

5. Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ist dahin auszulegen, daß er Ansprüche bezueglich des Zugangs zum Unterricht nur für ein Kind begründet, das mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der Zeit lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte. Somit begründet die Bestimmung keinen Anspruch für ein Kind eines Arbeitnehmers, das geboren wurde, als dieser Arbeitnehmer bereits nicht mehr im Aufnahmestaat arbeitete oder wohnte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 21. JUNI 1988. - STEVEN MALCOLM BROWN GEGEN SECRETARY OF STATE FOR SCOTLAND. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER COURT OF SESSION VON SCHOTTLAND. - DISKRIMINIERUNGSVERBOT - ZUGANG ZUM HOCHSCHULUNTERRICHT - AUSBILDUNGSFOERDERUNG. - RECHTSSACHE 197/86.

Entscheidungsgründe:

1 Der Court of Session, Schottland, hat mit Beschluß vom 27. Juni 1986, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag fünf Fragen namentlich nach der Auslegung des Artikels 7 EWG-Vertrag und der Artikel 7 und 12 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ( ABl. L 257, S. 2 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit, den Steven Brown, der Kläger des Ausgangsverfahrens ( Kläger ) gegen die Entscheidung des Scottish Education Department ( S.E.D.), einer dem Secretary of State for Scotland, dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, unterstehenden Verwaltungseinheit, gerichtet hat, wonach dem Kläger keine Ausbildungsförderung zu gewähren ist.

3 Aus den Akten ergibt sich, daß der Kläger sowohl die französische als auch die britische Staatsangehörigkeit besitzt. Bis zum Abitur lebte er in Frankreich, danach ging er Ende 1984 ins Vereinigte Königreich. Vom 9. Januar bis zum 14. September 1984 war er bei einer Firma in Edinburg beschäftigt. Diese Beschäftigung wird im Vorlagebeschluß als "voruniversitäre praktische Ausbildung" bezeichnet. Im Oktober 1984 begann der Kläger an der Universität Cambridge mit dem Studium der Elektrotechnik, das mit einem Diplom abschließt.

4 Das S.E.D. lehnte es aus mehreren Gründen nationalen Rechts ab, dem Kläger eine Ausbildungsförderung zu gewähren, die zum einen aus einem Unterhaltszuschuß besteht, dessen Höhe sich nach dem Einkommen der Eltern richtet, und zum anderen aus der Zahlung der Unterrichtsgebühren durch das S.E.D. unmittelbar an die Universität, und zwar unabhängig vom Einkommen des Studenten oder seiner Eltern.

5 Der Kläger räumt ein, nach den nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch zu haben. Er hat gegen die ablehnende Entscheidung des S.E.D. dennoch Klage mit der Begründung erhoben, ihm stehe ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Gemeinschaftsrecht aufgrund einer der folgenden vier Bestimmungen zu : Artikel 7 EWG-Vertrag in der Auslegung durch den Gerichtshof in dem Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 293/83 ( Gravier, Slg. 1985, 606 ), Artikel 7 Absatz 3, Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68.

6 Beide Parteien haben vor dem nationalen Gericht angeregt, dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, und das nationale Gericht hat daraufhin dem Gerichtshof folgende Fragen gestellt :

"1 ) Stellt ein Vollzeitstudium der Ingenieurswissenschaften an einer Universität, das mit einem Diplom abgeschlossen wird, aufgrund dessen sein Inhaber die Ausbildungsanforderungen für die ausserordentliche Mitgliedschaft in einer Berufsorganisation für Elektroingenieure erfuellt, die es ihm ihrerseits nach zusätzlicher praktischer Erfahrung ermöglicht, als 'professional engineer' registriert zu werden und den Titel 'chartered engineer' zu führen,

a ) eine Berufsausbildung, die für die Zwecke des Artikels 7 in der Auslegung der Urteile in den Rechtssachen 152/82 ( Forcheri/Belgien ) und 293/83 ( Gravier/Stadt Lüttich ) unter den EWG-Vertrag fällt, und/oder

b ) die Inanspruchnahme einer Berufsschule im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1612/68 des Rates dar?

2 ) Erfasst der Begriff des Zugangs zur Berufsausbildung für die Zwecke des Artikels 7 EWG-Vertrag in der Auslegung der Urteile in den Rechtssachen 152/82 ( Forcheri/Belgien ) und 293/83 ( Gravier/Stadt Lüttich ) Zahlungen, die ein Mitgliedstaat nach seinem nationalen Recht an oder für eine Person in solcher Berufsausbildung für a ) deren Unterrichtsgebühren und/oder b ) deren Unterhalt vornimmt?

3 ) Ist jemand, der Angehöriger eines Mitgliedstaats ist und dort wohnhaft war und der in einen anderen Mitgliedstaat ( Gastland ) einreist, Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1612/68, wenn er

a ) während der acht Monate vor Beginn des Universitätsstudiums eine sozialversicherte bezahlte Vollzeitbeschäftigung als Elektroingenieurpraktikant ausübt,

b ) vor der Einreise in das Gastland bereits alle Vorkehrungen dafür getroffen hatte, daß er nach Ablauf der acht Monate ein Vollzeitstudium der Ingenieurswissenschaften an einer Universität des Gastlandes aufnimmt,

c ) von seinem Arbeitgeber nicht als solcher Praktikant eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre,

d ) die Stelle annahm, um Erfahrung in der elektrotechnischen Industrie zu gewinnen?

4 ) Hat ein Arbeitnehmer, der eine Stelle aufgibt, um ein Studium der Elektrotechnik mit dem Ziel aufzunehmen, Ingenieur zu werden und als solcher zu arbeiten, nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Anspruch auf eine Förderung, die Studenten nach nationalem Recht für a ) ihre Unterrichtsgebühren und/oder b ) ihren Unterhalt erhalten?

5 ) Kann sich ein Kind eines Angehörigen eines Mitgliedstaats, das im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ( Gastland ) wohnhaft ist, auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen, wenn der Elternteil, der nunmehr im Gastland weder arbeitet noch wohnt, letztmals vor der Geburt des Kindes im Gastland wohnhaft oder beschäftigt war und wenn der Wohnort des Kindes im Gastland nicht auf der Beschäftigung des Elternteils im Gastland beruht?"

7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sowie der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

8 Mit dem ersten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Universitätsstudien der im Vorlagebeschluß beschriebenen Art eine Berufsausbildung im Sinne des EWG-Vertrags darstellen.

9 Im Rahmen des Artikels 177 EWG-Vertrag ist es Aufgabe des Gerichtshofes, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungskriterien des fraglichen Studiums für die Qualifizierung an die Hand zu geben.

10 Wie der Gerichtshof mit Urteil vom 13. Februar 1985 ( a. a. O.) entschieden hat, gehört ein Studium, das auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder das die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleiht, zur Berufsausbildung. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86 ( Blaizot, Slg. 1988, 379 ) weiter entschieden hat, erfuellen Hochschulstudiengänge im allgemeinen diese Voraussetzungen; etwas anderes gilt für bestimmte besondere Studiengänge, die sich aufgrund ihrer Eigenart an Personen richten, die eher ihre Allgemeinkenntnisse vertiefen wollen als daß sie einen Zugang zum Berufsleben anstrebten.

11 Mit dem zweiten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Universitäten, die eine Berufsausbildung vermitteln, als Berufsschulen im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen sind.

12 Eine Bildungseinrichtung kann nicht schon dann als Berufsschule im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, wenn dort eine gewisse berufliche Ausbildung vermittelt wird. Der Begriff der Berufsschule ist enger und umfasst ausschließlich Einrichtungen, die nur eine Ausbildung vermitteln, die entweder in eine Berufstätigkeit eingebettet oder mit einer solchen, insbesondere während einer Lehre, eng verbunden ist. Das ist bei Universitäten nicht der Fall.

13 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß Universitätsstudien, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereiten oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleihen, zur Berufsausbildung gehören, daß aber Universitäten nicht als "Berufsschulen" im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen sind.

Zur zweiten Frage

14 Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Zahlungen, die ein Mitgliedstaat an oder für Studenten für die von der Universität verlangten Unterrichtsgebühren oder für den Lebensunterhalt dieser Studenten vornimmt, in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags im Sinne von dessen Artikel 7 fallen.

15 Im Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 283/83 ( Gravier, Slg. 1985, 606 ) hat der Gerichtshof entschieden, daß eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine nach Artikel 7 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung darstellt, sofern sie in den Anwendungsbereich dieses Vertrages fällt, und daß die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in diesen Anwendungsbereich fallen. Im Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86 ( Blaizot, Slg. 1988, 0000 ) hat der Gerichtshof festgestellt, daß Hochschulstudiengänge im allgemeinen die Voraussetzungen dafür erfuellen, als Berufsausbildung im Sinne des EWG-Vertrags angesehen zu werden.

16 Dagegen brauchte sich der Gerichtshof in den genannten Urteilen nicht zu der Frage zu äussern, ob ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der ein solches Studium aufnimmt, Anspruch auf eine Inländern gewährte staatliche Förderung hat.

17 Nur insoweit, als eine solche Förderung der Deckung von Einschreibegebühren oder anderen Gebühren, insbesondere von Studiengebühren dient, die für den Zugang zum Unterricht verlangt werden, ergibt sich aus dem genannten Urteil vom 13. Februar 1985, daß diese Förderung unter dem Gesichtspunkt, daß sie die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung betrifft, in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags fällt und daß insoweit folglich das in Artikel 7 EWG-Vertrag verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit Anwendung findet.

18 Unter diesem Vorbehalt ist festzustellen, daß beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts eine Förderung, die Studenten für den Lebensunterhalt und die Ausbildung gewährt wird, grundsätzlich ausserhalb des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrags im Sinne von dessen Artikel 7 liegt. Sie fällt nämlich zum einen in den Bereich der Bildungspolitik, die als solche nicht der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterstellt worden ist ( siehe das genannte Urteil vom 13. Februar 1985 ), und zum anderen in den der Sozialpolitik, die zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gehört, soweit sie nicht Gegenstand besonderer Vorschriften des EWG-Vertrags ist ( siehe das Urteil vom 9. Juli 1987 in den verbundenen Rechtssachen 281, 283, 284, 285 und 287/85, Wanderungspolitik, Slg. 1987, 3203 ).

19 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß die Zahlungen, die ein Mitgliedstaat an oder für Studenten für die von der Universität verlangten Unterrichtsgebühren vornimmt, nicht aber die Zahlungen für den Lebensunterhalt dieser Studenten in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags im Sinne von dessen Artikel 7 fallen.

Zur dritten Frage

20 Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der im Gastland ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingeht, um dort anschließend ein Universitätsstudium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen ist.

21 Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Artikels 48 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt sich nach Gemeinschaftsrecht. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist Arbeitnehmer jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten ausser Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen ( Urteile des Gerichtshofes vom 23. März 1982 in der Rechtssache 53/81, Levin, Slg. 1982, 1035, und vom 3. Juni 1986 in der Rechtssache 139/85, Kempf, Slg. 1986, 1746 ). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält ( Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121 ).

22 Das Gemeinschaftsrecht stellt für die Qualifikation einer Person als Arbeitnehmer keine zusätzlichen Voraussetzungen auf, und die Mitgliedstaaten dürfen die Gewährung der in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgesehenen sozialen Vergünstigungen nicht einseitig von einer Berufstätigkeit von bestimmter Dauer abhängig machen ( siehe das Urteil vom 6. Juni 1985 in der Rechtssache 157/84, Frascogna, Slg. 1985, 1744 ).

23 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, daß ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der im Gastland ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingeht, um dort anschließend ein Universitätsstudium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen ist.

Zur vierten Frage

24 Der erste Teil der vierten Frage, der die Unterrichtsgebühren betrifft, ist aufgrund der Antwort auf die zweite Frage gegenstandslos geworden. Beim zweiten Teil der vierten Frage geht es darum, ob ein Arbeitnehmer, der im Gastland ein Universitätsstudium beginnt, unter den vom vorlegenden Gericht dargestellten besonderen Umständen nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Anspruch auf eine Förderung hat, die Studenten für ihren Lebensunterhalt erhalten.

25 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Rechtssache 39/86 ( Lair, Slg. 1988, 0000 ) entschieden hat, stellt eine Förderung, die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Durchführung eines Hochschulstudiums gewährt wird, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt, eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dar.

26 In demselben Urteil hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der im Aufnahmestaat nach Ausübung einer Berufstätigkeit ein Hochschulstudium aufnimmt, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt, dann weiterhin als Arbeitnehmer anzusehen ist, der sich als solcher auf Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen kann, wenn zwischen der früheren Berufstätigkeit und dem betreffenden Studium ein Zusammenhang besteht.

27 Dies bedeutet jedoch nicht, daß ein Angehöriger eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund seiner Arbeitnehmereigenschaft Anspruch auf ein Stipendium hätte, wenn feststeht, daß er diese Eigenschaft nur infolge seiner Zulassung zur Universität zur Aufnahme des betreffenden Studiums erworben hat. In diesem Fall ist nämlich das Arbeitsverhältnis, das allein Grundlage der Rechte aus der Verordnung Nr. 1612/68 ist, im Verhältnis zum Studium, das durch das Stipendium finanziert werden soll, nur von untergeordneter Bedeutung.

28 Somit ist auf die vierte Frage zu antworten, daß ein Arbeitnehmer, der als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats im Gastland ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingegangen ist, um dort anschließend ein Studium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, keinen Anspruch nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 auf eine Förderung hat, die Studenten, die Angehörige des Gastlandes sind, für ihren Lebensunterhalt erhalten.

Zur fünften Frage

29 Für die Beantwortung der fünften Frage ist festzustellen, daß der Kläger geboren wurde, als seine Eltern bereits nicht mehr im Vereinigten Königreich arbeiteten oder wohnten. Somit hatte er dort niemals den Status eines Familienangehörigen eines Arbeitnehmers.

30 Nach der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1612/68 soll durch diese Verordnung die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer unter anderem durch Beseitigung aller Hindernisse hergestellt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland. Daher ist Artikel 12 dieser Verordnung dahin auszulegen, daß er einen Anspruch nur für ein Kind begründet, das mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der Zeit lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte. Somit begründet die Bestimmung keinen Anspruch für ein Kind eines Arbeitnehmers, das geboren wurde, als dieser Arbeitnehmer bereits nicht mehr im Gastland arbeitete oder wohnte.

31 Somit ist auf die fünfte Frage zu antworten, daß sich ein Kind eines Angehörigen eines Mitgliedstaats, das im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnhaft ist, nicht auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen kann, wenn der Elternteil, der im Gastland nicht mehr wohnt, letztmals vor der Geburt des Kindes dort als Arbeitnehmer wohnhaft war.

Kostenentscheidung:

Kosten

32 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs, der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs Dänemark und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Court of Session, Schottland, mit Beschluß vom 27. Juni 1986 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) - Universitätsstudien, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereiten oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleihen, gehören zur Berufsausbildung.

- Universitäten sind nicht als "Berufsschulen" im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft anzusehen.

2 ) Die Zahlungen, die ein Mitgliedstaat an oder für Studenten für die von der Universität verlangten Unterrichtsgebühren vornimmt, nicht aber die Zahlungen für den Lebensunterhalt dieser Studenten, fallen in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags im Sinne von dessen Artikel 7.

3 ) Ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der im Gastland ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingeht, um dort anschließend ein Universitätsstudium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, ist als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzusehen.

4 ) Ein Arbeitnehmer, der als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats im Gastland ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer von acht Monaten eingegangen ist, um dort anschließend ein Studium im selben Fachbereich zu beginnen, und der von seinem Arbeitgeber nicht eingestellt worden wäre, wenn er nicht zuvor zur Universität zugelassen worden wäre, hat keinen Anspruch nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 auf eine Förderung, die Studenten, die Angehörige des Gastlandes sind, für ihren Lebensunterhalt erhalten.

5 ) Ein Kind eines Angehörigen eines Mitgliedstaats, das im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnhaft ist, kann sich nicht auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen, wenn der Elternteil, der im Gastland nicht mehr wohnt, letztmals vor der Geburt des Kindes dort als Arbeitnehmer wohnhaft war.

Ende der Entscheidung

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