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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.1980
Aktenzeichen: 253-78
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Vertrag Art. 85
Vertrag Art. 87 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. DER GERICHTSHOF IST IM RAHMEN DER IHM DURCH ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG ZUGEWIESENEN AUFGABE NICHT BEFUGT , ÜBER DIE ANWENDUNG DES VERTRAGES AUF EINEN EINZELFALL ZU BEFINDEN ; ER KANN ABER IN ANBETRACHT DER NOTWENDIGKEIT , ZU EINER ZWECKDIENLICHEN AUSLEGUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ZU GELANGEN , AUS DEM DEM AUSGANGSVERFAHREN ZUGRUNDE LIEGENDEN SACHVERHALT DIE FÜR DAS VERSTÄNDNIS DER GESTELLTEN FRAGEN UND DIE ERARBEITUNG EINER SACHGERECHTEN ANTWORT ERFORDERLICHEN EINZELHEITEN ENTNEHMEN.

2. EIN VERWALTUNGSSCHREIBEN , DAS ABGESANDT WORDEN IST , OHNE DASS DIE VERÖFFENTLICHUNGSVORSCHRIFTEN DER VERORDNUNG NR. 17 BEACHTET WURDEN , UND DURCH DAS DEM BETEILIGTEN UNTERNEHMEN DIE ANSICHT DER KOMMISSION MITGETEILT WIRD , DASS FÜR SIE KEIN ANLASS BESTEHT , GEGEN BESTIMMTE VEREINBARUNGEN EINZUSCHREITEN , UND DASS DAS VERFAHREN SOMIT EINGESTELLT WERDEN KANN , STELLT WEDER EIN NEGATIVATTEST NOCH EINE ERKLÄRUNG NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG IM SINNE DER ARTIKEL 2 UND 6 DER VERORDNUNG NR. 17 DAR.

EIN DERARTIGES SCHREIBEN HINDERT DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE , VOR DENEN DIE UNVEREINBARKEIT DER FRAGLICHEN VEREINBARUNGEN MIT ARTIKEL 85 DES VERTRAGES GELTEND GEMACHT WIRD , NICHT DARAN , AUFGRUND DER IHNEN VORLIEGENDEN TATSACHEN EINE ANDERE BEURTEILUNG DIESER VEREINBARUNGEN VORZUNEHMEN. DIE IN EINEM DERARTIGEN SCHREIBEN MITGETEILTE ANSICHT BINDET ZWAR DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE NICHT ; SIE STELLT ABER EINEN TATSÄCHLICHEN UMSTAND DAR , DEN DIESE GERICHTE BEI IHRER PRÜFUNG DER FRAGE , OB DIE BETREFFENDEN VEREINBARUNGEN MIT ARTIKEL 85 VEREINBAR SIND , BERÜCKSICHTIGEN KÖNNEN.

3. DAS WETTBEWERBSRECHT DER GEMEINSCHAFT UND DAS STAATLICHE WETTBEWERBSRECHT BEURTEILEN DIE RESTRIKTIVEN PRAKTIKEN NICHT NACH DEN GLEICHEN GESICHTSPUNKTEN. DIE ARTIKEL 85 UND 86 EWG-VERTRAG STELLEN DARAUF AB , OB SIE DEN HANDEL ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN BEHINDERN KÖNNEN , WÄHREND JEDE DER STAATLICHEN WETTBEWERBSGESETZGEBUNGEN VON IHREN EIGENEN ERWAEGUNGEN AUSGEHT UND DIE RESTRIKTIVEN PRAKTIKEN LEDIGLICH NACH IHNEN BEURTEILT. HIERAUS FOLGT , DASS DIE STAATLICHEN STELLEN AUCH GEGEN SACHVERHALTE VORZUGEHEN BEFUGT SIND , DIE GEGENSTAND EINER ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION SEIN KÖNNEN.

EINE GLEICHZEITIGE ANWENDUNG DES NATIONALEN WETTBEWERBSRECHTS IST JEDOCH NUR STATTHAFT , SOWEIT SIE DIE EINHEITLICHE ANWENDUNG DES GEMEINSCHAFTSKARTELLRECHTS UND DIE VOLLE WIRKSAMKEIT DER ZU SEINEM VOLLZUG ERGANGENEN MASSNAHMEN AUF DEM GESAMTEN GEMEINSAMEN MARKT NICHT BEEINTRÄCHTIGT.

4. DIE TATSACHE , DASS EINE PRAKTIK VON DER KOMMISSION ALS NICHT UNTER DAS VERBOT DES ARTIKELS 85 ABSÄTZE 1 UND 2 EWG-VERTRAG FALLEND BEURTEILT WURDE , DESSEN GELTUNGSBEREICH AUF DIEJENIGEN KARTELLE BESCHRÄNKT IST , DIE DEN HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN GEEIGNET SIND , SCHLIESST KEINESWEGS AUS , DASS DIESE PRAKTIK VON DEN NATIONALEN STELLEN UNTER DEM GESICHTSPUNKT DER RESTRIKTIVEN WIRKUNGEN BETRACHTET WIRD , DIE SIE IM INNERSTAATLICHEN RAHMEN ENTFALTEN KANN.

UNTER DIESEN UMSTÄNDEN STEHT DAS GEMEINSCHAFTSRECHT DER ANWENDUNG INNERSTAATLICHER BESTIMMUNGEN ÜBER EIN VERBOT DER VERKAUFSWEIGERUNG NICHT ENTGEGEN , AUCH WENN DIE ZUR RECHTFERTIGUNG DIESER WEIGERUNG HERANGEZOGENEN VERTRAEGE GEGENSTAND EINER VERFAHRENSEINSTELLUNG DURCH DIE KOMMISSION WAREN.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 10. JULI 1980. - PROCUREUR DE LA REPUBLIQUE UND ANDERE GEGEN BRUNO GIRY UND GUERLAIN SA UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE PARIS. - WETTBEWERB - PARFUMS. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 253-78 UND 1 BIS 3-79.

Entscheidungsgründe:

1 DAS TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE PARIS ( 31. KAMMER ) HAT DEM GERICHTSHOF MIT BESCHLÜSSEN VOM 5. JULI 1978 , BEI DER KANZLEI DES GERICHTSHOFES EINGEGANGEN AM 14. NOVEMBER 1978 ( RECHTSSACHE 253/78 ) UND 2. JANUAR 1979 ( RECHTSSACHEN 1 BIS 3/79 ), GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG MEHRERE VORABENTSCHEIDUNGSFRAGEN NACH DER AUSLEGUNG VON ARTIKEL 85 DES VERTRAGES VORGELEGT.

2 DIESE FRAGEN SIND IM RAHMEN VON STRAFVERFAHREN GEGEN DIE LEITER DER GESELLSCHAFTEN GÜRLAIN ( RECHTSSACHE 253/78 ), PARFUMS ROCHAS ( RECHTS- SACHE 1/79 ), LANVIN PARFUMS ( RECHTSSACHE 2/79 ) UND NINA RICCI ( RECHTS- SACHE 3/79 ) WEGEN VERSTOSSES GEGEN ARTIKEL 37 ABSATZ 1 BUCHSTABE A DER FRANZÖSISCHEN PREISVERORDNUNG NR. 45-1483 VOM 30. JUNI 1945 AUFGEWORFEN WORDEN ; HIERNACH BEGEHT EINE STRAFBARE HANDLUNG JEDER ERZEUGER , HÄNDLER , FABRIKANT ODER HANDWERKER , ' ' DER SICH WEIGERT , IM RAHMEN SEINER MÖGLICHKEITEN UND ZU DEN HANDELSBRÄUCHEN ENTSPRECHENDEN BEDINGUNGEN BESTELLUNGEN DER ABNEHMER VON ERZEUGNISSEN ODER BESTELLUNGEN VON DIENSTLEISTUNGEN AUSZUFÜHREN , WENN DIESE BESTELLUNGEN NICHTS UNGEWÖHNLICHES AUFWEISEN , VON GUTGLÄUBIGEN BESTELLERN AUSGEHEN UND DER VERKAUF VON ERZEUGNISSEN ODER DIE EINBRINGUNG VON DIENSTLEISTUNGEN NICHT DURCH GESETZ ODER BEHÖRDLICHE ANORDNUNG VERBOTEN IST ' '. DIE STRAFVERFAHREN SIND AUF STRAFANZEIGE NEBST ANTRAG IM ADHÄSIONSVERFAHREN VON PARFÜMERIEEINZELHÄNDLERN EINGELEITET WORDEN , DENEN DIE GENANNTEN GESELLSCHAFTEN DEN VERKAUF VERWEIGERT HATTEN.

3 DIE ANGEKLAGTEN TRUGEN VOR DEM VORLEGENDEN GERICHT VOR , DIE VERKAUFSVERWEIGERUNGEN SEIEN INSBESONDERE DURCH DIE EXISTENZ SELEKTIVER VERTRIEBSSYSTEME FÜR DIE BETREFFENDEN ERZEUGNISSE GERECHTFERTIGT. SIE MACHTEN AUSSERDEM GELTEND , DIE VEREINBARUNGEN , AUF DENEN DIESE SELEKTIVEN VERTRIEBSSYSTEME BERUHTEN , SEIEN VON DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN GENEHMIGT WORDEN , WIE AUS DEN VON DER GENERALDIREKTION WETTBEWERB AN SIE GERICHTETEN SCHREIBEN VOM 28. OKTOBER 1975 ( GÜRLAIN ), 26. MÄRZ 1976 ( PARFUMS ROCHAS ), 22. SEPTEMBER 1976 ( LANVIN PARFUMS ) UND 20. JANUAR 1978 ( NINA RICCI ) HERVORGEHE. MIT DIESEN NAHEZU GLEICHLAUTENDEN SCHREIBEN WURDE DEN BETROFFENEN GESELLSCHAFTEN MITGETEILT , DASS ANGESICHTS DES GERINGEN ANTEILS , DEN DIE EINZELNE GESELLSCHAFT AM MARKT FÜR PARFÜMERIE- , SCHÖNHEITS- UND TOILETTENARTIKEL BESITZE , UND IM HINBLICK AUF DIE BETRÄCHTLICHE ZAHL VON KONKURRENZUNTERNEHMEN VERGLEICHBARER GRÖSSE ' ' DIE KOMMISSION NACH DEN IHR BEKANNTEN TATSACHEN KEINEN ANLASS MEHR SIEHT , GEGEN DIE ERWÄHNTEN VEREINBARUNGEN AUFGRUND VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 DES VERTRAGES VON ROM EINZUSCHREITEN. DAS VERFAHREN KANN DAHER EINGESTELLT WERDEN. ' '

4 DIE ANGEKLAGTEN , DIE ERKLÄRTEN , DASS DIESE SCHREIBEN ALS ERKLÄRUNGEN NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 ANZUSEHEN SEIEN , TRUGEN VOR , WEGEN DES VORRANGS DES GEMEINSCHAFTSRECHTS DÜRFTEN DIE NATIONALEN STELLEN NICHT GEMÄSS DEM INNERSTAATLICHEN RECHT WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN VERBIETEN , DIE VON DER KOMMISSION IM HINBLICK AUF DAS GEMEINSCHAFTSRECHT ALS ZULÄSSIG ANERKANNT WORDEN SEIEN.

5 DA SICH DAS TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE ÜBER DAS GEMEINSCHAFTSRECHT FÜR UNZUREICHEND INFORMIERT HIELT , HAT ES ANGEORDNET , DEM GERICHTSHOF DIE VON DEN GENANNTEN GESELLSCHAFTEN GESCHLOSSENEN ALLEINVERTRIEBSVERTRAEGE VORZULEGEN ,

' ' IN DENEN EINE NICHT NUR AUF QUALITATIVEN , SONDERN AUCH AUF QUANTITATIVEN AUSWAHLKRITERIEN BERUHENDE VERTRIEBSORGANISATION GEREGELT IST , DAMIT DER GERICHTSHOF KLARSTELLT , OB BESTIMMTE LUXUSARTIKEL , DEREN MARKENIMAGE EINE BEDEUTENDE ROLLE SPIELT , UNTER DIE FREISTELLUNGSBESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 85 ABSATZ 3 DES VERTRAGES DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT FALLEN KÖNNEN UND OB SICH IM VORLIEGENDEN FALL ( DIE BETREFFENDEN GESELLSCHAFTEN ) IM RAHMEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS DARAUF BERUFEN ( KÖNNEN ) ' '.

6 DER GERICHTSHOF IST IM RAHMEN DER IHM DURCH ARTIKEL 177 DES VERTRAGES ZUGEWIESENEN AUFGABE NICHT BEFUGT , ÜBER DIE ANWENDUNG DES VERTRAGES AUF EINEN EINZELFALL ZU BEFINDEN ; ER KANN ABER IN ANBETRACHT DER NOTWENDIGKEIT , ZU EINER ZWECKDIENLICHEN AUSLEGUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS ZU GELANGEN , AUS DEM DEM AUSGANGSVERFAHREN ZUGRUNDE LIEGENDEN SACHVERHALT DIE FÜR DAS VERSTÄNDNIS DER GESTELLTEN FRAGEN UND DIE ERARBEITUNG EINER SACHGERECHTEN ANTWORT ERFORDERLICHEN EINZELHEITEN ENTNEHMEN.

7 AUS DEN VORLAGEURTEILEN ERGIBT SICH , DASS DIE VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHEN DEM VORLEGENDEN GERICHT DIE ENTSCHEIDUNG DARÜBER ERMÖGLICHEN SOLLEN , OB - WIE DIE ANGEKLAGTEN VORTRAGEN - DIE STELLUNGNAHME IN DEN VON DER GENERALDIREKTION WETTBEWERB DER KOMMISSION AN DIE BETROFFENEN GESELLSCHAFTEN GERICHTETEN SCHREIBEN DER ANWENDUNG DER FRANZÖSISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN ÜBER DAS VERBOT DER VERKAUFSWEIGERUNG ENTGEGENSTEHEN. DIE BEZUGNAHME AUF ARTIKEL 85 ABSATZ 3 IN DER FRAGE DES TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE ERKLÄRT SICH NUR DURCH DAS VORBRINGEN DER ANGEKLAGTEN , WONACH DIESE SCHREIBEN GEMÄSS ARTIKEL 85 ABSATZ 3 ERLASSENE FREISTELLUNGSENTSCHEIDUNGEN DARSTELLEN. SOMIT WIRD SICH DER GERICHTSHOF AUF DIE PRÜFUNG DER FRAGE BESCHRÄNKEN , INWIEWEIT DAS GEMEINSCHAFTSRECHT UNTER UMSTÄNDEN WIE DEN VORLIEGENDEN DER ANWENDUNG DER BESTIMMUNGEN DES INNERSTAATLICHEN WETTBEWERBSRECHTS DURCH DIE NATIONALEN STELLEN ENTGEGENSTEHT.

8 VOR DER UNTERSUCHUNG DIESER FRAGE IST ES ERFORDERLICH , DIE RECHTSNATUR DER VORERWÄHNTEN SCHREIBEN ZU BESTIMMEN.

ZUR RECHTSNATUR DER FRAGLICHEN SCHREIBEN

9 ARTIKEL 87 ABSATZ 1 DES VERTRAGES HAT DEN RAT ERMÄCHTIGT , ALLE ZWECKDIENLICHEN VERORDNUNGEN ODER RICHTLINIEN ZUR VERWIRKLICHUNG DER IN DEN ARTIKELN 85 UND 86 NIEDERGELEGTEN GRUNDSÄTZE ZU ERLASSEN. AUFGRUND DIESER ERMÄCHTIGUNG ERLIESS DER RAT VERORDNUNGEN - UNTER ANDEREM DIE VERORDNUNG NR. 17 VOM 6. FEBRUAR 1962 ( ABL. 1962 , S. 204 ) - , DIE DER KOMMISSION DIE BEFUGNIS VERLIEHEN HABEN , VERSCHIEDENE ARTEN VON VERORDNUNGEN , ENTSCHEIDUNGEN UND EMPFEHLUNGEN ZU ERLASSEN.

10 ZU DEM DER KOMMISSION DAMIT FÜR DIE ERFÜLLUNG IHRER AUFGABE ZUR VERFÜGUNG GESTELLTEN INSTRUMENTARIUM GEHÖREN DIE NEGATIVATTESTE UND DIE ERKLÄRUNGEN NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3. IN BEZUG AUF DIE NEGATIVATTESTE BESTIMMT ARTIKEL 2 DER VERORDNUNG NR. 17 DES RATES , DASS DIE KOMMISSION AUF ANTRAG DER BETEILIGTEN UNTERNEHMEN FESTSTELLEN KANN , DASS NACH DEN IHR BEKANNTEN TATSACHEN FÜR SIE KEIN ANLASS BESTEHT , GEGEN EINE VEREINBARUNG , EINEN BESCHLUSS ODER EINE VERHALTENSWEISE AUFGRUND VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 ODER VON ARTIKEL 86 DES VERTRAGES EINZUSCHREITEN. IN BEZUG AUF DIE ERKLÄRUNGEN NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 SEHEN DIE ARTIKEL 6 FF. DER VERORDNUNG NR. 17 VOR , DASS DIE KOMMISSION ENTSCHEIDUNGEN ERLASSEN KANN , MIT DENEN DIE BESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 85 ABSATZ 1 AUF EINE BESTIMMTE VEREINBARUNG FÜR NICHT ANWENDBAR ERKLÄRT WERDEN , SOFERN DIESE BEI IHR ANGEMELDET WURDE , ES SEI DENN , DASS SIE NACH ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DIESER VERORDNUNG VON DER ANMELDUNG BEFREIT IST.

11 DIE VERORDNUNG NR. 17 UND DIE VERORDNUNGEN ZU IHRER DURCHFÜHRUNG LEGEN DIE REGELN FEST , DIE DIE KOMMISSION BEI ERLASS DER VORERWÄHNTEN ENTSCHEIDUNGEN ZU BEACHTEN HAT. WILL DIE KOMMISSION EIN NEGATIVATTEST AUFGRUND DES GENANNTEN ARTIKELS 2 ERTEILEN ODER EINE ERKLÄRUNG NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 ABGEBEN , SO IST SIE GEMÄSS ARTIKEL 19 ABSATZ 3 DER VERORDNUNG NR. 17 INSBESONDERE VERPFLICHTET , DEN WESENTLICHEN INHALT DES ANTRAGS ODER DER ANMELDUNG MIT DER AUFFORDERUNG AN ALLE BETROFFENEN DRITTEN ZU VERÖFFENTLICHEN , DER KOMMISSION INNERHALB EINER VON IHR FESTZUSETZENDEN FRIST BEMERKUNGEN MITZUTEILEN. NACH ARTIKEL 21 ABSATZ 1 DER VERORDNUNG SIND DIE ENTSCHEIDUNGEN ÜBER EIN NEGATIVATTEST UND DIE FREISTELLUNGSENTSCHEIDUNGEN ZU VERÖFFENTLICHEN.

12 ES IST OFFENSICHTLICH , DASS SCHREIBEN WIE DIE VON DER GENERALDIREKTION WETTBEWERB AN DIE BETROFFENEN GESELLSCHAFTEN GERICHTETEN , DIE ABGESANDT WORDEN SIND , OHNE DASS DIE VERÖFFENTLICHUNGSVORSCHRIFTEN DES ARTIKELS 19 ABSATZ 3 DER VERORDNUNG NR. 17 BEACHTET WURDEN , UND DIE AUCH NICHT NACH ARTIKEL 21 ABSATZ 1 DIESER VERORDNUNG VERÖFFENTLICHT WORDEN SIND , WEDER NEGATIVATTESTE NOCH ERKLÄRUNGEN NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 IM SINNE DER ARTIKEL 2 UND 6 DER VERORDNUNG NR. 17 DARSTELLEN. WIE DIE KOMMISSION SELBST HERVORHEBT , HANDELT ES SICH LEDIGLICH UM VERWALTUNGSSCHREIBEN , DURCH DIE DEM BETEILIGTEN UNTERNEHMEN DIE ANSICHT DER KOMMISSION MITGETEILT WIRD , DASS FÜR SIE KEIN ANLASS BESTEHT , GEGEN DIE FRAGLICHEN VERTRAEGE AUFGRUND VON ARTIKEL 85 AB- SATZ 1 DES VERTRAGES EINZUSCHREITEN , UND DASS DAS VERFAHREN SOMIT EINGESTELLT WERDEN KANN.

13 DERARTIGE , NUR AUF DIE DER KOMMISSION BEKANNTEN TATSACHEN GESTÜTZTE SCHREIBEN , DIE EINE BEURTEILUNG DER KOMMISSION WIEDERGEBEN UND EIN VON DEN ZUSTÄNDIGEN DIENSTSTELLEN DER KOMMISSION DURCHGEFÜHRTES UNTERSUCHUNGSVERFAHREN BEENDEN , HINDERN DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE , VOR DENEN DIE UNVEREINBARKEIT DER FRAGLICHEN VEREINBARUNGEN MIT ARTIKEL 85 GELTEND GEMACHT WIRD , NICHT DARAN , AUFGRUND DER IHNEN VORLIEGENDEN TATSACHEN EINE ANDERE BEURTEILUNG DIESER VEREINBARUNGEN VORZUNEHMEN. DIE IN DERARTIGEN SCHREIBEN MITGETEILTE ANSICHT BINDET ZWAR DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE NICHT , SIE STELLT ABER EINEN TATSÄCHLICHEN UMSTAND DAR , DEN DIESE GERICHTE BEI IHRER PRÜFUNG DER FRAGE , OB DIE BETREFFENDEN VEREINBARUNGEN ODER VERHALTENSWEISEN MIT ARTIKEL 85 VEREINBAR SIND , BERÜCKSICHTIGEN KÖNNEN.

ZUR ANWENDUNG DES INNERSTAATLICHEN WETTBEWERBSRECHTS

14 DAS HAUPTPROBLEM IN DEN VORLIEGENDEN RECHTSSACHEN BESTEHT DARIN , DIE WIRKUNG ZU BESTIMMEN , DIE DERARTIGE SCHREIBEN IN DEM FALL HABEN KÖNNEN , IN DEM DIE NATIONALEN STELLEN NICHT DIE ARTIKEL 85 UND 86 DES VERTRAGES , SONDERN NUR IHR INNERSTAATLICHES RECHT ANWENDEN.

15 WIE DER GERICHTSHOF IN SEINEM URTEIL VOM 13. FEBRUAR 1969 IN DER RECHTSSACHE 14/68 ( WILHELM/BUNDESKARTELLAMT , SLG. 1969 , 1 ) ENTSCHIEDEN HAT , BEURTEILEN DAS WETTBEWERBSRECHT DER GEMEINSCHAFT UND DAS STAATLICHE WETTBEWERBSRECHT DIE RESTRIKTIVEN PRAKTIKEN NICHT NACH DEN GLEICHEN GESICHTSPUNKTEN. DIE ARTIKEL 85 UND 86 STELLEN DARAUF AB , OB SIE DEN HANDEL ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN BEHINDERN KÖNNEN , WÄHREND JEDE DER STAATLICHEN WETTBEWERBSGESETZGEBUNGEN VON IHREN EIGENEN ERWAEGUNGEN AUSGEHT UND DIE RESTRIKTIVEN PRAKTIKEN LEDIGLICH NACH IHNEN BEURTEILT. HIERAUS FOLGT , DASS DIE STAATLICHEN STELLEN AUCH GEGEN SACHVERHALTE VORZUGEHEN BEFUGT SIND , DIE GEGENSTAND EINER ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION SEIN KÖNNEN.

16 IM VORGENANNTEN URTEIL HAT DER GERICHTSHOF JEDOCH AUCH HERVORGEHOBEN , DASS EINE GLEICHZEITIGE ANWENDUNG DES NATIONALEN WETTBEWERBSRECHTS NUR STATTHAFT IST , SOWEIT SIE DIE EINHEITLICHE ANWENDUNG DES GEMEINSCHAFTSKARTELLRECHTS UND DIE VOLLE WIRKSAMKEIT DER ZU SEINEM VOLLZUG ERGANGENEN MASSNAHMEN AUF DEM GESAMTEN GEMEINSAMEN MARKT NICHT BEEINTRÄCHTIGT.

17 IN DIESEM ZUSAMMENHANG IST VORGETRAGEN WORDEN , DASS DIE ANWENDUNG DES NATIONALEN WETTBEWERBSRECHTS NICHT ZULÄSSIG SEI , WENN SIE DAZU FÜHRE , DASS EINE DURCH ENTSCHEIDUNG ODER GRUPPENVERORDNUNG GEWÄHRTE FREISTELLUNG IN FRAGE GESTELLT WERDE. AUS DEN VORSTEHENDEN AUSFÜHRUNGEN ERGIBT SICH JEDOCH , DASS IN BEZUG AUF DIE VERTRAEGE , DIE GEGENSTAND DER VORLIEGENDEN RECHTSSACHEN SIND , KEINE ERKLÄRUNG NACH ARTIKEL 85 ABSATZ 3 ABGEGEBEN WURDE. AUSSERDEM STEHT FEST , DASS DIE FRAGLICHEN VEREINBARUNGEN NICHT IN DEN GELTUNGSBEREICH IRGENDEINER GRUPPENFREISTELLUNGSVERORDNUNG FALLEN.

18 DIE BETREFFENDEN VERTRAEGE WAREN NUR GEGENSTAND EINER VERFAHRENSEINSTELLUNG DURCH DIE KOMMISSION , DIE DIE ANSICHT GEÄUSSERT HAT , DASS FÜR SIE KEIN ANLASS BESTEHT , GEGEN DIESE VERTRAEGE AUFGRUND VON ARTIKEL 85 ABSATZ 1 EINZUSCHREITEN. DIESER UMSTAND KANN NICHT FÜR SICH ALLEIN BEWIRKEN , DASS DIE NATIONALEN STELLEN DARAN GEHINDERT SIND , AUF DIESE VEREINBARUNGEN BESTIMMUNGEN DES INNERSTAATLICHEN WETTBEWERBSRECHTS ANZUWENDEN , DIE GEGEBENENFALLS STRENGER SIND ALS DAS EINSCHLAEGIGE GEMEINSCHAFTSRECHT. DIE TATSACHE , DASS EINE PRAKTIK VON DER KOMMISSION ALS NICHT UNTER DAS VERBOT DES ARTIKELS 85 ABSÄTZE 1 UND 2 FALLEND BEURTEILT WURDE , DESSEN GELTUNGSBEREICH AUF DIEJENIGEN KARTELLE BESCHRÄNKT IST , DIE DEN HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN GEEIGNET SIND , SCHLIESST KEINESWEGS AUS , DASS DIESE PRAKTIK VON DEN NATIONALEN STELLEN UNTER DEM GESICHTSPUNKT DER RESTRIKTIVEN WIRKUNGEN BETRACHTET WIRD , DIE SIE IM INNERSTAATLICHEN RAHMEN ENTFALTEN KANN.

19 AUF DIE VORGELEGTE FRAGE IST SONACH ZU ANTWORTEN , DASS DAS GEMEINSCHAFTSRECHT DER ANWENDUNG INNERSTAATLICHER BESTIMMUNGEN ÜBER EIN VERBOT DER VERKAUFSWEIGERUNG NICHT ENTGEGENSTEHT , AUCH WENN DIE ZUR RECHTFERTIGUNG DIESER WEIGERUNG HERANGEZOGENEN VERTRAEGE GEGENSTAND EINER VERFAHRENSEINSTELLUNG DURCH DIE KOMMISSION WAREN.

Kostenentscheidung:

20 DIE AUSLAGEN DER BELGISCHEN REGIERUNG , DER DÄNISCHEN REGIERUNG , DER FRANZÖSISCHEN REGIERUNG , DER NIEDERLÄNDISCHEN REGIERUNG , DER REGIERUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND , DER REGIERUNG DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS UND DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN , DIE ERKLÄRUNGEN BEIM GERICHTSHOF EINGEREICHT HABEN , SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG. FÜR DIE BETEILIGTEN DER AUSGANGSVERFAHREN IST DAS VERFAHREN EIN BESTANDTEIL DER VOR DEM NATIONALEN GERICHT ANHÄNGIGEN VERFAHREN ; DIE KOSTENENTSCHEIDUNG IST DAHER SACHE DIESES GERICHTS.

AUS DIESEN GRÜNDEN

Tenor:

HAT

DER GERICHTSHOF

DIE IHM VOM TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE PARIS MIT URTEILEN VOM 5. JULI 1978 VORGELEGTE FRAGE FÜR RECHT ERKANNT :

DAS GEMEINSCHAFTSRECHT STEHT DER ANWENDUNG INNERSTAATLICHER BESTIMMUNGEN ÜBER EIN VERBOT DER VERKAUFSWEIGERUNG NICHT ENTGEGEN , AUCH WENN DIE ZUR RECHTFERTIGUNG DIESER WEIGERUNG HERANGEZOGENEN VERTRAEGE GEGENSTAND EINER VERFAHRENSEINSTELLUNG DURCH DIE KOMMISSION WAREN.

Ende der Entscheidung

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