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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.1989
Aktenzeichen: 219/87
Rechtsgebiete: EGKS-Vertrag, Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS


Vorschriften:

EGKS-Vertrag Art. 33 Abs. 2
EGKS-Vertrag Art. 58
Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS Art. 15
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Im Rahmen der Quotenregelung für die Stahlerzeugung und -lieferung haben die nach Artikel 15 der Entscheidung Nr. 3485/85 zulässigen Übertragungenvon Vergleichsproduktionen von einer Gruppe auf die andere unvermeidlich eine Änderung der relativen Marktposition der Unternehmen hinsichtlich der von den Übertragungen betroffenen Erzeugnisgruppen zur Folge.

Da Monoproduzenten anders als die Produzenten, die mehr als ein Produkt herstellen, von diesen Übertragungen keinen oder nur einen sehr begrenzten Gebrauch machen können, befinden sie sich in einer besonderen Lage. Dies rechtfertigt die zu ihren Gunsten von der allgemeinen Quotenregelung abweichende Bestimmung in dem vorerwähnten Artikel, wonach die Kommission ihnen die notwendigen Anpassungen bewilligt, wenn sie im Anschluß an Übertragungen von Vergleichsproduktionen eine spürbare Verringerung des Verhältnisses zwischen ihren Vergleichsproduktionen und denen aller übrigen Unternehmen der Gemeinschaft feststellt.

Bei Unternehmen, die nicht die für den Monoproduzenten charakteristischen, besonderen Voraussetzungen erfuellen, besteht kein derartiger Grund, so daß die Kommission nicht verpflichtet war, die Garantie der relativen Marktposition auf Unternehmen auszudehnen, die 90 % ihrer gesamten Vergleichsproduktion in zwei Erzeugnisgruppen erzielen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 14. JUNI 1989. - HOOGOVENS GROEP BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - EGKS - ANPASSUNG DER LIEFERQUOTEN. - RECHTSSACHE 219/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Hoogovens Gröp BV ( nachstehend : Klägerin ) hat mit Klageschrift, die am 15. Juli 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung Nr. 1434/87/EGKS der Kommission vom 20. Mai 1987 zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 3524/86/EGKS zu Änderung der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie ( ABl. L 136, S. 39 ).

2 Mit der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 ( ABl. L 340, S. 5 ) wurde das System der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1987 verlängert, und zwar für die Gruppen I a, I b, I c, II, III, IV und VI. In Artikel 15 Absatz 1 dieser Entscheidung waren die Voraussetzungen für eine Übertragung von Vergleichsproduktionen innerhalb der beiden folgenden Blöcke von Erzeugnisgruppen geregelt : I a, I b, I c, II und III ( Block 1 ) sowie III, IV und VI ( Block 2 ). Nach Artikel 15 Absatz 2 konnte die Kommission einen Austausch, Verkäufe oder Abtretungen von Vergleichsproduktionen und -mengen genehmigen, sofern die Anlagen nach dem 1. Januar 1980 stillgelegt oder an ein Drittland verkauft und dorthin verlegt wurden. In diesen Fällen konnte die Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 3 Übertragungen der dieser Anlage entsprechenden Vergleichsmengen innerhalb der beiden in Absatz 1 aufgeführten Blöcke genehmigen.

3 Unter Hinweis darauf, daß die Erzeugnisgruppe I c ab 1. Januar 1987 nicht mehr der Quotenregelung unterliege und daß es daher wünschenswert sei, Störungen des Stahlmarktes zu vermeiden, die durch die künstliche Aufblähung der weiterhin quotengebundenen Vergleichsproduktionen infolge der Übertragung von Vergleichsproduktionen von demnächst liberalisierten Erzeugnissen entstuenden, beschloß die Kommission mit der Entscheidung Nr. 3524/86/EGKS vom 19. November 1986 zur Änderung der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS ( ABl. L 325, S. 35 ), die Anwendung von Artikel 15 Absätze 1 und 3 der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS mit sofortiger Wirkung auf die Erzeugnisse der Gruppen I a, I b, II, III, IV und VI zu beschränken.

4 Mit der Entscheidung Nr. 3746/86/EGKS vom 5. Dezember 1986 zur Änderung der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS ( ABl. L 348, S. 1 ) nahm die Kommission die Gruppe I c aus dem Quotensystem heraus.

5 Als die Kommission feststellte, daß die Auswirkungen der möglichen Übertragungen von Vergleichsproduktionen der Gruppe I c auf die weiterhin quotengebundenen Gruppen nicht so schwerwiegend waren, daß sie die mit der Entscheidung Nr. 3524/86/EGKS getroffene Maßnahme rechtfertigten, hob sie durch die Entscheidung Nr. 1434/87/EGKS mit Wirkung vom 19. November 1986 die Entscheidung Nr. 3524/86/EGKS rückwirkend auf.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe mit dem Erlaß der streitigen Entscheidung ihr gegenüber einen Ermessensmißbrauch begangen, da sie nicht die Maßnahmen vorgesehen habe, die notwendig seien, um der Klägerin die Aufrechterhaltung ihrer relativen Marktposition zu garantieren.

8 Als Semi-Monoproduzentin, die 90 % ihrer gesamten Vergleichsproduktion in zwei Gruppen erziele, könne sie von den in Artikel 15 der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS vorgesehenen Übertragungsmöglichkeiten ebenso wenig Gebrauch machen wie Monoproduzenten, die dadurch gekennzeichnet seien, daß ihre Vergleichsproduktion einer Gruppe mindestens 80 % ihrer gesamten Vergleichsproduktion darstelle. Sie müsse daher hinsichtlich der Aufrechterhaltung ihrer relativen Marktposition genauso behandelt werden wie Monoproduzenten. Während jedoch die Regelung der Kommission zugunsten von Monoproduzenten, deren relative Position durch Übertragungen auf die von ihnen produzierte Gruppe beeinträchtigt werde, Anpassungen vorsehe, sei für Semi-Monoproduzenten wie die Klägerin keine derartige Maßnahme getroffen worden.

9 Die Begründetheit der von der Klägerin erhobenen Rüge des Ermessensmißbrauchs hängt davon ab, ob die Kommission bei Erlaß der streitigen Entscheidung von ihren Befugnissen zu anderen Zwecken als denjenigen Gebrauch gemacht hat, derentwegen ihr diese Befugnisse verliehen wurden.

10 Insoweit ist zu prüfen, ob die Kommission wegen der Zielsetzung des Systems von Erzeugungsquoten, das sie gemäß Artikel 58 EGKS-Vertrag unter bestimmten Umständen einführen muß, verpflichtet ist, Unternehmen, die sich in einer Lage wie die Klägerin befinden, die Aufrechterhaltung ihrer relativen Marktposition zu gewährleisten.

11 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß die aufgrund von Artikel 58 getroffenen Maßnahmen die gesamte Stahlindustrie der Gemeinschaft in die Lage versetzen sollen, krisenhaften Auswirkungen im Falle eines Nachfragerückgangs auf einer gemeinsamen Grundlage und durch eine solidarische Anstrengung zu bewältigen. Er hat daraus hergeleitet, daß durch diese Bestimmung den Unternehmen nicht ermöglicht werden soll, sich in einer Krise den Konzequenzen ihrer früheren Investitions - und Produktionsentscheidungen zu entziehen ( Urteile vom 7. Juli 1982 in der Rechtssache 119/82, Klöckner, Slg. 1982, 2627, und vom 11. Mai 1983 in der Rechtssache 244/81, Klöckner, Slg. 1983, 1451 ).

12 Das in der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS vorgesehene System, wonach Vergleichsproduktionen von einer Gruppe auf die andere übertragen werden können - dessen Rechtmässigkeit nicht in Frage gestellt wurde -, hat unvermeidlich eine Änderung der relativen Position der Unternehmen hinsichtlich der von den Übertragungen betroffenen Erzeugnisgruppen zur Folge.

13 Nur zugunsten derjenigen Unternehmen, die lediglich eine Gruppe erzeugen oder deren Vergleichsproduktion einer Gruppe mindestens 80 % ihrer gesamten Vergleichsproduktion darstellt, hat die Kommission in Artikel 15 Absatz 1 eine Bestimmung aufgenommen, wonach sie die notwendigen Anpassungen bewilligt, wenn sie im Anschluß an gemäß Artikel 15 Absatz 1 zulässige Übertragungen von Vergleichsproduktionen eine spürbare Verringerung des Verhältnisses zwischen den Vergleichsproduktionen dieser Unternehmen auf der einen und denen aller übrigen Unternehmen der Gemeinschaft auf der anderen Seite feststellt.

14 Diese von dem allgemeinen System der Erzeugungsquoten abweichenden Bestimmung wird durch die Erwägung gerechtfertigt, daß der Monoproduzent - weder die Einführung dieses Begriffs in die Quotenregelung noch dessen Definition wurde in Frage gestellt - sich in einer besonderen Lage befindet, da er anders als die Produzenten, die im wesentlichen mehr als ein Produkt herstellen, von den Übertragungen des Artikels 15 keinen oder nur einen sehr begrenzten Gebrauch machen kann.

15 Bei Unternehmen, die nicht die für den Monoproduzenten charakteristischen besonderen Voraussetzungen erfuellen, besteht kein derartiger Grund, so daß die Kommission nicht verpflichtet war, die Garantie der relativen Marktposition auf Unternehmen auszudehnen, die sich in einer Situation wie die Klägerin befinden.

16 Es ist daher festzustellen, daß die Kommission dadurch, daß sie keine Garantie der relativen Marktposition der Klägerin vorgesehen hat, dieser gegenüber keinen Ermessensmißbrauch begangen hat.

17 Die Klage ist somit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Sechste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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