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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1988
Aktenzeichen: 292/87
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 41
Beamtenstatut Art. 63
Beamtenstatut Art. 64
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Organ, das in Ausführung eines Urteils des Gerichtshofes verpflichtet ist, einen Beamten nach Ablauf eines Urlaubs aus persönlichen Gründen gemäß Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Statuts wiederzuverwenden, hat zwar zuegig zu handeln, muß aber über die erforderliche Zeitspanne verfügen, um die Eignung des betroffenen Beamten und diejenige der anderen Beamten, die sich in der gleichen Lage befinden wie dieser, miteinander vergleichen zu können.

2. Bei der Berechnung der einem Beamten, der infolge des rechtswidrigen Verhaltens eines Gemeinschaftsorgans nach Ablauf seines Urlaubs aus persönlichen Gründen nicht wiederverwendet wurde, zustehenden Entschädigung ist die Verpflichtung des Betroffenen zu berücksichtigen, sich mit gehöriger Sorgfalt um eine Schadensminderung zu bemühen; hierzu muß er sich gegebenenfalls um andere Stellen bewerben und erst recht eine von ihm ausgeuebte Tätigkeit beibehalten.

Das betroffene Organ ist nicht verpflichtet, den etwaigen Vermögensschaden zu ersetzen, der durch den Entschluß des Beamten entstanden ist, vor dem Zeitpunkt, zu dem ihm seine Wiederverwendung mitgeteilt wurde, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und seinen Wohnsitz an den Ort seiner früheren dienstlichen Verwendung zu verlegen. In einem solchen Fall ist das Organ berechtigt, von dem Betrag, den es an den Betroffenen zu zahlen hat, den Betrag abzuziehen, den dieser hätte verdienen können, wenn er seine Stelle bis zu dem Zeitpunkt beibehalten hätte, zu dem ihm seine Wiederverwendung mitgeteilt wurde.

In Ermangelung ausdrücklicher oder auf die Art und Weise der Zahlung der vorgenannten Entschädigung analog anwendbarer Vorschriften des Statuts ist diese im übrigen in der Währung des Landes zu leisten, in dem der Betroffene seine Tätigkeit ausübte; auf sie ist der entsprechende Berichtigungsköffizient anzuwenden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 22. SEPTEMBER 1988. - ADRIANO PIZZIOLO GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - URLAUB AUS PERSOENLICHEN GRUENDEN - WIEDERVERWENDUNG DES KLAEGERS. - RECHTSSACHE 292/87.

Entscheidungsgründe:

1 Der Kläger, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 30. September 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine Klage erhoben, mit der er im wesentlichen beantragt, die Entscheidungen aufzuheben, mit denen die Kommission sich geweigert hat, ihm einen Betrag in Höhe der Nettodienstbezuege zu zahlen, die er erhalten hätte, wenn er tatsächlich für die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 7. März 1984 wiederverwendet worden wäre, sowie ihm diesen Betrag in DM zu zahlen und auf ihn den für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Berichtigungsköffizienten anzuwenden.

2 Dem Kläger war vom 1. März 1970 bis 28. Februar 1971 Urlaub aus persönlichen Gründen gewährt worden. Zuvor war er der Dienststelle "Keramik und Metallurgie" der Gemeinsamen Forschungsanstalt Karlsruhe als wissenschaftlicher Beamter in der Besoldungsgruppe A 6 zugewiesen. Eine Verlängerung seines Urlaubs beantragte er nicht; da die Kommission ihn nach Ablauf des Urlaubs nicht wiederverwendet hatte, erhob er Klage mit dem Ziel seiner Wiederverwendung zum 1. März 1971.

3 Mit Zwischenurteil vom 2. April 1981 ( Rechtssache 785/79, Pizziolo, Slg. 1981, 969 ) wies der Gerichtshof den Antrag des Klägers auf Wiederverwendung mit Wirkung vom 1. März 1971 ab. Er beschloß jedoch, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Kläger die jeweils erforderliche Befähigung und Eignung zur Wiederverwendung in einer Reihe von Planstellen besaß, die zwischenzeitlich ausgeschrieben worden waren.

4 Aufgrund dieses Gutachtens verpflichtete der Gerichtshof die Kommission mit Urteil vom 5. Mai 1983 ( Rechtssache 785/79, Pizziolo, Slg. 1983, 1343 ), den Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1977 wiederzuverwenden und ihm einen Betrag in Höhe der Nettodienstbezuege zu zahlen, die er vom 1. Januar 1977, wenn er zu diesem Zeitpunkt wiederverwendet worden wäre, bis zu seiner tatsächlichen Wiederverwendung erhalten hätte, jedoch unter Abzug seiner in demselben Zeitraum aus anderweitiger beruflicher Tätigkeit erzielten Nettöinkünfte.

5 Tatsächlich hat der Kläger eine Tätigkeit bei dem Unternehmen AGIP Nucleare in Italien ausgeuebt. Am 30. September 1983 gab er diese Stelle auf und verlegte, da er mit seiner unmittelbar bevorstehenden Wiederverwendung rechnete, seinen Wohnsitz nach Bad Herrenalb bei Karlsruhe. Die Kommission forderte ihn mit Telegramm vom 24. Februar 1984 auf, seine Arbeit in einer Planstelle in Petten wiederaufzunehmen, die am 16. Juni 1983 unter der Nr. KOM/R/564/83 ausgeschrieben worden war; die Wiederverwendung wurde am 7. März 1984 wirksam.

6 Für die Berechnung des geschuldeten Betrags fingierte die Kommission, daß der Kläger bis zu diesem Tag weiterhin bei der Firma AGIP gearbeitet habe; sie zog von dem zu zahlenden Betrag die Einkünfte ab, die der Kläger von diesem Unternehmen für die Zeit vom 30. September 1983 bis zum 7. März 1984 bezogen hätte, wenn er weiterhin dort gearbeitet hätte. Diese Entscheidung der Kommission bildet den wesentlichen Gegenstand der vorliegenden Klage.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Weigerung der Kommission, einen Betrag in Höhe der vollen Nettodienstbezuege zu zahlen

8 Zur Stützung seines Antrags macht der Kläger geltend, da das vorgenannte Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1983 seine Wiederverwendung keiner Frist unterworfen habe, sei die Kommission verpflichtet gewesen, ihn unverzueglich wiederzuverwenden. Er habe somit seine Stelle berechtigterweise aufgegeben. Daß die Kommission ihn nicht sofort wiederverwendet habe, stelle einen Mangel an Sorgfalt dar, dessen Folgen die Kommission dadurch abhelfen müsse, daß sie ihm während des Verzugszeitraums sein volles Gehalt zahle.

9 Demgegenüber wirft die Kommission dem Kläger vor, die Sorgfaltspflicht verletzt zu haben, die ihm das vorgenannte Urteil auferlegt habe; diesem Urteil zufolge hätte er sich um Minderung seines Schadens bemühen müssen. Er habe aber das genaue Gegenteil getan und müsse daher die Folgen tragen.

10 Hierzu ist zu bemerken, daß das Urteil vom 5. Mai 1983 die Kommission, wie diese zu Recht ausführt, verpflichtete, den Kläger nach Artikel 4O Absatz 4 Buchstabe d des Statuts wiederzuverwenden, was nicht nur das Vorhandensein einer freien Planstelle voraussetzt, sondern auch die Beurteilung der Eignung des Beamten und den Vergleich zwischen dieser Eignung und derjenigen anderer Beamter, die sich in derselben Lage wie er befanden.

11 Es steht jedoch fest, daß für die am 16. Juni 1983 ausgeschriebene Stelle andere sich im Urlaub aus persönlichen Gründen befindende Beamte in Betracht kamen, deren Eignung ebenfalls geprüft werden musste. Die Akten enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich die Verwaltung für diese Prüfung mehr Zeit gelassen hätte, als nötig war.

12 Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, daß die Kommission es an der erforderlichen Sorgfalt hätte fehlen lassen, indem sie dem Kläger erst am 23. Februar 1984 mitteilte, daß er in Petten wiederverwendet werden würde.

13 Was das Verhalten des Klägers betrifft, so hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Mai 1983 betont, daß es dem Kläger obliegt, sich mit gehöriger Sorgfalt um eine Schadensminderung zu bemühen, gegebenenfalls indem er sich um andere Stellen bewirbt. Erst recht war von ihm zu verlangen, daß er die von ihm bereits ausgeuebte Tätigkeit so lange beibehielt, bis ihm die Anstellungsbehörde mitteilte, daß er tatsächlich wiederverwendet werden würde.

14 Es ist daher festzustellen, daß der Kläger nicht mit der gehörigen Sorgfalt gehandelt hat, als er vorzeitig seine Stellung aufgab, und daß er die Folgen etwaiger Nachteile zu tragen hat, die ihm aus seinem Entschluß erwachsen sind. Die Kommission war somit berechtigt, von dem Betrag, den sie an den Kläger zu zahlen hatte, den Betrag abzuziehen, den er hätte verdienen können, wenn er seine Stelle bis zu dem Zeitpunkt beibehalten hätte, zu dem ihm seine Wiederverwendung mitgeteilt wurde.

15 Der Antrag auf Aufhebung dieser Entscheidung ist daher zurückzuweisen.

Zu den Zahlungsbedingungen

16 Der Kläger führt aus, der Betrag, den ihm die Kommission zu zahlen hatte, hätte in DM entrichtet und unter Anwendung des für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Berichtigungsköffizienten berechnet werden müssen, da er nach Beendigung seiner Tätigkeit in Italien in Erwartung seiner tatsächlichen Wiederverwendung nach Bad Herrenalb gezogen sei, wo er eine Wohnung gehabt habe. Aus dem Statut und der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( Urteil vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 156/68, Newth, Slg. 1979, 1941 ) ergebe sich nämlich, daß er einen Anspruch auf Bezahlung in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten seines Aufenthaltslandes, also der Bundesrepublik Deutschland, gehabt habe.

17 Dagegen ist die Kommission der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet gewesen, diesen Forderungen stattzugeben, da der Kläger seinen Wohnsitz aus persönlichen, in keinem Zusammenhang mit seinem statutarischen Rechtsverhältnis zur Kommission stehenden Gründen gewechselt habe.

18 In Ermangelung ausdrücklicher einschlägiger Vorschriften des Statuts greift der Kläger auf die Bestimmungen über den Berichtigungsköffizienten zurück, der bei in den einstweiligen Ruhestand versetzten ( Artikel 41 ) oder im aktiven Dienstverhältnis stehenden ( Artikel 63, 64 ) Beamten anwendbar ist. Keine dieser Bestimmungen kann jedoch auf den Kläger Anwendung finden.

19 Es steht nämlich fest, daß der Kläger sich während des streitigen Zeitraums nicht in einem aktiven Dienstverhältnis befand; wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, hatte er auch keinen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als ob er in einem solchen Verhältnis gestanden hätte, da die Kommission seine Wiederverwendung nicht ungebührlich hinausgezögert hat.

20 Ebensowenig kann die Lage des Klägers mit der - im Urteil vom 31. Mai 1979 erörterten - Lage eines in den einstweiligen Ruhestand versetzten oder aus dienstlichen Gründen seiner Stelle enthobenen Beamten verglichen werden. Hierbei handelt es sich nämlich um rechtliche Situationen, die auf eine auf dienstlichen Gründen beruhende Entscheidung der Anstellungsbehörde zurückgehen, nicht auf einen auf persönlichen Gründen beruhenden Entschluß des Beamten.

21 Schließlich ist daran zu erinnern, daß der Betrag, den die Kommission dem Kläger schuldete, den Unterschied zwischen dem Gehalt, das der Kläger bezogen hätte, wenn er von der Kommission wiederverwendet worden wäre, und dem Gehalt ausgleichen sollte, das er von dem italienischen Unternehmen, bei dem er gearbeitet hat, bezogen hätte, wenn er seine dortige Stelle bis zum Zeitpunkt seiner tatsächlichen Wiederverwendung beibehalten hätte.

22 Nach alledem war die Kommission berechtigt, auf die dem Kläger für den streitigen Zeitraum geschuldeten Beträge weiterhin den italienischen Berichtigungsköffizienten anzuwenden und diese Beträge in italienischer Währung zu zahlen.

23 Die Klage ist daher in vollem Umfang abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

24 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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