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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.1988
Aktenzeichen: 255/86
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Da die durch die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse eingeführte Regelung über gemeinsame Qualitätsnormen abschließend ist, sind die Mitgliedstaaten nicht befugt, die Anforderungen, welche diese Regelung lediglich für die Verpackung bestimmter Gemüsearten - Zwiebeln, Artischocken, Bleichsellerie und Kopfkohl - aufstellt, auf andere Erzeugnisse auszudehnen. Auch wenn diese zusätzlichen Anforderungen nur die einheimischen Erzeugnisse betreffen, stellen sie doch den gemeinschaftlichen Charakter der Qualitätsnormen in Frage, die einheitlich für alle Erzeugnisse in der Gemeinschaft gelten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 4. FEBRUAR 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - ARTIKEL 30 EWG-VERTRAG - VERORDNUNG (EWG) NR. 1035/72 DES RATES VOM 18. MAI 1972 - NATIONALE REGELUNG UEBER DIE VERMARKTUNG VON OBST UND GEMUESE. - RECHTSSACHE 255/86.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 8. Oktober 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag und den nachstehend genannten Bestimmungen verstossen hat, daß es für die Vermarktung von Obst und Gemüse eine Regelung getroffen und aufrechterhalten hat, die gegen die Normen der auf diesem Sektor geltenden gemeinsamen Marktorganisation verstösst.

2 Hierbei handelt es sich um die Verordnung Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse ( ABl. L 118, S. 1 ) und im besonderen um die gemeinsamen Qualitätsnormen, wie sie näher bestimmt sind in der Verordnung Nr. 23/62 des Rates vom 4. April 1962 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse ( ABl. Nr. 30, S. 965 ) sowie in den Kommissionsverordnungen Nrn. 58/62 vom 15. Juni 1962 zur Festsetzung gemeinsamer Qualitätsnormen für einige Erzeugnisse in Anhang I B der Verordnung Nr. 23/62 ( ABl. Nr. 56, S. 1606 ), 183/64 vom 17. November 1964 zur Festsetzung gemeinsamer Qualitätsnormen für Spargel und Gurken ( ABl. Nr. 192, S. 3217 ), 1641/71 vom 27. Juli 1971 über die Festsetzung der Qualitätsnormen für Tafeläpfel und Tafelbirnen ( ABl. L 172, S. 1 ) und 778/83 vom 30. März 1983 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Tomaten ( ABl. L 86, S. 14 ).

3 Die belgische Königliche Verordnung über den Handel mit Gemüse und Obst vom 26. November 1982, die am 1. April 1983 in Kraft getreten war, enthielt ergänzende Vorschriften zu der auf diesem Sachgebiet geltenden Gemeinschaftsregelung. Mit Schreiben vom 10. Januar 1984 forderte die Kommission die belgische Regierung auf, sich zu bestimmten Vorschriften dieser Königlichen Verordnung zu äussern, die der für den Obst - und Gemüsesektor geltenden Gemeinschaftsregelung möglicherweise zuwiderliefen.

4 Die belgischen Stellen antworteten der Kommission mit Schreiben der Ständigen Vertretung vom 20. März 1984. Sie machten im wesentlichen geltend, die getroffenen Maßnahmen seien in technischer und administrativer Hinsicht von Nutzen und diskriminierten die eingeführten Erzeugnisse nicht; einige dieser Maßnahmen fügten den sich aus den Gemeinschaftsverordnungen ergebenden Verpflichtungen jedoch weitere hinzu.

5 Am 26. Juli 1984 gab die Kommission gemäß Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie ihre Ausführungen über den Verstoß des Königreichs Belgien gegen seine Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den Obst - und Gemüsesektor sowie aus Artikel 30 EWG-Vertrag wiederholte. Da das Königreich Belgien der Stellungnahme nicht nachkam, erhob die Kommission die vorliegende Klage.

6 Die zur Änderung der vorerwähnten Königlichen Verordnung vom 26. November 1982 ergangene belgische Königliche Verordnung vom 12. Januar 1987 hob alle vorliegend umstrittenen Erfordernisse mit Ausnahme derjenigen auf, die für einheimische Erzeugnisse die Angabe des Mindestnettogewichts sowie der Anzahl der Stücke oder der Bunde auf den Sammelverpackungen vorschrieben. Wie die Kommission ausdrücklich eingeräumt hat, ist somit nur noch der diesbezuegliche Vorwurf Gegenstand des Rechtsstreits.

7 Die einzige zwischen den Parteien streitige Frage ist, ob das Königreich Belgien befugt war, die vorgenannte Regelung zu treffen, mit der Erfordernisse, welche die auf diesem Sachgebiet geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften lediglich für Zwiebeln, Artischocken, Bleichsellerie und Kopfkohl aufstellen, auf andere Erzeugnisse erstreckt werden.

8 Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, zuletzt in seinen Urteilen vom 26. Juni 1979 in der Rechtssache 177/78 ( Pigs and Bacon Commission, Slg. 1979, 2161 ) und vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 237/83 ( Jongeneel Kaas, Slg. 1984, 483 ), sind die Mitgliedstaaten, wenn die Gemeinschaft gemäß Artikel 40 EWG-Vertrag eine Regelung über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen hat, verpflichtet, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Regelung abweichen oder sie verletzen können.

9 Für die gemeinsame Marktorganisation auf dem Obst - und Gemüsesektor ist die Verordnung Nr. 1035/72 des Rates maßgeblich, die eine Gemeinschaftsregelung über Qualitätsnormen geschaffen hat, denen die von der Verordnung erfassten Erzeugnisse entsprechen müssen; für bestimmte Erzeugnisse sind Qualitätsnormen ausserdem in den Verordnungen Nr. 23/62 des Rates sowie Nrn. 58/62, 183/64, 1641/71 und 778/83 der Kommission festgelegt. Wie aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1035/72 hervorgeht, zielt diese Regelung darauf ab, durch die Festlegung gemeinsamer Qualitätsnormen Erzeugnisse unzureichender Qualität vom Markt fernzuhalten, die Erzeugung so auszurichten, daß den Anforderungen der Verbraucher entsprochen wird, sowie die Handelsbeziehungen auf der Grundlage eines lauteren Wettbewerbs zu erleichtern und somit zu einer besseren Rentabilität der Erzeugung beizutragen.

10 Der Gerichtshof hat bereits in seinen Urteilen vom 13. Dezember 1983 in der Rechtssache 222/82 ( Apple and Pear, Slg. 1983, 4083 ) und vom 25. November 1986 in der Rechtssache 218/85 ( Association comité économique agricole régional, Slg. 1986, 3513 ) festgestellt, daß die vorgenannte Regelung über gemeinsame Qualitätsnormen abschließend ist.

11 Somit war das Königreich Belgien nicht befugt, die Anforderungen, die diese Regelung lediglich für die Verpackung bestimmter Gemüsearten - Zwiebeln, Artischocken, Bleichsellerie und Kopfkohl - aufstellt, auf andere Erzeugnisse auszudehnen. Auch wenn diese zusätzlichen Anforderungen nur die einheimischen Erzeugnisse betreffen, stellen sie doch den gemeinschaftlichen Charakter der Qualitätsnormen in Frage, die einheitlich für alle Ereugnisse in der Gemeinschaft gelten.

12 Es ist daher festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag und den Verordnungen des Rates Nrn. 1035/72 vom 18. Mai 1972 und 23/62 vom 4. April 1962 verstossen hat, daß es mit Artikel 7 Absatz 3 der Königlichen Verordnung vom 26. November 1982 über den Handel mit Obst und Gemüse in der Fassung der Königlichen Verordnung vom 12. Januar 1987 Bestimmungen erlassen und aufrechterhalten hat, welche die Verpflichtung vorsehen, auf den Sammelverpackungen für in Belgien gezuechtete Erzeugnisse das Mindestnettogewicht sowie die Anzahl der Stücke oder der Bunde anzugeben.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 4 wird eine Partei, die die Klage oder einen Antrag zurücknimmt, zur Tragung der Kosten verurteilt, es sei denn, daß die Rücknahme durch das Verhalten der anderen Partei gerechtfertigt ist.

14 Die Kommission hat im Laufe des schriftlichen Verfahrens auf einige der in der Klageschrift vorgebrachten Vorwürfe verzichtet, da das Königreich Belgien nach Erhebung der Klage insoweit seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.

15 Hieraus ergibt sich, daß diese teilweise Rücknahme durch das Verhalten des Königreichs Belgien gerechtfertigt ist, das im übrigen in den restlichen Punkten des Rechtsstreits unterlegen ist.

16 Die Kosten sind daher dem Königreich Belgien aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag sowie aus den Verordnungen des Rates Nrn. 1035/72 vom 18. Mai 1972 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse und 23/62 vom 4. April 1962 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse verstossen, daß es mit Artikel 7 Absatz 3 der Königlichen Verordnung vom 26. November 1982 über den Handel mit Obst und Gemüse in der Fassung der Königlichen Verordnung vom 12. Januar 1987 Bestimmungen erlassen und aufrechterhalten hat, welche die Verpflichtung vorsehen, auf den Sammelverpackungen für in Belgien gezuechtete Erzeugnisse das Mindestnettogewicht sowie die Anzahl der Stücke oder Bunde anzugeben.

2 ) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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