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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.05.1990
Aktenzeichen: 262/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinien 79/7, Richtlinien 86/378


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 119
Richtlinien 79/7
Richtlinien 86/378
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Zahlungen, die ein Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer anläßlich dessen Entlassung leistet, stellen eine Form von Entgelt dar, auf das der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses Anspruch hat, das ihm im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, das ihm die Anpassung an die durch den Verlust seines Arbeitsplatzes entstandene Lage erleichtert und das ihm für die Zeit der Suche einer neuen Arbeit eine Einkommensquelle sichert. Solche anläßlich einer betriebsbedingten Entlassung geleisteten Zahlungen fallen unabhängig davon in den Anwendungsbereich von Artikel 119 Absatz 2 EWG-Vertrag, ob sie aufgrund eines Arbeitsvertrags, kraft einer Rechtsvorschrift oder freiwillig geleistet werden.

2. Im Unterschied zu den Leistungen der nationalen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit sind Renten, die im Rahmen betrieblicher Systeme gezahlt werden, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie entweder auf einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern oder auf einseitiger Entscheidung des Arbeitgebers beruhen, daß sie vom Arbeitgeber allein oder von diesem und den Arbeitnehmern gemeinsam finanziert werden, daß sie gemäß den insoweit geltenden Rechtsvorschriften mit Zustimmung des Arbeitnehmers teilweise an die Stelle des gesetzlichen Systems treten und daß sie nur die Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen betreffen, Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zahlt; sie fallen somit in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag. Diese Auslegung von Artikel 119 wird nicht dadurch berührt, daß das betriebliche System treuhänderisch ausgestaltet ist und von Treuhändern verwaltet wird, die vom Arbeitgeber formal unabhängig sind, da diese Vorschrift auch für Vergütungen gilt, die der Arbeitgeber mittelbar zahlt.

3. Artikel 119 verbietet jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ohne Rücksicht darauf, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt. Daher verstösst die Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters als Voraussetzung für die Eröffnung eines Rentenanspruchs im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gegen Artikel 119, selbst wenn dieser Unterschied im Rentenalter von Männern und Frauen der insoweit für das nationale gesetzliche System geltenden Regelung entspricht.

4. In der Frage des gleichen Entgelts für Männer und Frauen ist eine echte Durchschaubarkeit, die eine wirksame Kontrolle erlaubt, nur gewährleistet, wenn der Grundsatz des gleichen Entgelts für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts und nicht umfassend für die Gesamtheit der diesen beiden Arbeitnehmergruppen gewährten Vergütungen zu beachten ist.

5. Artikel 119 EWG-Vertrag ist unmittelbar auf alle Arten von Diskriminierungen anwendbar, die sich schon anhand der dort verwendeten Merkmale der gleichen Arbeit und des gleichen Entgelts allein feststellen lassen, ohne daß gemeinschaftliche oder nationale Maßnahmen zur Bestimmung dieser Kriterien für deren Anwendung erforderlich wären. Das innerstaatliche Gericht, vor dem sich ein Betroffener auf Artikel 119 beruft, hat den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die diese Bestimmung dem einzelnen einräumt; das gilt namentlich, wenn ein an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenes betriebliches Versorgungssystem einem männlichen Arbeitnehmer nach dessen betriebsbedingter Entlassung - anders als einem weiblichen Arbeitnehmer in der gleichen Lage - nicht sofort eine Rente zahlt.

6. Da sich die Mitgliedstaaten und die betroffenen Kreise angesichts der Richtlinien 79/7 und 86/378 über den genauen Umfang ihrer Verpflichtungen im Bereich der Verwirklichung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen hinsichtlich bestimmter Altersrentenleistungen irren konnten, schließen es zwingende Gründe der Rechtssicherheit aus, daß sich ein Betroffener auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag beruft, um im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Versorgungssystems mit Wirkung von einem Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen, der vor dem Erlaß des Urteils liegt, mit dem im Wege der Vorabentscheidung die Anwendbarkeit dieses Artikels auf diese Art von Renten festgestellt wird; dies gilt nicht für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. MAI 1990. - DOUGLAS HARVEY BARBER GEGEN GUARDIAN ROYAL EXCHANGE ASSURANCE GROUP. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COURT OF APPEAL - VEREINIGTES KOENIGREICH. - SOZIALPOLITIK - GLEICHES ENTGELT FUER MAENNER UND FRAUEN - ENTLASSUNG WEGEN ARBEITSMANGELS - VORGEZOGENE ALTERSRENTE. - RECHTSSACHE 262/88.

Entscheidungsgründe:

1 Der Court of Appeal in London hat mit Beschluß vom 12. Mai 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung von Artikel 119 EWG-Vertrag sowie der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen ( ABl. L 45, S. 19; nachstehend : Richtlinie über gleiches Entgelt ) und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( ABl. L 39, S. 40; nachstehend : Gleichbehandlungsrichtlinie ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem verstorbenen Douglas Harvey Barber ( nachstehend : Kläger ) und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Guardian Royal Exchange Assurance Group ( nachstehend : Beklagte ), und betreffen den Anspruch des Klägers auf eine vorgezogene Altersrente im Zusammenhang mit seiner betriebsbedingten Entlassung.

3 Aus den Akten geht hervor, daß der Kläger der von der Beklagten errichteten Pensionskasse angeschlossen war, die ein beitragsfreies, d. h. ausschließlich vom Arbeitgeber finanziertes Versorgungssystem anwandte. Es handelte sich hierbei um ein sogenanntes "Contracted-out"-System, d. h. ein gemäß dem Social Security Pensions Act ( Gesetz über die Renten der Sozialversicherung ) von 1975 genehmigtes System, nach dem die ihm angeschlossenen Personen vertraglich auf die lohn - oder gehaltsbezogenen Leistungen der staatlichen Rentenversicherung verzichteten, an deren Stelle das genannte System trat. Die einem solchen System angeschlossenen Personen zahlten an die staatliche Versicherung lediglich ermässigte Beiträge, die der pauschalen Grundrente entsprachen, auf die nach den für diese Versicherung geltenden Bestimmungen alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre Einkünfte Anspruch haben.

4 Im Rahmen des Versorgungssystems der Beklagten war das gewöhnliche Rentenalter für die Arbeitnehmergruppe, zu der der Kläger gehörte, auf 62 Jahre für Männer und 57 Jahre für Frauen festgesetzt. Diese Differenzierung entsprach derjenigen des nationalen Systems der sozialen Sicherheit, nach dessen Bestimmungen das gewöhnliche Rentenalter für Männer 65 und für Frauen 60 Jahre beträgt. Die der Rentenkasse der Beklagten angeschlossen Personen hatten sofort Anspruch auf eine Rente, wenn sie das im Rahmen dieses Systems vorgesehene Rentenalter erreicht hatten. Eine Anwartschaft auf eine bei Erreichung des gewöhnlichen Rentenalters fällige Rente hatten auch diejenigen Versicherten, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens 40 Jahre alt und zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen waren.

5 Der "Guardian Royal Exchange Guide to Severance Terms" ( ein Leitfaden der Beklagten über die Bedingungen der Lösung des Arbeitsverhältnisses ), der Bestandteil des Arbeitsvertrags des Klägers war, gewährte den der Rentenkasse angeschlossenen Personen einen Anspruch auf eine sofort zahlbare Rente, wenn sie das Alter von 55 ( Männer ) beziehungsweise 50 Jahren ( Frauen ) erreicht hatten. Die Betroffenen, die diese Voraussetzungen nicht erfuellten, erhielten bestimmte Geldzahlungen, die auf der Grundlage ihrer Beschäftigungszeit berechnet wurden, sowie eine Anwartschaft auf eine bei Erreichung des gewöhnlichen Rentenalters fällige Rente.

6 Der Kläger wurde mit Wirkung vom 31. Dezember 1980 im Alter von 52 Jahren aus betrieblichen Gründen entlassen. Die Beklagte zahlte ihm die in den "Severance Terms" vorgesehenen Geldbeträge, die gesetzlich vorgeschriebene Abfindung bei betriebsbedingter Entlassung sowie einen freiwilligen Zusatzbetrag. Von der Vollendung seines 62. Lebensjahres an hätte er Anspruch auf eine Altersrente gehabt. Es ist unstreitig, daß eine sich in der gleichen Lage wie der Kläger befindende Frau sofort eine Rente sowie die gesetzlich vorgeschriebene Abfindung bei betriebsbedingter Entlassung erhalten hätte und daß der Gesamtwert dieser Leistungen höher gewesen wäre als der dem Kläger gezahlte Betrag.

7 Der Kläger fühlte sich aufgrund seines Geschlechts in gesetzwidriger Weise diskriminiert und erhob Klage vor dem Arbeitsgericht. Nachdem seine Klage in erster und zweiter Instanz abgewiesen worden war, legte er Berufung beim Court of Appeal ein. Dieses Gericht beschloß, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen :

"1 ) Wenn eine Gruppe von Beschäftigten unter ähnlichen Umständen wie im vorliegenden Fall von ihrem Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen entlassen wird und Leistungen in Verbindung mit dieser Entlassung erhält, sind dann alle diese Leistungen 'Entgelt' im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag und der Richtlinie über gleiches Entgelt ( 75/117/EWG ), oder fallen sie unter die Richtlinie über die Gleichbehandlung ( 76/207/EWG ), oder trifft keines von beiden zu?

2 ) Ist es für die Beantwortung der ersten Frage erheblich, daß eine der in Rede stehenden Leistungen eine in Verbindung mit einem vom Arbeitgeber verwalteteten betrieblichen Rentensystem gezahlte Rente (' eine private Rente' ) ist?

3 ) Liegt unter den Umständen des vorliegenden Falles ein Verstoß gegen den in Artikel 119 und in der Richtlinie über gleiches Entgelt genannten Grundsatz des gleichen Entgelts vor, wenn

a ) ein Mann und eine Frau gleichen Alters unter den gleichen Umständen aus betrieblichen Gründen entlassen werden und die Frau anläßlich dieser Entlassung aus betrieblichen Gründen sofort eine private Rente erhält, der Mann dagegen nur eine Anwartschaft auf eine später fällig werdende private Rente, oder

b ) der Gesamtwert der Leistungen, die die Frau erhält, höher ist als der Gesamtwert der Leistungen, die der Mann erhält?

4 ) Haben Artikel 119 und die Richtlinie über gleiches Entgelt unter den Umständen des vorliegenden Falles unmittelbare Wirkung?

5 ) Ist es für die Antwort auf die dritte Frage erheblich, daß die Frau Anspruch auf eine sofort fällige Rente nach den 'Severance Terms' nur hat, wenn sie die Voraussetzungen für eine sofort fällige Rente nach den Vorschriften des privaten Betriebsrentensystems insoweit erfuellt, als sie von Guardian als in den Ruhestand getreten angesehen wird, weil sie innerhalb von sieben Jahren vor Erreichen ihres in dem Rentensystem vorgesehenen normalen Rentenalters aus betrieblichen Gründen entlassen worden ist?"

8 Während des Verfahrens vor dem Gerichtshof ist der Kläger verstorben. Da das vorlegende Gericht seine Witwe und Testamentsvollstreckerin, Pamela Barber, ermächtigt hat, die Klage in ihrem eigenen Namen und für Rechnung des Nachlasses des Klägers weiterzuverfolgen, hat das Vorabentscheidungsverfahren seinen gewöhnlichen Verlauf genommen.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des dem Ausgangsrechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalts, der betroffenen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, des Verfahrensablaufs und der vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

10 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Leistungen, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer bei dessen betriebsbedingter Entlassung gewährt, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag und der Richtlinie über gleiches Entgelt oder aber in denjenigen der Gleichbehandlungsrichtlinie fallen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe namentlich das Urteil vom 31. März 1981 in der Rechtssache 96/80, Jenkins/Kinsgate, Slg. 1981, 911, Randnr. 22 ) berührt die erstgenannte Richtlinie, die im wesentlichen die Anwendung des in Artikel 119 EWG-Vertrag niedergelegten Grundsatzes des gleichen Entgelts erleichtern soll, in keiner Weise den Inhalt oder die Tragweite dieses Grundsatzes, so wie er in dieser Vorschrift definiert ist. Es ist daher in erster Linie zu prüfen, ob Artikel 119 auf einen Sachverhalt anwendbar ist, wie er dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt.

12 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, umfasst der Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 Absatz 2 alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen, vorausgesetzt, daß sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt ( siehe namentlich das Urteil vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 12/81, Garland/British Rail Engineering, Slg. 1982, 359, Randnr. 5 ). Infolgedessen schließt der Umstand, daß bestimmte Leistungen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden, nicht aus, daß sie den Charakter eines Entgelts im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag haben.

13 Entschädigungsleistungen, die einem Arbeitnehmer bei betriebsbedingter Entlassung gewährt werden, stellen eine Form von Entgelt dar, auf das der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses Anspruch hat, das ihm im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, das ihm die Anpassung an die durch den Verlust seines Arbeitsplatzes entstandene Lage erleichtert und das ihm für die Zeit der Suche einer neuen Arbeit eine Einkommensquelle sichert.

14 Hieraus folgt, daß eine einem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf seine betriebsbedingte Entlassung gewährte Entschädigung grundsätzlich vom Begriff des Entgelts im Sinne des Artikels 119 EWG-Vertrag erfasst wird.

15 Das Vereinigte Königreich hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung bei betriebsbedingter Entlassung falle nicht unter Artikel 119 EWG-Vertrag, da sie eine Leistung der Sozialversicherung und keine Form des Entgelts sei.

16 Hierzu ist festzustellen, daß eine vom Arbeitgeber gewährte Entlassungsentschädigung wie diejenige, um die es hier geht, nicht bereits deswegen ihre Eigenschaft als eine Form von Entgelt verliert, weil sie nicht aufgrund des Arbeitsvertrags geleistet wird, sondern gesetzlich vorgeschrieben ist oder freiwillig gezahlt wird.

17 Soweit es sich nämlich um gesetzlich vorgeschriebene Entlassungsentschädigungen handelt, ist daran zu erinnern, daß Artikel 119, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75 ( Defrenne/Sabena, Slg. 1976, 455, Randnr. 40 ) entschieden hat, auch Diskriminierungen betrifft, die ihren Ursprung unmittelbar in Rechtsvorschriften haben. Das bedeutet, daß gesetzlich vorgesehene Leistungen unter den Begriff des Entgelts im Sinne dieser Bestimmung fallen können.

18 Es trifft zwar zu, daß zahlreiche von Arbeitgebern gewährte Vergünstigungen auch sozialpolitischen Erwägungen Rechnung tragen; der Entgeltcharakter einer Leistung kann aber nicht in Zweifel gezogen werden, wenn der Arbeitnehmer wegen des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf diese Leistung hat.

19 Soweit es um freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers geht, ergibt sich aus dem erwähnten Urteil vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 12/81 ( Garland, a. a. O., Randnr. 10 ), daß Artikel 119 auch Anwendung auf Vergünstigungen findet, die ein Arbeitgeber den Arbeitnehmern gewährt, ohne hierzu vertraglich verpflichtet zu sein.

20 Ohne daß die Frage der Anwendbarkeit der Gleichbehandlungsrichtlinie geprüft werden müsste, ist daher auf die erste Frage zu antworten, daß Zahlungen, die ein Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer anläßlich dessen betriebsbedingter Entlassung leistet, unabhängig davon in den Anwendungsbereich von Artikel 119 Absatz 2 EWG-Vertrag fallen, ob sie aufgrund eines Arbeitsvertrags, kraft einer Rechtsvorschrift oder freiwillig geleistet werden.

Zur zweiten Frage

21 Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Vorlagefrage dahin zu verstehen, ob eine Rente, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen (" contracted out ") betrieblichen Systems gezahlt wird, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag fällt, insbesondere wenn diese Rente anläßlich einer betriebsbedingten Entlassung gewährt wird.

22 Wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 25. Mai 1971 in der Rechtssache 80/70 ( Defrenne/Belgischer Staat, Slg. 1971, 445, Randnrn. 7 und 8 ) festgestellt hat, sind Vergütungen, die ihrer Natur nach Leistungen der sozialen Sicherheit sind, grundsätzlich nicht vom Entgeltbegriff auszuschließen. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, daß in diesen Begriff, wie er in Artikel 119 definiert wird, Sozialversicherungssysteme oder -leistungen, insbesondere Altersrenten, nicht einbezogen werden können, die unmittelbar durch Gesetz geregelt sind, keinerlei vertragliche Vereinbarungen innerhalb des Unternehmens oder des betroffenen Gewerbezweigs zulassen und zwingend für allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gelten.

23 Nach der Feststellung des Gerichtshofes sichern diese Regelungen den Arbeitnehmern nämlich die Vorteile aus gesetzlichen Systemen, an deren Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und gegebenenfalls die öffentliche Hand in einem Masse beteiligt sind, die weniger vom Dienstverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von sozialpolitischen Erwägungen abhängt.

24 Für die Beantwortung der zweiten Frage ist daher zu untersuchen, ob diese Überlegungen auch für an die Stelle des gesetzlichen Systems getretene betriebliche Systeme wie dasjenige gelten, um das es sich im vorliegenden Fall handelt.

25 Hierzu ist erstens festzustellen, daß die in Rede stehenden Systeme entweder auf einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern oder auf einseitiger Entscheidung des Arbeitgebers beruhen. Sie werden ohne jede Beteiligung der öffentlichen Hand in vollem Umfang vom Arbeitgeber oder von diesem und den Arbeitnehmern gemeinsam finanziert. Demgemäß gehören solche Systeme zu den Vergütungen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern gewährt.

26 Zweitens gelten diese Systeme nicht zwingend für allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern. Sie betreffen vielmehr lediglich die Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen, so daß sich die Zugehörigkeit zu solchen Systemen notwendigerweise aus dem Arbeitsverhältnis mit einem bestimmten Arbeitgeber ergibt. Überdies gelten für die genannten Systeme, auch wenn sie in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften errichtet werden und infolgedessen die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen für die Anerkennung als an die Stelle des gesetzlichen Systems getretene betriebliche Systeme erfuellen, jeweils eigene Regelungen.

27 Drittens ist festzustellen, daß die Anwendung von Artikel 119 auch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die im Rahmen dieser Systeme entrichteten Beiträge und gewährten Leistungen teilweise an die Stelle der Beiträge und Leistungen des allgemeinen gesetzlichen Systems treten. Wie aus den Akten hervorgeht, können betriebliche Systeme wie das vorliegende den ihnen angeschlossenen Personen höhere Leistungen gewähren, als diese sie im Rahmen des gesetzlichen Systems erhalten würden, so daß ihre wirtschaftliche Funktion derjenigen der ergänzenden Systeme in einigen Mitgliedstaaten ähnlich ist, in denen eine Versicherungs - und Beitragspflicht der Arbeitnehmer im Rahmen des gesetzlichen Systems besteht, von der es keine Ausnahmen gibt. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 ( Bilka-Kaufhaus/Weber von Hartz, Slg. 1986, 1607 ) entschieden, daß Leistungen, die von einem ergänzenden Versorgungssystem gewährt werden, unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 fallen.

28 Folglich sind Renten, die im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, im Unterschied zu den Leistungen der nationalen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zahlt; sie fallen somit in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag.

29 Diese Auslegung von Artikel 119 wird nicht dadurch berührt, daß das in Rede stehende betriebliche System treuhänderisch ausgestaltet ist und von Treuhändern verwaltet wird, die vom Arbeitgeber formal unabhängig sind, da Artikel 119 auch für Vergütungen gilt, die der Arbeitgeber mittelbar zahlt.

30 Auf die zweite Vorlagefrage ist daher zu antworten, daß Renten, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag fallen.

Zur dritten und zur fünften Frage

31 Diese Fragen gehen erstens dahin, ob es gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstösst, wenn aufgrund einer je nach Geschlecht unterschiedlichen Regelung des Rentenalters, die der Regelung im Rahmen des nationalen gesetzlichen Altersrentensystems entspricht, ein aus betrieblichen Gründen entlassener Mann nur eine Anwartschaft auf eine bei Erreichung des gewöhnlichen Rentenalters zu zahlende Rente hat, während eine Frau in der gleichen Lage sofort Anspruch auf eine Rente hat. Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts oder lediglich nach Maßgabe einer Gesamtbewertung der den Arbeitnehmern gezahlten Vergütungen gewährleistet sein muß.

32 Zu der ersten der beiden so formulierten Fragen genügt die Feststellung, daß Artikel 119 jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ohne Rücksicht darauf verbietet, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt. Daher verstösst die Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters für die Zahlung von Renten im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gegen Artikel 119, selbst wenn dieser Unterschied im Rentenalter von Männern und Frauen der insoweit für das nationale gesetzliche System geltenden Regelung entspricht.

33 Was die zweite dieser Fragen betrifft, ist auf das Urteil vom 30. Juni 1988 in der Rechtssache 318/86 ( Kommission/Französische Republik, Slg. 1988, 3559, Randnr. 27 ) und auf das Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 109/88 ( Handel - og Kontorfuntionärernes Forbund i Danmark/Dansk Arbejdsgiverforening ( für Danfoß ), Slg. 1989, 3199, Randnr. 12 ) zu verweisen, in denen der Gerichtshof die grundlegende Bedeutung betont hat, die der Durchschaubarkeit und namentlich der Möglichkeit einer Kontrolle durch die innerstaatlichen Gerichte zukommt, damit jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verhindert und, wenn notwendig, beseitigt werden kann.

34 Was die Methode für die Prüfung der Frage angeht, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts beachtet worden ist, so ist festzustellen, daß diese gerichtliche Kontrolle schwierig und die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 dementsprechend gemindert wäre, wenn die staatlichen Gerichte verpflichtet wären, die Gesamtheit der verschiedenartigen den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern im Einzelfall gewährten Vergütungen zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Eine echte Durchschaubarkeit, die eine wirksame Kontrolle erlaubt, ist folglich nur gewährleistet, wenn der Grundsatz des gleichen Entgelts für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts gilt.

35 Auf die dritte und fünfte Frage ist daher zu antworten, daß es gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstösst, wenn aufgrund einer je nach Geschlecht unterschiedlichen Regelung des Rentenalters, die der Regelung im Rahmen des nationalen gesetzlichen Altersrentensystems entspricht, ein aus betrieblichen Gründen entlassener Mann nur eine Anwartschaft auf eine bei Erreichung des gewöhnlichen Rentenalters zu zahlende Rente hat, während eine Frau in der gleichen Lage sofort Anspruch auf eine Rente hat. Der Grundsatz des gleichen Entgelts muß für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts und nicht nur nach Maßgabe einer Gesamtbewertung der den Arbeitnehmern gezahlten Vergütungen gewährleistet sein.

Zur vierten Frage

36 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 119 EWG-Vertrag und die Richtlinie über gleiches Entgelt unter den Umständen des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung haben.

37 In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage bedarf es keiner Erörterung der Wirkungen der Richtlinie über gleiches Entgelt. Zu Artikel 119 ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verweisen, namentlich auf das Urteil vom 31. März 1981 in der Rechtssache 96/80 ( Jenkins, a. a. O., Randnr. 17 ), wonach diese Bestimmung unmittelbar auf alle Arten von Diskriminierungen anwendbar ist, die sich schon anhand der dort verwendeten Merkmale "gleiche Arbeit" und "gleiches Entgelt" allein feststellen lassen, ohne daß gemeinschaftliche oder nationale Maßnahmen zur Bestimmung dieser Kriterien für deren Anwendung erforderlich wären.

38 Wenn eine Frau bei ihrer betriebsbedingten Entlassung sofort Anspruch auf eine Rente hat, während ein Mann gleichen Alters unter den gleichen Umständen nur eine Anwartschaft auf eine später zu zahlende Rente hat, so liegt ein ungleiches Entgelt für diese beiden Gruppen von Arbeitnehmern vor, was das vorlegende Gericht anhand der Bestandteile des in Rede stehenden Entgelts und der in Artikel 119 aufgestellten Kriterien selbst feststellen kann.

39 Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, daß sich die Betroffenen vor den innerstaatlichen Gerichten auf Artikel 119 EWG-Vertrag berufen können und daß diese Gerichte den Schutz der Rechte zu gewährleisten haben, die diese Bestimmung dem einzelnen einräumt; das gilt namentlich, wenn ein an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenes betriebliches Versorgungssystem einem männlichen Arbeitnehmer nach dessen betriebsbedingter Entlassung - anders als einem weiblichen Arbeitnehmer in der gleichen Lage - nicht sofort eine Rente zahlt.

Zur zeitlichen Wirkung des vorliegenden Urteils

40 In ihren schriftlichen und mündlichen Ausführungen hat die Kommission darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof, wenn er den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 Absatz 2 EWG-Vertrag dahin auslegen sollte, daß er auch Renten erfasse, die von an die Stelle des gestzlichen Systems getretenen betrieblichen Systemen gezahlt würden, die zeitlichen Wirkungen seines Urteils so beschränken könne, daß eine Berufung auf dieses Urteil nur im Rahmen von bereits vor den innerstaatlichen Gerichten anhängigen sowie in solchen Rechtsstreitigkeiten zulässig sei, die nach dem Erlaß des Urteils entstandene Sachverhalte beträfen. Das Vereinigte Königreich hat in der mündlichen Verhandlung die schwerwiegenden finanziellen Auswirkungen betont, die eine derartige Auslegung von Artikel 119 haben würde. Die Zahl der solchen Systemen angeschlossenen Arbeitnehmer sei im Vereinigten Königreich sehr hoch; diese Systeme wichen häufig vom Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau ab, insbesondere in der Weise, daß sie ein unterschiedliches Rentenalter vorsähen.

41 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75 ( Defrenne, a. a. O.) anerkannt hat, kann er sich mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Störungen, zu denen sein Urteil im Hinblick auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge führen könnte, ausnahmsweise dazu veranlasst sehen, die Möglichkeit für die Betroffenen zu beschränken, sich auf die Auslegung zu berufen, die der Gerichtshof einer Bestimmung im Wege der Vorabentscheidung gegeben hat. Eine solche Beschränkung kann nur der Gerichtshof selbst, und zwar in eben dem Urteil aussprechen, das über die erbetene Auslegung entscheidet.

42 Für die vorliegende Rechtssache ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ( ABl. 1979, L 6, S. 24 ) die Mitgliedstaaten ermächtigt hat, die obligatorische Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters - oder Ruhestandsrente sowie etwaiger Auswirkungen hiervon auf andere Leistungen aufzuschieben. Diese Ausnahme wurde von Artikel 9 Buchstabe a der Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ( ABl. L 225, S. 40 ) übernommen, die auf an die Stelle des gesetzlichen Systems getretene betriebliche Systeme wie dasjenige, um das es im Ausgangsverfahren geht, anwendbar sein kann.

43 Angesichts dieser Bestimmungen durften die Mitgliedstaaten und die Betroffenen vernünftigerweise annehmen, daß Artikel 119 nicht für Renten gelte, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt würden, und daß Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in diesem Bereich nach wie vor zulässig seien.

44 Unter diesen Umständen schließen es zwingende Gründe der Rechtssicherheit aus, daß Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden, wenn dies rückwirkend das finanzielle Gleichgewicht zahlreicher an die Stelle des gesetzlichen Systems getretener betrieblicher Versorgungssysteme stören könnte. Eine Ausnahme ist jedoch zugunsten von Personen vorzusehen, die rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen haben. Schließlich ist klarzustellen, daß für den Erwerb eines Rentenanspruchs nach Erlaß des vorliegenden Urteils eine Beschränkung der Wirkungen dieser Auslegung nicht in Betracht kommt.

45 Es ist daher für Recht zu erkennen, daß sich niemand auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag berufen kann, um mit Wirkung von einem vor Erlaß des vorliegenden Urteils liegenden Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen; dies gilt nicht für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben.

Kostenentscheidung:

Kosten

46 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Court of Appeal in London mit Beschluß vom 12. Mai 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Zahlungen, die ein Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer anläßlich dessen betriebsbedingter Entlassung leistet, fallen unabhängig davon in den Anwendungsbereich von Artikel 119 Absatz 2 EWG-Vertrag, ob sie aufgrund eines Arbeitsvertrags, kraft einer Rechtsvorschrift oder freiwillig geleistet werden.

2 ) Renten, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag.

3 ) Es verstösst gegen Artikel 119 EWG-Vertrag, wenn aufgrund einer je nach Geschlecht unterschiedlichen Regelung des Rentenalters, die der Regelung im Rahmen des nationalen gesetzlichen Altersrentensystems entspricht, ein aus betrieblichen Gründen entlassener Mann nur eine Anwartschaft auf eine bei Erreichung des gewöhnlichen Rentenalters zu zahlende Rente hat, während eine Frau in der gleichen Lage sofort Anspruch auf eine Rente hat. Der Grundsatz des gleichen Entgelts muß für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts und nicht nur nach Maßgabe einer Gesamtbewertung der den Arbeitnehmern gezahlten Vergütungen gewährleistet sein.

4 ) Die Betroffenen können sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf Artikel 119 EWG-Vertrag berufen; diese Gerichte haben den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die die genannte Bestimmung dem einzelnen einräumt. Das gilt namentlich, wenn ein an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenes betriebliches Versorgungssystem einem männlichen Arbeitnehmer nach dessen betriebsbedingter Entlassung - anders als einem weiblichen Arbeitnehmer in der gleichen Lage - nicht sofort eine Rente zahlt.

5 ) Niemand kann sich auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag berufen, um mit Wirkung von einem vor Erlaß des vorliegenden Urteils liegenden Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen; dies gilt nicht für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben.

Ende der Entscheidung

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