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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.04.1988
Aktenzeichen: 225/86
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag
Vorschriften:
EWG-Vertrag Art. 171 |
1. Die Durchführung eines Urteils, mit dem die Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird, muß umgehend eingeleitet und schnellstens zum Abschluß gebracht werden.
2. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um damit die Nichtbeachtung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegen.
URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. APRIL 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - NICHTDURCHFUEHRUNG DES URTEILS 166/82. - RECHTSSACHE 225/86.
Entscheidungsgründe:
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 20. August 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie dem Urteil des Gerichtshofes vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 166/82 ( Kommission/Italienische Republik, Slg. 1984, 459 ) nicht nachgekommen ist.
2 In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt : "Die Italienische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse verstossen, indem sie das Gesetz Nr. 306 vom 8. Juli 1975 erlassen und aufrechterhalten hat, soweit Artikel 10 dieses Gesetzes bestimmt, daß die Region die betroffenen Parteien zur Verhandlung über die Festsetzung des Erzeugerpreises für Milch einberuft und der vereinbarte Preis im Amtsblatt der Region zu veröffentlichen ist, und soweit Artikel 11 bestimmt, daß bei Fehlen einer Vereinbarung der Preis durch einen vom Präsidenten der Region ernannten Ausschuß festgesetzt wird."
3 Nachdem die Kommission nur ein Fernschreiben der Ständigen Vertretung der Italienischen Republik vom 7. Juni 1984 erhalten hatte, in dem ihr mitgeteilt wurde, daß ein neuer Gesetzestext, der dem Urteil des Gerichtshofes Rechnung trage, in Vorbereitung sei, forderte sie die italienische Regierung mit Schreiben vom 1. Juli 1985 auf, sich zu äussern.
4 Da die italienische Regierung bei einer Zusammenkunft mit der Kommission im Februar 1986 noch keinen Zeitpunkt für das Inkrafttreten des neuen Gesetzes nennen konnte, übersandte die Kommission ihr am 13. Mai 1986 die mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag. Nachdem diese unbeantwortet geblieben war, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
5 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte des Rechtsstreits und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
6 Die italienische Regierung hat erklärt, sie habe, um die Vertragsverletzung abzustellen, zunächst einen Antrag auf Änderung eines bereits im Parlament eingebrachten Gesetzentwurfs gestellt, diesen Antrag jedoch zurückgezogen, um die Verabschiedung des Gesetzentwurfs nicht zu verzögern. Später sei ein gesonderter Gesetzentwurf im Parlament eingebracht worden, durch den die Vertragsverletzung habe abgestellt werden sollen. Er sei im Februar 1987 von der Abgeordnetenkammer angenommen und an den Senat weitergeleitet worden, das entsprechende Gesetz sei jedoch wegen der vorzeitigen Auflösung der Kammern nicht endgültig beschlossen worden.
7 In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der italienischen Regierung dem Gerichtshof mitgeteilt, daß dieser Gesetzentwurf in der neuen Legislaturperiode am 8. Oktober 1987 erneut eingebracht worden sei. Im übrigen hat er erklärt, seit Erlaß des Urteils des Gerichtshofes hätten die Regionen ihre Befugnisse aufgrund der Rechtsvorschriften, deren mangelnde Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht in dem Urteil festgestellt worden sei, nicht mehr ausgeuebt.
8 Wie die italienische Regierung selbst eingeräumt hat, macht die ordnungsgemässe Durchführung des Urteils des Gerichtshofes vom 7. Februar 1984 die Aufhebung der in dem Urteil genannten Rechtsvorschriften erforderlich. Weder die Nichtanwendung dieser Vorschriften noch das blosse Einbringen eines Gesetzentwurfs zu ihrer Aufhebung im italienischen Parlament reicht aus, um die Vertragsverletzung abzustellen.
9 Nach Artikel 171 EWG-Vertrag hatte die Italienische Republik die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergaben. Dieser Artikel sagt nichts darüber aus, innerhalb welcher Frist diese Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Durchführung eines Urteils muß jedoch umgehend eingeleitet und schnellstens zum Abschluß gebracht werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen; denn seit Erlaß des fraglichen Urteils sind bereits mehrere Jahre verstrichen.
10 Zu den Problemen des parlamentarischen Verfahrens, auf die die italienische Regierung hingewiesen hat, ist zu bemerken, daß sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um damit die Nichtbeachtung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegen.
11 Somit ist festzustellen, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie dem Urteil des Gerichtshofes vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 166/82 ( Kommission/Italienische Republik, a. a. O.) nicht nachgekommen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
12 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden :
1 ) Die Italienische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen, indem sie dem Urteil des Gerichtshofes vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 166/82 ( Kommission/Italienische Republik, Slg. 1984, 459 ) nicht nachgekommen ist.
2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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