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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.1989
Aktenzeichen: 249/86
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 1612/68, AufenthG/EWG, EWG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung Nr. 1612/68 Art. 10 Abs. 1
Verordnung Nr. 1612/68 Art. 10 Abs. 2
Verordnung Nr. 1612/68 Art. 10 Abs. 3
AufenthG/EWG § 7
EWG-Vertrag Art. 48
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Nach Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 ist das Recht der Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers, bei diesem Wohnung zu nehmen, von der Voraussetzung abhängig, daß dieser über eine Wohnung verfügt, die den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht. Diese Voraussetzung gilt nur für die Aufnahme eines jeden Familienangehörigen bei dem Wanderarbeitnehmer. Sobald die Familie zusammengeführt ist, braucht der Arbeitnehmer keinen anderen Anforderungen an die Wohnung gerecht zu werden als ein nationaler Arbeitnehmer.

Selbst unter Berücksichtigung der Befugnisse, die den Mitgliedstaaten vorbehalten sind, um den Erfordernissen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerecht zu werden, ist demnach eine nationale Regelung, nach der die Aufenthaltserlaubnis eines Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers nicht verlängert oder nachträglich zeitlich beschränkt werden kann, wenn die Wohnung der Familie aufgrund eines späteren Umstands nach den am Aufenthaltsort geltenden Maßstäben nicht mehr angemessen ist, während gegenüber eigenen Staatsangehörigen Sanktionen vergleichbarer Härte nicht vorgesehen sind, mit Artikel 10 Absatz 3 unvereinbar.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 18. MAI 1989. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - WANDERARBEITNEHMER - VERLAENGERUNG DER AUFENTHALTSERLAUBNIS DER FAMILIENANGEHOERIGEN - ERFORDERNIS, IN ANGEMESSENEN WOHNVERHAELTNISSEN ZU LEBEN. - RECHTSSACHE 249/86.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 29. September 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EWG-Vertrag und aus Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ( ABl. L 257, S. 2 ) verstossen hat, daß sie Rechtsvorschriften in Kraft gesetzt und beibehalten hat, nach denen die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmer der Gemeinschaft davon abhängig ist, daß die Familie in angemessenen Wohnverhältnissen lebt, und zwar nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem sie bei dem betreffenden Wanderarbeitnehmer Wohnung nimmt, sondern während der gesamten Aufenthaltsdauer.

2 In ihrer Klage führt die Kommission aus, nach § 7 Absatz 1 des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( AufenthG/EWG ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1980 ( BGBl. I, S. 117 ) werde "Familienangehörigen (§ 1 Absatz 2 )... auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn die Person, deren Familienangehörige sie sind, eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und ihr eine Wohnung für sich und ihre Familienangehörigen zur Verfügung steht, die den am Aufenthaltsort geltenden Maßstäben für die Angemessenheit einer Wohnung entspricht ". In § 7 Absatz 5 heisse es im vorletzten Satz wie folgt : "Die Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige von Arbeitnehmern wird auf Antrag um mindestens fünf Jahre verlängert, wenn die für die Erteilung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen." In Absatz 9 heisse es schließlich : "Die Aufenthaltserlaubnis kann nachträglich zeitlich beschränkt werden, wenn die für ihre Erteilung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen." Die Kommission habe eine Reihe von Beschwerden erhalten, nach denen die Bundesrepublik Deutschland in einigen Fällen Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verweigert und ausländerpolizeiliche Maßnahmen wie die Abschiebung in ihr Heimatland angedroht habe, wenn der vom Wanderarbeitnehmer und seiner Familie benutzte Wohnraum nicht mehr den am Aufenthaltsort geltenden Maßstäben entsprochen habe.

3 Die Kommission erachtete § 7 AufenthG/EWG für unvereinbar mit Artikel 48 EWG-Vertrag und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68. Sie richtete deshalb am 11. September 1984 ein Schreiben nach Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag an die Bundesrepublik Deutschland. Nach einer Untersuchung der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 6. November 1984 gab die Kommission am 9. September 1985 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab. Die Beantwortung dieser Stellungnahme seitens der Bundesrepublik Deutschland vom 4. Dezember 1985 hielt die Kommission nicht für überzeugend. Sie hat deshalb die vorliegende Klage erhoben.

4 Eine nähere Darstellung des einschlägigen Gemeinschafts - und nationalen Rechts, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens findet sich im Sitzungsbericht, auf den verwiesen wird. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung der Entscheidung dies erfordert.

5 Artikel 10 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1612/68 räumt den Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, grundsätzlich das Recht ein, bei dem Arbeitnehmer auf dem Gebiet des Mitgliedstaates, in dem dieser beschäftigt ist, Wohnung zu nehmen; nach Artikel 10 Absatz 3 ist "Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 2..., daß der Arbeitnehmer für seine Familie über eine Wohnung verfügt, die in dem Gebiet, in dem er beschäftigt ist, den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht; diese Bestimmung darf nicht zu Diskriminierungen zwischen den inländischen Arbeitnehmern und den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft führen ". Die Parteien streiten über die Auslegung dieser Bestimmung.

6 Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland hat Artikel 10 Absatz 3 die Regelung des Aufenthaltsrechts zum Gegenstand, das den gesamten Zeitraum der Anwesenheit im Aufnahmeland betreffe; das Erfordernis angemessenen Wohnraums gelte folglich für die gesamte Dauer des Aufenthalts. Es sei daher bei der Ausübung sowohl des Einreiserechts für jeden neu hinzuziehenden Familienangehörigen als auch des Aufenthaltsrechts im Aufnahmeland, insbesondere bei jeder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, zu prüfen. § 7 AufenthG/EWG verstosse daher nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

7 Die Kommission hingegen macht geltend, Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 beziehe sich nur auf den Zeitpunkt, zu dem die Familienangehörigen bei dem betreffenden Wanderarbeitnehmer erstmals Wohnung nähmen. Die in dieser Bestimmung enthaltene Voraussetzung in bezug auf die Wohnung müsse daher dahin ausgelegt werden, daß die Mitgliedstaaten ihre Erfuellung nur bei der erstmaligen Einreise der Familienangehörigen des Arbeitnehmers in ihr Gebiet verlangen könnten.

8 Die Verordnung Nr. 1612/68 des Rates bestimmt näher den Inhalt des Grundsatzes der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, wie er in den Artikeln 48 und 49 EWG-Vertrag niedergelegt ist. Die Verordnung ist daher im Lichte der genannten Bestimmungen des EWG-Vertrags auszulegen, nach denen alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen sind, um die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer fortschreitend herzustellen.

9 Auch hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 48/75 ( Royer, Slg. 1976, 497 ) entschieden, daß das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen und sich dort zu den vom Vertrag genannten Zwecken aufzuhalten - insbesondere, um dort eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit zu suchen oder auszuüben, oder um sich dem Ehegatten oder sonstigen Familienangehörigen anzuschließen -, unmittelbar aus dem Vertrag oder, je nach Sachlage, aus den zu seiner Durchführung ergangenen Bestimmungen fließt und folglich unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats erworben wird.

10 Weiter ist die Verordnung Nr. 1612/68 im Lichte des in Artikel 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten erwähnten Anspruchs auf Achtung des Familienlebens auszulegen. Dieser Anspruch gehört zu den Grundrechten, die nach der in der Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte bestätigten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes vom Gemeinschaftsrecht anerkannt werden.

11 Schließlich ist Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 nach Maßgabe des Systems und des Zwecks dieser Verordnung auszulegen. Aus deren Gesamtzusammenhang folgt, daß der Rat im Interesse der Freizuegigkeit der Familienangehörigen der Arbeitnehmer einerseits darauf abgestellt hat, daß das Zusammenleben mit seiner Familie für den Arbeitnehmer aus menschlicher Sicht, andererseits darauf, daß die Integration des Arbeitnehmers und seiner Familie im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage der Gleichbehandlung mit dessen Staatsangehörigen in jeder Hinsicht von Bedeutung ist.

12 Nach alledem ist Artikel 10 Absatz 3 dahin auszulegen, daß eine angemessene Wohnung nur Voraussetzung für die Aufnahme eines jeden Familienangehörigen bei dem Wanderarbeitnehmer ist und daß dieser, sobald seine Familie zusammengeführt ist, keinen anderen Anforderungen an die Wohnung gerecht werden muß als ein nationaler Arbeitnehmer.

13 Verliert eine Wohnung, die bei der Ankunft der Familienangehörigen des Wanderarbeitnehmers angemessen war, aufgrund eines späteren Ereignisses, wie der Geburt eines Kindes oder des Umstandes, daß ein Kind volljährig wurde, diese Eigenschaft, so dürfen sich folglich die gegenüber den Familienangehörigen des Arbeitnehmers zu ergreifenden Maßnahmen nicht von denen unterscheiden, die gegenüber eigenen Staatsangehörigen getroffen werden; sie dürfen nicht zu Diskriminierungen von Gemeinschaftsangehörigen gegenüber eigenen Staatsangehörigen führen.

14 Eine unterschiedliche Sanktion wäre mit den Zielen des Artikels 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 nur vereinbar, wenn der Arbeitnehmer sich eine angemessene Wohnung ausschließlich zur Erlangung des Aufenthaltsrechts für seine Familienangehörigen besorgt und sie nach Erhalt der Erlaubnis sogleich aufgegeben hätte.

15 Das deutsche Recht ist also mit den gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen insoweit unvereinbar, als danach die Aufenthaltserlaubnis eines Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers nicht verlängert oder nachträglich zeitlich beschränkt werden kann, wenn die Wohnung der Familie nach den am Aufenthaltsort geltenden Maßstäben nicht mehr angemessen ist, während gegenüber eigenen Staatsangehörigen Sanktionen vergleichbarer Härte nicht vorgesehen sind.

16 Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, daß das Recht auf Freizuegigkeit beschränkt werden müsse, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei; das Fehlen einer angemessenen Wohnung beeinträchtige die öffentliche Sicherheit und Ordnung; diese Begriffe seien nach nationalen Maßstäben zu bestimmen; § 7 AufenthG/EWG sei wesentlich nicht repressiver, sondern präventiver Natur; er sei unumgänglich, um die Arbeitnehmer zur Beachtung der Anforderungen an die Wohnung anzuhalten. Damit sei § 7 AufenthG/EWG auf der Grundlage des Artikels 48 EWG-Vertrag gerechtfertigt.

17 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77 ( Bouchereau, Slg. 1977, 1999 ) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung ausser der Störung der öffentlichung Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

18 Auch hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. Januar 1975 in der Rechtssache 64/74 ( Bonsignore, Slg. 1975, 297 ) zu Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind ( ABl. 1964, S. 850 ), wonach "bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit... ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein" darf, klargestellt, daß "gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bei Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vom Einzelfall losgelöste Erwägungen (( oder generalpräventive Gesichtspunkte )) nicht entscheidend ins Gewicht fallen dürfen ".

19 Weiter hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Mai 1982 in den verbundenen Rechtssachen 115 und 116/81 ( Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665 ) festgestellt, daß das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beurteilung von Verhaltensweisen, die als im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehend angesehen werden können, keine einheitliche Wertskala vorschreibe, daß aber gleichwohl ein Verhalten nicht als hinreichend schwerwiegend betrachtet werden könne, um im Gebiet eines Mitgliedstaats Beschränkungen der Einreise oder des Aufenthalts eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats zu rechtfertigen, wenn der erstgenannte Staat gegenüber dem gleichen Verhalten, das von eigenen Staatsangehörigen ausgehe, keine Zwangsmaßnahmen oder andere tatsächliche und effektive Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens ergreife. Dieser Mitgliedstaat könne daher nicht aufgrund des in den Artikeln 48 und 56 EWG-Vertrag enthaltenen Vorbehalts der öffentlichen Ordnung Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats aus seinem Hoheitsgebiet entfernen oder ihnen die Einreise in sein Hoheitsgebiet verweigern wegen eines Verhaltens, das bei den Angehörigen des erstgenannten Mitgliedstaats keine Veranlassung zu Zwangsmaßnahmen oder zu anderen tatsächlichen und effektiven Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens gebe.

20 Schließlich stellt die Ausweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere nach dem Urteil vom 7. Juli 1976 in der Rechtssache 118/75 ( Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185 ), eine Verneinung des durch den EWG-Vertrag verliehenen und garantierten Rechtes selbst dar, so daß es nicht gerechtfertigt ist, diese Sanktion zu verhängen, wenn sie so ausser Verhältnis zur Schwere der Tat steht, daß sie sich als eine Behinderung der Freizuegigkeit erweist.

21 Die Bundesrepublik Deutschland trägt weiter vor, die praktische Anwendung des § 7 AufenthG/EWG durch die deutschen Behörden diskriminiere die Familien von Wanderarbeitnehmern nicht; kein Familienangehöriger eines Wanderarbeitnehmers sei ausgewiesen worden.

22 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann jedoch eine blosse Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann, nicht als rechtswirksame Erfuellung der Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag betrachtet werden.

23 Nach alledem ist zu entscheiden, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 verstossen hat, daß sie Rechtsvorschriften in Kraft gesetzt und beibehalten hat, nach denen die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern der Gemeinschaft davon abhängig ist, daß die Familie in angemessenen Wohnverhältnissen lebt, und zwar nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem sie bei dem betreffenden Wanderarbeitnehmer Wohnung nimmt, sondern während der gesamten Aufenthaltsdauer.

24 Da das einschlägige deutsche Recht sonach mit Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates unvereinbar ist, braucht die Rüge der Kommission zur Vereinbarkeit dieses Rechts mit Artikel 48 EWG-Vertrag nicht geprüft zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Nach Artikel 69 § 2 Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag in die Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 verstossen, daß sie Rechtsvorschriften in Kraft gesetzt und beibehalten hat, nach denen die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern der Gemeinschaft davon abhängig ist, daß die Familie in angemessenen Wohnverhältnissen lebt, und zwar nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem sie bei dem betreffenden Wanderarbeitnehmer Wohnung nimmt, sondern während der gesamten Aufenthaltsdauer.

2 ) Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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