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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.1967
Aktenzeichen: 23-67
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. EINE VEREINBARUNG DARF FÜR DIE ENTSCHEIDUNG, OB SIE UNTER DAS VERBOT DES ARTIKELS 85 ABSATZ 1 FÄLLT, NICHT AUS IHREM WIRTSCHAFTLICHEN UND RECHTLICHEN GESAMTZUSAMMENHANG, D. H. AUS DEN TATSÄCHLICHEN ODER RECHTLICHEN BEGLEITUMSTÄNDEN, DIE DAZU FÜHREN, DASS SIE EINE VERHINDERUNG, EINSCHRÄNKUNG ODER VERFÄLSCHUNG DES WETTBEWERBS BEWIRKT, GELÖST WERDEN.

2. VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE ODER VERHALTENSWEISEN SIND GEEIGNET, DEN HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN, WENN SICH ANHAND EINER GESAMTHEIT OBJEKTIVER RECHTLICHER ODER TATSÄCHLICHER BEGLEITUMSTÄNDE VORHERSEHEN LÄSST, DASS SIE UNTER UMSTÄNDEN UNMITTELBAR ODER MITTELBAR DEN WARENVERKEHR ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN BEEINFLUSSEN, ZUR ERRICHTUNG VON HANDELSSCHRANKEN AUF DEM MARKT BEITRAGEN UND DIE VOM VERTRAG GEWOLLTE GEGENSEITIGE WIRTSCHAFTLICHE DURCHDRINGUNG ERSCHWEREN KÖNNEN. VGL. LEITSATZ NR. 7 DES URTEILS IN DER RECHTSSACHE 56/65 RSPRGH XIII, 282.

3. VEREINBARUNGEN, DURCH DIE SICH EIN UNTERNEHMEN VERPFLICHTET, SEINEN BEDARF AUSSCHLIESSLICH BEI EINEM ANDEREN UNTERNEHMEN ZU DECKEN, ERFÜLLEN NICHT SCHON DESWEGEN DIE TATBESTANDSMERKMALE DER UNVEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT IM SINN VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 DES VERTRAGES. SIE KÖNNEN JEDOCH DIESE TATBESTANDSMERKMALE ERFÜLLEN, WENN SIE EINZELN ODER GEMEINSAM MIT ANDEREN IN DEM WIRTSCHAFTLICHEN UND RECHTLICHEN ZUSAMMENHANG, IN DEM SIE ZUSTANDEGEKOMMEN SIND, MIT RÜCKSICHT AUF DIE GESAMTHEIT ALLER OBJEKTIVEN RECHTLICHEN ODER TATSÄCHLICHEN BEGLEITUMSTÄNDE GEEIGNET SIND, DEN HANDEL ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN, UND WENN SIE EINE VERHINDERUNG, EINSCHRÄNKUNG ODER VERFÄLSCHUNG DES WETTBEWERBS BEZWECKEN ODER BEWIRKEN.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 12. DEZEMBER 1967. - AKTIENGESELLSCHAFT BRASSERIE DE HAECHT GEGEN HERRN OSCAR WILKIN UND FRAU MARIE JANSSEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM TRIBUNAL DE COMMERCE LUETTICH. - RECHTSSACHE 23-67.

Entscheidungsgründe:

S. 555

MIT URTEIL VOM 8. MAI 1967, DAS BEIM GERICHTSHOF AM 27. JUNI EINGEGANGEN IST, ERSUCHT DAS TRIBUNAL DE COMMERCE LÜTTICH DEN GERICHTSHOF AUFGRUND VON ARTIKEL 177 DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EWG UM VORABENTSCHEIDUNG EINER DIE AUSLEGUNG VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 DES VERTRAGES BETREFFENDEN FRAGE. SIE LAUTET : " SIND BEI DER ENTSCHEIDUNG DARÜBER, OB DIE STREITIGEN VERTRAEGE NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 1 EWG-VERTRAG VERBOTEN SIND, DIE WIRTSCHAFTLICHEN BEGLEITUMSTÄNDE UND DIE GESAMTMARKTLAGE ZU BERÜCKSICHTIGEN, DAS HEISST IM VORLIEGENDEN FALL DAS NEBENEINANDERBESTEHEN ZAHLREICHER GLEICHARTIGER VERTRAEGE, DIE EINER SEHR GROSSEN ZAHL VON SCHANKWIRTSCHAFTEN DURCH EINE GERINGE ZAHL BELGISCHER BRAUEREIEN AUFERLEGT WURDEN, ODER IST LEDIGLICH ZU PRÜFEN, WIE SICH DIESE VERTRAEGE ALS EINZELNE AUF DEN MARKT AUSWIRKEN? "

AUS DEM VORLAGEURTEIL GEHT HERVOR, DASS SICH DIE FRAGE AUF VEREINBARUNGEN BEZIEHT, DURCH DIE SICH EIN HÄNDLER VERPFLICHTET, WÄHREND EINER BESTIMMTEN ZEIT SEINEN GESAMTEN BEDARF AUSSCHLIESSLICH BEI EINEM BESTIMMTEN LIEFERANTEN ZU DECKEN.

DAS VERBOT DES ARTIKELS 85 ABSATZ 1 EWG-VERTRAG IST AN DREI TATBESTANDSMERKMALE GEKNÜPFT, DIE FÜR DIE ENTSCHEIDUNG DER VORGELEGTEN FRAGE VON WESENTLICHER BEDEUTUNG SIND.

DIESER ARTIKEL GRENZT ZUNÄCHST DEN ANWENDUNGSBEREICH DES VERBOTS DAHIN AB, DASS ES FÜR BESTIMMTE VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE UND VERHALTENSWEISEN GILT. DARAUS, DASS ER HIERBEI DIE VEREINBARUNGEN ZWISCHEN UNTERNEHMEN, DIE BESCHLÜSSE VON UNTERNEHMENSVEREINBARUNGEN UND DIE AUFEINANDER ABGESTIMMTEN VERHALTENSWEISEN, AN DENEN ZAHLREICHE UNTERNEHMEN BETEILIGT SEIN KÖNNEN, NEBENEINANDER AUFFÜHRT, IST ZU ENTNEHMEN, DASS NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 1 DIE GESAMTHEIT ALLER UMSTÄNDE BERÜCKSICHTIGT WERDEN KANN, AUS DENEN SICH DIESE VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE UND VERHALTENSWEISEN ERGEBEN.

FERNER IST DARAUS, DASS DIE VORSCHRIFT DIE VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE ODER VERHALTENSWEISEN NICHT NUR NACH IHREM ZWECK, SONDERN AUCH NACH IHRER WIRKUNG AUF DEN WETTBEWERB DEM VERBOT UNTERWIRFT, ZU SCHLIESSEN, DASS DIESE WIRKUNGEN IN DEM RAHMEN ZU BETRACHTEN SIND, IN DEM SIE AUFTRETEN, DAS HEISST IN DEM WIRTSCHAFTLICHEN UND RECHTLICHEN GESAMTZUSAMMENHANG, IN DEM DIE VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE ODER VERHALTENSWEISEN STEHEN UND ZUSAMMEN MIT ANDEREN ZU EINER KUMULATIVEN AUSWIRKUNG AUF DEN WETTBEWERB FÜHREN KÖNNEN. DENN ES HÄTTE KEINEN SINN, VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE ODER VERHALTENSWEISEN NACH IHREN WIRKUNGEN ZU BEURTEILEN, WENN DIESE AUS DEM MARKT, IN DEM SIE AUFTRETEN, HERAUSGELÖST WERDEN UND GETRENNT VON DEM BÜNDEL IN DIE GLEICHE ODER ANDERE RICHTUNGEN GEHENDER WIRKUNGEN BETRACHTET WERDEN MÜSSTEN, DEM SIE ANGEHÖREN. EINE VEREINBARUNG DARF ALSO FÜR DIE ENTSCHEIDUNG, OB SIE UNTER DAS VERBOT DES ARTIKELS 85 ABSATZ 1 FÄLLT, NICHT AUS DIESEM ZUSAMMENHANG, DAS HEISST AUS DEN TATSÄCHLICHEN ODER RECHTLICHEN BEGLEITUMSTÄNDEN, DIE DAZU FÜHREN, DASS SIE EINE VERHINDERUNG, EINSCHRÄNKUNG ODER VERFÄLSCHUNG DES WETTBEWERBS BEWIRKT, GELÖST WERDEN. FÜR DIE PRÜFUNG, OB DIE VEREINBARUNG AUF DERARTIGE WIRKUNGEN GERICHTET IST, KANN ES AUF DAS BESTEHEN GLEICHARTIGER VERTRAEGE DANN ANKOMMEN, WENN DIE VERTRAEGE IN IHRER GESAMTHEIT GEEIGNET SIND, DIE FREIHEIT DES HANDELS EIZUSCHRÄNKEN.

S. 556

NUR SOWEIT DIE VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSE ODER VERHALTENSWEISEN DEN HANDEL ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN BEEINTRÄCHTIGEN KÖNNEN, UNTERLIEGT ENDLICH EINE STÖRUNG DES WETTBEWERBS DEN VERBOTSBESTIMMUNGEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS. DIESES TATBESTANDSMERKMAL IST ERFÜLLT, WENN SICH ANHAND EINER GESAMTHEIT OBJEKTIVER RECHTLICHER ODER TATSÄCHLICHER BEGLEITUMSTÄNDE VORHERSEHEN LÄSST, DASS DIE VEREINBARUNG, DER BESCHLUSS ODER DIE VERHALTENSWEISE GEGEBENENFALLS UNMITTELBAR ODER MITTELBAR DEN WARENVERKEHR ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN BEEINFLUSSEN, ZUR ERRICHTUNG VON HANDELSSCHRANKEN AUF DEM MARKT BEITRAGEN UND DIE VOM VERTRAG GEWOLLTE GEGENSEITIGE WIRTSCHAFTLICHE DURCHDRINGUNG ERSCHWEREN KANN. AUCH FÜR DIE PRÜFUNG, OB DIESES TATBESTANDSMERKMAL VORLIEGT, DARF ALSO DIE VEREINBARUNG, DER BESCHLUSS ODER DIE VERHALTENSWEISE NICHT VON DEN ÜBRIGEN VEREINBARUNGEN, BESCHLÜSSEN ODER VERHALTENSWEISEN GETRENNT WERDEN, IN DIE SIE EINGEFÜGT IST.

DAS BESTEHEN GLEICHARTIGER VERTRAEGE IST EIN SACHVERHALT, DER GEMEINSAM MIT ANDEREN EINE GESAMTHEIT WIRTSCHAFTLICHER UND RECHTLICHER BEGLEITUMSTÄNDE BILDEN KANN, IN DEREN ZUSAMMENHANG DER VERTRAG BEI SEINER BEURTEILUNG BETRACHTET WERDEN MUSS. DIESER SACHVERHALT MUSS DAHER BERÜCKSICHTIGT, DARF FREILICH NICHT ALLEIN ALS AUSSCHLAGGEBEND ANGESEHEN WERDEN. ER IST NUR EINER UNTER MEHREREN UMSTÄNDEN, DIE BEI DER ENTSCHEIDUNG ZU BERÜCKSICHTIGEN SIND, OB DER WETTBEWERB GESTÖRT UND DADURCH DER HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN BEEINTRÄCHTIGT WERDEN KANN.

Kostenentscheidung:

DIE EWG-KOMMISSION HAT VOR DEM GERICHTSHOF ERKLÄRUNGEN ABGEGEBEN. DIE IHR ENTSTANDENEN AUSLAGEN SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG.

DAS VERFAHREN STELLT FÜR DIE PARTEIEN DES HAUPTPROZESSES EINEN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM TRIBUNAL DE COMMERCE LÜTTICH ANHÄNGIGEN RECHTSSTREIT DAR. DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT.

Tenor:

HAT

DER GERICHTSHOF

AUF DEN VORABENTSCHEIDUNGSANTRAG DES TRIBUNAL DE COMMERCE LÜTTICH FÜR RECHT ERKANNT UND ENTSCHIEDEN :

1. VEREINBARUNGEN, DURCH DIE SICH EIN UNTERNEHMEN VERPFLICHTET, SEINEN BEDARF AUSSCHLIESSLICH BEI EINEM ANDEREN UNTERNEHMEN ZU DECKEN, ERFÜLLEN NICHT SCHON DESWEGEN DIE TATBESTANDSMERKMALE DER UNVEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT IM SINN VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 DES VERTRAGES. SIE KÖNNEN JEDOCH DIESE TATBESTANDSMERKMALE ERFÜLLEN, WENN SIE EINZELN ODER GEMEINSAM MIT ANDEREN IN DEM WIRTSCHAFTLICHEN UND RECHTLICHEN ZUSAMMENHANG, IN DEM SIE ZUSTANDEGEKOMMEN SIND, MIT RÜCKSICHT AUF DIE GESAMTHEIT ALLER OBJEKTIVEN RECHTLICHEN ODER TATSÄCHLICHEN BEGLEITUMSTÄNDE GEEIGNET SIND, DEN HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN, UND WENN SIE EINE VERHINDERUNG, EINSCHRÄNKUNG ODER VERFÄLSCHUNG DES WETTBEWERBS BEZWECKEN ODER BEWIRKEN.

2. DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DEM TRIBUNAL DE COMMERCE LÜTTICH.

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